In der letzten Woche berichtete die Zeit in ihrer gedruckten Ausgabe vom neuen Berliner Startup Schulbuch-O-Mat, nachdem sie bereits Ende 2012 erstmals auf ihrer Internetseite dazu schrieb. Die beiden Gründer Hans Hellfried Wedenig und Heiko Przyhodnik wollen in Deutschland eine neue Schulbuchkultur etablieren, die es so bislang nur in anderen Ländern gab. Nach dem Vorbild von Crowdsourcing-Plattformen wie Wkipedia wollen mit Hilfe von Gleichgesinnten ein digitales Schulbuch für Biologie und dann auch weitere Schulbücher für andere Klassen angehen. Ihr erstes Werk, das Schulbuch Biologie 7./8. Klasse liegt jetzt zum Download vor. Bislang sind ja digitale Schulbücher weitgehend ein exklusiver Markt der etablierten Schulbuchverlage geblieben, die den Zugriff auf ihr Monopol den Scülern, Lehrern und Eltern nur gegen Einwurf kleiner Münze gestatteten. Kündigt sich jetzt eine digitale Revolution an, die mit der Götterdämmerung der gedruckten Lexika zu vergleichen ist und die etablierten Verlage hinwegspülen wird?
Wohl kaum, Wikipedia war in dieser Hinsicht sicher einzigartig, da hier eine einheitliche Plattform alle Energien der Crowd bündeln konnte. Der neue Berliner Ansatz könnte die Landschaft gleichwohl nachhaltig verändern. Leidensdruck dürfte insbesonder auf Seiten der Lehrer und Schüler schon da sein. Erstere suchen sich immer mehr digitale Unterrichtsinhalte weiterhin in mühsame Kleinarbeit der Eigenrecherche zusammen. Auch Plattformen wie der Bildungsserver Berlin-Brandenburg ändern das nicht wirklich. Und Schüler schleppen jeden Morgen gefühlte Tonnen an Schulbüchern in ihren Ranzen durch die Gegend, während sie nachmittags immer häufiger für ihre Privatlektüre auf Ebooks und Tablets zurückgreifen. Hans Hellfried Wedenig und Heiko Przyhodnik haben auch schon erste Aktivitäten in Richtung Kulturveränderung gestartet und zu Schulbuch-Hacking-Tagen aufgerufen, auf denen sie insbesondere Schüler anregen und anleiten wollen, neue Inhalte zum wachsenden digitalen Schulbuch selbst zu formulieren.
Interessant ist auch die Finanzierung des Schulbuchprojekts. Hinter dem Schulbuch steht kein Geschäftsmodell, der Zugang soll ja gerade frei sein. Dennoch müssen natürlich Kosten refinanziert werde. Die Gründer haben ihr Geld erfolgreich auf der Crwodfunding-Plattrom Startnext gesammelt, einer Plattform, die vor allem kulturelle Projekte, aber auch soziale Innovationen umfasst. Gerade für Projekte, die nach Mittmachern suchen, ist eine Finanzierung über Startnext oder vergleichbare Plattformen ein doppelter Gewinn, da sie Geld und ideelle Unterstützung einwerben.
In der eingangs genannten Printausgabe der Zeit, in der zuletzt der Artikel zu Schulbuch-O-Mat erschien, war auf der nächsten Seite übrigens auch ein Artikel zur digitalen Hochschule (MOOCs etc.) zu lesen. Auch hier sind noch Quasi-Monopolisten - die Universitäten - am Werke. Vielleicht sehen wir auch hier demnächst neue Bündnisse, vielleicht tun sich ja die Hochschuldozenten eines Faches universitätsübergreifend zusammen und bündeln ihr Wissen und ihren Input zu gemeinsamen Angeboten für Studenten.
Im September fand in Berlin übrigens die erste deutsche Open Educational Ressources -Konferenz statt, über die die Werkstadt bpb und der Wikimedi-Blog der Macher von Wikipedia berichtete und die zum Beispiel einen Vergleich der Schulsituation und Deutschland und Großbritannien oder auch Beiträge zur Finanzierung umfasste.
