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Freitag, 22. Mai 2015

Internationale Startups

Frankreich importiert Startups. So lässt sich pointiert die Meldung aus Science/Business zusammenfassen, dass ein neues französisches Förderprogramm 50 "handverlesene" Technologie-Gründer nach Frankreich einladen möchte, um in Paris ein Unternehmen aufzubauen. Dabei wird ein preiswerter Air-France Flug geboten, Hilfe bei de Formalia, und 12.00 € pro Person innerhalb von 6 Monaten. Mindestens ein Franzose solle im neuen Unternehmen aber auch beschäftigt werden.


Praktisch zeitgleich nominiert der German Silicon Valley Accelerator 18 neue Preisträger für einen Trip in die USA. Frankreich importiert die Gründer, und Deutschland exportiert sie, fast wie auch sonst im Außenhandel? Wir haben die guten die Ideen, aber schlechte Rahmenbedingungen, während die Franzosen besser sind bei der Gründungsunterstützung, aber ohne ausreichend gute heimische Gründer?


Das stimmt zwar bis zu einem gewissen Grad: Berlin ist Top Zwei der besten Startup-Standorte in Europa, aber der französische VC-Markt ist insgesamt deutlich besser dotiert. Doch so unterschiedlich sind die Strategien im Detail dann auch nicht.


Gerade die Gründer-Boomtown Berlin setzt stark auf eine internationale Vernetzung und auf Attraktivität für ausländische Gründer. Jüngst wurde eine Initiative lanciert, eine Partnerschaft zwischen Tel Aviv und Berlin aufzubauen. Und heute habe ich die Pressemeldung von BerlinPartner gelesen, dass Smart City Startups nach Berlin geholt werden sollen. Sechs Startups aus Israel und den USA erhalten eine zumindest kostenlose Ausstellungsfläche auf der Messe "Metropolitan Solutions Exhibition & Conference" sowie ein organisiertes Match-Making. Das sind keine 12.000€, aber auch hierzulande wäre man über die international besten Ideen und kreativsten Köpfe froh.

Freitag, 8. Mai 2015

Gründerszene

Donnerstag war ich zum ersten Mal auf dem Kongress Junge IKT in Berlin, für den Kollegen von mir verantwortlich zeichnen. Meine Eindrücke: quirlige Atmosphäre, ein breites Spektrum an Unternehmen von sozial Entrepreneurs oder digitalen Marktplätzen bis hin zu echten Hardware-Techies. Und auch ein paar wirklich interessante Vorträge und Podiumsdiskussionen.

Die Keynote hielt Frank Riemensperger von Accentures, einer großen, auf Technologien spezialisierten Unternehmensberatung. Spannend fand ich seine Ausführungen, wie seine Firma als "Trüffelschwein" nach interessanten Startups sucht und dann großen Unternehmen als Kooperationspartner vermittelt, um deren inkrementelle Innovationskultur auf Trab zu bringen. Bei Accentures nennt sich das dann open Innovation (siehe die Eigendarstellung hier).

Es ist ja eine verbreitete These (und auch schon mal Thema meines Blogs hier gewesen), dass die dicken Tanker der Old Economy den Kontakt zu den jungen, kreativen Gründern brauchen, um sich selbst zu erneuern, und hierfür vermehrt corporate venture nutzen. Sogar die entstehenden Dicktanker der new economy haben Panik, in Routinen zu erstarren und nicht mehr agil genug für den ständigen Wandel zu sein und mühen sich um neue Startups (siehe diesen aktuellen Artikel über Zalando hier).

Interessant dabei die These von Herrn Riemensperger, dass große Familienunternehmen (sein Beispiel: die Firma Otto) mit langfristigen Orientierungen da schneller sind als die Unternehmen mit angestellter Geschäftsführung und sehr kurzen strategischen Horizonten. Vielleicht ist das ja auch ein Erklärungsansatz dafür, dass die deutsche Unternehmenslandschaft in den zurückliegenden jahren weniger Umbrüche erfahren hat als z.B. die durch einen schnellen Unternehmensumsatz gekennzeichnete amerikanische. Und vielleicht ist dann die geringe Quote an schnell wachsenden Startups eher ein Beispiel für erfolgreiches Anpassen der etablierten Unternehmen, die jetzt auch gezielt den Startup-Hype für ihre Überlebensstrategie nutzen...

Als großen Treiber für diese notwendige und durch entsprechende Mittler wie Accentures vielleicht auch beschleunigte Umorientierung machte Herr Riemensperger übrigens die vielbeschworene digitale Revolution aus. Dazu passt sicher, dass Accentures gerade eine Studie veröffentlicht hat, in der viele beschäftigte ihr eigenes Unternehmen als nicht schnell genug bei der digitalen Strategiebildung bewerten.

Und am Nachmittag gab es auf dem Kongress noch eine Diskussion um Inkubatoren und Akzeleratoren, auf der unter anderem die These geäußert wurde, dass diese Aktivitäten doch sowieso eher Feigenblätter seien als echte Faktoren der Veränderung in den großen Unternehmen. Der Vertreter der Akzeleratoren hielt dagegen, dass die kulturelle Wirkung nach innen wesentlich sei, quasi ein Bildungsauftrag der Akzeleratoren-Einheit.

