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Dienstag, 29. August 2017

Robotersteuer?

In Deutschland ist Bundestagswahlkampf, und die Bundeskanzlerin setzt sich für Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2025 ein.

Naja, Arbeitslosigkeit ist eigentlich kein großes Thema in diesem Wahlkampf. Die Zahlen sind ja gut, gerade im Vergleich zu europäischen Nachbarn. Aber irgendwie geht das Thema Arbeitsplätze immer, und die Zukunft scheint hier ja auch eher ungewiss.

Ein Anlass zur Sorge ist der aktuelle Deselskandal, der die Automobilkonzerne etwas ins Wanken bringt. Und die haben schon genug damit zu tun, das Thema Elektromobilität zu verdauen. Hier sind sie im internationalen Vergleich, zumindest was die aktuell verkauften Autos angeht, nicht gerade Spitzenreiter. Und selbst wenn die Wende zu Elektromobilität gelingen sollte, so könnte auch das einschneidende Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt haben. Bei der Fertigung von Elektrofahrzeugen werden nämlich deutlich weniger Arbeitskräfte gebraucht als bei derjenigen von Autos mit konventionellen Verbrennungsmotoren. Die ersten Betriebsräte fechten schon heftige Konflikte mit Konzernleitungen aus, dass Standorte und Arbeitsplätze auch bei einer Umstellung auf Elektromobilität erhalten bleiben.

Und dann ist da noch die große Sorge vor der automatisierten Fabrik. Roboter übernehmen die Fertigung, oder noch viel schlimmer, sie übernehmen gleich alle anderen Berufe mit. Das zumindest ist die Horrorvision der umfassenden Automatisierung und Übernahme durch intelligente Algorithmen. Da hat der ein oder andere doch das Gefühl, dass gegengesteuert werden muss. Bill Gates z.b. forderte Anfang des Jahres eine Robotersteuer. Das wiederum weisen viele Politiker zurück, aus Sorge um Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Aber der ein oder andere scheint doch ins Grübeln zu kommen. So gab es in der vergangenen Woche eine Meldung, dass Südkorea eine Art Roboter-Steuer einführt. Nun ja, es war eher die Senkung der Subventionen für Automatisierung, aber immerhin, die Argumentation war schon auf den Erhalt von Arbeitsplätzen gerichtet. Und auch in San Francisco macht man sich zumindest Gedanken über eine solche Steuer.

Auf der anderen Seite gibt es Länder, die Automatisierung als große Hoffnung sehen, um den Arbeitskräftemangel einer älter werdenden Bevölkerung zu begegnen. Dazu gehört sicher Japan, das in diesem Kontext immer genannt wird und das z.b. auch Einwanderung in größerem Maßstab umgehen möchte, indem es breiter automatisiert. Bis zu einem gewissen Bereich, für manche Berufe und Fachkräfte gilt das sicher auch für Deutschland. Da wäre der entsprechende Wahlkampfslogan nicht Vollbeschäftigung 2025, sondern eher Deckung des Fachkräftebedarfs 2025.

Aber der Wandel des Arbeitsmarktes und der Automatisierung vollzieht sich ja doch eher sehr heterogen und ungleichzeitig. Während manche Branchen sich sehr schnell wandeln, wird es bei anderen länger dauern, während manche Qualifikationsprofile plötzlich nachgefragt da sind, verlieren andere schnell an Wert auf dem Arbeitsmarkt. Welch ungeahnte Konsequenzen die Automatisierung und Algorithmisierung haben kann, zeigt dieser Beitrag für China auf. Da ist einerseits die Gefahr, dass sich die soziale Ungleichheit im Land noch weiter verstärkt, andererseits dürfte die chinesische Industrie weitere Marktanteile auf dem Weltmarkt gewinnen, wenn sie ihren Automatisierungsgrad auch nur annähernd an das Niveau von Deutschland oder Korea hebt.

Und das dürfte dann wieder Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Der Wahlkampfslogan des Bundestagswahlkampfs 2021 könnte also lauten: Roboter-Steuer für China!

Donnerstag, 17. August 2017

Nash Equilibrium, Reallabore und Technolieentwicklung

Gerade hat der amerikanische Physiker Mark Buchanan in einem Beitrag für Bloomberg davor gewarnt, dass uns die Geschwindigkeit der Technologieentwicklung und damit auch die Unvorhersehbarkeit der Konsequenten überfordert. Wir können keine angemessene Strategie mehr darauf entwickeln, unser Handeln bleibt zufällig und chaotisch. Er bezieht sich dabei auf das sogenannte Nash-Gleichgewicht, einem spieltheoretischen Ansatz, nachdem in nicht-kooperativen Spielen ein Gleichgewicht strategische Ansätze von der jeweiligen Spieler besteht. Kurzgesagt verfolgt jeder Spieler die beste Strategie gegenüber der strategischen Antwort seines Spielpartners bzw Gegners. Das gilt aber nur bis zu einem gewissen Komplexitätsgrad, den wir jetzt zu überschreiten scheinen. In der Konsequenz ist es uns auch nicht mehr möglich, geeignete Regularien zur Gestaltung dieser technologischen Entwicklung zu finden. Dabei wären solche Regularien notwendig, um negativen Folgen von Technologieentwicklung zu begegnen.

