Sonntag, 15. September 2019
Rückblick auf die Jahrestagung 2019 der DeGEval
Sonntag, 24. Februar 2019
Experimente in der Innovationspolitik
- Experimentieren beschreibt ein Handeln von Versuch und Irrtum, bei dem der Ausgang offen ist. Ich probiere etwas neues aus, meist mehrere Male mit verändertem Vorgehen, bis ich das gewünschte Ergebnis erreiche. Das ganze ist immer wieder mit dem Risiko des Scheiterns verbunden, einer eher ungemütlichen Situationen für den Start. Der Staat scheitert nicht gerne, da dies bei Wahlen sanktioniert werden kann. Deswegen ist er eher konservativ und vertraut auf bewährtes. Die Diskussion auch bei der Konferenz warf dies dem Staat in gewisser Weise vor. Er müsse mutiger sein, neues ausprobieren und dabei das Scheitern in Kauf nehmen.
- Ein zweites Verständnis kommt aus der Welt der Wissenschaft, in der das Experiment ein sehr kontrolliertes Vorgehen meint. Die Rahmenbedingungen sind möglichst gut beschrieben in ihrem Einfluss auf das eigentliche Experiment, alles wird ganz genau untersucht, protokolliert und begleitet. Übertragen auf die Innovationspolitik meint dieses Verständnis, dass neue Maßnahmen immer auch durch Evaluationen begleitet sein müssen. Und zwar am besten durch den höchsten nur denkbaren Standard, z.B. in Form einer randomisierten Kontrollgruppenstudie. Das ist natürlich in den meisten innovationspolitischen Anwendungsfällen nur sehr schwer bis gar nicht umzusetzen.
- Das Laborhafte zeigt sich auch bei den beiden aktuell in BMBF und BMWi verfolgten Vorgehensweisen, dem regulative Reallabor und dem Experimentierraum, in dem heterogene Akteure in einem geschützten Interaktionsraum zusammenkommen und neue Formen der Zusammenarbeit erproben.
Sonntag, 10. Februar 2019
Neue deutsche Industriepolitik - ein paar innovationspolitische Gedanken zur nationalen Industriestrategie
Am 5. Februar hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine Industriestrategie vorgestellt. Seitdem sind die Wogen hoch geschlagen, von Empörung bis Zustimmung war alles mit dabei. Aber was hat dieser Diskussionsbeitrag (und so verstehe ich das Altmaier-Papier erst einmal) eigentlich inovationspolitisch zu bedeuten?
Wettbewerb
Ein zentraler Punkt der Strategie berührt die Wettbewerbspolitik. Die bislang durch Bundeskartellamt und EU-Kommission gewährleistete Kontrolle soll an neuen Zieldimensionen ausgerichtet werden. Stärker als bisher soll der Weltmarkt als Massstab genommen werden, da brauche es deutlich größere Unternehmen, weil ja auch die internationalen Wettbewerber (aus China) groß seien. Das Argument ist vor allem vor dem Hintergrund des (gerade an der EU-Kommission gescheiterten) deutsch-französischen Fusionsversuchs im Bahnbereich zu sehen.
In einem offenen Brief kritisierten europäische Ökonomen, dass eine Fusion von Siemens und Alstrom den Wettbewerb zwischen diesen beiden Unternehmen beenden und damit zu wenige Innovationen führen würde und unterstützten die Entscheidung der Kommission. Diverse Ökonomen wiesen auf Twitter zudem darauf hin, dass die absolute Zahl der durch Brüssel untersagten Fusionen eher gering war.
Auch das DIW kritisierte in einer Stellungnahme zur Industriestrategie, dass nachlassender Wettbewerbsdruck Innovationen nicht befördere. Hinreichender Wettbewerb ist auch ein Subindikator im "Innovationsindikator Deutschland". Eine geänderte Fusionskontrolle und innovationspolitische Ziele stehen also in einem gewissen Spannungsfeld.
Picking Winners
In einem Beitrag der ZEIT werden weitere Ökonomen zitiert, die insbesondere die Unternehmensbeispiele des Bundeswirtschaftsministers für unglücklich halten, weil sie einzelne Unternehmen hervorheben, die vielleicht gerade nicht mit staatlichen Mitteln künstlich am Leben gehalten werden sollten, wenn sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Auf diese Herausforderung weißt übrigens auch das Papier des BMWi selbst hin.
Den Vorwurf, der Staat versuche durch eine Auswahl von Unternehmen, die gefördert oder begünstigt werden, zukünftigen Erfolg vorauszusehen und maße sich damit an, schlauer als der Markt zu sein ("Picking Winners"), wird auch für die Innovationsförderung im Rahmen von Fachprogrammen erhoben. Besser sei es, entweder nur geeignete Rahmenbedingungen zu setzen (z.B auch durch die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung), oder zumindest technologieoffen zu fördern. Das sehen andere Experten durchaus anders. Der Staat habe erstens die Aufgabe, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen und sei zweitens auch in der Lage, mit geeigneten Kriterien erfolgversprechende Ideen und Unternehmen für eine Förderung zu identifizieren. Natürlich kann auch der Staat irren, und dann hat er manchmal viel Geld in den Sand gesetzt. Darum verlässt er sich möglichst auf unabhängige Expertise, auch um politischer Einflussnahme vorzubeugen. Genau darum gibt es bei der Fusionskontrolle durch Bundeskartellamt und EU-Kommission ja auch. Für die Industriestrategie könnte das heißen: Regeln anpassen, aber bei der unabhängigen Anwendung durch neutrale Instanzen bleiben.
Das Neue Deutschland übrigens findet diese Haltung der oben zitierten Ökonomen naiv, der freie Markt regele mitnichten alles zum guten, Länder wie China nähmen massiv Einfluss, und - unausgesprochen - Deutschland müsse dies auch. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel unterstützt auch Sigmar Gabriel den Wirtschaftsminister indirekt.
