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Samstag, 23. Januar 2016

Europäischer Innovationsrat

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des europäischen innovationsrats. Zwar ist die Idee nicht ganz neu, sie wurde schon vor ungefähr fünf Jahren zum Beispiel durch die Fraunhofer-Gesellschaft geäußert. Seitdem aber ruhte sie in einem sanften Dornröschenschlaf, bis sie Mitte letzten Jahres durch EU-Kommissar Moedas erweckt wurde. Seitdem dient sie als Projektionsfläche, um allerhand interessante oder abstruse Ideen zu ventilieren, wie Europa seinen Innovationsdefizit beheben könnte.
Soll der Innovationsrat ähnlich wie der Forschungsrat individuelle Stipendien vergeben? Soll er vergleichbar der amerikanischen DARPA als großer Beschaffung gehen, aber für wen und was? Soll der Innovationsrat große Innovationspreise ausschreiben, ähnlich wieder X-Preis in den USA? Oder soll der Innovationsrat als Ratgeber der europäischen Innovationspolitik fungieren, als Expertengremium, ähnlich der deutschen EFI? Im Beratenlassen ist die Europäische Kommission ja eher groß. Oder soll der Rat den großen nächsten Fünfjahresplan der Innovationsförderung, nach asiatischem Modell, entwickeln und durchsetzen?
Ein klein wenig Schwung ist schon in die Debatte gekommen. Beate, der europäische Verband der Gesellschaften für Forschung und Technologie, hat sich in ein Positionspapier positiv zu dem Vorschlag geäußert. Peter Tindemans von Euroscience hingegen kann der Idee nichts abgewinnen Komma aus seiner Sicht braucht es für die Förderung von Innovationen vor allen Dingen privates Kapital. Es gäbe nirgendwo auf der Welt ein vergleichbares öffentliches Gremium. Das stimmt vielleicht nicht ganz, Science/Business zumindest hat eine ganze Reihe von Beispielen zusammengetragen.
Ein wenig scheint mir, als wenn nun eine Diskussion ähnlich der auflegt, die wir schon über das europäische MIT erlebt haben. Wie jeder weiß, kam am Ende das EIT raus, etwas doch ziemlich anderes.
Wer sich an der Diskussion beteiligen möchte, kann das jetzt tun. Science/Business hat gerade auch eine Umfrage veröffentlicht, in der jeder seinen Senf dazu geben kann.

Samstag, 16. Januar 2016

Daten und arabischer Frühling

Die Weltbank hat gerade einen interessanten Artikel zu Stärken und Schwächen von Daten bei der Interpretation politischer Situationen veröffentlicht. Anlass sind 5 Jahre arabischer Frühling. Dieser kam damals ziemlich plötzlich, zumindest aus Sicht der politischen Entscheider, die eigentlich von einer relativ stabilen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Ländern Nordafrikas ausgingen. Dazu verleiteten zumindest die klassischen Daten wie Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, Kindersterblichkeit, Alphabetisierungsraten und ähnliches. Gleichzeitig waren andere Daten zur subjektiven Einschätzung der eigenen Lebenssituation, wie die Weltbank in Ihren Artikel zeigt, deutlich abgerutscht. Ein Anzeichen dafür, dass die Länder eine Krise  entgegentaumelten? Aus dem Rückblick ist dies leicht gesagt. Damals wurde den Beratern der Weltbank von den politischen Entscheider Nordafrikas entgegengehalten, dass die objektiven Daten doch sehr positiv sein.

Man kann diese Daten allerdings auch anders interpretieren. Vor 4 Jahren, zum ersten Jahrestag der arabischen Revolution, erschien in der Zeit ein erstes Resümee, in dem der französische Soziologe Emmanuel Todd zu Wort kam. Dieser hatte mit eben jenen Daten zu einer steigenden Alphabetisierungsrate, sinkende Geburtenraten und ähnlichen soziodemografischen Trends vorausgesagt, dass sich ein Potenzial für soziale Unruhen in den arabischen Ländern aufbauten.

