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Samstag, 27. September 2014

Blasen

Leise hört man sie an der Tür kratzen, die Angst vor der Technologieblase. Erste Zeitungs- und Blog-Artikel beschäftigen sich damit, ob der Kaufrausch der Technologiefirmen und ihr Börsenpreis nicht vollkommen aus dem Ruder geraten sind. Fließt hier einfach das billige Geld - eine Folge der Finanzkrise und der gesunkenen Zinsen - in absolut überbewertet Ideen und Technologien? Kommt vielleicht gar der Crash? Platz der Neue Markt, den wir ja noch gar nicht haben in Deutschland?

In der Blase weiß man in der Regel nicht, dass man in der Blase ist, sondern hält alles für einen unaufhaltsam Aufstieg. Das ist das große Rätsel - handelt es sich um einen langfristigen Trend oder nur um einen kurzen Ausreißer. Das hängt alles von der Perspektive ab, den Zeiträumen, die man sich anschaut.

So sieht es auch mit der Weltwirtschaft aus. Spätestens als Alibaba an die Börse ging, verwiesen viele Zeitungsartikel darauf, daß nun das Zeitalter der chinesischen Technologiedominanz und Wirtschaftskraft gekommen sei. Die Stärke der westlichen Industrieländern sei vielleicht bloß ein Ausrutscher gewesen. Wenn man längere Zeiträume, Jahrtausende gar in den Blick nähme, würde deutlich werden, daß China, Indien und andere Länder im weltwirtschaftlichen Vergleich immer ein viel größeres Gewicht gehabt hätten. Der starke Westen, alles nur eine Blase des achtzehnten bis zwanzigsten Jahrhunderts?

Oder ist doch die Aufholjagd der Schwellenländer die eigentliche Blase? Das legt zum Beispiel ein Artikel des Economist nahe, der einen Bericht der Weltbank von April zitiert und in anschaulichen Grafiken zeigt, daß die Aufholjagd viele Länder nur in den 2000er Jahren wirklich beeindruckend war und spätestens seit 2007 deutlich zurück geht. Bei dem Tempo könnte es noch ein paar hundert Jahre dauern, bis die Schwellenländer tatsächlich das Niveau von USA oder Deutschland erreicht haben. Also die Globalisierung auch nur eine Blase, zumindest wenn man die Angleichung der Lebensverhältnisse in den Blick nimmt?

Die OECD hat übrigens gerade ihre deutsche Ausgabe einer umfangreichen Studie zur Globalisierung vorgestellt.  Sie beschreibt die Ursprünge und Auswirklungen der Globalisierung, in einem letzten Kapitel geht sie auch auf eine mögliche Krise der Globalisierung ein, die durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst worden sein könnte.

Montag, 22. September 2014

Science 2.0

In der vergangenen Woche entschied der EuGH, dass öffentliche Bibliotheken Bücher digitalisieren und an elektronischen Leseplätzen für Ausdruck und Speicherung zur Verfügung stellen dürfen.
 
Das Urteil ist im Kontext der Diskussion um Open Access in der Wissenschaft zu sehen. Der freie Zugang zu wissenschaftliche Veröffentlichungen und Daten ist angesichts der zunehmenden digitalen Veröffentlichungspraxis und der gleichzeitigen Macht der großen Wissenschaftsverlage ein heiß umkämpftes Feld.
 
Digitalisierung hin oder her -  Wissenschaftsverlage sehen sich ganz anderen Rahmenbedingungen ausgesetzt als zum Beispiel Zeitungsverlage. Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Libération gerade in großem Maße den Abbau von Arbeitsplätzen verkünden, scheint es den Wissenschaftsverlagen  - zumindest den großen unter ihnen - nicht schlecht zu gehen. Sie haben aber auch ein anderes Geschäftsmodells und müssen ihre Publikationen nicht über Anzeigen finanzieren. Vielmehr sind sie eher so etwas wie ein Marktplatz, da die Veröffentlichung in renommierten Journalen ein wesentliches soziales Kapital von Wissenschaftlern ist. Die Verlage selbst bieten vor allen Dingen die Serviceleistung einer qualifizierten Auswahl, die sie über peer review sicherstellen.
Open Access, der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ohne horrende Abonnementgebühren würde, so die Argumentation der Vertreter von Open Access, den Wissensfluss beschleunigen und demokratisieren. In ganz Europa und darüber hinaus haben sich Regierungen und Wissenschaftsorganisationen zum Ziel gesetzt, Open Access weiter zu fördern.
 
Letzte Woche war ich in Brüssel auf einem Workshop der Europäischen Kommission zum Thema Open Access und Open Data. Die Vielfalt der Bemühungen und Rahmenbedingungen in den Ländern Europas ist groß, aber viele Herausforderungen sind doch sehr ähnlich: mit den großen Verlagen wie Elsevier zu verhandeln, Publikationen zu suventionieren und Infrastrukturen für die dauerhafte Speicherung von digitalen Veröffentlichungen und Daten zu schaffen.
 
