Chinas Wirtschaft hat turbulente Wochen hinter sich: erst schien im Juli ein echter Börsencrash bevorzustehen, dann wertete die chinesische Regierung wiederholt ihre Währung ab (hier, hier und hier finden sich z. B. Interpretationen der Abwertung). Manche Artikel interpretieren die Abwertung als Bemühung um freiere Wechselkursanpassungen, auch um den Yuan als internationale Reservewährung zu stärken, möglicher Weise allerdings mit dem Risiko erheblicher Schwankungen. Die Abwertung wird von vielen Kommentatoren aber auch als Versuch der chinesischen Regierung gesehen, chinesische Produkte insbesondere in Europa wieder konkurrenzfähig zu machen, nachdem die Kopplung an den Dollar und dessen Aufwertung gegenüber dem Euro in der Vergangenheit chinesische Exporte teurer gemacht hatten.
Insbesondere die aktuelle Wachstumsschwäche der chinesischen Wirtschaft wird dabei als Hauptmotivation gesehen,sie ist auch die wesentliche Sorge der meisten Kommentatoren,nabhängig von den Börsenschwankungen und Wechselkurskapriolen. Sogar der Begriff der sekularen Stagnation in China wird von manchen Kommentatoren bemüht. China wird nicht mehr nur als der starke Motor der Weltwirtschaft gesehen, sondern auch als möglicherweise kriselndes Land, dessen Reaktionen auf dauerhafte Wirtschaftsschwäche in unkontrollierbaren und irrationalen Handlungen münden könnte. Dabei ist ein Problem sicher auch, dass offizielle Zahlen immer wieder Anlass zum Zweifeln geben. Dies gilt für die 7% Wachstum, aber z. B. auch für die offiziellen Arbeitslosenzahlen, die weit höher als von staatlichen Stellen angegeben liegen könnten.
Eine wesentliche Herausforderung Chinas liegt, da sind sich die meisten Kommentatoren einig, im Übergang von der Werkbank der Welt zu einer innovationsgetriebenen Industrienation. Wie die Chancen stehen, da wiederum scheiden sich die Geister. In einer der letzten Ausgaben des Economist ging die Kolumne Schumpeter das Thema chinesische Innovationskraft ein wenig systematischer durch und kam zu eher hoffnungsfrohen Ergebnissen. China ziehe seine Markterfolge nicht mehr nur aus mehr oder weniger gelungenen Kopien westlicher Produkte, sondern immer mehr auch aus eigenständigen Innovationen. Der China-Blog von McKinsey hat gerade skizziert, wie fallende Preise chinesische Industrieunternehmen zu erheblichen Prozessinnovationen zwingen, die sie mittelfristig äußerst wettbewerbsfähig ,machen dürften (siehe auch den Blogbeitrag hier).
Gestritten wird über die Rolle des Staates. Ist ein starker, intervenierender Staat eher ein Vor- oder ein Nachteil? Der bereits genannte Economist-Artikel zitiert Quellen, die insbesondere die langfristige Orientierung eines starken Staates positiv hervorheben.
Der Blog des China Policy Instituts wiederum weist kritisch auf die Irrtümer eines staatlich gelenkten Techno-Nationalismus hin, der den Ideen eines offenen Austausches entgegensteht und Innovation als Nullsummenspiel missversteht. Weiter geht ein Interview mit Daren Acemoglu in der aktuellen Zeit-Printausgabe, indem Acemoglu ein echtes, erfolgreiches Innovationssystem in China ohne Demokratie als unrealistisch bewertet. Das Interview ist online noch nicht nachzulesen, im wesentlichen finden sich die Gedanken aber auch schon in einem vergleichbaren Interview aus dem Jahr 2012.
Als Hoffnungszeichen für die Innovationskraft Chinas könnte man die nachfolgende Beobachten werten: In einem meiner letzten Blogs hatte ich davon berichtet, dass Berlin und Tel Aviv eine Partnerschaft in der Gründungsförderung eingehen wollen. Nun berichtet das Portal Kooperation International von der Gründung eines französisch-chinesischen Investitionsfonds für innovative Startups. Frankreich, auf der Suche nach erfolgreichen Gründern, setzt also auf die "Start-up"-Nation China. Ob das gut geht? Zumindest hier haben sogar die optimistischen Kolegen von McKinsey ihre Zweifel. Auf die Frage, ob es ein chinesisches Silicon Valley geben wird, kommen sie ziemlich eindeutig zu einer negativen Antwort.
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