Sonntag, 24. November 2013
Dienstag, 19. November 2013
The Circle und Foresight
Dave Eggers hat vor kurzem seinen neuen Roman "The Circle" herausgebracht (eine deutsche Ausgabe liegt noch nicht vor), in der er die Zukunft der Internetgiganten Gooogle, Facebook, Twitter und Co in einer herrlichen Dystopie beschreibt. Deutsche Rezensenten (z.B. der FAZ und der Süddeutschen) waren begeistert, und tatsächlich gelingt Eggers eine schöne Gradwanderung zwischen Science Fiktion und aktueller Gesellschaftskritik. Von der namensgebenden Firma und ihren neuen Features abgesehen spielt die Geschichte quasi in der Jetztzeit, Irakkrieg und Afghanistan sind auch den Romanfiguren aktueller politischer Hintergrund. Die allmächtige Internetfirma Circle hat die totale Transparenz zu ihrer Ideologie gemacht und beherrscht sie zunehmend technisch. Ihre Mitarbeiter sind die ersten, die den Segen und Fluch der Transparenzmanie erleben, aber auch die politische Landschaft wird erfolgreich bearbeitet. Laut Rezension der Süddeutschen reiht sich das Buch in einen wachsenden Chor an kritischen Intellektuellenäußerungen in den USA ein, für die mögliche soziale Folgen der neuesten Internettechnologien nicht nur erstrebenswert sind. Nach den ökonomischen Befürchtungen der Neo-Ludditen (siehe auch meinen Blogbeitrag hier) wachsen demnach sozialkritische Maschinenstürmer heran, die die Allmacht der Internetkonzerne sehr skeptisch sehen. In Europa wird man diese Skepsis nach den aktuellen NSA-Skandalen vermutlich eher teilen...
Letztlich reiht sich Eggers Roman aber ein in eine schöne Tradition der Science Fiction Literatur, die soziale Trends der Gegenwart, leicht verfremdet und zugespitzt, in einer nahen Zukunft auf den Punkt bringt. Einige der Technologien des Buchs scheinen auch gar nicht mehr so weit weg zu sein. Vielleicht lesen gerade die Entwickler von Google und Facebook die Technologiephantasien von Eggers mit großem Interesse und lassen sich eher anregen. Die Rolle des Science Fiction als Foresight-Instrument wäre nicht neu. Die Technology Review (und später auch die Süddeutsche) haben z.B. erst jüngst die Science-Fiction-Archiv in Wetzlar beschrieben, dass hieraus ein echtes Geschäftsmodell gemacht hat und den Blick in die Kristallkugel der Literatur an Unternehmen verkauft.
Zukunftsliteratur kann also zweifach die Zukunft mitbeeinflussen: als Ideengeber und als kritische Intervention gegenüber unerwünschten Entwicklungstrends. Ganz die Rolle, die das traditionelle Foresight letztlich auch übernimmt. Der Blick in die Zukunft ist kein Selbstzweck, sondern soll Handlungsanregungen für die Gegenwart bieten. Ein schönes und aktuelles Beispiel ist das Futurium der EU-Kommission, in dem aktuell (noch bis Ende November) 11 Zukünfte zur Wahl stehen. Der "hyperconnected human" ist übrigens auch mit dabei. Da schließt sich dann der Kreis zum Circle...
Letztlich reiht sich Eggers Roman aber ein in eine schöne Tradition der Science Fiction Literatur, die soziale Trends der Gegenwart, leicht verfremdet und zugespitzt, in einer nahen Zukunft auf den Punkt bringt. Einige der Technologien des Buchs scheinen auch gar nicht mehr so weit weg zu sein. Vielleicht lesen gerade die Entwickler von Google und Facebook die Technologiephantasien von Eggers mit großem Interesse und lassen sich eher anregen. Die Rolle des Science Fiction als Foresight-Instrument wäre nicht neu. Die Technology Review (und später auch die Süddeutsche) haben z.B. erst jüngst die Science-Fiction-Archiv in Wetzlar beschrieben, dass hieraus ein echtes Geschäftsmodell gemacht hat und den Blick in die Kristallkugel der Literatur an Unternehmen verkauft.