Mittelstand und Großunternehmen
Erhebliche Kritik entzündete sich an der Auswahl der Unternehmensbeispiele im Altmaier-Papier. Hier seien nur große Unternehmen genannt worden, aber es sei doch gerade der innovative Mittelstand, der den Standort Deutschland sichere. Auf den innovativen deutschen Mittelstand verweist z.B. ein Artikel in der NZZ. Allerdings weisen andere Ökonomen wie Mark Schieritz in einem Tweet darauf hin, dass auch große Unternehmen innovativ sind. Tatsächlich stammt ein großteil der innovationsausgaben und auch der Patente in Deutschland von großen Unternehmen. mein Eindruck ist, in dieser Diskussion werden zwei Dimensionen miteinander vermengt. Einerseits die Erkenntnis, die schon bei Schumpeter zu lesen ist, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und das junge, neue Unternehmen den Großkonzernen Beine machen (müssen). Und dann die Annahme, dass große, behellige Institutionen gar nicht mehr zu agilem, innovativem Handeln in der Lage sind. Das kann so sein, ist aber doch auch sehr abhängig von der internen Organisation der jeweiligen Institution. Und natürlich haben große Unternehmen auch einen erheblichen Vorteil. Sie haben erhebliche Ressourcen, Zugang zu Know-how und Fachkräften, sie können auch in der Forschung Skaleneffekte nutzen und so weiter und so fort. Klein heißt also nicht immer automatisch auch innovativer.
Es verwundert nicht, dass der Ansatz von Altmaier Großunternehmen zu gefallen scheint, wie die erste Reaktion aus der Konzernspitze der Telekom zeigt.
Erhöhung des Industrieanteils auf 25%
Peter Altmaier möchte den Anteil der Industrie in Deutschland von 23 auf 25% anheben und auch europaweit auf mindestens 20% Industrieanteil kommen. Das ist ein etwas gewagter Vorschlag. Schließlich hängt dieses Jahr davon ab, wie viel Arbeitsplätze tatsächlich in einer automatisierten Fertigung noch gebraucht werden, wie sich Dienstleistungsbranchen entwickeln und überhaupt, welcher Branchenmix in unterschiedlichen Ländern sinnvoll und machbar ist. Diese Idee sehen erste Kommentatoren daher als potenziell dirigistisch und eher naiv an.
Hinter dem Argument des Bundeswirtschaftsminister steckt natürlich die Hoffnung, dass durch Innovationen auch industrielle Fertigung in Europa wieder wettbewerbsfähig wird. tatsächlich scheint das offshoring von fertigungskapazitäten seinen höhepunkt überschritten zu haben. Die Nähe zu Kundenmärkten scheint mittlerweile wichtiger zu sein, als preiswert fertigen zu können. Hier hat die neue Welle der Automatisierung, Industrie 4.0 und so weiter, durchaus seinen Anteil. Andererseits, auch andere Weltregionen können diese Früchte der Innovationen für ihren Standort pflücken.
Standortpolitik
Eher indirekt berührt die neue Industriestrategie die aktuelle Diskussion um Standorte. Mit dem Kohleausstieg ist diese Standortfrage wieder ziemlich in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gerückt. Eine neue Industriepolitik bietet sich daher auch als Hoffnung für Regionen an, die durch den Ausstieg aus der Kohle Strukturwandel zu bewältigen haben. Es häufen sich die Stellungnahmen, die durch die Ansiedlung von Forschungsinstituten und neuen Technologien hoffen, den Strukturwandel sanft bewältigen zu können. Letztlich ist dies aber auch kein besonders neuer Plan. Schon die Versuche, die Solarindustrie in Ostdeutschland mit Förderung zu stärken, war auch dadurch motiviert, die zuvor verzeichneten Verluste an industrieller Kapazität zu kompensieren. Der Erfolg war eher mäßig.
Schutz vor Direktinvestitionen
Ein zentraler Punkt des Papiers ist der Vorschlag, den Ausverkauf zentraler Unternehmen an ausländische Konkurrenz insbesondere aus China verhindern zu können, notfalls auch durch ein Investment des Staates. Dahinter steht die Angst, dass Know-how und Patente abfließen könnten und internationale Wettbewerber stärken. Die Investitionen des deutschen Staates in die heimischen Technologieführer wäre damit verloren. Auch hier weisen einige Kritiker in den letzten Tagen darauf hin, dass viele große deutsche Unternehmen Kapital aus sehr unterschiedlicher internationaler Quelle genutzt haben. Auch Daimler ist, bezogen auf seine Anteilseigner, kein besonders deutscher Konzern.
Auf der anderen Seite nutzen auch deutsche Konzerne die Chance, sich bei interessanten jungen Unternehmen in anderen Ländern einzukaufen. Die Deutschen Autokonzerne z.B. gehen gerne auf Einkaufstour in Israel. Das liegt auch daran, weil die hiesige Startup-Landschaft vielleicht nicht hinreichend interessante Kaufobjekte bietet. Sollten alle Länder suchen restriktiv sein, wie ist der deutsche wirtschaftsminister im Moment für sein Land vorschlägt, könnten also auch deutsche Unternehmen ein Problem bekommen.
Aus innovationsökonomischer Sicht ist stattdessen eine möglichst große Offenheit ein Faktor, der den Fluss von Know-how begünstigt und damit Innovationsprozesse befördert. Der Innovationsindikator hat in seiner aktuellen Ausgabe auch einen Schwerpunkt auf das Thema Offenheit gelegt und dazu verschiedene Subindikatoren zusammenfasst. Zu ihnen gehören auch ausländische Direktinvestitionen.
Nationale Wertschöpfungsketten
Mit dem Vorschlag des Altmaier-Papiers, Wertschöpfungsketten möglichst national/europäisch zu halten, setzt sich der Ökonom Jeromin Zettelmeyer, bis vor kurzem selbst im BMWi, auf Twitter auseinander. er findet diese Idee weniger überzeugend, da Innovationsprozesse heute international in entsprechenden Wertschöpfungsketten organisiert sind und dies auch große Wettbewerbsvorteile für die entsprechenden Player bedeutet
Innovationspolitik statt Industriepolitik
Ein letzter Kritikpunkt ist grundsätzlicher Natur: Innovationspolitik statt die Schonung der old economy forder Florian Nöll, der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Start-ups, der in den genannten Unternehmen des Altmaier-Papiers eher Digitalisierungs-Verlierer sieht.
