Mittwoch, 3. Juni 2015

Lebenslüge Gründung?



Zurzeit regnet es wieder Zahlen zur deutschen Gründungskultur und zur Gründungshäufigkeit (siehe hier und hier). Es scheint sich zu bestätigen, was niemand wirklich wahrhaben möchte. Die Gründungsneigung, gerade für technologieorientierte Gründungen, ist in Deutschland weiter rückläufig. Und das, obwohl die Gründungsstimmung doch so gut ist. Berlin als international wahrgenommener Gründungsstandort, die Politik voller neuer Ideen und Gelder, und sogar das Privatfernsehen macht mit seinen Gründungsshows mit. Und trotzdem wird nicht mehr, sondern weniger gegründet.

Die Erklärungsversuche wirken auf mich auch etwas hilflos. Die gute Konjunktur sei schuld, die guten Leute würden von der Uni lieber direkt in die etablierten Unternehmen gehen, die sehr attraktive Bedingungen böten. Aber eine gute Konjunktur sollte doch eigentlich Normalzustand sein, die Notgründer sind doch nicht wirklich die Klientel, auf die man hierzulande als potenzielle  schielt. Es sind doch die Leute mit den tollen Ideen, die wir als Gründer wollen.

Zweiter Erklärungsversuch: der demographische Wandel. Auch das finde ich kein echtes Argument. Denn auch daran wird sich nicht wirklich was ändern- Auch wenn Gründerinnen und Gründer aus anderen Ländern in größerer Zahl nach Deutschland kommen, werden sie diesen Rückgang nicht kompensieren.

Dritter Erklärungsversuch: zu wenig Geld. Das stimmt zum Teil sicher, aber die interessanten deutschen Gründer finden zunehmend auch ihr Geld in den USA.

Vierter Erklärungsversuch: Fachkräfte. Hier schreibt derTagesspiegel heute ganz schön von einer möglichen Wahrnehmungsverzerrung der in der Regel noch sehr kleinen Gründer, die sich häufig auf ihr persönliches Umfeld verlassen und die potenziellen Engpässe bei einem weiteren Wachstumsprozess eher überschätzen.

Ich habe die Vermutung, dass wir einer Lebenslüge aufsitzen und dass die Gründungszahlen absehbar nicht so hoch werden, wie sie es während der Dotcom-Blase oder im Nachgang zur deutschen Einheit waren. Ein langfristiger, rückläufiger Trend scheint hier durchzuschlagen, der nicht nur für Deutschland relevant ist, sondern z.B. auch für die USA.

Ich habe auch den Verdacht, dass geringe oder gar rückläufige Gründungszahlen kein Defizitmerkmal sind, sondern im Gegenteil ein Indikator dafür, dass unser Innovationssystem auf anderen Stärken aufbaut. Und das sind eher die anpassungsfähigen etablierten Unternehmen, die sich von jungen Unternehmen nicht so einfach vom Markt drängen lassen. In diesem Fall müssten wir uns allerding besonders Sorgen machen, weil zumindest der Mittelstand nicht mehr wirklich die „Innovationsrakete“ von früher darstellt. Und wo Großunternehmen und große Mittelständler durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Startups frischen Wind und Innovationen noch in ihre Konzerne bringen, verhalten sich kleinere Mittelständler immer noch viel zu zaghaft. 

In diese Richtung haben wir vergangene Woche auf einem Workshop des BMWi diskutiert, bei dem es um eine bessere und intensivere Zusammenarbeit zwischen Jungen Unternehmen auf dem Wachstumspfad und etablierten Mittelständlern ging. Ziel: Junge fördern und Innovationen schneller bei den etablierten Unternehmen zur Anwendung bringen, z.B. um diese fitt für den Umstieg auf Industrie 4.0 zu machen. 

Und in diese Richtung geht auch ein weiterer ganz aktueller Artikel desTagesspiegels. Der berichtet zwar eigentlich über Berlin als Startup-Metropole im internationalen Vergleich, nennt aber dann auch eine noch ausbaufähige Zusammenarbeit zwischen etablierten Mittelständlern und Gründern als Schwäche der deutschen Hauptstadt.

Und natürlich ist eine Förderung von Gründern weiter notwendig, weil sie eben die Hefe für den Innovationsteig in Deutschland sein können. Und es scheint auch so, als wenn die Politik das kapiert hat und einen nicht schlechten Job macht. Nur beim Matching von Mittelstand und Jungunternehmen fehlt mir noch das richtige Instrument. Von alleine scheint sich das im Moment  nicht zu regeln.

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