Zukunftsliteratur kann also zweifach die Zukunft mitbeeinflussen: als Ideengeber und als kritische Intervention gegenüber unerwünschten Entwicklungstrends. Ganz die Rolle, die das traditionelle Foresight letztlich auch übernimmt. Der Blick in die Zukunft ist kein Selbstzweck, sondern soll Handlungsanregungen für die Gegenwart bieten. Ein schönes und aktuelles Beispiel ist das Futurium der EU-Kommission, in dem aktuell (noch bis Ende November) 11 Zukünfte zur Wahl stehen. Der "hyperconnected human" ist übrigens auch mit dabei. Da schließt sich dann der Kreis zum Circle...
Donnerstag, 7. November 2013
Hellsehende Roboter
Japanische Forscher haben nach folgender Meldung einen Roboter gebaut, der Menschen immer bei Schere, Stein und Papier schlägt. Das Wunder erklärt sich aus der enorm schnellen Wahrnehmungsfähigkeit des Roboters, der schon erste Muskelbewegungen richtig interpretiert und entsprechend handelt. Er ist uns also immer ein kleines Schrittchen voraus.
Noch schneller könnte ein solcher Roboter nur sein, wenn er unseren Entscheidungsprozess schon beim entstehen beobachten und interpretieren könnte. Tatsächlich haben Wissenschaftler schon seit längerem diejenige Stelle im Gehirn identifiziert und auslesen können, in der eine Entscheidung gespeichert ist, bevor sie in die Tat umgesetzt wird. Wenn jetzt noch der Zeitvorteil genutzt würde, der zwischen dem Treffen der Entscheidung und der Bewusstseinswerdung derselben liegt (dazu der klassische Aufbau im Libet-Experiment), müsste dann der Roboter nicht quasi unsere Handlungen voraussehen und entsprechend reagieren können, bevor wir es selbst merken?
Und wenn unser Roboter dann noch alle verfügbaren Informationen über uns auswerten und uns damit fast besser kennen würde als wir uns selbst (hier der Link zur notwendigen App), wäre das nicht echt unheimlich? Aber eigentlich geht es ja den eingangs erwähnten japanischen Forschern nur darum, schnelle Reaktionen von Maschinen zum Beispiel zur Unfallvermeidung zu demonstrieren und keine Monster zu bauen. Es drohen also keine allwissenden Maschinenzombis, zumindest nicht allzu bald. Halloween war ja auch schon vor einer Woche. Wir haben noch fast ein Jahr Zeit...
Noch schneller könnte ein solcher Roboter nur sein, wenn er unseren Entscheidungsprozess schon beim entstehen beobachten und interpretieren könnte. Tatsächlich haben Wissenschaftler schon seit längerem diejenige Stelle im Gehirn identifiziert und auslesen können, in der eine Entscheidung gespeichert ist, bevor sie in die Tat umgesetzt wird. Wenn jetzt noch der Zeitvorteil genutzt würde, der zwischen dem Treffen der Entscheidung und der Bewusstseinswerdung derselben liegt (dazu der klassische Aufbau im Libet-Experiment), müsste dann der Roboter nicht quasi unsere Handlungen voraussehen und entsprechend reagieren können, bevor wir es selbst merken?
Und wenn unser Roboter dann noch alle verfügbaren Informationen über uns auswerten und uns damit fast besser kennen würde als wir uns selbst (hier der Link zur notwendigen App), wäre das nicht echt unheimlich? Aber eigentlich geht es ja den eingangs erwähnten japanischen Forschern nur darum, schnelle Reaktionen von Maschinen zum Beispiel zur Unfallvermeidung zu demonstrieren und keine Monster zu bauen. Es drohen also keine allwissenden Maschinenzombis, zumindest nicht allzu bald. Halloween war ja auch schon vor einer Woche. Wir haben noch fast ein Jahr Zeit...
Montag, 4. November 2013
Technologie, Produktivität und Arbeitsplätze
Die Bundesagentur für Arbeit hat letzte Woche ein neues Prognoseinstrument vorgestellt, mit der sie die Arbeitsmarktentwicklung der nächsten drei Monate abschätzen möchte. Es handelt sich dabei nicht um elaborierte oder abgedrehte Instrumente wie in der Wahlforschung (siehe auch meinen Blogbeitrag vom 6, September), sondern um eine eher schnöde Befragung der regionalen Agenturleiter. Die aktuelle Voraussage progonstiziert eine "Seitwärtsbewegung", mit anderen Worten, alles bleibt ungefähr so wie heute.