John Nash war übrigens der brilliante und zwischenzeitlich krankheitsbedingt der Realität sehr entrückte Held des Films "A beautiful mind". Er prägte entscheidend die Spieltheorie, die insbesondere im Kalten Krieg und der Auseinandersetzung zwischen den Blöcken, dem atomaren Werttrüsten und der Problematik der Kalkulierbarkeit eines zur Weltzerstörung fähigen Gegenübers eine nicht unentscheidende Rolle spielte.

Vielleicht haben Buchanan bzw die von ihm zitierten Autoren deshalb jetzt im Kontext von Technologieentwicklung darauf rekurriert. Es vergeht ja im Moment kaum ein Tag, an dem nicht das Schreckensszenario einer entfesselten künstlichen Intelligenz an die Wand gemalt und die Folgen als schlimmer als ein atomar bewaffnetes und verrückt gewordenes Nordkorea bezeichnet werden. So explizit spricht das Buchanan nicht an, aber wer soll sonst das strategische Gegenüber sein, dessen Züge unberechenbar werden? Etwas paranoid, aber wie die Geschichte der Spieltheorie zeigt, ist das ja kein neuer Charakter zu.

Eine ganz andere Sorge plagt im Moment die Bundesregierung und insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium. Im April diesen Jahres hat es in einem Strategiepapier erstmals von Reallabore als regulatorischen Experimentierräumen gesprochen. Hier geht es hier darum, wie langsame regulierungs Prozesse nicht mit der Technologieentwicklung Schritt halten und so dazu führen, dass diese unnötig behindert wird. Bis ein neues Gesetz verabschiedet ist, vergehen Jahre. Gerade um neue Ansätze auszuprobieren, braucht man dabei möglicherweise mehr Freiräume in einem geschützten Raum. Es ist also nicht die Technik, die uns bei dieser Perspektive überfordert, sondern eher die Mülen der Verwaltung und des bürokratischen Alltags. Für viele Fälle wahrscheinlich der realistischere Ansatz.

Montag, 7. August 2017

Big Data per Fahrrad

Eigentlich bin ich ja ein begeisterter Fahrradfahrer. Nicht bei Regen oder Schnee, oder wenn es dunkel ist, aber sonst ist das Fahrrad das perfekte Fortbewegungsmittel. Und Fahrradfahren liegt echt im Trend. Die Zahl der Fahrradfahrer scheint mir jährlich zuzunehmen, in Berlin sind es insbesondere Touristengruppen, die mittlerweile die Fahrradinfrastruktur verstopfen. Fahren Sie einmal nachmittags die Bernauer Straße an der Mauergedenkstätte vorbei, und Sie wissen, was ich meine. Nicht umsonst hat ein Volksentscheid zum Ausbau dieser Fahrradinfrastruktur so gute Chancen, und der neue Berliner Senat ist ja auch schon auf gute Wege, hier für Abhilfe zu sorgen. Allerdings wird das sicher noch Jahre dauern.

Interessant fand ich daher eine Nachricht, die in der neuen ZEIT erschienen ist. Chinesische Anbieter von Fahrradleihsystemen scheinen auf den europäischen und internationalen Markt zu drängen. Und das nicht zimperlich,  sondern in großem Maßstab. Einige chinesische und jetzt auch internationale Städte scheinen gerade vollgemüllt zu werden von konkurrierenden chinesischen Leihfahrrad-Anbietern.

Nun finde ich auch Leihfahrräder prinzipiell eine gute Idee. Ich habe das zwar noch nie genutzt, ich habe ja mein eigenes Fahrrad dabei, aber das Fahrradfahren möglichst einfach und zugänglich zu machen ist doch eigentlich prima, oder? In vielen europäischen Städten war der Boom der Leihfahrräder ein wichtiges Zeichen, dass sich die Städte zunehmend fahrradfreundlich verändert haben.

Aber warum drängen die Chinesen jetzt so massenhaft auf den europäischen Markt, welche Goldgrube scheinen sie mit Leihfahrräder entdeckt zu haben? Es sind sicher nicht die großen Gewinnmargen, die man mit dem Verleih von Fahrrädern verdienen kann. Der Artikel in der ZEIT und anderen Medien macht deutlich, es geht um Daten. Diese erheben die Firmen kontinuierlich, wenn ein Nutzer per App das Fahrrad leid. Wo fährt er hin, wo hält er sich länger auf, welche Einkaufsmöglichkeiten nutzt er?

Der Fahrradverleih ist nur noch Hilfsmittel, um an die Daten zu gelangen. So ist das ja bei Google auch. Eine Suche wird angeboten, um die Daten für Werbezwecke zu nutzen. Das, was wir eigentlich für die Dienstleistung halten, ist nur das Nebenprodukt. Ich bin gespannt, welche Services wir demnächst noch so alles umsonst nutzen werden können, wenn wir unsere Daten preisgeben. Gesundheitsdienstleistungen? Da bieten Krankenkassen ja schon die ersten Rabattmodelle an. Bei vielen anderen Produkten wissen wir gar nicht, dass die eigentlich Geschäftsmodelle auf Daten beruhen. So ist z.b. die Musikerkennungs-Software-Shazam besonders für Musikproduzenten interessant, weil sie aus den Daten ablesen können, welche Stücke gerade besonders oft und gerne gehört werden.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, wann ich die ersten chinesischen Leihfahrräder in Berlin sehen werde. Angekündigt ist das ja schon. Und wann Situation vor Berliner Ampeln so ist wie auf den China -Bildern der 70er Jahre, 100 Fahrradfahrer vor der Ampel, und kein Auto weit und breit.