Sonntag, 30. April 2017

Demokratie und Wissenschaft

Im Moment beschäftigt ja der Populismus im Allgemeinen und der Konflikt zwischen Populismus und Wissenschaft im Besonderen die digitalen Medien. Gefährden populistische Parteien die Demokratie? Wird insbesondere die Forderung der Populisten nach mehr Volksabstimmungen zu einem Probleme für die repräsentative Demokratie? Kapern die Populisten die Demokratie? Wird die rational begründete Entscheidung, am besten auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse, durch Bauchgefühl, durch Emotionen an den Rand gedrängt?

Man kann das auch anders sehen. Es gibt in jüngster Zeit einige Artikel, die vermuten das Problem genau dort, wo andere die Lösung sehen. Nämlich in der repräsentativen Demokratie, die nicht mehr so funktioniere, wie ursprünglich gedacht, oder die sogar nie die beste aller Lösungen gewesen sei. Bereits im Februar diesen Jahres hat die Zeit ein langes Dossier veröffentlicht, indem sie Autoren zu Wort kommen lässt, die sich gegen die klassische repräsentative Demokratie wenden und dafür plädieren, zurück zum Original der Antike, zur Athener Demokratie zu kommen, wo Repräsentanten nicht gewählt, sondern gelost wurden.

Es gebe auch aktuell ein Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren solle, nämlich die Bürgerversammlungen in Irland, wo tatsächlich durchs Los bestimmte Bürger entscheiden. Sie werden beraten und informiert von Experten, ähnlich wie sich auch Abgeordnete in Ausschüssen mit Expertenmeinungen beschäftigen. Dann sollen sie am Ende Entscheidungen treffen, und tatsächlich hielt sich die irische Regierung an Entscheidungen solche Bürgerversammlungen.

Es gibt auch in Deutschland ähnliche Prozesse, wo die Beteiligung von Bürgern angestrebt wird, wo diese eingeladen werden, gemeinsam mit Experten schwierige Probleme zu diskutieren und sich eine Meinung zu bilden. Meistens stehen auch sogenannte Handlungsempfehlungen am Ende solcher Prozesse. Ich meine die vielen partizipativen Prozesse, die sich mittlerweile in verschiedenen Politikfeldern gebildet haben, auch im Bereich der Forschungs- und Innovationspolitik.

Aber dort käme niemand auf den Gedanken, hier tatsächlich verbindliche Entscheidungen durch Bürgerinnen und Bürger treffen zu lassen. Im Moment experimentiert man noch mit den verschiedenen Beteiligungsmodellen. Ein Grund dafür, dass bindende Entscheidungen solche Gremien bisher undenkbar scheinen, ist auch die Auswahl der Beteiligten. Hier wird ja nicht per Los ein zufälliger Querschnitt durch die deutsche Bevölkerung gebildet, sondern es sind Freiwillige, die sich aus persönliche Motivation heraus an solchen Prozessen beteiligen. Und da ist es, wie so häufig, eher eine sehr wenig repräsentative Auswahl, es sind dann doch eher die Gebildeten und Interessierten, die in solchen Gremien sitzen. Die Entscheidungen sollen dann doch die gewählten Vertreter des Volkes, die Parlamentarierinen und Parlamentarier, die Ministerinnen und Minister treffen.

Es sieht also so aus, als wenn wir erstmal bei der repräsentativen Demokratie bleiben. Aber ist diese wenigstens funktional? Führt sie zur Auswahl der Besten, und bleibt trotzdem ein Spiegel der Gesellschaft? Für Schweden hat dieser Artikel versucht, eine Antwort zu geben. Interessanterweise in einem Ökonomen-Blog veröffentlicht, untersucht der Artikel, ob durch demokratische Auswahl von Vertretern auch wirklich gute Leute in entsprechende Funktionen kommen. Schließlich seien andere Posten ja subjektiv gesehen durchaus lukrative. Aber das scheint nicht wirklich abzuschrecken. Und außerdem fragt der Autor, ob nur solche Menschen Politiker werden, deren Väter/Mütter und Großmütter/Großväter schon aus gebildeteren und reicheren Schichten stammen. Für Schweden scheint dies nicht der Fall zu sein. Für Deutschland allerdings erinnere ich mich an Artikel, die durchaus im Vergleich früherer Bundestage mit dem von heute zu dem Schluss kommen, dass eine sehr spezielle Auswahl an Personen in unserem Parlament sitzt. Hier haben sich Sozialwissenschaftler recht kritisch zur soziodemografischen Zusammensetzung des aktuellen Bundestags geäußert. Und in diesem Zusammenhang ist sicher auch die Debatte um den Reichtumsbericht der Bundesregierung relevant. Die Positionen ärmere Bevölkerungsschichten zu politischen Fragen würden nicht in gleichem Maße durch die Volksvertreter berücksichtigt wie die reichere Bevölkerungsgruppen. Zu diesem Schluss kam ein Gutachten für besagten Reichtumsbericht, das aber in der Endversion wohl nur noch in Teilen wiedergegeben wurde.

Ein anderer Diskussionspunkt um repräsentative Demokratie zielt auf den Wahlakt als solchen. Seit vielen Jahren geht die Wahlbeteiligung in den meisten Industrieländern zurück. Sind die Leute wahlmüde, funktioniert der Transmissionsriemen der repräsentativen Demokratie nicht mehr? Die aktuell hoch emotionalen Wahlen zum Beispiel bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich zeigen, dass dann, wenn es um etwas zu gehen scheint, die Wähler durchaus mobilisiert werden können.

Aber brauche ich überhaupt Wahlen, wenn ich durch Umfragen doch schon vorab weiß, wie sie ausgehen? Zwar war gerade in den letzten Monaten die ein oder andere Wahl dabei, wo Umfragen und echtes Wahlergebnis deutlich voneinander abzuweichen schienen. Doch das Beispiel der französischen Präsidentschaftswahlen zeigte, dass Umfrageinstitute auch ziemlich punktgenaue Voraussagen machen können. Und auch wenn Prognosen den einen oder anderen Wähler zu taktischen Wahlverhalten bringen, scheint das Prinzip Wahlen bisher noch zu funktionieren, so zumindest dieser Meinungsbeitrag in einer der letzten Ausgaben der Zeit.

Mit den Möglichkeiten neuer Umfragetools hatte ich mich ja bereits in einem meiner letzten Blogs auseinandergesetzt. Da scheint noch einiges auf uns zu warten.

Was heißt das nun alles für Forschungs- und Innovationspolitik? Z.b., dass parlamentarische Vertretung und repräsentative Demokratie nicht das allein seligmachende Prinzip sind, dass die direkte Beteiligung der Bevölkerung durchaus interessant sein kann, dass es dafür auch spannende neue Formate gibt, das Umfragen hergebrachte Strukturen und Prozesse in Frage stellen und das insgesamt das Thema Partizipation auf der Agenda bleibt. Beteiligung wird noch viel wichtiger werden. In diesem Sinne erwarte ich mir, dass wir in den nächsten Jahren auch im Bereich der Forschungs- und Innovationspolitik noch einiges an neuen Beteiligungsformen sehen werden. Nicht nur wird Open Innovation die Innovationsstrategien der Unternehmen bestimmen, nein auch Open Participation bestimmt die Politik der Zukunft.

Und auch die Wissenschaft muss und demokratisch bleiben. Da wiederum hat die Diskussion rund um den March for Science einiges in Bewegung gesetzt.

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