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Samstag, 30. August 2014

Infrastrukturinvestitionen

Deutschland zerbröselt: Brücken rosten, Straßen sind löchrig wie ein Schweizer Käse, die Infrastruktur des Landes pfeift aus dem letzten Loch. So klingt zumindest der Aufschrei aus Teilen der Politik und der Wirtschaft. Das BMWi hat nun eine Expertenkommission zu dem Thema berufen, deren Vorsitzender der DIW-Chef Fratzscher ist. Da sitzen nun die üblichen Verdächtigen aus Wirtschaft und Wissenschaft, auch Gewerkschaftsvertreter sind mit an Bord; aber auch - und da wird es interessant - Vertreter des Deutschen Städtetages und zweier großer Versicherungskonzerne. Der Umbau der Städte in smarte und nachhaltige Städte wird viel Geld kosten, welches die klammen deutschen Kommunen kaum selbst aufbringen werden können.
Dabei ist hier einiges an Bewegung - Berlin bastelt gerade an seinem Masterplan Smart City, die Nationale Plattform Zukunftsstadt wird Ende September ihre Ergebnisse zur Diskussion stellen. Für die Umsetzung dieser Konzepte, für den Aufbau intelligenter Strom- und Mobilitätsnetze die Ressourcen der Versicherungswirtschaft anzuzapfen, ist eine spannende Perspektive. Allerdings sind solchen public private partnerships nicht unumstritten. Die privaten Investoren erwarten natürlich langfristige Rückflüsse. Ob das auf Dauer billiger wird, als wenn der Staat investiert, ist eine offene Frage, wie auch der Beitrag im Blog Herdentrieb der ZEIT kommentiert. 
Zudem ist der deutsche Kapitalmarkt nicht so glücklich ausgestattet wie manch anderer. Wir haben keinen Zukunftsfonds wie die Norweger, die die Erlöse aus ihren Öl- und Gasüberschüssen so langfristig investieren können. Wir haben auch keine Pensionskassen wie die Schweizer, die gerade über einen Zukunftsfonds für verstärkte Investitionen in Start-ups und Zukunftstechnologien diskutieren. Und wir haben auch keine unermesslichen Überschüsse aus einem Handelsbilanzüberschuss wie die Chinesen,  die nun auf Shoppin gtour gehen (siehe die verstärkten chinesischen Investitionen in europäische Infrastrukturen).
In kleinem Maßstab ist Stadtentwicklung sogar manchmal von unten und crowdfinanziert möglich,  wie dieser aktuelle Artikel in der Zeit zu einem Schwimmbad im Hudson zeigt. Gibt's als Idee natürlich auch für die Spree....
P.S.: Zum Thema hat jetzt auch Spiegel Online einen Artikel veröffentlicht
...und jetzt auch ZEIT online

P.P.S. ...zum Thema Infrastrukturinvestitionen und erneuerbare Energien hat sich dann auch letzte Woche Rainer Baake vom BMWi geäußert..

Montag, 25. August 2014

Wissenschaftliche Politkberatung

Nach der Europawahl und dem Gerangel um den neuen Kommissionspräsidenten scheint das Interesse in Deutschland an Europa deutlich gesunken zu sein. Zumindest ignoriert (wie der Bogbeitrag bei Wissensküche zeigt) die deutsche Medienlandschaft weitgehend die aktuelle Auseinandersetzung um die Nachfolge der Chief Scientific Adviser Anne Glover, die bislang den scheidenden Kommissionspräsidenten Barroso beriet. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Deutschland (wie übrigens fast alle Länder Kontinentaleuropas) das angelsächsische System eines Chief Scientific Advisers nicht kennt und stattdessen auf Akademien und spezifische Beratungsgremien setzt. Für das Thema Innovationspolitik z.B. gibt es die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die Forschungsunion und den Innovationsdialog. Vielleicht liegt es auch daran, dass Barroso bislang in Deutschland nicht als kraftvoller Kommissionspräsident wahrgenommen wurde.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wissenschaftliche Politikberatung in Deutschland kein besonders konfliktreiches Thema ist. Laut einer diesen Sommer veröffentlichten Umfrage von Wissenschaft im Dialog wird die Bedeutung und der Nutzen von Wissenschaft und Forschung für die Gesellschaft in Deutschland von einer großen Mehrheit der Befragten als hoch eingeschätzt. Allerdings ist der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik für die Mehrheit der Befragten zu gering, knapp die Hälfte wünscht sich, dass die Öffentlichkeit stärker in Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung einbezogen wird. Das spricht ja eigentlich für mehr wissenschaftliche Politikberatung.

