Seiten

Montag, 22. September 2014

Science 2.0

In der vergangenen Woche entschied der EuGH, dass öffentliche Bibliotheken Bücher digitalisieren und an elektronischen Leseplätzen für Ausdruck und Speicherung zur Verfügung stellen dürfen.
 
Das Urteil ist im Kontext der Diskussion um Open Access in der Wissenschaft zu sehen. Der freie Zugang zu wissenschaftliche Veröffentlichungen und Daten ist angesichts der zunehmenden digitalen Veröffentlichungspraxis und der gleichzeitigen Macht der großen Wissenschaftsverlage ein heiß umkämpftes Feld.
 
Digitalisierung hin oder her -  Wissenschaftsverlage sehen sich ganz anderen Rahmenbedingungen ausgesetzt als zum Beispiel Zeitungsverlage. Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Libération gerade in großem Maße den Abbau von Arbeitsplätzen verkünden, scheint es den Wissenschaftsverlagen  - zumindest den großen unter ihnen - nicht schlecht zu gehen. Sie haben aber auch ein anderes Geschäftsmodells und müssen ihre Publikationen nicht über Anzeigen finanzieren. Vielmehr sind sie eher so etwas wie ein Marktplatz, da die Veröffentlichung in renommierten Journalen ein wesentliches soziales Kapital von Wissenschaftlern ist. Die Verlage selbst bieten vor allen Dingen die Serviceleistung einer qualifizierten Auswahl, die sie über peer review sicherstellen.
Open Access, der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ohne horrende Abonnementgebühren würde, so die Argumentation der Vertreter von Open Access, den Wissensfluss beschleunigen und demokratisieren. In ganz Europa und darüber hinaus haben sich Regierungen und Wissenschaftsorganisationen zum Ziel gesetzt, Open Access weiter zu fördern.
 
Letzte Woche war ich in Brüssel auf einem Workshop der Europäischen Kommission zum Thema Open Access und Open Data. Die Vielfalt der Bemühungen und Rahmenbedingungen in den Ländern Europas ist groß, aber viele Herausforderungen sind doch sehr ähnlich: mit den großen Verlagen wie Elsevier zu verhandeln, Publikationen zu suventionieren und Infrastrukturen für die dauerhafte Speicherung von digitalen Veröffentlichungen und Daten zu schaffen.
 
Die EU verlangt mit dem neuen Rahmenprogramm, dass Projektergebnisse, die öffentlich finanziert wurden, auch öffentlich zugänglich gemacht werden und zwar als Open Access. Sie fördert darüber hinaus eine Reihe von Projekten, die den Austausch zwischen nationalen Netzwerken verstärken, die Trainingsangebote für junge Wissenschaftler machen und die Infrastrukturen für die dauerhafte Speicherung stärken.
 
In Deutschland sind es vor allem die großen Wissenschaftsorganisationen wie DFG, die Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft oder Fraunhofer Gesellschaft, die Open Access mit konkreten Projekten und Regelungen vorantreiben und in einer Schwerpunktinitiative "Digitale Information" zusammenarbeiten . Die Bundesregierung hat in ihrer Digitalen Agenda vom August ihrerseits die Erarbeitung einer Open Access Strategie angekündigt. Federführend dafür wird das BMBF zuständig sein, das bereits zuvor - z. B, mit seiner Initiative zur Neuregelung des Zweitveröffentlichungsrechts - im Bereich open Access aktiv war.
 
Die EU geht das ganze Thema übrigens nun noch ein wenig breiter - als Science 2.0 - an und hat noch bis Ende September eine Konsultation zum Thema offen. Science 2.0 ist dabei mehr als open access:
 
‘Science 2.0’ as a holistic approach, therefore, is much more than only one of its features (such as Open Access) and represents a paradigm shift in the modus operandi of research and science impacting the entire scientific process.
 
Die EU versteht demnach unter Science 2.0 auch so etwas wie Bürgerforschung bzw. Citizen Science 8in Deutschland z.B. in den Portalen "Bürger schaffen Wissen" und "citizenscience"), wie Wissenschaftsblogs und Social Media wie ResearchGate.

Die Konsultationsverfahren selbst der EU sind übrigens gute Beispiele, wie man die Politik selbst interaktiver und partizipativer gestalten kann. Zwar ist der Prozess von außen betrachtet immer noch oft eine black box, der Einfluss der Teilnehmer auf die spätere Politikgestaltung ziemlich unklar. Für die EU sind die Konsultationen aber ein wichtiger Zugang zu den Stakeholdern einer 500 Millionen Einwohner-Demokratie. Und zumindest wir dadurch deutlich, an welchen Themen die Generaldirektionen gerade arbeiten und welche Probleme sie beschäftigen.

Die neue Hightech-Strategie der Bundesregierung hat sich mehr Partizipation ja auch auf ihre Fahnen geschrieben. Vielleicht ließe sich hier doch auch mal von der EU lernen?
 
 
 
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen