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Samstag, 25. August 2018

Wie beeinflusst Technologie Politik?

in den USA stehen im November die Wahlen zum Repräsentantenhaus an, und nach zwei Jahren Donald Trump ist die ganze Welt gespannt, ob er nun einen Denkzettel bekommt oder ob die Republikaner ihre starke Stellung halten können. Und wie bereits anlässlich der Präsidentenwahlen richtet sich die Aufmerksamkeit auch darauf, ob Technologie einen Einfluss auf Politik haben könnte. Immer noch sind die Amerikaner damit beschäftigt, die Einzelheiten möglicher Einflussnahme auf die letzten Wahlen durch soziale Medien und Akteure wie Cambridge Analytics zu klären. Bereits jetzt schon werden besorgte Stimmen laut, die eine Einflussnahme auf Wähler oder gar ein Hacken der Wahlmaschinen bei der kommenden Wahl fürchten. Erste Anzeichen dafür gibt es ganz aktuell.

Die amerikanische Ausgabe Technology Review hat sich nun in ihrer neuen Ausgabe ganz und gar dem Thema Technologie und Politik gewidmet. Das Editorial schlägt noch einmal den ganz großen Bogen von seiner optimistischen Perspektive auf politisch genutzte Technologie aus dem Jahr 2013, als Barack Obama auch mit der Hilfe neuer Wahlkampftechniken die Präsidentschaftswahlen gewann und der arabische Frühling auch durch die Möglichkeiten sozialer Netzwerke seine durchschlagende Kraft entfaltete. Heute hingegen scheint Technik nur noch als Bedrohung demokratischer politischer Prozesse zu funktionieren. Nur ein einziger Artikel der neuen Ausgabe widmet sich neuen, technologisch ermöglichten partizipativen Formaten, die hier am Beispiel Taiwans demokratische Prozesse bereichern können.

Am Beispiel Kenias skizziert ein Artikel z. B., wie bestimmte demokratieschädliche Tendenzen neuer Technologien nicht wirklich neu sind, sondern auch manchen Technologien des Vor-Internetzeitalters eigen waren. Hate-speech z. B. wurde in Kenia bereits früher durch lokale Radiostationen befördert, das Internet hat nun diese unheilvolle Funktion übernommen. Dabei war die Hoffnung in Kenia nach den Unruhen des Jahres 2007 groß, das mit neuer Wahltechnik eine Befriedung des Landes gelingen könnte. Der Autor des Artikels schließt, dass Technik in der Regel keine sozialen Probleme löst.

Diee repressive Politik der chinesische Regierung gegenüber den Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang, die immer stärker auf entsprechenden Überwachungs- und Analysetechnologien basiert und als Art Testlabor zum Funktionieren des technologisch ausgerüsteten autoritären Staates gesehen werden kann, greift die Zeitschrift The Atlantic auf. Besonders beeindruckt hat die Autoren eine neue Überwachungsdrohne, die sich als Taube tarnte und flattert wie ein echter Vogel. Diese Drohne wird auch in einigen anderen Medien aufgegriffen.

Die Technologiepolitik der chinesischen Regierung wird übrigens auch in der oben beschriebenen Ausgabe der Technology Review aufgegriffen, unter der schönen Überschrift 'Warum Demokratie, wenn es Technologie" gibt. Tatsächlich kann Überwachungstechnologie wie Gesichtserkennung oder das berühmt-berüchtigte social credit System ein zentrales Problem chinesischer Politik lösen helfen, nämlich das Fehlen von Informationen, die von unten nach oben fließen. Dies ist ja eine der wesentlichen Funktionen von Demokratie, dass nämlich aus der Breite der Bevölkerung über den Wahlakt und die damit verbundene Kommunikation Meinungen und Einstellungen an die politische Führung kommuniziert werden. Wer diese Mechanismen nicht hat, der ist auf andere Kanäle angewiesen um das Problem zu lösen.

Allerdings ist Demokratie keine Einbahnstraßenkommunikation wie die beschriebenen Überwachungstechnik.