In dieselbe Richtung geht auch der Kommentar der drei oben genannten Ökonomen, die für eine Fortführung (und Intensivierung, z.B. durch die Einführung einer steuerlichen FuE Förderung) plädieren.
Fazit
Das Papier zu einer neuen Industriestrategie für Deutschland hat eine erhebliche Debatte ausgelöst. Aus innovationspolitischer Sicht sind eine Reihe größerer Spannungsfelder zu identifizieren. Letztlich lässt sich auch fragen, inwieweit die Strategie implizit durch eine sehr spezifische Wahrnehmung der Wettbewerber beeinflusst wurde. China ist klar der große Konkurrent; die chinesische Strategie 2025 ist die Blaupause, an der sich auch das deutsche Papier ab arbeitet. Ob diese chinesische Strategie aber wirklich erfolgreich war oder sein wird, ist durchaus umstritten. Ob ein mächtiger, top-down durchregieren der Staat eine bessere Industrie- und Innovationspolitik Macht als ein Staat, der die richtigen Rahmenbedingungen setzt, ist noch nicht entschieden.
Samstag, 2. Februar 2019
Innovation Winter
Samstag, 19. Januar 2019
Chinesische Reallabore und deutsche Experimentierräume
Chinas wachsende Rolle in allen möglichen Politikfeldern macht das Land zu einem fabelhaften Themen-Joker, der fast immer gezogen werden kann. So auch beim Thema Reallabore, dass in Deutschland zunehmend Fahrt aufnimmt.
Hierzu bin ich vor ein paar Tagen über eine Veröffentlichungen der deutsch-chinesischen Plattform Innovation gestolpert. Diese Plattform wurde vor einigen Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingerichtet, um den deutsch-chinesischen Austausch zum Thema innovationen zu stärken und für die deutsche Seite einen breiteren Einblick in die Entwicklungsprozesse des chinesischen Innovationssystems zu ermöglichen.
Die Plattform veröffentlicht in sogenannten Policy Briefs Artikel über das chinesische innovationssystem und seine Relevanz für Deutschland. Prof. Markus Taube schreibt in der letzten Ausgabe über experimentelle Freiräume in neuen Technologiefeldern, die der chinesische Staat den Unternehmen immer wieder einräumt, um ihnen eine schnellere Entwicklung als der internationalen Konkurrenz zu ermöglichen. Das ganze funktioniert nach Ansicht von Prof. Taube nur deshalb, weil es einen breiten Grundkonsens der Machtelite in Politik und Wirtschaft gibt, der den temporären Kontrollverlust absichert.
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist ein wichtiges Charakteristikum dieses Systems auch, dass die Freiräume nicht gleichermaßen und rechtlich abgesichert allen Akteuren gewährt werden, sondern durch einen jederzeit widerrufbaren Willkürakt des Staates entstehen. Sie unterstreichen die absolute Macht der kommunistischen Parteiherrschaft. Manchmal wird einfach gezielt nicht reguliert, manchmal werden Gesetzesverletzungen stillschweigend toleriert und nachträglich legitimiert. Taube nennt das eine erfolgreiche Guerilla-Strategie des chinesischen Staates.
Solcherlei temporäre, quasi rechtsfreie Räume sind in den westlichen Demokratien unvorstellbar. Hier werden vergleichbare Freiräume nur in sehr eng definierten und streng kontrollieren Rahmen gewährt, z.B. als sogenannte "regulative sandboxes", sozusagen Spielplätze für neue Technologien, zum Thema Fintech in Großbritannien. Hier wurden Startups Möglichkeiten gegeben, über bestehende Regulierungen hinaus neue Dienstleistungen zu entwickeln, allerdings immer sehr eng begleitet von einem Vertreter einer Aufsichtsbehörde, und immer mit dem Ziel, in absehbarer Zeit wieder regelkonform zu arbeiten. Auch Österreich wagt sich 2019 an regulative Sandboxes für FinTechs.
Die deutsche Bundesregierung sucht noch den richtigen Weg für Reallabor und Experimentierräume. Im Moment lässt das Bundeswirtschaftsministerium einen Leitfaden erarbeiten, wie solche Reallabore in Zukunft schneller eingerichtet werden könnten. Ein gerade erschienener Artikel des BMWi skizziert den aktuellen Stand: das BMWi hat eine interministerielle Abeitsgruppe initiiert, um die Strategien der verschiedenen Ministerien zusammenzuführen, geplant ist auch ein Netzwerk zum Thema sowie Wettbewerbe, um zukünftige Reallabore zu unterstützen. Das Ministerium verweist aber auch mit Nachdruck darauf, dass es nicht darum gehen kann, Rechtsschutz abzubauen oder Unsicherheit zu vergrößern. Gerade das kontrollierte Vorgehen, z.B. durch zeitlich begrenzte Öffnungsklauseln, ermögliche es, Veränderungsbedarf auf Regulierungsebene für Innovationen zu testen, ohne dafür z.B. die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden.
Die Strategien Chinas und der westlichen Industriestaaten unterscheiden sich hier also fundamental. Manchmal allerdings liebäugelt doch der ein oder andere Politiker damit, mal nicht alles so streng zu sehen und zugunsten von Digitalisierung und Innovation über einige aus seiner Sicht nebensächliche Regelungen hinwegzugehen. Mehr Shenzhen kann man auch so interpretieren.
Ob allerdings die Vorgaben zu Energieeffizienz die Einrichtung von Co-working spaces verhindern, wie dort angeführt, scheint mir eher eine gewagte These. Digital first, Bedenken second, das kann man auch als naive Vereinfachung der wichtigen Rolle von Regulierung verstehen.
Sonntag, 13. Januar 2019
Mondsüchtig: China 2025
Beim Mond hat es allerdings ganz gut geklappt. Da sage ich Mal, lieber Westen: I see the bad moon rising!