Die EU verlangt mit dem neuen Rahmenprogramm, dass Projektergebnisse, die öffentlich finanziert wurden, auch öffentlich zugänglich gemacht werden und zwar als Open Access. Sie fördert darüber hinaus eine Reihe von Projekten, die den Austausch zwischen nationalen Netzwerken verstärken, die Trainingsangebote für junge Wissenschaftler machen und die Infrastrukturen für die dauerhafte Speicherung stärken.
 
In Deutschland sind es vor allem die großen Wissenschaftsorganisationen wie DFG, die Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft oder Fraunhofer Gesellschaft, die Open Access mit konkreten Projekten und Regelungen vorantreiben und in einer Schwerpunktinitiative "Digitale Information" zusammenarbeiten . Die Bundesregierung hat in ihrer Digitalen Agenda vom August ihrerseits die Erarbeitung einer Open Access Strategie angekündigt. Federführend dafür wird das BMBF zuständig sein, das bereits zuvor - z. B, mit seiner Initiative zur Neuregelung des Zweitveröffentlichungsrechts - im Bereich open Access aktiv war.
 
Die EU geht das ganze Thema übrigens nun noch ein wenig breiter - als Science 2.0 - an und hat noch bis Ende September eine Konsultation zum Thema offen. Science 2.0 ist dabei mehr als open access:
 
‘Science 2.0’ as a holistic approach, therefore, is much more than only one of its features (such as Open Access) and represents a paradigm shift in the modus operandi of research and science impacting the entire scientific process.
 
Die EU versteht demnach unter Science 2.0 auch so etwas wie Bürgerforschung bzw. Citizen Science 8in Deutschland z.B. in den Portalen "Bürger schaffen Wissen" und "citizenscience"), wie Wissenschaftsblogs und Social Media wie ResearchGate.

Die Konsultationsverfahren selbst der EU sind übrigens gute Beispiele, wie man die Politik selbst interaktiver und partizipativer gestalten kann. Zwar ist der Prozess von außen betrachtet immer noch oft eine black box, der Einfluss der Teilnehmer auf die spätere Politikgestaltung ziemlich unklar. Für die EU sind die Konsultationen aber ein wichtiger Zugang zu den Stakeholdern einer 500 Millionen Einwohner-Demokratie. Und zumindest wir dadurch deutlich, an welchen Themen die Generaldirektionen gerade arbeiten und welche Probleme sie beschäftigen.

Die neue Hightech-Strategie der Bundesregierung hat sich mehr Partizipation ja auch auf ihre Fahnen geschrieben. Vielleicht ließe sich hier doch auch mal von der EU lernen?
 
 
 
 
 

Dienstag, 9. September 2014

OECD Bildung auf den zweiten Blick

9.9.2014
Alle Jahre wieder veröffentlicht die OECD ihren Bildungsbericht "education at a glance". Auch heute war es wieder soweit, und sogleich hat das BMBF die Chance genutzt und die Perlen - also die frohe Botschaft zum Bildungswunderland Deutschland - herausgearbeitet: hohe Bildungsausgaben, viel Frauen in Naturwissenschaften und eine steigende Studienanfängerquote. Alles paletti, wie es scheint.
 
Nur der Spiegel, der alte Miesepeter, hat einen bösen Bericht dazu veröffentlicht: "Die Mittelschicht droht abzurutschen" - der Artikel selbst ist dann deutlich differenzierter. Es geht vor allem um "Abwärts- und Aufwärtsmobilität", also über einen Bildungsabschluss sozial auf- oder abzusteigen. Als hätte man es im BMBF geahnt. Genau zu diesem Thema wird nämlich in einem Hintergrundpapier recht einleuchtend Methodenkritik geäußert und die dramatische Aussage deutlich relativiert (andere Kommentatoren wie die ZEIT singen übrigens ein Loblied auf die deutsche Leistung und werfen der OECD ein oberlehrerhaftes Kritteln vor).
 
Spannender als dieses Jammern auf hohem Niveau des Spiegel ist die internationale Rezeption des neuen OECD Berichts, zum Beispiel im OECD Blog selbst. Die zentrale These ist, dass Bildung heute nicht mehr, wie noch in den guten alten Zeiten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, sozialen Aufstieg sichert, sondern vielleicht gar soziale Spaltung zementiert. Das sollte einem zu denken geben, zum Beispiel vor dem Hintergrund der These des Rennens gegen die Maschinen.
Der Guardian wiederum geht in seinem Blog auf die interessante Beobachtung ein, dass die Isländer am ältesten sind, wenn sie ihren tertiären Bildungsabschluss in der Tasche haben, und auch die anderen Skandinavier sind nicht viel jünger und dennoch Innovationsführer in Europa - sollte uns das bei der Diskussion um G8 oder G9 zu denken geben? Andererseits heißt lange studieren nicht zwangsläufig auch, lange Zuhause zu bleiben. Auch das zeigt der Artikel im Guardian. Bei diesem Indikator ist Deutschland übrigens wieder ganz gut platziert...