Samstag, 11. August 2018

Künstliche Politiker

Im vergangenen Jahr wurde eine Umfrage unter britischen Bürgern veröffentlicht, wonach sie sich einen Roboter mit künstlicher Intelligenz als Ersatz für ein Politiker gut vorstellen könnten. Angesichts des Chaos, mit dem im Moment die britische Politik versucht, den Brexit umzusetzen, könnte man das vielleicht wirklich für eine gute Idee halten. Etwas ernster hat sich jüngst ein Kommentator des Economist damit auseinandergesetzt und ist unterm Strich zu dem Ergebnis gekommen, dass ein KI-Politiker vielleicht doch keine so gute Idee wäre. Selbst wenn es zukünftig technisch machbar wäre.
Auch den aktuellen amerikanischen Präsidenten durch eine künstliche Intelligenz zu ersetzen halten manche Kommentatoren aus durchaus nachvollziehbaren Gründen für eine interessante Idee, die man zumindest einmal in Ruhe durchdenken sollte. Eine evidenzbasierte, rationale Politikentscheidung könnte auf jeden Fall durch einen solchen Austausch nur gewinnen.
Bereits Anfang letzten Jahres hatte sich die Zeit in einem längeren Artikel auf das Gedankenspiel eingelassen. In diesem wie auch in den anderen Artikeln wurde schnell deutlich, dass die Gründe für mehr KI in der Politik aus der Frustration resultiert, dass Politiker Menschen sind und manchmal ziemlich irrational. Möglicherweise läge die Lösung nicht darin, eine künstliche Intelligenz den Job machen zu lassen, sondern einfach bessere Politiker zu wählen.
Doch die eigentlich spannende Frage ist, ob die Nutzung künstliche Intelligenz, die Entscheidungsfindung aufgrund der Auswertung von vielen vielen Daten und Modell der Wirklichkeit, ob all dies nicht zu einer besseren Politikgestaltung führen könnte. Vermutlich nicht auf der Ebene des obersten Repräsentanten, des US-Präsidenten, der britischen Regierung oder der Bundeskanzlerin. Aber möglicherweise als Unterstützung für Ministerialverwaltungen oder zunächst auch nur Stadtverwaltungen.
Das Ergebnis wäre eine KI-gedopte Technokratie, die sich stark auf künstliche Intelligenz stützen könnte und rationale Entscheidungsfindung und Effizienz zu ihrem obersten Prinzip erheben würde. Im vergangenen Jahr hatte der amerikanische Autor Parag Khanna dazu ein Buch geschrieben und für einen solchen technokratischen Ansatz in den USA geworden.
Die französische Zeitschrift Usbek & Rica, die sich der Erforschung der Zukünfte verschrieben hat, beschreibt ein Szenario, in dem aus den Zwang zur moralisch Integrine regieren Stück für Stück die Kontrolle einer künstlichen Intelligenz über die französische Politik wird.
Tja, und die Chinesen, die Chinesen sind mal wieder schon einen Schritt weiter. Laut diesem Artikel sind sie schon jetzt intensiv dabei, für unterschiedliche Politikfelder die Kraft künstlicher Intelligenz zu nutzen und damit eine bessere, eine rationale Politik zu betreiben. da wird es kein Zufall sein, dass das chinesische Social Credit System so schön die Gesellschaft abbildet und ihre Simulation vereinfacht. Ist vielleicht die Gesellschaft nur noch dazu da, die Daten für die richtige Simulation zu liefern, ganz im Sinne der letzten Staffel von Westworld?
Auch in Deutschland wird das Thema KI in der Politik manchmal zaghaft angeschnitten. die hiesige politische Kultur scheint dem Thema gegenüber aber nicht besonders offen zu sein. Es gibt in Deutschland keine Tradition der Planungsbehörden, die über längere Zeiträume hinweg versuchen, alle Faktoren zu berücksichtigen und die Zukunft zu planen und zu steuern. Als im Zuge der Eurokrise die Bundesregierung wiederholt von Sachzwängen und von Alternativlosigkeit sprach, also letztlich auch davon, dass die einzig vernünftige Entscheidung diejenige wäre, die die Regierung trifft, brach ein Sturm der Entrüstung aus.
Und auch die europäische politische Ebene, in der die Kommission deutlicher als auf nationaler Ebene die Rolle einer technokratie, oder in diesem Fall der Euro Kratie spielt, ist in Deutschland nicht gerade mit großem Sympathien bedacht, auch wenn die Zustimmung zur EU grundsätzlich in Deutschland gottseidank noch hoch ist (wer mehr zu den längeren Linien dieses kritischen bzw polemischen Diskurses über Bürokratie lernen möchte, dem sei dieser Podcast empfohlen).
Man kann über Vor und Nachteile einer durch künstliche Intelligenz unterstützen Politik streiten, wie wir es beispielhaft in unserer kleinen Publikation hier vorgemacht haben.
Wer sich dem Thema künstlicher Intelligenz und Politik etwas entspannter zuwenden möchte, dem sei der hervorragende satirische SF Roman von Marc-Uwe Kling 'Qualityland" empfohlen wo John of Us den Roboter Präsidentschaftskandidaten gibt.
Oder aber man amüsiert sich mit Tracey Ullman und ihrer Vision, wie ein Roboter die amerikanische Präsidenten Familie aufmischt.