Samstag, 15. Dezember 2018
Fakten und Innovationen
Vor kurzem traf sich die Welt in Kattowitz, um über die Rettung des Klimas zu verhandeln. Das ist immer auch ein Anlass, um neue wissenschaftliche Berichte zur Entwicklung des Klimawandels zu veröffentlichen und darauf hinzuweisen, dass schnelles Handeln nun wirklich Not tut.
Der Economist hat gerade in einem sehr lesenswerten kleinen Artikel eine Reihe neuerer Studien vorgestellt, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob rationale Einsicht in die Problemlage tatsächlich zu vernünftigem Handeln führen kann.
Eine der zitierten Studien zeigt: Faktenwissen über den Klimawandel und wissenschaftliches Denken (science literacy) hat keinerlei Einfluss auf die persönliche Haltung gegenüber Politikern, die sich für eine Klimapolitik einsetzen oder eben auch nicht. Überspitzt könnte man auch sagen, in der politischen Auseinandersetzung macht Wissen nicht klug.
Eine Erklärung könnte eine der anderen Quellen bieten, die der Economist zitiert. Ein neues Buch von Hugo Mercier und Dann Sperber, "The Enigma of reasoning". Die zentralen Gedanken und eine sehr persönliche Herleitung finden sich in diesem Artikel auf Edge.com. demnach hat rationales Denken und argumentieren vor allen Dingen einen sozialen Zweck: Sich selbst zu rechtfertigen und den anderen zu überzeugen. Am Ende geht es darum, eine gemeinsame Sicht auf die Welt zu gewinnen, um sozial handeln zu können. Es geht also weniger darum, objektiv ein Problem zu verstehen. Und es kann dann durchaus passieren, dass sehr abstruse Positionen sehr überzeugend in solchen Argumentationen vertreten werden. Auch das ist dann sozial rational.
In eine ähnliche Kerbe schlägt das dieses Jahr auf deutsch erschienene Buch von Steven Pinker "Aufklärung jetzt". Ich war beim Lesen ernsthaft irritiert, als ich zu diesen Kapiteln am Ende des Buches kam. Nachdem ich hunderte von Seiten Statistiken über die positive Entwicklung der Welt in allen möglichen Lebensbereichen (Bildung, Gesundheit, Gewalt...) und den segensreichen Einfluss von Aufklärung und Wissenschaft durchgeackert hatte, zitierte Pinker plötzlich reihenweise Studien, wie unfähig Menschen doch sind, vernünftig Probleme zu analysieren und rational zu entscheiden. Stattdessen scheinen politische Einstellungen und emotionale Grundhaltungen alles zu überlagern und zu manchmal bizarren Entscheidungen zu führen.
Pinker sieht die Auflösung dieses Dilemmas in einer breiteren Basierung von Entscheidungen auf Fakten und einem systematischen Vorgehen der Abwägung und Bewertung, was man durchaus auch lernen könne. Er zitiert als Beispiel die Arbeiten von Philip Tetlock zu sogenannten Superforecastern. Tetlock hatte die unglaublich schlechten Prognosefähigkeiten von sogenannten Experten an Börsen und im Geheimdienst untersucht und festgestellt, dass ein kleiner Prozentsatz an Menschen deutlich bessere Prognosen abgeben können. Das Geheimnis des Erfolges ist es dabei, emotional relativ wenig engagiert zu sein und seine Einschätzung auf einer sehr breiten Basis an Fakten zu stützen.
Nach dieser Auffassung können Fakten also durchaus nutzen, um zu sinnvollen Entscheidungen zu kommen, die Frage ist, wie man möglichst neutral und breit diese Fakten in Rechnung sieht. Was liegt nun näher, als künstliche Intelligenz für eine breite und neutrale Entscheidungsfindung zu nutzen? Tatsächlich gibt es solche Visionen oder Fantasien, gutes Regieren zukünftig auf KI zu stützen. Kann sein, dass das zu besseren Entscheidungen führt. Die soziale Funktion der menschlichen Diskussion bleibt damit aber außen vor. Akzeptanz in der Gesellschaft wird so nicht gefördert. Und das war ja gerade das Ausgangsproblem.
Der Gipfel in Kattowitz übrigens scheint kein Beispiel dafür zu sein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zu rationalem Handeln führen. Zumindest sind führende Klimaforscher ziemlich enttäuscht über die dürftigen Ergebnisse, obwohl doch die Notwendigkeit, schnell und massiv zu handeln, mehr als klar sei.
Samstag, 17. November 2018
KI Staatsfonds
Friedrich Merz hatte im Vorfeld seiner Kandidatur als CDU Parteichef den Vorschlag gemacht, das private Investment in Aktien doch steuerlich zu begünstigen, wenn dies der Altersvorsorge diene. Da die meisten von uns keine Aktienprofis sind, würde das Management vermutlich meist ein Investmentverwalter übernehmen, die Sparkasse z.B., oder andere institutionelle Anbieter (vielleicht auch indirekt der ehemalige Arbeitgeber von Herrn Merz). Der Vorschlag stieß auf ein unterschiedliches Echo. Während die einen ihn grundsätzlich interessant fanden, allerdings darauf hinwiesen, dass die meisten deutschen Haushalten gar kein Geld haben, um in Aktien zu investieren, lehnten die andern die Idee eher ab. Allerdings nicht, weil sie eine Stärkung des Aktieninvestments zur Alterssicherung nicht gut fänden, sondern weil es hierfür schon vielfältige Möglichkeiten gäbe, die aber alle nicht optimal funktionierten. Die deutsche Bevölkerung zu Aktienbesitzer zu machen, hat seit dem Fehlstart der T-Aktie vor mehr als 20 Jahren einen gewissen Beigeschmack. Ob mit Reform der bestehenden Systeme oder mit einem neuen Ansatz, leicht wird es nicht werden. Dabei klingt die Idee zunächst einmal sehr schön, dass die Deutschen selbst in Unternehmen investieren, die vom digitalen Wandel profitieren, und somit auch selbst Nutznießer desselben werden. Vielleicht muss doch Vater Staat helfen, der ja im Moment ganz begeistert ist von digitalen Umwälzungen aller Art.
