Samstag, 16. Juni 2018

Kunst und Zukunft


Heute war ich in einer wirklich amüsanten Ausstellung zur Zukunft des Essens (food revolution 5.0) im Kunstgewerbemuseum in Berlin. Eine Reihe von Architekten, Designern und anderen Kreativen hatte sich mit der Zukunft des Essens beschäftigt. Natürlich gab es dort die zu erwartenden Beispiele von urban farming, und auch der aktuelle Trend, Insekten zu essen, durfte nicht fehlen. Hier zeigte sich allerdings schon das Besondere der Ausstellung. Ein Beispiel präsentierte in einem Film und einigen Objekten und Modellen, wie aus Insekten ein eine Paste hergestellt wird, die im 3D Drucker dann zu interessanten essbaren Gegenständen gedruckt werden kann. Es ging also ganz klar nicht nur um realistische Entwürfe von Zukunft oder innovativen Produkten und Dienstleistungen, sondern auch um den etwas schrägen Blick auf diese Themen.
Drei Beispiele haben mir besonders gut gefallen: in einem Beispiel wurden angeblich psychologische Erkenntnisse zum Essverhalten genutzt, um durch die Gestaltung von Essenswerkzeugen und Zubehör die Nahrungsaufnahme zu steuern. So wurden Gabeln gezeigt die riesige oder winzig kleine Zinken haben. Wer mit den riesigen Zinken ist, der ist immer mehr, wer mit den kleinen Zinken ist der ist weniger als er sonst essen würde. Direkt daneben waren seltsame Objekte aus Ton zu sehen, die eine amorphe Gestalt und pastellfarbene Töne hatten und ins Essen auf den Teller gelegt werden sollten. Sie sollten dem Trend entgegenwirken, mit immer größeren Tellern die Esser zu größeren Portionen zu überreden. Wer ein solches Objekt nun auf seinem Teller vorfinde, der habe weniger Platz und sei abgelenkt von Gießen verwirrenden Gegenstandpunkt.
Ein zweiter Ausstellungsbeitrag sorgte sich um die Zukunft der mit der Fleischherstellung verknüpften, traditionellen Kulturen in Deutschland: den Fleischern, den Schlachthöfen und der Kunst des Fleischzubereiten. Wenn aber nun Algenmasse in Fleischform gebracht würde, so wie es in dem Ausstellungsbeitrag zu sehen war, so würden diese alten Traditionen fortleben dürfen.
Schließlich der lustigste, aber sehr sarkastische Beitrag zur Zukunft der Hühnerfleisch-Produktion. Die armen Tiere würden heute ja in sehr engen Käfig in den riesigen Massen gehalten, das sei alles nicht besonders artgerecht. Wenn nun aber eine neuartige virtual reality Brille zum Einsatz käme, die den Hühnern einen freien Auslauf suggerierten, würden sie sich deutlich wohler fühlen. Das Huhn mit Brille säße in einem kleinen Käfig auf einem in alle Richtungen beweglichen Laufband und hätte das Gefühl, fast in freier Wildbahn zu sein. Absurd, aber gerade deshalb große Klasse.
Kunst beschäftigt sich ja immer wieder mit der Zukunft, in Science-Fiction-Literatur und -Film. Dort aber ist sie gezwungen, in sich geschlossene Welten zu definieren und einer inneren Logik zu folgen. Die Ausstellung hingegen konnte ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema "Zukunft des Essens" aufzeigen, von realistischen, heute schon in Pilotanlagen erprobten Verfahren bis hin zu Persiflagen einer so hoffentlich nicht eintretenden Zukunft.
Und die Gegenständlichkeit, die Möglichkeit, reale Dinge zu sehen, manchmal so inszeniert, als könne man sie im Museumsschop gleich kaufen, führte zu einer ganz anderen Beschäftigung mit den so aufbereiteten Themen. Nach einem ähnlichen Konzept arbeitet ja auch das Design Thinking.
Aber am besten hat mir wirklich gefallen, das die Zukunft des Essens trotz aller ernsthafter Beschäftigung mit ernsten Themen wie Massentierhaltung und Lebensmittelvernichtung auch immer wieder mit einem Augenzwinkern präsentiert wurde.
Die Ausstellung hat übrigens auch ein relativ breites Medienecho hervorgerufen (Deutschlandfunk, Spiegel, Welt, Tagesspiegel), sie wurde bereits in Hamburg gezeigt, wo sie auch entwickelt wurde.

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