Samstag, 4. August 2018

Zombie-Gründer

Seit kurzem nutze ich verstärkte Twitter, um mich auf interessante Artikel, Studien oder Meinungen stoßen zu lassen. Jenseits der üblichen Newsletter ist dies manchmal eine wirkliche überraschende Quelle von spannenden Meldungen. Das Ganze steht und fällt natürlich mit den Personen, denen man folgt. Wenn diese alle selbst miteinander vernetzt sind, dann twittern sie nur immer wieder dieselben Beiträge. aber das macht das dann auch wieder spannend, zu sehen, welche Netzwerke sich hinter Twitter verbergen.

im Moment recht angetan bin ich z. B. von der Expertenkommission Forschung und Innovation EFI, die eine ziemlich bunte Mischung an Beiträgen mit einer relativ hohe Taktfrequenz twittert. Lustig fand ich da den Retweet zu einem Artikel in WIRED, der Studienergebnisse zitiert, die einen Zusammenhang zwischen der Infektion mit Toxoplasmose und Gründungsneigung behaupten. Wer eine Katze hat bzw. sich mit diesem Katzenparasiten identifiziert, ist wagemutiger und gründet häufiger ein Unternehmen, so die Autoren. Das wäre natürlich praktisch und eine ziemlich preiswerte Möglichkeit für die Bundesregierung, die Gründungsneigung in Deutschland zu erhöhen: einfach süße kleine Katzenbabys flächentechnik verschenken.

Die Geschichte erinnert mich auch an sogenannte Zombie-Pilze, die tropische Ameisen befallen (hier auch ein Artikel mit einem nett-gruseligen Film), sie zu einem selbstmörderischen Verhalten zwingen und dann töten, um an geeigneter Stelle weiter zu wachsen. Das ist aber nicht der einzige Parasit, der seinen Wirt geradezu unglaublich raffiniert manipuliert. Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Neuroparasiten, die entsprechend vorgehen und diverse Tierarten zu höchst merkwürdigen und selbstschädigenden Verhalten bringen.

Beim Toxoplasma-Parasiten und dem Menschen war diese Art der Beziehung schon länger vermutet worden, aber wissenschaftlich nicht wirklich eindeutig nachgewiesen. Und wenn man bedenkt dass Toxoplasma in Deutschland ungefähr 60% der Bevölkerung infiziert hat, so scheinen sich die Auswirkungen doch sehr im Rahmen zu halten. Und leider sind insbesondere die Auswirkungen auf die Gründungswahrscheinlichkeit dann doch sehr beschränkt geblieben und die Idee mit der Katze als innovationspolitischler Wunderwaffen doch nicht so toll.

Aber Gründerinnen und Gründer sind ja sowieso recht eigenartige Wesen, deren Verhalten wohl auf sehr mannigfaltige Art und Weise beeinflusst wird und nicht einfach zu steuern ist. Breit ist die Literaturlage z. B. In Hinblick auf Geschlechterunterschiede. Schon länger in Studien beschrieben ist die Beobachtung, dass weibliche Gründerinnen vorsichtiger agieren und eher auf ein nachhaltiges, langsames Wachstum setzen. Neu ist die Beobachtung, dass Frauen dabei scheinbar sehr erfolgreich sind und höhere Renditen erwirtschaften als männliche Gründer.

Bislang immer wieder aufgegriffen wurden die Annahme, dass insbesondere jüngere Menschen eher ein Unternehmen gründen. Der demografische Wandel würde in diesem Fall ein nicht unerheblicher Einflussfaktor auf die sinkende Gründungsneigung in Deutschland sein. Neu sind dann die Studien, die zeigen, dass ältere Gründer deutlich erfolgreicher sind. Gründungsneigung und Gründungserfolg sind eben doch nicht ein und dasselbe.

Jetzt würde mich interessieren, welche Korrelation ist zwischen Alter und Vorlieben für Katzen gibt.