Spannender wäre sicher eine etwas langfristigere Voraussage. Angesichts des demographischen Wandels sprechen einige Forscher von einem drohenden zukünftigen Mangel an Arbeitskräften, dem es jetzt schon vorzubeugen gilt, durch eine forcierte Zuwanderung, durch Qualifizierungsmaßnahmen und durch eine Erschließung der stillen Reserve. Auch eine weitere Steigerung der Produktivität durch weiteren Technologieeinsatz, durch Rationalisierung und Automatisierung könnte uns vor dem wirtschaftlichen Kollaps aufgrund des demographischen Wandels bewahren.
Ganz anders wird zurzeit der Arbeitsmarkteffekt neuer Technologien in den USA diskutiert, die allerdings auch eher aus einer Krisenperspektive auf das Thema schauen. Diverse Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten mahnen hier, dass uns die schöne neue Welt der Technologie langfristig alle Arbeit wegnehmen wird. Selbst die Kopfarbeit wird auf lange Sicht von intelligenten Systemen übernommen werden. Die Diskussion in den USA zusammengefasst und aus innovationsökonomischer Sicht äußerst kritisch kommentiert hat erst im September ITIF, ein innovationspolitischer Think-Tank aus Washington, in einem sehr lesenswerten Beitrag.
Die Diskussion kommt langsam auch in Deutschland an, allerdings mit einem deutlich ausgewogeneren Zungenschlag. Vor zwei Wochen erschien ein Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger ("Arbeitsfrei"), in dem sie am Beispiele der Wertschöpfungskette vom Korn zum Brötchen die Folgen der Automatisierung der letzten hundert Jahre skizzieren und einen Blick in die Zukunft wagen (Rezensionen finden sich hier und hier). In dieser Zukunft werden noch mehr Menschen und ihre Arbeit durch Maschinen und Computer ersetzt, andere finden aber auch genau dadurch neue Arbeitsplätze.
Ob unterm Strich und auf lange Sicht das Rennen gegen die Maschinen gewonnen werden kann oder nicht, dafür brauchen wir dann vielleicht doch die Glaskugel statt der Kollegen von der Arbeitsagentur.
Spannender wäre sicher eine etwas langfristigere Voraussage. Angesichts des demographischen Wandels sprechen einige Forscher von einem drohenden zukünftigen Mangel an Arbeitskräften, dem es jetzt schon vorzubeugen gilt, durch eine forcierte Zuwanderung, durch Qualifizierungsmaßnahmen und durch eine Erschließung der stillen Reserve. Auch eine weitere Steigerung der Produktivität durch weiteren Technologieeinsatz, durch Rationalisierung und Automatisierung könnte uns vor dem wirtschaftlichen Kollaps aufgrund des demographischen Wandels bewahren.
Ganz anders wird zurzeit der Arbeitsmarkteffekt neuer Technologien in den USA diskutiert, die allerdings auch eher aus einer Krisenperspektive auf das Thema schauen. Diverse Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten mahnen hier, dass uns die schöne neue Welt der Technologie langfristig alle Arbeit wegnehmen wird. Selbst die Kopfarbeit wird auf lange Sicht von intelligenten Systemen übernommen werden. Die Diskussion in den USA zusammengefasst und aus innovationsökonomischer Sicht äußerst kritisch kommentiert hat erst im September ITIF, ein innovationspolitischer Think-Tank aus Washington, in einem sehr lesenswerten Beitrag.
Die Diskussion kommt langsam auch in Deutschland an, allerdings mit einem deutlich ausgewogeneren Zungenschlag. Vor zwei Wochen erschien ein Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger ("Arbeitsfrei"), in dem sie am Beispiele der Wertschöpfungskette vom Korn zum Brötchen die Folgen der Automatisierung der letzten hundert Jahre skizzieren und einen Blick in die Zukunft wagen (Rezensionen finden sich hier und hier). In dieser Zukunft werden noch mehr Menschen und ihre Arbeit durch Maschinen und Computer ersetzt, andere finden aber auch genau dadurch neue Arbeitsplätze.
Ob unterm Strich und auf lange Sicht das Rennen gegen die Maschinen gewonnen werden kann oder nicht, dafür brauchen wir dann vielleicht doch die Glaskugel statt der Kollegen von der Arbeitsagentur.
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