Ein weiteres Thema betraf Frauen und Crowdfunding. Die These hier war, dass weibliche Gründerinnen mit dem Finanzierungsinstrument besser umgehen müssten, weil ihnen die soziale Ansprache als Erfolfsfaktor der Crowdfinanzierung eher liegen sollte. Zahlen dazu wären sicher interessant, ob der Frauenanteil zum Beispiel höher ist als bei anderen Finanzierungsformen, ich kenne dazu aber bislang keine Quelle.

Freitag, 1. Mai 2015

Tag der Arbeit

Rituale dienen der Stabilisierung sozialer Strukturen. Ein etwas aus der Mode gekommenes Ritual ist der erste Mai, der Tag der Arbeit. Wenn allerorts schon Artikel erscheinen (müssen), um die historischen Grundlagen des Tags der Arbeit zu erklären, dann ist der gesellschaftliche Zusammenhang doch etwas in den Hintergrund gerückt.

Heute ist der Tag der Arbeit auch nicht mehr nur Anlass für gewerkschaftliche Aktivitäten, um die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. Nein, in den Feuilletons und Blogs der Republik (und darüber hinaus) wird fleißig auch zur Zukunft der Arbeit geschrieben und lamentiert. Der BITKOM äußert sich heute zum Tag der digitalen Arbeit und schreibt dabei: "31% der Unternehmen wollen stärker auf freie Mitarbeiter setzen." Ist das feste Arbeitsverhältnis in Zeiten von digitaler Vernetzung vielleicht nicht mehr dauerhaft der Normalfall? Andere fordern heute: Arbeit 4.0 braucht Bildung 4.0.

Ein zentrales Thema ist nicht nur heute der drohende Verlust der Arbeit, der aufgrund der Digitalisierung und Verroboterung droht. Zum Beispiel die Süddeutsche gestern einen Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, mit dem Verweis auf ein noch unveröffentlichtes Papier eines Harvard (!) -Professors. Die Argumente sind nicht neu, darum aber auch nicht unbedingt falsch. Sowohl die Spitzenjobs (Anwalt?) als auch die einfachen Routinejobs sind von intelligenten Maschinen bedroht. Der Artikel reiht sich in eine Fülle ähnlicher Artikeln zum Thema ein (z. B. zuletzt dieser), die sich auch ganz konkret fragen, wie sich unser aller Arbeit verändern wird. 

Ich habe mich heute auch gefragt, in wiefern meine Arbeit in den letzten 15 Jahren anders geworden ist. Bis zu einem gewissen Grad habe ich Glück gehabt. Die große Umstellung von der analogen Zeit ohne Computer habe ich nicht mehr erlebt. Ich bin bereits sozialisiert worden mit Word, Powerpoint und Internet. Ich fühle mich sicher, meine Arbeit (Politikberatung) scheint mir nicht so schnell durch Computer übernehmbar zu sein. Aber da haben ich schon ganz andere getäuscht...

Zwei kurze Lese- bzw. Hörhinweise muss ich zu Tag der Arbeit im Zeichen der Digitalisierung noch geben: Die wunderbare Kolumne von Axel Hacke zum Thema offline shopping und wunderbarer Erfindungsreichtum der neuen Internetunternehmen.Nicht nur die Arbeit wird einfach besser, auch der Konsum...

Außerdem empfehle ich den ebenso wunderbaren Hörfunkbeitrag von Hartmut Rosa (wir haben vor 20 Jahren einmal zusammen in Braunschweig Tennis gespielt, aber daran wird er sich nicht erinnern) zur Beschleunigung unser aller Leben. Rosa sagt, Beschleunigung ist dem Kapitalismus inhärent, ohne Wachstum, beständige Innovation und Beschleunigung kommt er nicht aus.Und auch unsere Arbeitswelt beschleunigt sich ständig und überfordert uns alle. Die Aussage, im Moment sei alles ein wenig zu viel, aber das liege nur an x oder y, die höre er dauernd, das sei aber eine Selbsttäuschung und es würde nicht mehr besser. Ja, das (die Klagen und die Beobachtung, dass es nicht wirklich besser wird) kann ich für mein Arbeitsumfeld bestätigen. Die Sendung schließt übrigens mit einem Interview mit zwei Studiogästen, einem deutlich von den Fragen überfordertem Abgeordneten und einem Sozialwissenschaftler. Auf die für mich nahe liegende Frage, was kommt eigentlich, wenn wir alle am Limit angelangt sind bei aller Beschleunigung,und der Kapitalismus trotzdem mehr verlangt, wird nicht eingegangen.

Für mich schließt sich da der Kreis zur Vision der Maschinenwelt. Wenn der Mensch an seine Grenzen kommt, dann gibt es immer noch den digitalen Plan B. Kollege Roboter kann das sicher noch schneller und effizienter. Lieber Hartmut, bau das doch auch in Deine Theorie  noch ein.

Schönen ersten Mai!