Dienstag, 19. November 2013

The Circle und Foresight

Dave Eggers hat vor kurzem seinen neuen Roman "The Circle" herausgebracht (eine deutsche Ausgabe liegt noch nicht vor), in der er die Zukunft der Internetgiganten Gooogle, Facebook, Twitter und Co in einer herrlichen Dystopie beschreibt. Deutsche Rezensenten (z.B. der FAZ und der Süddeutschen) waren begeistert, und tatsächlich gelingt Eggers eine schöne Gradwanderung zwischen Science Fiktion und aktueller Gesellschaftskritik. Von der namensgebenden Firma und ihren neuen Features abgesehen spielt die Geschichte quasi in der Jetztzeit, Irakkrieg und Afghanistan sind auch den Romanfiguren aktueller politischer Hintergrund. Die allmächtige Internetfirma Circle hat die totale Transparenz zu ihrer Ideologie gemacht und beherrscht sie zunehmend technisch. Ihre Mitarbeiter sind die ersten, die den Segen und Fluch der Transparenzmanie erleben, aber auch die politische Landschaft wird erfolgreich bearbeitet. Laut Rezension der Süddeutschen reiht sich das Buch in einen wachsenden Chor an kritischen Intellektuellenäußerungen in den USA ein, für die mögliche soziale Folgen der neuesten Internettechnologien nicht nur erstrebenswert sind. Nach den ökonomischen  Befürchtungen der Neo-Ludditen (siehe auch meinen Blogbeitrag hier) wachsen demnach sozialkritische Maschinenstürmer heran, die die Allmacht der Internetkonzerne sehr skeptisch sehen. In Europa wird man diese Skepsis nach den aktuellen NSA-Skandalen vermutlich eher teilen...

Letztlich reiht sich Eggers Roman aber ein in eine schöne Tradition der Science Fiction Literatur, die soziale Trends der Gegenwart, leicht verfremdet und zugespitzt, in einer nahen Zukunft auf den Punkt bringt. Einige der Technologien des Buchs scheinen auch gar nicht mehr so weit weg zu sein. Vielleicht lesen gerade die Entwickler von Google und Facebook die Technologiephantasien von Eggers mit großem Interesse und lassen sich eher anregen. Die Rolle des Science Fiction als Foresight-Instrument wäre nicht neu. Die Technology Review (und später auch die Süddeutsche) haben z.B. erst jüngst die Science-Fiction-Archiv in Wetzlar beschrieben, dass hieraus ein echtes Geschäftsmodell gemacht hat und den Blick in die Kristallkugel der Literatur an Unternehmen verkauft.

Zukunftsliteratur kann also zweifach die Zukunft mitbeeinflussen: als Ideengeber und als kritische Intervention gegenüber unerwünschten Entwicklungstrends. Ganz die Rolle, die das traditionelle Foresight letztlich auch übernimmt. Der Blick in die Zukunft ist kein Selbstzweck, sondern soll Handlungsanregungen für die Gegenwart bieten. Ein schönes und aktuelles Beispiel ist das Futurium der EU-Kommission, in dem aktuell (noch bis Ende November) 11 Zukünfte zur Wahl stehen. Der "hyperconnected human" ist übrigens auch mit dabei. Da schließt sich dann der Kreis zum Circle...

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