Montag, 8. September 2014

Meseberg und Hightech-Strategie

Vorgestern traf sich die Bundesregierung (oder zumindest ein Teil von ihr) auf Schloss Meseberg zum jährlichen "Zukunftsgespräch" mit Industrieverbänden und Gewerkschaften. Ein Hauptthema waren dabei Investitionen und Innovationen, unter anderem festgemacht am Beispiel Industrie 4.0. In ihrer Pressekonferenz betonte die Kanzlerin, es gehe darum, "privates Kapital durch unsere Definition der Herausforderungen in die richtigen Richtungen lenken". Das war natürlich der Verweis auf die neue Expertenkommission des BMWi (siehe auch mein letzter Blogbeitrag).
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann bemerkte in der abschließenden Pressekonferenz: "Ich habe darauf hingewiesen, dass es gerade in einer sozialen Marktwirtschaft ein Fehler wäre, wenn wir ausschließlich über Hightech-Strategien sprechen würden und nicht auch die soziale Dimension von Innovationen mit in den Blick nähmen."  Das wiederum war der Verweis auf die gestern im Kabinett verabschiedete Hightech-Strategie.
Hoffmanns Sorge um eine Hightech-Fixierung liegt vielleicht ein Missverständnis zugrunde, das eigentlich auf den großen Erfolg der Hightech-Strategie verweist. Tatsächlich ist ja die neue Hightech-Strategie noch stärker als die Version der letzten Legislaturperiode auf ein ganzheitliches Innovationsverständnis ausgerichtet, das weit über Hochtechnologien hinausgeht. Die Zukunft der Arbeit ist jetzt stärker in der neuen Hightech-Strategie verankert, genauso die Bürgerbeteiligung. Zumindest auf dem Papier, es handelt sich ja um eine Strategie, die erst noch umgesetzt werden muss.
Der Name bleibt aber verwirrend missverständlich. Er stammt noch aus der Zeit der ersten Hightech-Strategie von 2006, als tatsächlich vor allem Technologien im Fokus der Strategie lagen. Die Strategie hat sich weiterentwickelt und modernisiert, der Name ist geblieben - eben weil die Strategie ein Erfolg und unter diesem Namen bereits gut eingeführt war.
Drei Legislaturperioden Kontinuität für eine Innovationsstrategie, das ist das eigentlich bemerkenswerte. Es hängt mit einem zentralen Erfolgsfaktor des deutschen Innovationssystem zusammen: dem breiten,  parteiübergreifenden Konsens zu den wesentlichen Elementen der Innovationspolitik und der Notwendigkeit staatlicher Investitionen in FuE. Nur so konnte die Hightech-Strategie drei Legislaturperioden überdauern - und ihren missverständlichen Namen behalten.
Diesen Erfolg kann man auch an einem anderen Indikator ablesen, der gerade veröffentlicht wurde.  Im Global Competitiveness Report des World Economic Forum in der Dimension Innovation liegt Deutschland aktuell immerhin auf Platz 6. Das liegt natürlich nicht allein an der Hightech-Strategie, aber sicher am genannten Konsens über die grundsätzliche Richtung in der Innovationspolitik - egal wie sie heißt...
 

Freitag, 5. September 2014

höfliche, lügende und lachende Roboter

Ich habe ja schon öfters die These von Brynjolfsson (hier mit einem aktuellen Video-Mitschnitt) zitiert, wonach wir uns in einem Rennen gegen die Maschinen befinden. Brynjolfsson plädiert dafür, bei diesem Rennen auf Kooperation mit den Maschinen zu setzen. Um kooperative Roboter, die auch mal um Hilfe fragen, geht es auch in einem Block des World Economic Forum. Roboter müssen allerdings erst einmal lernen, zu kooperieren. Sie müssen verstehen, wann wir Menschen die Hilfe brauchen, und sie müssen selbst um Hilfe fragen, wenn sie nicht mehr weiter wissen.

Die Interaktion mit Menschen scheint immer menschenähnlicher Roboter zu verlangen. Gerade haben zum Beispiel die VDI-Nachrichten einen Artikel zu höflichen Roboter veröffentlicht. Fast zeitgleich hat die deutsche Ausgabe von Technology Review einen Artikel zu lügenden und betrügenden Robotern gebracht. Die FAZ in ihrer Kolumne "Silicon Demokratie" schreibt darüber, wie uns intelligente Umgebung zum Lachen bringen soll.

Höflich sein, lustig sein, betrügen - was fehlt uns noch? Echte Emotionen zum Beispiel. Im Verstehen von Emotionen werden Roboter schon immer besser, wie ein Artikel in Technology Review zeigt.

Einen Vorgeschmack auf das Internet of things und eine Welt voll lauter höflicher, emphatischer, launischer und betrügender Dinge hat uns vor vielen Jahren Douglas Adams mit seinem Meisterwerk "Per Anhalter durch die Galaxis" beschert. Meine Einstiegsdroge war damals das kongeniale Hörspiel in SWF3: manisch depressiver Roboter, ängstliche Fahrstühle - na das kann ja heiter werden...