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Samstag, 31. Mai 2014

Das digitale Dorf

Im Blog Ökonomenstimmen haben Schweizer Konjunkturforscher der ETH Zürich gerade einen Artikel zu ihrem Big-Data Nowcast-Instrument veröffentlicht. Deutlich schneller als die traditionelle Konjunkturforschung mit ihren zeitverzögerten Daten wollen sie Prognosen zur Schweizer Konjunkturentwicklung liefern. Im Vergleich zu den ex post ermittelten Daten schneidet das Instrument meist ganz gut ab, hat aber gerade zuletzt  deutlich abweichende Daten produziert, die sich im nachhinein als falsch herausstellten. Das heißt nicht, dass das Instrument nicht taugt, sondern eher, dass hier noch weitere Forschung und Entwicklung notwendig ist.

Die Sammlung und Auswertung sozioökonomischer Daten schafft nicht nur bei der Konjunkturprognose ganz neue Möglichkeiten, auch die Analyse aktueller politischer Ereignisse wird im Lichte großer Kontextdaten interessant. In Foreign Policy erschien gerade ein Artikel zur Gewalt in der Ukraine und in den Ländern des Arabischen Frühlings, der die These vertritt, dass die Proteste des arabischen Frühlings zu einer Welle weltweiter Proteste geführt haben. Dahinter steht das GDELT-Projekt, dass den Anspruch hat, Krisen in aller Welt vorherzusagen. Bislang besticht das Tool durch beeindruckende Graphiken vergangener Ereignisse, die Prognosekraft zu beweisen steht aus meiner Sicht noch aus.

Auch MIT-Professor Alex Pentland träumt davon, soziologische Studien mit Echtdaten zu revolutionieren, er will dazu Städte als Real-Labore nutzen und open data Ansätze der smart cities für die Sozialanalyse verwenden. Mittlerweile gibt es auch Konferenzen und Wettbewerbe wie SBP (International Conference on Social Computing, Behavioral-Cultural Modeling, and Prediction), die entsprechende Forschungsprojekte präsentieren.

Ja, und wenn de Bürger der smarten Städte mitmachen, gibt es sogar die richtigen Daten. In Lateinamerika haben Apps Konjunktur, mit denen Bürger Verdächtige und Kriminelle fotografieren und melden können, um die Arbeit der Polizei zu unterstützen. Mit solchen Daten kann man sicher auch toll zaubern, da scheint der Schritt zum social engineering nicht mehr weit. Natürlich klingt dass auch ziemlich gruselig, die volle soziale Kontrolle durch unsere Nachbarn, für alle sichtbar im Netz! Da schnurrt die Welt wieder zusammen zum digitalen Dorf, in dem jeder alles weiß und Informationen (und Gerüchte) nicht so schnell vergessen werden. Echtzeit-Daten sind im Dorf auch früher nicht das große Problem gewesen.

Vielleicht aber ist die dörfliche Gemeinschaft auch nur die uns allen am ehesten gemäße (und jahrtausendalte gewohnte) Lebensform, und alle Innovation (nicht nur die digitale Revolution, auch die mobile Vernetzung) nur ein einziger Versuch, diese dörfliche "Idylle" wieder herzustellen - als kuscheliges Paradies oder als soziale Hölle...  

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