An 15. November stellte die Bundesregierung z. B. ihre neue Strategie zur künstlichen Intelligenz vor. Deutschland soll zu einem führenden Standort für künstliche Intelligenz werden, damit soll ganz wesentlich auch der Wohlstand in Deutschland abgesichert werden. Die ersten Reaktionen waren wohlwollend bis skeptisch. Insbesondere die Besetzung von 100 Lehrstühlen mit hochkarätigem Personal wurdd als nicht kleine Herausforderung gesehen. Auch die Wirkung auf KI-Gründungen bleibt abzuwarten.
Überhaupt ist es mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz so eine Sache. Es gibt eine Reihe von Studien, die diesen Technologien ein erhebliches disruptives Potenzial nachsagen. Und die Disruption, also die verändernde und durcheinanderwirbelnde Wirkung, ist nicht immer für alle gleichermaßen positiv. Der Digitalisierung und dem Einsatz künstlicher Intelligenz wird z.B. auch zugeschrieben, dass sie möglicherweise sozialer Ungleichheit fördern.
Zum einen auf der individuellen Ebene, weil nicht alle Beschäftigten mithalten können mit den neu geforderten Kompetenzen. Weil viele Arbeitsplätze verschwinden und viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden, aber vermutlich nicht unbedingt für die selben Personen.
Zum anderen auf Unternehmensebene, weil einige wenige Firmen vom Einsatz dieser Technologien profitieren, ihre Chefs reicher und reicher werden und auch ihre Mitarbeiter einen Teil vom wachsenden Gewinn abbekommen. Andere Firmen hingegen haben es immer schwerer, die Löhne in diesen Unternehmen sinken. Manche Branchen trifft es dabei besonders hart.
Es wird also vermutlich Gewinner und Verlierer geben. Aber wie kann es gelingen, dass die ganze Gesellschaft von diesem Technologiewandel profitiert? Vielleicht durch Investitionen der Bürgerinnen und Bürger in Aktien solcher Unternehmen? Wie oben beschrieben hat das so seine kleinen und großen Fallstricke. Vielleicht könnte auch der Staat einspringen.
Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee schlugen schon vor ein paar Jahren in ihrem Buch "The second machine age", dass über eine staatliche Teilhabe an Unternehmen, die Gewinner der digitalen Revolution sind, ein Rückfluss für uns alle gewährleistet werden könnte.
Bereits anlässlich der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers zur künstlichen Intelligenz im Sommer griffen einige Autoren die Idee eines Staatsfonds für künstliche Intelligenz auf und beriefen sich dabei auf Brynjolfsson und McAffee. Ein Staatsfonds investiert öffentliche Mittel in vielversprechende Unternehmen, um langfristig eine gute Rendite auch für spätere Generationen zu erwirtschaften. Und wenn KI so eine tolle Idee ist, warum nicht in Firmen investieren, die damit überdurchschnittlich wachsen?
Im Prinzip sind Staatsfonds keine neue Idee. Am bekanntesten sind die Staatsfonds der Ölstaaten wie Saudi-Arabien oder Norwegen, die mit dem Reichtum des heutigen Ölgeschäfts für die Zeit vorsorgen wollen, wenn diese Ressourcen erschöpft sind. Immer größere Summen werden von solchen Staatsfonds jetzt auch in Startups investiert, manche Experten fürchten hier schon eine Investitionsblase, da Staatsfonds anders als klassische Risikokapitalgeber agieren und den Markt überhitzen könnten.
Die Bertelsmann-Stiftung hat bereits 2017 im Rahmen einer kleinen Studie Überlegungen zu einem deutschen Staatsfonds in Anlehnung an das norwegische Vorbild skizziert, dabei aber ein unabhängiges Management, eine an ethischen Grundsätzen orientiere Anlagestrategie und eine internationale, an der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft abgekoppelte Investitionspolitik geforderten. Die Idee taucht immer wieder in deutschen Medien auf, so z. B. zuletzt in Spiegel oder Zeit.
Staatsfonds könnten eine schlaue Idee sein und möglicherweise auch in KI-Unternehmen investieren - vermutlich dann nicht nur in deutsche, sondern international. Damit ist die Idee des Staatsfonds erst einmal unabhängig von der Bemühung zu sehen, eine internatiinal wettbewerbsfähige nationale Industrie - z.B. in KI - aufzubauen.
Staatsfonds wurden jüngst aber auch ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, heimische Industrien zu schützen. Im September diesen Jahres wurde angeblich Überlegungen der Bundesregierung berichtet, durch einen Staatsfonds den deutschen Mittelstand z.B. vor chinesischen Übernahmen zu schützen. Die Bundesregierung dementierte. Ob ein Staatsfonds dafür überhaupt ein geeignetes Instrument wäre, daran ließ ja schon die oben genannte Bertelsmann-Studie zweifeln. Andere Abwehrmittel sind die Prüfung von Übernahmen durch nationale Behörden oder künftig sogar durch ein Investment Screening der EU, beide vermutlich geeigneter zum Schutz deutscher Unternehmen (und einer deutschen KI-Unternehmenslandschaft).
Der deutsche KI-Staatsfonds ist im Augenblick kein ernstes Thema der politischen Diskussion. Im Moment scheint die Bundesregierung eine andere Strategie zu befolgen: Die heimische Industrie fit machen für den digitalen Wandel und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Und damit Steuerrückflüsse zu garantieren, die man für das Gemeinwohl nutzen kann. Arbeitnehmer durch Weiterbildungsmaßnahmen so qualifizieren, dass sie möglichst wenig auf der Strecke bleiben.
Ob das reicht, werden wir sehen.
Bis dahin kann natürlich jede/r von uns in ihr/sein privates KI Aktienportfolio investieren - wenn sie/er das nötige Kleingeld und den richtigen Riecher hat.
