Sonntag, 7. Februar 2016

Startup-Alarm

Vor ein paar Tagen übertrumpfte Alphabet, die Firma, die einst Google hieß, zum ersten Mal für kurze Zeit Apple als wertvollste Firma der Welt. Zeitungskommentare wunderten sich ein wenig, dass eine Firma, die nichts Materielles produziert, im Gegensatz zu Apples Handys, Tablets und SmartWatchs, tatsächlich diesen Spitzenplatz erreichen kann. Das Wunder der digitalen Ökonomie... Dabei ist Google mittlerweile mehr als die Suchmaschine: Eine Firma, die autonome Autos entwickelt, die Roboterfirmen kauft, und vieles mehr.
Derade diese Angewohnheit, junge Firmen, aufstrebendes Startups zu kaufen, um sein Geschäftsfeld zu erweitern, um mit den Milliarden, die den Großkonzern zur Verfügung stehen, Entwicklungen zu beschleunigen, macht den deutschen Behörden scheinbar Angst.
Anders ist es nicht zu erklären, dass die Bundesregierung jetzt im Jahreswirtschaftsbericht angekündigt, das Kartellrecht so zu ändern, dass auch junge Firmen, die noch scheinbar ohne wert sind, nur aufgrund ihres zukünftigen Potenzials kontrolliert werden. Man möchte verhindern, dass sogenannte Plattform Firmen, also Google Apple und Co, marktbeherrschende Stellung erreichen, indem sie neue Geschäftsfelder durch diesen Aufkauf schnell für sich entscheiden. Damit die großen Internetkonzerne sich also nicht zusammen kaufen, was sie aus der Portokasse bezahlen können.
Die Kritik der deutschen Startup-Szene war abzusehen. Hier werde ein sowieso sehr schwacher Markt systematisch kaputt gemacht. Ohne Exit-Option wäre es noch schwerer für deutsche Firmen, an Wachstumskapital zu gelangen. Stattdessen sollte sich die Politik lieber bemühen, ihre Hausaufgaben zu machen, und den Startups ein einigermaßen attraktives Umfeld zum Wachsen und Gedeihen zu schaffen.
Die Intention der Bundesregierung ist schon zu verstehen. Es gedeihen nur sehr wenige, kleine, zarte Pflänzchen auf dem deutschen Startup-Acker. Die würde man doch eigentlich gerne zu deutschen Internetgrößen weiterentwickeln, als Gazellen hegen und pflegen. Und wenn sie dann weggekauft werden von den amerikanischen Internet-Giganten, was bleibt dann für Deutschland? Die traditionellen Mittelständler, die sogenannten hidden champions, die aber möglicherweise die Digitalisierung verschlafen?
Solange aber die Bedingungen für ein schnelles Wachstum in Deutschland nicht gegeben sind, bleibt den meisten deutschen Startups nur die Hoffnung, den Exit über den Aufkauf durch die Großen zu realisieren. In diesem Sinne werden tatsächlich letzte Optionen abgebaut durch diese neue Regelung. Wenn sie denn kommt.
P.S.  jetzt geht auch die Diskussion auf Gründerzeit zu dem Thema los, mit einem kritischen und einem wirklich lesenswerten positiven Artikel

Montag, 1. Februar 2016

Randomized Controlled Trials

Aktuell jährt sich die Einführung des Mindestlohns in Deutschland, und damit auch erste Bilanzen, ob hier Jobs flöten gegangen sind oder nicht. Entgegen mancher Unkenrufe wohl nicht, im Gegenteil wurden nicht wenige Minijobs in richtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt. Vor einem Jahr war die Aufregung noch groß, und so mancher Ökonom war sich sicher, dass der Mindestlohn der große Jobkiller würde. Jetzt wird sich rausgeredet, zum Beispiel mit der guten Konjunktur. Aber auch für die weitere Entwicklung gehen die Meinungen auseinander. Letztlich kann keiner genau sagen, wo die kritische Grenze liegt, wie hoch der Mindestlohn steigen darf. Man muss es halt ausprobieren, so wie auch der Mindestlohn selbst ein großes Experiment war. (Ähnlich wilde Spekulationen gibt es übrigens zu den Kosten der Flüchtlingskrise.)

Als ich diese Artikel las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Daher kommt also die Begeisterung der Arbeitsmarkt- und Sozialforscher für randomized controlled trials  (rct), die jetzt auch in die Innovationspolitik ausstrahlen. Gerade erst hatte ich im Januar einen Workshop für TAFTIE, das europäische Netzwerk der Innovationsagenturen (oder Projektträger) moderiert. Es war zwar nur einer von vielen Beiträgen, aber der Vortrag vom Innovation Growth Lab aus UK wurde deutlich am längsten diskutiert. Mir wurde erneut deutlich, dass sich rct vor allem für neue Maßnahmen eignet, um kontrolliert, z.B im Rahmen eines Piloten zu klären, wie eine neue Politikintervention eigentlich wirkt.

Darum werden rct auch in der Arbeitsmarktpolitik so gerne genutzt. Weil man eben nicht weiß, ob und wie neue Ansätze wirken. Und das ist in der Innovationspolitik meist anders. Da sind die meisten Instrumente gut bekannt und gut beforscht. Ein bisschen mehr Lust zum Experimentieren würde der Innovationspolitik zwar manchmal ganz gut tun, für das aktuelle Instrumentarium wäre eine Sammlung aller bereits vorliegenden Erkenntnisse und ganz neue Forschungsdesigns wichtiger als das  Abkupfern von Evaluationsdesigns aus der Arbeitsmarktpolitik, die meist nicht wirklich passen.