Der Deutschlandfunk berichtete nicht nur über Gehirnforschung (siehe meinen letzten Blog), sondern am 14. April auch über die Ergebnisse der Enquete-Kommission zu Wachstum und Wohlstand. Die Bilanz der zitierten Experten sieht eher verhalten aus, der "große Wurf" scheint nicht gelungen. Und ein Blick in die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen legt nahe, das wir mit den bestehenden Berichten (z.B. dem Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung) bereits ein recht gutes Berichtssystem haben. Vermutlich wird sich also am bestehenden (Berichts- und Indikator-) System nichts ändern. Warum manche Alternativen zum BIP aufgegriffen werden und andere nicht, untersucht eine aktuelle Studie, über die Duncan Green von Oxfam in seinem Blog berichtet. Ein Ergebnis ist, dass einfache, verdichtete Indikatoren wie der Human Development Index eher aufgegriffen werden als komplexe. Das gilt auch für Innovationsindikatoren, die als zusammengesetzte Indikatoren eine komplexe Wirklichkeit abbilden wollen, zumeist aber mit Blick auf ihr Länderranking in den Medien sind.
Je stärker die Innovationspolitik durch die Ausrichtung auf gesellschaftliche Herausforderungen legitimiert wird, desto näher rückt sie von den Erfolgsindikatoren auch an die "neuen" Wohlstandsindikatoren heran. Zum Teil wiederum ist die Innovationspolitik selbst, z.B. mit Blick auf die Investitionen in FuE, Teil der Nachhaltigkeitsindikatorik. Die bekanntesten Innovationsindikatoren (Innovationsindikator für Deutschland, Innovation Union Scoreboard) sind zusammengesetzte Indikatoren, die Input- wie Outputseite des Innovationssystems beleuchten wollen. Diese Indikatorenansätze haben jeweils einen relativ konkreten instrumentellen Anspruch, d.h. sie wollen auch politisches Handeln anleiten. Ihr Problem besteht darin, dass entscheidende Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit eines nationalen Innovationssystem struktureller Natur sind und nur langfristig - wenn überhaupt zu vertretbaren Kosten - geändert werden können. Der Innovationsindikator der Telekom-Stiftung beschreibt ganz explizit die erhebliche Zeitspanne, die günstigstenfalls zwischen veränderten Input und Outputindikatoren liegt. Bis sich die Effekte eine bestimmten Innovationspolitik konkret zeigen, vergeht also auf jeden Fall relativ viel Zeit.
Manche Phänomene sind aber so stark in grundlegende Strukturen eines Landes verwurzelt, dass kaum an substantielle Änderungen zu denken ist. Dazu gehört möglicher Weise die mangelnde Gründungskultur in Deutschland, die etwas mit dem Rentensystem (und den verfügbaren Kapitalmitteln), mit der Industriestruktur, der Bevölkerungsstruktur, der Migration und der eigentlichen Kultur zu tun hat. In der Politikwissenschaft hat die Forschung zur politischen Kultur und zu den politischen Strukturen eines Landes eine lange Tradition. In der Innovationsforschung sind vergleichbare "Kulturforschungen" eher selten und zumindest einflusslos. Spannend ist da der Ansatz von Acemoglu und Robinson, die global sogar von komplementären Innovationskulturen ausgehen, die sich gegenseitig bedingen.
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