Samstag, 9. Juni 2018

Startup Kill Zone

In der vergangenen Woche hat der Economist einen Beitrag über das Silicon Valley veröffentlicht, in dem den großen Tech-Konzernen schwere Vorwürfe gemacht werden. Sie würden jungen Startups kaum noch die Möglichkeit geben, auf eigenen Beinen groß zu werden. Wer eine Konkurrenz für die großen Konzerne sei, würde schnell vom Markt weggekauft. Nicht unbedingt, um die neuen Geschäftsideen in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren, sondern insbesondere, um keine neuen Gegner entstehen zu lassen. Es entstehe eine regelrechte Todeszone oder "Kill Zone", durch die kaum ein Startup noch unbeschadet durchkomme, um zu einem größeren Unternehmen zu werden. Auch fegten die großen  Konzerne in ihrem Hunger nach gutem Personal die Arbeitsmärkte leer. Wer einigermaßen gut in seinem Fachgebiet sei, könne sich einen äußerst lukrativen Job sichern. Startups blieben dann bei ihrer Suche nach Personal auf der Strecke, und potentielle Gründerinnen und Gründer würden gleich in die Tech-Konzerne wechseln.

Die im Economist skizzierte Problemlage trifft in Teilen auch Deutschland. In manchen Themengebieten, z.b. der künstlichen Intelligenz, wandern die besten Uni-Absolventen oft ab in die USA. Mit den dort gebotenen Gehältern kann hierzulande kaum einer mithalten. Und gleichzeitig scheint nicht wenigen deutschen Gründerinnen und Gründern der Exit in Form eines Aufkaufs durch Google und Co. als das große Los. Das ist im Businessplan fast schon angelegt.

In eine ähnliche Richtung hatte schon im vergangenen Jahr ein Artikel des Guardian argumentiert, der anhand konkreter Beispiele beschreibt, wie Tech-Konzerne auch die Geschäftsmodelle und Gründungsideen junger Firmen kopieren und diesen damit das Wasser abgraben. Die finanziellen Ressourcen der großen Fünf scheinen schier unerschöpflich zu sein, damit wird der Wettbewerb für Startups nicht gerade ausgewogener. Der Guardian sieht hier durchaus einen der Faktoren dafür, dass die Gründungsrate auch in den USA seit vielen Jahren eher rückläufig ist. Dies wird in Deutschland, wo das Silicon Valley als großes Vorbild gilt, gerne auch einmal übersehen.

Andererseits ist eben diese Exit-Option für viele Gründerinnen und Gründer erst die Motivation, alle Energie auf die Gründung eines neuen Unternehmens zu konzentrieren und damit Neues zu schaffen. Und es gibt auch immer noch Beispiele für Newcomer, die ihre Nische gefunden und dann schnell selbst zu größeren Unternehmen herangewachsen sind - ohne dass sie gleich von Google, Facebook, Microsoft oder Amazon aufgekauft wurden. Und schließlich ist der Zyklus von Gründen, Exit und Neuinvestment des so gewonnenen Vermögens in neue, junge Startups der Motor, der die Innovationsmaschine Silicon Valley am Laufen hielt und auf den auch hierzulande viele setzen, wenn sich Startup-Ökosysteme erst einmal in deutschen Gründungsmetropolen wie Berlin etabliert haben. Eine kritische Menge an Risikokapital wird so akkumuliert und steht dann für die Finanzierung eines Ökosystems bereit.

Es kommt halt auf den Fokus an, ob es um Wettbewerbspolitik und Marktdominanz geht, oder darum, dass immer wieder neue Ideen geboren werden und einen Standort letztlich fit gegenüber der Weltkonkurrenz machen. Allerdings machen Guardian und Economist auch darauf aufmerksam, dass der Gründungselan erlahmen könnte, wenn die zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinliche Perspektive, selbst zum neuen Google zu werden, völlig unrealistisch wird, weil das echte Google jeden möglichen Konkurrenzen rausschießt.

In Deutschland besteht die Gefahr nicht, dass die großen deutschen Tech-Konzerne reihenweise den Startup-Markt leer kaufen. Dafür gibt es zu wenig große deutsche Tech-Konzerne. Im Gegenteil wäre es möglicherweise für die deutsche Volkswirtschaft ein Segen, wenn die kreativen Impulse der deutschen Startups ihren Weg in andere Unternehmen, in diesem Fall in die traditionelle Industrie finden würden - z.b. in den deutschen Mittelstand. Auch deshalb werden Kooperation zwischen diesen beiden Akteursgruppen mittlerweile gezielte auch in der Politik entdeckt. Aber hier geht es nicht darum, dass die Konkurrenz vom Markt genommen wird, sondern dass hier starke Partnerschaften entstehen und bestehende Strukturen stabilisiert und fit für den internationale Wettbewerb gemacht werden. Dafür müssen die deutschen Startups aber auch auf ihren nationalen Partner schauen und nicht damit liebäugeln, dem Exit im Silicon Valley zu finden.

Für das Startup-Land Deutschland ist nicht die Kill Zone das Problem, sondern eher die geringe Gründungsneigung. Und da tut sich, schaut man auf die letzten Studien zu diesem Thema wie den KfW-Gründungsmonitor oder die GEM-Studie zu Deutschland, nicht wirklich viel.

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