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Freitag, 3. Oktober 2014

Evaluation und mechanische Türken

In einer der vielen Geschichten von Stanislaw Lem (ich erinnere mich leider nicht mehr an den Titel, wer kann mir helfen?) kommt ein Raumfahrer auf einen fremden Planeten, der von Robotern bevölkert ist. Da er ihre Gefährlichkeit nicht einschätzen kann, versteckt sich der Raumfahrer in einer leeren Roboterhülle und spielt, selbst Roboter zu sein. Erst nach einigen aufregenden Abenteuern erfährt er, dass auch alle anderen Roboter lediglich Hüllen sind, in denen Menschen stecken, die wiederum Roboter spielen, weil sie vor den anderen Robotern Angst haben.

Mechanische Apparate faszinierten schon immer die Menschen. Sie waren eine der Hauptattraktionen an den Fürstenhöfen Europas, aber nicht immer hielt die technische Fertigkeit Schritt mit den Fantasien und Erwartungen der Menschen. Manchmal bedurfte es dann doch eines kleinen Tricks, um tatsächlich raffinierte und intelligente Apparate zu präsentieren. Dann steckte man nicht selten einfach einen Menschen hinein in den Kasten, den man nicht sah.

Eines der bekanntesten Beispiele war der sogenannte mechanische Türke oder Schachtürke, der Namensgeber einer Dienstleistung, die Amazon seit 2005 anbietet und mit dem schönen Untertitel "artificial artifical intelligence" versehen hat. Es geht dabei um Crowdsourcing. Arbeitskraft wird in kleinen Häppchen und in der Cloud verteilt verfügbar gemacht, jeder kann sich als kleines digitales Helferlein zur Verfügung stellen, jeder kann auf eine quasi unbegrenzte Menge an Zuarbeit zurückgreifen

HYPERLAND beschreibt den MTurk unter der Überschrift "Wir sind die Roboter" als Zugang ins digitale Prekariat.

Letzte Woche war ich auf der Jahreskonferenz der Europäischen Evaluationsgesellschaft, auf der ich unter anderem zwei wirklich spannende und inspirierende Vorträge von Tarek Azzam zur Nutzung des MTurk für Evaluationstwecke hörte (hier ein älterer Beitrag von ihm zum Thema, hier ein weiterer Artikel zum Thema auf ResearchGate). Azzam beschreibt die Nutzung von MTurk-Mikrodienstleistern in der Evaluation in dreierlei Weise: Als Teilnehmer an einem sozialwissenschaftlichen Experiment,  als Befragungsteilnehmer oder auch als Kodierer bzw. Auswerter innerhalb eines Evaluationsteams.

Das mit der Teilnahme an einem Experiment scheinen ja mittlerweile auch Facebook-Kunden zu kennen, nur dass man die nie jemand gefragt hat. Das ist übrigens ein nicht unerhebliches ethisches Problem der sozialwissenschaftlichen Forschung unter Nutzung von Big Data. Diese Daten sind in der Regel nicht für diese Zwecke erhoben worden. Dann vielleicht doch lieber ehrliche Prekariatsarbeit vom mechanischen Türken?  Auch andere neue Dienste geben übrigens die Möglichkeit der bewussten und vor allem auch entlohnten Teilnahme. Hier z.B. zeigt ein aktueller Artikel,  wie Nutzer ihre eigenen Daten vermarkten können. Wenn unsere Daten schon das Gold des 21. Jahrhunderts sind und Konzerne wie Google, Facebook und Yahoo sich damit dumm und dusselig verdienen, dann wollen wir auch ein winziges Stück vom Kuchen abhaben...

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