Wie dem auch sei, Anne Glover ist auf jeden Fall in die Schusslinie der Kritik geraten, zumindest in de Schusslinie einiger NGOs. Vordergründig geht es um die Intransparenz ihrer Beratung und den fehlenden  Einfluss anderer gesellschaftlicher Kräfte, hintergründig möglicher Weise auch um ihre Haltung zu genmanipulierten Organismen. Der nachfolgende Artikel bringt die Diskussion um Anne Glover ganz gut auf den Punkt. 

Das Thema sollte eigentlich auch in Deutschland interessieren, denn die EU wird in allen Politikbereichen immer wichtiger, und damit auch die Entscheidungsgrundlage europäischer Institutionen relevant. Im Sinne einer evidence based policy sollte eine fundierte wissenschaftliche Politikberatung hier eine wichtige Rolle spielen. Und das tut sie im Prinzip natürlich auch. Eine breite Landschaft an Beratungsgremien mit wissenschaftlichen Mitgliedern unterstützt die Generaldirektionen des Kommission und das Parlament, mit dem IPTS hält sich die Kommission ein eigen4es Think Tank. Aber Wissenschaft ist nur ein Einflussfaktor in der Entscheidungsfindung. Dazu kommt die noch breitere Landschaft an Interessensgruppen, Lobbyvertretern und NGOs, die ihrerseits Vorschläge aufgrund eigener wissenschaftlicher Studien und Experten machen.

Europa ist also ein gutes Beispiel für den sich ändernden öffentlichen Diskurs über Politik, in dem auch Wissenschaft eine andere Rolle spielt, stärker Partei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wird und sich dieser veränderten Rolle anpassen muss. Schön herausgearbeitet hat diesen Wandel die niederländische Rathenau-Stiftung in ihrem Bericht zu "Contested Science".

Noch komplexer wird das ganze dann bei Herausforderungen, deren Lösung internationale Zusammenarbeit erfordern. Hier ist neben einer engeren Abstimmung der entsprechenden Regierungen wohl auch eine engere Kooperation der wissenschaftlichen Berater notwendig. Mittlerweile existiert hierfür ja ein enges Geflecht an Institutionen wie das Global Science Forum der OECD oder der International Council for Science, das stetig erweitert wird. Hier wird auch Ende August eine Konferenz in Auckland zum Thema Wissenschaftliche Politikberatung mit beitragen. In diesen Gremien wird die veränderte Rolle von wissenschaftlicher Politikberatung zurzeit intensiv diskutiert, das Global Science Forum widmet sich in einem aktuellen Projekt z.B. " on Scientific advice for policymaking, and the consequences on the role and responsibility of scientists".

Genug Grund also, auch in Deutschland die Diskussion um Anne Glover nicht aus dem Blick zu verlieren.

P.S. hier noch der Link zu einem interessanten Dossier von EURACTIVE, in dem die Überarbeitung der Impact Assessment Leitlinien der EU Kommission vorgestellt wird - ein zentraler Ort, an dem tatsächlich wissenschaftliche Politikberatung mit weitreichenden Folgen stattfindet

P.P.S. und hier noch der Link auf einen sehr lesenswerten, aktuellen Artikel im Guardian, der auf die Situation in Japan (sinkendes Vertrauen in Wissenschaft nach Fukushima) und auf das oben genannte Projekt des Global Science Forum Bezug nimmt

Sonntag, 24. August 2014

Die Abwicklung

Ich habe gerade das wunderbare Buch "Die Abwicklung" von George Packers gelesen, indem der soziale, politische und kulturelle Wandel Amerikas in den letzten 30 Jahren geschildert wird. In vielen miteinander verwobenen Handlungssträngen zeichnet der Autor ein sehr schwarzes Bild von Amerika. Die Wallstreet wird immer gieriger, die politische Klasse korrupter, und auch die Helden von Silicon Valley kommen nicht besonders gut weg.

Ziemlich beeindruckend ist zum Beispiel auch das Kapitel zum Niedergang der alten industriellen Zentren der Stahlindustrie. Dieser Niedergang wird nicht nur durch die Globalisierung getrieben, auch eine unfähige alte Elite trägt erheblich dazu bei. Letztlich also scheitert die Politik.

Das Thema des schwächelnden Produktionsstandortes USA beschäftigt die Amerikaner schon seit geraumer Zeit.  Think Tanks haben sich dazu vielfach geäußert und die amerikanische Regierung hat entsprechende Programme aufgelegt.

Neben der nationalen Ebene gibt es aber auch eine lokale Ebene. Manche Städte haben es einfach besser verstanden als andere, den Strukturwandel zu bewältigen und als Innovations- und Produktionsstandort attraktiv zu bleiben. Sehr beeindruckt beschreibt dies zum Beispiel dieser Bericht zu Pittsburg. Das World Economic Forum beschäftigt sich in diesem und anderen Artikeln seit einiger Zeit sehr intensiv mit dem Zukunft der Städte und versucht, aus good practice und bad practice -Beispielen Erfahrungswerte für die Zukunft unserer Städte abzuleiten.

Für die Optimisten das World Economic Forum ist Technologie ein wichtiger Lösungsweg auch zur Bewältigung politischer Probleme wie Korruption. Das zeigt zum Beispiel der jüngste Blogbeitrag zum Thema open budget data.

Ich wäre da etwas skeptischer, ob neue Technologien wirklich eingefahrene Verhaltensmuster wie Korruption verändern können. "Die Abwicklung" zeigt eigentlich sehr schön, wie Machtinteressen und persönliche Eitelkeiten Stück für Stück die politische Kultur und damit auch die materielle Wirklichkeit eines Landes verändern.

Auch auf der Ebene der Stadt machen Smart City Konzepte Städte nicht wirklich smarter, wenn sich auf der politischen Ebene nichts bewegt.

Samstag, 16. August 2014

Digitale Agenda

Nächste Woche wird die Bundesregierung die Digitale Agenda im Kabinett beschließen. Darin steht vermutlich vieles, was nicht ganz neu ist: der Ausbau des Breitbandnetzes, die Vernetzung der Fabriken im Sinne einer digitalen Produktion und auch die Förderung von Gründern im Bereich IKT. Einige Überraschungen werden sicher auch drin sein in der digitalen Wundertüte - lassen wir uns überraschen.
Viel wichtiger ist aber eigentlich eine übergreifende Strategie und eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ressorts. Tatsächlich gibt es einige digitale Themen, in denen Deutschland nicht als Klassenprimus da steht, zum Beispiel bei den eher mageren und weiter zurückgehenden Gründungszahlen.
Die Bertelsmann-Stiftung hat gerade die Ergebnisse einer neuen Studie veröffentlicht, in der sich die Deutschen als potentielle Gründer outen, denen nur das nötige Know-how beziehungsweise die nötige Schulbildung fehlen.
Das haben die einschlägigen Industrieverbände schon immer gewusst und gefordert. Und tatsächlich, eine Studie aus Skandinavien zeigt, daß junge Menschen, die in der Schule ein entsprechendes Fach Wirtschaft oder Gründung belegten, hinterher häufiger und auch erfolgreicher gründeten. Aber Schulpolitik ist Ländersache, da wird der Bund nur wenig ausrichten können.
Ein anderes Betätigungsfeld betrifft die Finanzierung von Gründen. Erst letzte Woche hat das Wirtschaftsministerium stolz verkündet das der Mezzanin-Fonds der KfW deutlich ausgeweitet wird. Aber irgendwo muss noch mehr Geld her.
Der große Unterschied Deutschland zu den USA besteht ja unter anderem gerade darin, dass keine großen Investitionen von Pensionskassen und Versicherern in Start-ups erfolgen. Die deutschen Verbände haben sich jetzt dafür stark gemacht, die Möglichkeiten für solche Institutionen Investitionen zu verbessern und sich am Beispiel der Schweiz zu orientieren, die einen Zukunftsfonds geschaffen hat.
Ein weiteres Schlagwort der digitalen Agenda wird sicher auch die Crowd sein. Zum Thema Crowdfunding erschien gerade ein neuer Artikel, der auf Studien verweist, die die Weisheit der Crowd bei der Wahl der richtigen, erfolgversprechenden Projekte belegen - zumindest gilt dies für Projekte aus dem Kreativbereich. Außerdem scheint die Crowd weiblichen Entrepreneuren eher Geld zu geben als klassische Finanziers.
Allgemein steigt ja seit längerem das Volumen an Crowdfunding und Crowdinvesting -Mitteln stetig an. Im Vergleich zur traditionellen Finanzierung von Gründungsideen bleibt das zwar eine Nische, aber eine wachsende und für manche Geschäftsideen durchaus attraktive. Auch hierzu wird sich die Digitale Agenda der Bundesregierung äußern müssen. Der neue Kleinanlegerschutz der Bundesregierung zumindest wurde von der Crowdszene nicht wirklich goutiert.
Vielleicht rettet uns ja am Ende das Privatfernsehen ab August mit seiner neuen Gründershow und macht aus Deutschland ein Land der Gründer und Entrepreneure. Bei der Volksaktie haben die Werbeclips mit Manfred Krug ja damals auch eine echte Trendwende erreicht. Es muss ja nicht alles immer so abstürzen wie der alte neue Markt, oder?
 