Noch stärker auf einen einzigen soziodemografischen Faktor verweisen Vertreter der sogenannte youth bulge -These wie Gunnar Heinsohn, die den Überschuss an insbesondere jungen Männern in den arabischen Ländern als Ursache für den arabischen Frühling ausgemacht haben. Die Zeit hatte Heinsohns Thesen bereits 2004 mit Verweis auf andere Studien sehr kritisch kommentiert.

Man muss aufpassen. Hier kommen zwei verschiedene Diskussionsstränge Zutaten zusammen. Auf der einen Seite werden Daten als Indikatoren genutzt, um bestimmte Situation richtig zu interpretieren. Zum Beispiel für die subjektive Einschätzung der eigenen Lebenssituation.  Auf der anderen Seite verweisen Daten auf mögliche Faktoren, die zu diesem Situation geführt haben. Sind z.B.  junge Männer in großer Zahl Schuld an sozialen Unruhen? Ist ein höherer Bildungsgrad, der sich an einer entsprechend steigenden Alphabetisierungsrate ablesen lässt, Ursache für mehr politische Beteiligung?

Da vermutlich nicht ein einziger Faktor zum Arabischen Frühling  geführt hat, wird es schnell unübersichtlich. Es gibt eine ganze Reihe von "Stressfaktoren", die zu einer Situation führen, die plötzlich in einer Revolution mündete. Als Stressfaktoren im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling genannt wurden natürlich diktatorische Regime, aber auch durchaus der Klimawandel.

Als Frühindikatoren eignen sich diese Faktoren allerdings nicht. In manchen Ländern führen sie zu Umwälzungen, in anderen nicht.

Einen anderen Weg gehen Ansätze der Big Data Analyse sozialer Systeme, wie sie beispielsweise im Projekt FutureICT in Zürich bearbeitet werden sollten. Äußerungen in sozialen Netzwerken sollen hier ausgewertet werden, um Ereignisse wie den arabischen Frühling vorauszusagen. Interessanter Weise ist der geistige Vater des Projekts Dirk Helbing einer der Initiatoren des "digitalen Manifests", über das ich kürzlich berichtete. Dort wird gerade vor der politischen  Manipulation mithilfe digitaler Werkzeuge gewarnt. Ein gewisser Widerspruch?

Samstag, 9. Januar 2016

Künstliche Schönheit

Digitale Technologien und Schönheit stehen ja in einem recht ambivalenten Verhältnis zueinander. Schaut man auf die Cover von Zeitschriften, so schauen einen lauter mit Digitaltechnik künstlich schöner gemachte Menschen an. Keine Fältchen, die Proportionen etwas zurecht gerückt, Photoshop oder ähnliche Programme machen praktisch alles möglich.
Gestern nun schaffte es eine neue Software in zahlreiche Online-Ausgaben (z.B. hier und hier), die nicht Schönheit produziert, sondern Schönheit erkennt. Ein Projekt der ETH Zürich, in Zusammenarbeit mit einer Partnerbörse. Der Algorithmus erkennt nicht nur, ob ein Gesicht schön ist, sondern kann auch Geschlecht und Alter einschätzen. So zumindest die Hoffnung seiner Schöpfer. Ich habe es ausprobiert, zwischen 32 und 42 hat mich der Algorithmus geschätzt. Ja, männlich bin ich, und auch zwischen 20 und 60. Aber die Einschätzung meiner Schönheit, da war ich doch anderer Meinung. Aber es ist ja noch ein Forschungsprojekt, und es gibt noch andere Computer basierte Schönheitswettbewerbe ...
Eine andere Software, über die ich gerade gestolpert bin, erkennt angeblich, ob etwas lustig ist. Das schien doch eigentlich die letzte Bastion des menschlichen Geistes zu sein. Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewusstsein. Können das jetzt auch Computer? Der Artikel, der darauf Bezug nimmt, ist da letztendlich skeptisch. Aber auch hier ist es vermutlich erst der erste Schritt eines langen Weges.
Und dann gab es da noch vor Weihnachten den Artikel im Guardian über eine Software, die selber Kunst macht. Oder zumindest ganz normale Fotos in Kunstwerke verwandelt. In Kunstwerke, die sich an klassischen Vorbildern der Moderne orientieren. Eigentlich gestaltet der Algorithmus das Foto nur nach einem bestimmten Schema um, sodass die Technik dem der Kunstwerke ähnelt. Aber ist das nicht auch das Prinzip gewesen, nachdem die großen Werkstätten der Renaissancekünstler arbeiten? Unser Kater Leo zum Beispiel sieht jetzt wirklich sehr künstlerisch aus, oder?
Schließlich sind da die vielen Beispiele von dichtenden oder komponierenden Computern. Wirklich überzeugend sind all diese Beispiele noch nicht. Im Bereich der Kunst wird uns der Computer so schnell nicht ersetzen. Aber das einfache Kunsthandwerk? Die Fabrikarbeit unter den künstlerischen Berufen? Ja ja, so fängt alles an.

