Samstag, 3. März 2018

Produktivitätswachstum, das unbekannte Wesen

Donnerstag war ich bei der öffentlichen Vorstellung des Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation - EFI. Ein Tag zuvor hatten die Experten ihr Gutachten der Bundeskanzlerin übergeben, so wie jedes Jahr. Jetzt stellten sie sich der Diskussion mit dem Fachpublikum. Versammelt waren die üblichen Verdächtigen, Vertreter von Wirtschaftsforschungsinstitute, Projektträger, Ministerien und ähnlichen Einrichtungen. Im Zentrum der Diskussion mit der Expertenkommission standen die Themen steuerliche FuE-Förderung, die Förderung radikaler Innovationen oder auch das Verhältnis von Nachhaltigkeit und Innovationspolitik. Ein Thema des aktuellen Gutachtens wurde allerdings nicht angesprochen, der langsame, aber beständige Rückgang des Produktivitätswachstum all überall auf der Welt. Die Experten hatten ihr entsprechend des Kapitels war kurz vorgestellt, das Publikum aber biss nicht wirklich an.

Vielleicht lag dies auch an der etwas enttäuschenden Generalaussage. Alle möglichen Fakturen kämen dafür infrage, diesen Rückgang des Produktivitätswachstum zu erklären, aber so richtig genaues weiß man nicht. Und auch die Handlungsempfehlungen blieben ein bisschen im Allgemeinen. Nicht zuviel regulieren, den Wissenstransfer unterstützen, überhaupt eine aktive Innovationspolitik machen. Das sind alles schöne fromme Wünsche, aber ob sie tatsächlich spezifisch einen Beitrag dazu leisten könnten, den langfristigen Rückgang des Produktivitätswachstum zu beeinflussen, ist doch eher fraglich.

Die Expertenkommission hatte übrigens zur Beantwortung dieser Fragen auch ein- sehr lesenswertes - Gutachten beim Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Auftrag gegeben, welches sich als Metastudie die breite Literatur zum Thema zu Gemüte führte.

Die Thesen zum Thema könnten unterschiedlicher nicht sein. Von der Annahme, dass einfach alle spannenden Innovationen jetzt schon verwirklicht sind, sozusagen die Idee vom Ende der Innovationsgeschichte, bis hin zur Hoffnung, dass die Produktivitätseffekte der digitalen Revolution einfach noch kommen und halt ein bisschen länger brauchen, also sozusagen das Prinzip Hoffnung, ist wirklich alles mit dabei. Auch Marktkonzentration und Plattformökonomie-Effekte könnten dafür verantwortlich sein, dass nur noch ein paar Top -Firmen schnelle Produktivitätszuwächse verwirklichen, während der Transfer und die Diffusion in die Breite der Unternehmenslandschaft ziemlich verwirrt und so der Abstand zwischen den sogenannten "frontier firms" und den sogenannten "laggarts" immer größer.

Man muss sagen, das Thema Produktivitätswachstumsrückgang ist im Moment ziemlich hip, so ziemlich jeder scheint sich damit zu beschäftigen. Letztes Jahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie in Auftrag gegeben, dabei lag der Fokus sehr spezifisch auf der deutschen Entwicklung, und die Studienehmer vom Institut für Weltwirtschaft haben ebenfalls ganz viele Hypothesen (etwas stärker als bei EFI hier die Untersuchung demographischer Effekte) getestet und sind zu dem etwas unbefriedigenden Schluss gekommen, das doch sehr unterschiedliche Faktoren in den letzten 20 Jahren für den Rückgang in Deutschland verantwortlich waren. Aber insgesamt sahen die Autoren keinen Grund zur Panik.

Unterm Strich scheint mir der Rückgang des Produktivitätswachstum kein Thema zu sein, mit dem man die Öffentlichkeit hinterm Ofen hervorlocken. Der Trend ist global, trifft auch die Wettbewerber, also kein Grund zur Panik? Und darüber hinaus bleibt ja immer noch die Hoffnung, dass die Digitalisierung alles regelt, dass künstliche Intelligenz den entsprechenden Schub gibt. Und das ist ja auch das Heilsversprechen der Digitalisierung, die der Angst vor Arbeitsplatzverlust entgegengesetzt wird. Wir brauchen Rationalisierungseffekte, um Produktivitätswachstum zu erreichen, sonst sind wir nicht wettbewerbsfähig. Und überhaupt droht ja eigentlich eher ein Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern, die die ganze Arbeit machen können, angesichts des demografischen Wandels.

Das mag alles stimmen, unterm Strich sind es aber vermutlich eher nicht die Globalbetrachtungen, die uns weiterhelfen. Zur Herausforderung dürften vielmehr die Unterschiede zwischen einzelnen Sektoren, zwischen unterschiedlichen Qualifikationsprofil and, zwischen unterschiedlichen Regionen werden.

Und hier könnte es schon zum Problem werden, wenn die Produktivität in manchen Bereichen, in manchen Firmen, in manchen Regionen deutlich langsamer wächst als in anderen. Und hier könnte zudem die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eher noch die Unterschiede vergrößern als einebnen.

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