Samstag, 29. September 2018
Rückblick auf die diesjährige Tagung der DeGEval
Manche Jahrestagungen von wissenschaftlichen Fachgesellschaften schaffen es ja durchaus in die überregionalen Medien, heute z.b. erschienen ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zum Deutschen Historikertag. Diese Aufmerksamkeit ist der Jahrestagung der DeGEval bislang nicht vergönnt gewesen. Nun ist die DeGEval sicher nicht mit den deutschen Historikern zu vergleichen, sie ist ungleich weniger im Fächerkanon deutscher Universitäten verankert, auch der breiten Bevölkerung bis das Thema Evaluation vermutlich relativ unbekannt und auch egal. Andererseits ist die Tätigkeit von Evaluatorinnen und Evaluatoren möglicherweise deutlich praxisrelevante als die der deutschen Historikerinnen und Historiker. Grund genug, einen kurzen Rückblick auf die diesjährige Tagung unserer Fachgesellschaft zugeben und aus der Perspektive der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik auf einigen der besonders relevanten Sessions zu schauen.
Samstag, 25. August 2018
Wie beeinflusst Technologie Politik?
in den USA stehen im November die Wahlen zum Repräsentantenhaus an, und nach zwei Jahren Donald Trump ist die ganze Welt gespannt, ob er nun einen Denkzettel bekommt oder ob die Republikaner ihre starke Stellung halten können. Und wie bereits anlässlich der Präsidentenwahlen richtet sich die Aufmerksamkeit auch darauf, ob Technologie einen Einfluss auf Politik haben könnte. Immer noch sind die Amerikaner damit beschäftigt, die Einzelheiten möglicher Einflussnahme auf die letzten Wahlen durch soziale Medien und Akteure wie Cambridge Analytics zu klären. Bereits jetzt schon werden besorgte Stimmen laut, die eine Einflussnahme auf Wähler oder gar ein Hacken der Wahlmaschinen bei der kommenden Wahl fürchten. Erste Anzeichen dafür gibt es ganz aktuell.
Die amerikanische Ausgabe Technology Review hat sich nun in ihrer neuen Ausgabe ganz und gar dem Thema Technologie und Politik gewidmet. Das Editorial schlägt noch einmal den ganz großen Bogen von seiner optimistischen Perspektive auf politisch genutzte Technologie aus dem Jahr 2013, als Barack Obama auch mit der Hilfe neuer Wahlkampftechniken die Präsidentschaftswahlen gewann und der arabische Frühling auch durch die Möglichkeiten sozialer Netzwerke seine durchschlagende Kraft entfaltete. Heute hingegen scheint Technik nur noch als Bedrohung demokratischer politischer Prozesse zu funktionieren. Nur ein einziger Artikel der neuen Ausgabe widmet sich neuen, technologisch ermöglichten partizipativen Formaten, die hier am Beispiel Taiwans demokratische Prozesse bereichern können.
Am Beispiel Kenias skizziert ein Artikel z. B., wie bestimmte demokratieschädliche Tendenzen neuer Technologien nicht wirklich neu sind, sondern auch manchen Technologien des Vor-Internetzeitalters eigen waren. Hate-speech z. B. wurde in Kenia bereits früher durch lokale Radiostationen befördert, das Internet hat nun diese unheilvolle Funktion übernommen. Dabei war die Hoffnung in Kenia nach den Unruhen des Jahres 2007 groß, das mit neuer Wahltechnik eine Befriedung des Landes gelingen könnte. Der Autor des Artikels schließt, dass Technik in der Regel keine sozialen Probleme löst.
Diee repressive Politik der chinesische Regierung gegenüber den Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang, die immer stärker auf entsprechenden Überwachungs- und Analysetechnologien basiert und als Art Testlabor zum Funktionieren des technologisch ausgerüsteten autoritären Staates gesehen werden kann, greift die Zeitschrift The Atlantic auf. Besonders beeindruckt hat die Autoren eine neue Überwachungsdrohne, die sich als Taube tarnte und flattert wie ein echter Vogel. Diese Drohne wird auch in einigen anderen Medien aufgegriffen.
Die Technologiepolitik der chinesischen Regierung wird übrigens auch in der oben beschriebenen Ausgabe der Technology Review aufgegriffen, unter der schönen Überschrift 'Warum Demokratie, wenn es Technologie" gibt. Tatsächlich kann Überwachungstechnologie wie Gesichtserkennung oder das berühmt-berüchtigte social credit System ein zentrales Problem chinesischer Politik lösen helfen, nämlich das Fehlen von Informationen, die von unten nach oben fließen. Dies ist ja eine der wesentlichen Funktionen von Demokratie, dass nämlich aus der Breite der Bevölkerung über den Wahlakt und die damit verbundene Kommunikation Meinungen und Einstellungen an die politische Führung kommuniziert werden. Wer diese Mechanismen nicht hat, der ist auf andere Kanäle angewiesen um das Problem zu lösen.
Allerdings ist Demokratie keine Einbahnstraßenkommunikation wie die beschriebenen Überwachungstechnik.
Samstag, 11. August 2018
Künstliche Politiker
Samstag, 4. August 2018
Zombie-Gründer
Seit kurzem nutze ich verstärkte Twitter, um mich auf interessante Artikel, Studien oder Meinungen stoßen zu lassen. Jenseits der üblichen Newsletter ist dies manchmal eine wirkliche überraschende Quelle von spannenden Meldungen. Das Ganze steht und fällt natürlich mit den Personen, denen man folgt. Wenn diese alle selbst miteinander vernetzt sind, dann twittern sie nur immer wieder dieselben Beiträge. aber das macht das dann auch wieder spannend, zu sehen, welche Netzwerke sich hinter Twitter verbergen.
im Moment recht angetan bin ich z. B. von der Expertenkommission Forschung und Innovation EFI, die eine ziemlich bunte Mischung an Beiträgen mit einer relativ hohe Taktfrequenz twittert. Lustig fand ich da den Retweet zu einem Artikel in WIRED, der Studienergebnisse zitiert, die einen Zusammenhang zwischen der Infektion mit Toxoplasmose und Gründungsneigung behaupten. Wer eine Katze hat bzw. sich mit diesem Katzenparasiten identifiziert, ist wagemutiger und gründet häufiger ein Unternehmen, so die Autoren. Das wäre natürlich praktisch und eine ziemlich preiswerte Möglichkeit für die Bundesregierung, die Gründungsneigung in Deutschland zu erhöhen: einfach süße kleine Katzenbabys flächentechnik verschenken.
