Freitag, 22. November 2019

Forschungsproduktivität

Im November hat der Sachverständigenrat der Bundesregierung sein aktuelles Jahresgutachten vorgelegt. Dabei hat er sich in diesem Jahr auch intensiver mit dem Thema Produktivität auseinander gesetzt, da er seit Sommer auch der nationale Produktivitätsrat ist. Das Thema eines rückläufigen Produktivtätswachstums beschäftigt die Politik schon länger, der Sachverständigenrat schlägt nun insbesondere vor, durch Forschung, Innovationen und Gründungen die Dynamik wieder zu steigern.

Nur ganz kurz angesprochen wird im Gutachten der Aspekt, dass auch Forschung selbst einem Produktivitätsrückgang zu unterliegen scheint. Hierzu wird nur in einem Satz ausgeführt, dass dies vielleicht an der erhöhten Komplexität moderner Technologie liegen könnte. Angesichts der weitreichenden Folgen dieses Befundes, sollte er den stimmen, aus meiner Sicht ein wenig dürftig. Schließlich wird ja die Forschung selbst quasi zur Wunderwaffe der Produktivitätssteigerung stilisiert. Aber zunächst zur Faktenlage. Diese ist zwar nicht eindeutig, es gibt aber einige Hinweise, dass wir tatsächlich ein Problem haben.

Wie NESTA in einem Blogbeitrag kürzlich schreibt, gibt es eine Reihe aktueller Studien, die einen Rückgang der Forschungsproduktivität belegen. Immer mehr Forscherinnen und Forscher und immer mehr Geld wird benötigt, um den selben Output zu erreichen. Die Kollegen von NESTA haben zwar keine wirklich schlüssige Erklärung, aber schon mehrere Lösungsvorschläge. Sie setzen einmal auf die Segnungen der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, um Forschung zu beschleunigen. Außerdem schlagen sie vor, die Forschungsförderung besser zu machen, zum Beispiel unter Nutzung von experimentellen Ansätzen.

Die amerikanische Technologie- und Innovationsstiftung ITIF, ein Think Tank der Politikberatung, sieht in einem Blogbeitrag ebenfalls keinerlei Beschleunigung des technologischen Fortschritts. Der Artikel macht sich vielmehr ein wenig lustig über die überschwänglichen Prognosen der Vergangenheit zu Singularität und ähnlichem und stellt auch die angeblich beispiellos schnelle Marktdurchdringung moderner Technik mit Gegenbeispielen in Frage.

Tatsächlich hält sich ja in den Medien der Eindruck, dass immer schneller neue Produkte auf den Markt kommen.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich 2016 mit der These eine Verkürzung von Produktlebenszyklen beschäftigt und diese These als generelle Aussage eher in Zweifel gezogen.

Die Liste an Veröffentlichungen der letzten Wochen ließe sich übrigens fortsetzen. Der amerikanische Ökonom Tyler Cowen hat sich in einem Papier jüngst mit der Frage beschäftigt, ob sich der wissenschaftliche Fortschritt beschleunigt, und kommt tendenziell ebenfalls zu einem negativen Urteil. Zwei japanische Autoren kommen auf der Basis japanischer Daten zu dem Schluss, dass die Forschungsproduktivität in Japan und anderen OECD-Ländern zurückgeht und daher ein Aufwuchs an FuE-Ausgaben nicht unbedingt zu mehr Output führt.

Und was heißt das jetzt? Wie gesagt, die Ursachen werden in den skizzierten Beiträgen für meinen Geschmack viel zu wenig untersucht. Meist bleibt es bei eher allgemeinen, anekdotischen Aussagen à la komplexere Technik, grundsätzliche Probleme bereits gelöst etc. Hier würde ich mir überzeugendere Hypothesen wünschen.

Und die Konsequenzen sind auch etwas unterbelichtet. Immerhin stützt sich ein Gutteil der Argumentation für Produktivitätssteigerung darauf, Forschungsoutput zu erhöhen. Möglicherweise wird das so aber nichts. Möglicherweise wird auch die Erhöhung der deutschen FuE Quote auf 3,5% nur den Produktivitätsrückgang ausgleichen. Wenn überhaupt. Aber immerhin.

Was wir brauchen, ist aber eigentlich erst einmal eine Antwort auf die Frage, wie Wissenschaft und Forschung wieder produktiver werden können.

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