Freitag, 1. Januar 2016

Zukunft 2016

Die Zeit zwischen den Jahren ist auch die Zeit der Jahresrückblicke und Ausblicke. Stolz präsentieren Autoren ihre besten Artikel und Videos des letzten Jahres. Und mehr oder minder mutig blicken sie voraus, um zu spekulieren, was uns die Zukunft im neuen Jahr wohl bringt. Oder kombinieren gar beide Ansätze, indem sie ihre alten Voraussagen überprüfen. Oder kommentieren die Voraussagen anderer Autoren. Da reihe ich mich natürlich gerne ein...

Der Guardian veröffentlicht wieder einen New Year Prediction Bot,  der alle möglichen,  im Netz auffindbaren Voraussagen für das Jahr 2016 per Zufallsgenerator zugänglich macht. Meine ersten Zufallstreffer führten mich zu Voraussagen über eine Monetarisierung von YouTube durch Google, den Durchbruch der virtual reality Gadgets und der großen Rückrufaktionen bei VW.

Ausnehmend gut gefallen hat mir auch  der Foresight-Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik, die bereits vor ein paar Wochen nach den möglichen Krisen der nächsten Jahre fragte. Sehr Amerika zentriert ist in dieser Hinsicht der Bericht des Council on Foreign Relations zu 2016.

Die Technology Review fragt sich, was aus den breakthrough technologies von 2015 geworden ist, die sie im Februar letzten Jahres geschrieben hatte. Darunter waren Themen wie Entsalzungsanlagen im großen Stil, car-to-car-communication, die Versorgung durch Internet in den letzten Winkel der Welt, wie sie Google und Facebook planen, oder auch virtual reality Gadgets. Technology Review blickt auch noch einmal zurück auf wichtige Ereignisse im Bereich Robotik und künstliche Intelligenz des vergangenen Jahres.

Die TED Talks schauen zurück auf die besten Beiträge 2015. Und wer kleine Videobeiträge mag, dem kann ich auch den Jahresrückblick der beste Naturfilme von National Geographic empfehlen. Zum Beispiel die irren Zeitrafferaufnahmen, wie aus Bienenlarven Bienen werden.

Auch so etwas wie ein Rückblick, wenn auch kein Jahresrückblick, ist die neue EDGE-Frage für 2016: Was war die interessanteste wissenschaftliche Neuigkeit der jüngeren Vergangenheit? Es hatte ja schon das vergangene Jahr 2015 durch seine letzte Frage nachdenken den Maschinen ganz schön geprägt.

Die österreichische Akademie der Wissenschaften schließlich schaut zurück auf die Technologie - Voraussagen vor 30 Jahren und widmet sich dabei echten Klassikern wie dem papierlosen Büro oder der Kernfusion.

Selbst ein Bundesverkehrsminister waren sich über den Jahreswechsel mit mutigen Prognosen an die Öffentlichkeit. Der sollte allerdings kräftig mitwirken an der Realisierung seiner Prognosen...