Die Geschichte erinnert mich auch an sogenannte Zombie-Pilze, die tropische Ameisen befallen (hier auch ein Artikel mit einem nett-gruseligen Film), sie zu einem selbstmörderischen Verhalten zwingen und dann töten, um an geeigneter Stelle weiter zu wachsen. Das ist aber nicht der einzige Parasit, der seinen Wirt geradezu unglaublich raffiniert manipuliert. Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Neuroparasiten, die entsprechend vorgehen und diverse Tierarten zu höchst merkwürdigen und selbstschädigenden Verhalten bringen.
Beim Toxoplasma-Parasiten und dem Menschen war diese Art der Beziehung schon länger vermutet worden, aber wissenschaftlich nicht wirklich eindeutig nachgewiesen. Und wenn man bedenkt dass Toxoplasma in Deutschland ungefähr 60% der Bevölkerung infiziert hat, so scheinen sich die Auswirkungen doch sehr im Rahmen zu halten. Und leider sind insbesondere die Auswirkungen auf die Gründungswahrscheinlichkeit dann doch sehr beschränkt geblieben und die Idee mit der Katze als innovationspolitischler Wunderwaffen doch nicht so toll.
Aber Gründerinnen und Gründer sind ja sowieso recht eigenartige Wesen, deren Verhalten wohl auf sehr mannigfaltige Art und Weise beeinflusst wird und nicht einfach zu steuern ist. Breit ist die Literaturlage z. B. In Hinblick auf Geschlechterunterschiede. Schon länger in Studien beschrieben ist die Beobachtung, dass weibliche Gründerinnen vorsichtiger agieren und eher auf ein nachhaltiges, langsames Wachstum setzen. Neu ist die Beobachtung, dass Frauen dabei scheinbar sehr erfolgreich sind und höhere Renditen erwirtschaften als männliche Gründer.
Bislang immer wieder aufgegriffen wurden die Annahme, dass insbesondere jüngere Menschen eher ein Unternehmen gründen. Der demografische Wandel würde in diesem Fall ein nicht unerheblicher Einflussfaktor auf die sinkende Gründungsneigung in Deutschland sein. Neu sind dann die Studien, die zeigen, dass ältere Gründer deutlich erfolgreicher sind. Gründungsneigung und Gründungserfolg sind eben doch nicht ein und dasselbe.
Jetzt würde mich interessieren, welche Korrelation ist zwischen Alter und Vorlieben für Katzen gibt.
Samstag, 23. Juni 2018
Innovationsprotektionismus
Protektionistische Töne aus dem Weißen Haus sind in diesen Tagen nichts ungewöhnliches. Präsident Trump ist in vielen Bereichen der festen Auffassung, dass Amerikas Unternehmen unfair behandelt werden und amerikanische Verbraucher leiden. Während des meist um den Import ausländischer Waren in die USA geht, entzündet sich der neueste Streit am Export amerikanischer waren, genauer gesagt amerikanischer Medikamente. Diese unterliegen, wie alle Medikamente, in vielen Ländern einer Preisregulierung. Gesundheitsbehörden oder Krankenkassen schließen Verträge und legen fest Komma zu welchen Preisen bestimmte Medikamente zu haben sind. Diese Praxis ist nach Ansicht des Weißen Hauses dafür verantwortlich, dass die Preise für Medikamente in den USA im Vergleich deutlich höher sind. Amerikanische Pharmaunternehmen müssten ihre hohen Forschungs- und Entwicklungskosten über diese hohen Preise in den USA refinanzieren, weil sie zu billig im Ausland verkaufen müssten.
Natürlich liegt es durchaus nahe und wird auch in einigen Artikeln so beschrieben, dass die amerikanische PharmaBranche hier erhebliches Lobbying betreibt. Wirklich erstaunlich ist aber das eigentliche Argument: die Kosten für Forschung und Entwicklung eines neuen Produktes sollten gleichmäßig über alle Kunden verteilt werden, und andere Länder profitieren unverhältnismäßig von dem Forschungsanstrengungen in einem Land.
Viele Kommentatoren sind sich sicher, dass der Grund für unverhältnismäßig hohe Kosten für Medikamente in den USA aber an anderen Faktoren hängen. So ist es z.b. in den USA möglich, direkt für Medikamente zu werden, was in vielen anderen Ländern verboten ist. Auch ist das amerikanische Gesundheitssystem so strukturiert, dass es wenig Verhandlungsmacht gegenüber Pharmakonzernen besetzt.
Der europäische Gesundheitskommissar Andriukaitis hat jetzt die Vorwürfe aus den USA zurückgewiesen und unter anderem darauf hingewiesen, dass Pharmaforschung heute multinational funktioniert, dass die großen Pharmakonzerne ihre Forschungsabteilungen überall auf der Welt haben und in enger Kooperation mit unterschiedlichsten Forschungseinrichtungen an neuen Medikamenten arbeiten. Auch europäische Forschungsgelder fließen in großen Mengen in diese Anstrengungen. Es gibt nicht das eine Medikament, das in Amerika erforscht und entwickelt wurde.
Gesundheitsforschung wird auch deshalb mit hohen öffentlichen Mitteln unterstützt, weil sie am Ende in Produkte mündenden soll, die allen Menschen zur Verfügung stehen. Es geht nicht, oder zumindest nicht nur, um wirtschaftliche Ziele, sondern um übergreifende gesundheitspolitische Ziele, die mit der öffentlich finanzierten Pharmaforschung erreicht werden sollen.
Die NZZ übrigens hat in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Daten veröffentlicht, die einmal deutlich machen, dass in den USA die Ausgaben für Medikamente tatsächlich am höchsten sind, die aber auch zeigen, dass auch in Deutschland deutlich mehr pro Kopf für Medikamente ausgegeben wird als z.b. in den Niederlanden. Und die NZZ weist auch darauf hin, dass natürlich amerikanische Konzerne und die amerikanische Volkswirtschaft erheblich davon profitieren, dass die globale Pharmaforschung in den USA konzentriert ist.
