Sonntag, 24. Februar 2019

Experimente in der Innovationspolitik

Diese Woche war ich auf der Herrenhausen-Konferenz "The New Role of the State for Diffusion and Emergence of Innovation", einer internationalen Konferenz vor allem von Innovationsökonomen, finanziert von der Volkswagen-Stiftung und organisiert durch die Universitäten Bremen, Jena und Twente. 

Ein Stichwort, dass sich durch viele Beiträge zog und immer wieder auch im Kern der Diskussion stand, war "Experimente". Der Staat solle in der Innovationspolitik stärker auf Experimente zurückgreifen. Doch die Diskussion machte auch deutlich: Jeder versteht etwas anderes unter Experimenten in diesem Kontext.

Das Spektrum reichte von sehr kontrollierten, fast laborhaft arrangierten Experimenten, deren Teilnehmer durch Zufallsprinzip ausgewählt und denen eine Kontrollgruppe zur Seite gestellt werden (randomisierte Kontrollgruppen-Versuche - RCTs), bis hin zu Pilotmaßnahmen der Innovationspolitik, die für eine begrenzte Zeit und in kleineren Umfang umgesetzt und durch eine begleitende Evaluierung ausgewertet werden.

Eigentlich sind es ja mehrere Dimensionen, die in Experimenten zusammen kommen (können). 
  • Experimentieren beschreibt ein Handeln von Versuch und Irrtum, bei dem der Ausgang offen ist. Ich probiere etwas neues aus, meist mehrere Male mit verändertem Vorgehen, bis ich das gewünschte Ergebnis erreiche. Das ganze ist immer wieder mit dem Risiko des Scheiterns verbunden, einer eher ungemütlichen Situationen für den Start. Der Staat scheitert nicht gerne, da dies bei Wahlen sanktioniert werden kann. Deswegen ist er eher konservativ und vertraut auf bewährtes. Die Diskussion auch bei der Konferenz warf dies dem Staat in gewisser Weise vor. Er müsse mutiger sein, neues ausprobieren und dabei das Scheitern in Kauf nehmen. 
  • Ein zweites Verständnis kommt aus der Welt der Wissenschaft, in der das Experiment ein sehr kontrolliertes Vorgehen meint. Die Rahmenbedingungen sind möglichst gut beschrieben in ihrem Einfluss auf das eigentliche Experiment, alles wird ganz genau untersucht, protokolliert und begleitet. Übertragen auf die Innovationspolitik meint dieses Verständnis, dass neue Maßnahmen immer auch durch Evaluationen begleitet sein müssen. Und zwar am besten durch den höchsten nur denkbaren Standard, z.B. in Form einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Das ist natürlich in den meisten innovationspolitischen Anwendungsfällen nur sehr schwer bis gar nicht umzusetzen. 
  • Das Laborhafte zeigt sich auch bei den beiden aktuell in BMBF und BMWi verfolgten Vorgehensweisen, dem regulative Reallabor und dem Experimentierraum, in dem heterogene Akteure in einem geschützten Interaktionsraum zusammenkommen und neue Formen der Zusammenarbeit erproben.

Ein Vortrag der Konferenz machte es sich ganz einfach und nutzte die internationale Vergleichsebene, um alle 6innovationspolitischen Maßnahmen als kleine Experimente zu fassen, von denen man lernen könne. Na ja .....

Unterm Strich finde ich tatsächlich den Gedanken spannend, dass der Staat neues ausprobiert und dabei auch mal mutig ist. Der Staat als innovativer Akteur und nicht allein Ermöglicher von Innovationen. Allerdings, das zeigen die leidvollen Erfahrungen der privaten Akteure, also der Unternehmen, lässt sich innovatives Handeln nicht so einfach verordnen und wird durch manche Organisationsstrukturen auch eher behindert. 

Entsprechend widmen sich auch unterschiedliche Vorschläge neuen Organisationsstrukturen, so z.b. dieses Arbeitspapier zur Einrichtung eines Government Innovation Lab oder dieser Überblicksartikel.

Warum nicht ein Innovationslabor Innovationspolitik schaffen?

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