Heute morgen habe ich einen schönen Vortrag auf meiner Lieblings-Vortrags Podcast-Website angehört, D-Radio Wissen. Der Soziologe Helmut Willke sprach über die Zukunft der Demokratie in der Wissensgesellschaft. Da lachte der alte Politikwissenschaftler in mir schon ein klein wenig vor Vorfreude.
Seinen Vortrag begannen Willke mit zwei zentralen Thesen. Zum einen ging er davon aus, das die klassische parlamentarische Demokratie zunehmend von der Notwendigkeit eines vertieften Expertenwissens herausgefordert sei. Kein Mensch, auch kein Parlamentariet könne heute noch alle Politikfelder in ihrer Tiefe durchdringen. Ohne Expertenwissen wäre eine vernünftige Steuerung der Politikfelder nicht mehr denkbar.
Ich musste bei diesem Argumentationsschritt an ein Projekt des Global Science Forum der OECD denken, an dem ich vor ein paar Jahren teilgenommen habe. Es ging damals um wissenschaftliche Politikberatung. Anlass waren einmal das Erdbeben und die Atomkatastrophe in Fukushima gewesen, die in Japan zu einem dramatischen Vertrauensverlust der wissenschaftlichen Politikberatung geführt hatten. Zum anderen hatte ein Erdbeben in Italien zu einer Verurteilung von Geologen geführt, die zu früh Entwarnung gegeben hatten. Der Endbericht des Projektes kam damals zu dem Schluss, das wissenschaftliche Politikberatung heute deutlich heterogene und kontroverse abläuft als früher.
Helmut Wilke forderte wiederum in seinem Vortrag, dass Expertengremien deutlich autonome Verantwortung für die Störung spezifischer Politikfelder übernehmen sollten. Verfassungsgericht und Zentralbanken seine gutes Beispiel dafür, dass auch jenseits der üblichen parlamentarischen Entscheidungsprozesse Experten getriebene regime in spezifischen Politikfeldern möglich und sinnvoll sein, solange reden, also das Parlament, die letzte Entscheidungsgewalt behalte. Wichtig sei außerdem eine hinreichende Pluralität der Gremien, um verschiedene Meinungen und durchaus politische Strömungen zu repräsentieren. Bei ausreichender Transparenz sei eine hohe Akzeptanz der Bevölkerung zu erwarten.
Ich würde den Fokus dieser politischen Steuerung jenseits klassischer parlamentarischer Entscheidungsfindung sogar noch deutlich breiter sehen. Eigentlich geht es doch um die Partizipation unterschiedlicher aktuelles Gruppen, die jeweils für sich Expertenwissen beanspruchen können. Es geht also nicht nur um wissenschaftliche Politikberatung, sondern gerade auch um die Partizipation unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Gerade die deutsche Innovationspolitik das hätte ich gerade in Richtung einer partizipativen Politikgestaltung, wenn auch das Ende der Fahnenstange sicher noch lange nicht erreicht ist.
Seine zweite Eingangsthese führte Willke übrigens leider nicht besonders weit aus. Er postulierte, dass neben der klassischen Inputlegitimation politischen Handelns, also insbesondere des Wahlaktes, eine Art Legitimation über Ergebnisse guter Politik immer wichtiger werde. Die Europäische Union, die gerade in ihren Anfangstagen über einen besonderen Mangel an Inputlegitimation verfügt habe, sei ein gutes Beispiel für diese Legitimation über gute Ergebnisse guter Politik.
Und das ist natürlich das beste Argument für eine ausgeprägte Evaluationskultur. Ohne Evidenz für die positive Wirkung guter Politik ist eine ausreichende Legitimation nicht mehr darstellbar. Gerade wenn Experten zunehmend Entscheidungsverantwortung übernehmen sollten, ist eine enge Prüfung der Ergebnisse solcherart realisierter Steuerung umso wichtiger.
Hierzu hat sich Willke nicht geäußert in seinem Vortrag, aber er hat ja auch nochein Buch geschrieben, vielleicht steht da mehr zu ...
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