Es gibt auch ganz andere Vorschläge, zu hohe Arzneimittelpreise zu bekämpfen. Auf dem World Economic Forum wurde dieses Jahr z.b. einen Vorschlag vorgestellt, der eine zweigeteilte Finanzierung vorsieht. Die eigentliche Forschung wird separat finanziert, z.b. aus einem Fonds, der insbesondere den Mehrwert für Patienten als Grundlage für die Kostenerstattung der Forschung heranzieht. Und dann wird das eigentliche Medikament eher wie ein Generika bezahlt, da die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten ja nicht mehr durch Patentabsicherungen und hohe Preise refinanziert werden müssen.
Samstag, 16. Juni 2018
Kunst und Zukunft
Samstag, 9. Juni 2018
Startup Kill Zone
In der vergangenen Woche hat der Economist einen Beitrag über das Silicon Valley veröffentlicht, in dem den großen Tech-Konzernen schwere Vorwürfe gemacht werden. Sie würden jungen Startups kaum noch die Möglichkeit geben, auf eigenen Beinen groß zu werden. Wer eine Konkurrenz für die großen Konzerne sei, würde schnell vom Markt weggekauft. Nicht unbedingt, um die neuen Geschäftsideen in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren, sondern insbesondere, um keine neuen Gegner entstehen zu lassen. Es entstehe eine regelrechte Todeszone oder "Kill Zone", durch die kaum ein Startup noch unbeschadet durchkomme, um zu einem größeren Unternehmen zu werden. Auch fegten die großen Konzerne in ihrem Hunger nach gutem Personal die Arbeitsmärkte leer. Wer einigermaßen gut in seinem Fachgebiet sei, könne sich einen äußerst lukrativen Job sichern. Startups blieben dann bei ihrer Suche nach Personal auf der Strecke, und potentielle Gründerinnen und Gründer würden gleich in die Tech-Konzerne wechseln.
Die im Economist skizzierte Problemlage trifft in Teilen auch Deutschland. In manchen Themengebieten, z.b. der künstlichen Intelligenz, wandern die besten Uni-Absolventen oft ab in die USA. Mit den dort gebotenen Gehältern kann hierzulande kaum einer mithalten. Und gleichzeitig scheint nicht wenigen deutschen Gründerinnen und Gründern der Exit in Form eines Aufkaufs durch Google und Co. als das große Los. Das ist im Businessplan fast schon angelegt.
In eine ähnliche Richtung hatte schon im vergangenen Jahr ein Artikel des Guardian argumentiert, der anhand konkreter Beispiele beschreibt, wie Tech-Konzerne auch die Geschäftsmodelle und Gründungsideen junger Firmen kopieren und diesen damit das Wasser abgraben. Die finanziellen Ressourcen der großen Fünf scheinen schier unerschöpflich zu sein, damit wird der Wettbewerb für Startups nicht gerade ausgewogener. Der Guardian sieht hier durchaus einen der Faktoren dafür, dass die Gründungsrate auch in den USA seit vielen Jahren eher rückläufig ist. Dies wird in Deutschland, wo das Silicon Valley als großes Vorbild gilt, gerne auch einmal übersehen.
Andererseits ist eben diese Exit-Option für viele Gründerinnen und Gründer erst die Motivation, alle Energie auf die Gründung eines neuen Unternehmens zu konzentrieren und damit Neues zu schaffen. Und es gibt auch immer noch Beispiele für Newcomer, die ihre Nische gefunden und dann schnell selbst zu größeren Unternehmen herangewachsen sind - ohne dass sie gleich von Google, Facebook, Microsoft oder Amazon aufgekauft wurden. Und schließlich ist der Zyklus von Gründen, Exit und Neuinvestment des so gewonnenen Vermögens in neue, junge Startups der Motor, der die Innovationsmaschine Silicon Valley am Laufen hielt und auf den auch hierzulande viele setzen, wenn sich Startup-Ökosysteme erst einmal in deutschen Gründungsmetropolen wie Berlin etabliert haben. Eine kritische Menge an Risikokapital wird so akkumuliert und steht dann für die Finanzierung eines Ökosystems bereit.
Es kommt halt auf den Fokus an, ob es um Wettbewerbspolitik und Marktdominanz geht, oder darum, dass immer wieder neue Ideen geboren werden und einen Standort letztlich fit gegenüber der Weltkonkurrenz machen. Allerdings machen Guardian und Economist auch darauf aufmerksam, dass der Gründungselan erlahmen könnte, wenn die zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinliche Perspektive, selbst zum neuen Google zu werden, völlig unrealistisch wird, weil das echte Google jeden möglichen Konkurrenzen rausschießt.
In Deutschland besteht die Gefahr nicht, dass die großen deutschen Tech-Konzerne reihenweise den Startup-Markt leer kaufen. Dafür gibt es zu wenig große deutsche Tech-Konzerne. Im Gegenteil wäre es möglicherweise für die deutsche Volkswirtschaft ein Segen, wenn die kreativen Impulse der deutschen Startups ihren Weg in andere Unternehmen, in diesem Fall in die traditionelle Industrie finden würden - z.b. in den deutschen Mittelstand. Auch deshalb werden Kooperation zwischen diesen beiden Akteursgruppen mittlerweile gezielte auch in der Politik entdeckt. Aber hier geht es nicht darum, dass die Konkurrenz vom Markt genommen wird, sondern dass hier starke Partnerschaften entstehen und bestehende Strukturen stabilisiert und fit für den internationale Wettbewerb gemacht werden. Dafür müssen die deutschen Startups aber auch auf ihren nationalen Partner schauen und nicht damit liebäugeln, dem Exit im Silicon Valley zu finden.
Für das Startup-Land Deutschland ist nicht die Kill Zone das Problem, sondern eher die geringe Gründungsneigung. Und da tut sich, schaut man auf die letzten Studien zu diesem Thema wie den KfW-Gründungsmonitor oder die GEM-Studie zu Deutschland, nicht wirklich viel.