P.S. Ein kleiner Nachklapp: Heute hat die Zeit im Wirtschaftsteil ihrer Printausgabe ein Portrait des sicheren Datenhafens Island - sozusagen die Hardwareergänzung zum Estnischen "Sichere-Identitäten"-Ansatz...
P.P.S. Und zur Gründershop "Höhle des Löwen" hier die Bewertung der Berliner Gründerszene nach dem Public Viewing..
P.P.P.S. ... und jetzt auch noch die TITANIC zur Digitalen Agenda...

Samstag, 9. August 2014

Digitale Identitäten

Sommer 2024: Deutschland diskutiert den Aufstieg dunkler, allmächtiger Internetkonzerne, oder vielmehr - die Zeit rezensiert das jetzt endlich auch auf deutsch erschienenen Buch von Daniel Eggers: the circle - und hat gleich noch ein Spezial zu Googles schöner neuer Welt mit im Paket. Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung widmet sich heute diesem Buch, unter anderem in einem Interview mit Daniel Eggers.
Gerade erst haben Kriminelle Millionen von Nutzerdaten und Passwörtern geklaut, die NSA sucht einen neuen Whistleblower. Schreckliche neue Welt der digitalen Identitäten...
Aber halt, ein kleines Volk im Nordosten Europas stellt sich tapfer gegen diesen Trend, es plant mit seiner digitalen ID einen echten Coup. Massiv verschlüsselt, scheint der estnische Personalausweis tatsächlich viel sicherer zu sein als alles, was private Anbieter oder andere Staaten sonst so zu bieten haben. Das ganze Leben soll einfacher dadurch werden, die Anmeldung eines neuen Unternehmens, der Besuch beim Arzt und so weiter und so fort.
Das kennen wir auch aus Deutschland. Hier hat man versucht, zum Beispiel mit der elektronischen Gesundheitskarte oder dem maschinenlesbaren Ausweis die Vorteile einer digitalen Identität zu nutzen. Bislang ist das ganze hier eher ein Flop gewesen (beide Länder im Vergleich in der hörenswerten Sendung auf SWR2 Wissen). Der Economist hat das Thema vor einem Monat ebenfalls aufgegriffen, damals erinnerte er sich mit Grauen an die finanziellen Ausgaben der britischen Regierung, denen nur wenige Erfolge gegenüber stehen. 
Die estnische Regierung scheint jetzt daran zu denken, die ID Cards auch an Ausländer auszugeben, damit auch diese in den Genuss einer einfachen und sicheren digitalen Identität kommen. Damit löst sich die enge Bindung zwischen Staatsbürgerschaft und Ausweis auf, der Ausweis  wird zu einer Eintrittskarte in die digitale Welt, der Staat zu einem Anbieter unter vielen.
Nach so viel Digitalität nun aber noch ein kleines Schmankerl aus der Welt des Analogen. Vergangene Woche hat es ein Papierroboter zu ein wenig Berühmtheit gebracht. Gefaltet in der Technik des Origami, in der Lage, sich selbst auseinander zufalten und zu bewegen. Das Video lohnt sich!
 
P.S.: Im Nachgang noch der Hinweis auf ein Beispiel, wie man das mit den digitalen ID im Gegensatz zu Estland wohl lieber nicht macht...