Die Bundeskanzlerin ist gerade in China. Und nicht zufällig werden passend dazu neue Studien zu Chinas Rolle in der Welt veröffentlicht. So z.b. eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die belegt, dass chinesische Investitionen in deutsche Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker auf einige wenige Schlüsselsektoren zielten, die auch in der übergreifenden chinesischen Strategie "Made in China 2025" im Fokus stehen. Das ist nicht völlig überraschend, letztlich spiegelt die chinesische Strategie vor allem die bereits laufende Schwerpunktsetzung im Lande wieder, und da ist die Wahrscheinlichkeit dann besonders hoch, dass auch die Perlen der deutschen Industrie gerne in den Blick genommen werden, zumal private Investoren aus China oder staatliche Unternehmen mit einer wohlwollenden Reaktion des chinesischen Staates rechnen können.
Allerdings ist eine planvolle Umsetzung dieser Strategie des gezielten Aufkaufs aus deutscher und europäischer Sicht schon ein wenig beunruhigend, auch da hier zum Teil sehr konspirativ vorgegangen wird. Die heimlich vorgenommenen Investitionen bei Daimler zum Beispiel kamen in der deutschen Öffentlichkeit nicht besonders gut an, zumal es hier auch nicht nur um eine kleine Perle, sondern eher um die Kronjuwelen der deutschen Wirtschaft geht. Aber mittlerweile gibt es ja auch heftige Diskussionen auf europäischer Ebene, wie man solchen chinesische Einkaufsgelüsten bei strategisch relevanten Unternehmen einen Riegel vorschieben kann. In Deutschland bleibt die Diskussion weiterhin kontrovers: Während der Chef des Verfassungsschutzes mit den Worten zitiert wird, es gehe um aufkaufen und ausschlachten, spricht sich der BDI dafür aus, hier keine künstlichen Barrieren für Investitionen aufzubauen.
Völlig neu war mir die ganz aktuelle amerikanische Diskussion über das verstärkte Engagement chinesische Venture Capital Firmen im Silicon Valley. Auslöser die Diskussion waren wohl zwei Studien amerikanischer Behörden, die vor einem Ausverkauf von technologischem Know-how durch strategische Investitionen chinesischer Investoren warnten. Was den Deutschen ihre hidden champions, sind den Amerikanern ihre Silicon Valley Firmen. Zwar sind sich die Kommentatoren in den USA im Grundsatz weitgehend einig, dass eine Regulierung hier dringlich ist, und die amerikanische Regierung unter Trump scheint auch mehr als bereit zu sein, chinesischen Einfluss zurückzudrängen. Gleichzeitig gibt es aber auch kritische Stimmen, die davor warnen, das weltweite Innovationsnetzwerke, die mittlerweile dann doch auch chinesische Akteure intensiv miteinbeziehen, durch solche Regelungen beschädigt werden. Es ist also für die USA ebenso wie für Europa nicht mehr ganz so einfach, schlicht die chinesischen Akteure draußen zu halten und gleichzeitig weiter vorne im Innovationswettkampf zu bleiben. Innovativ bleiben geht in vielen Schlüsselbereichen in Zukunft nur noch gemeinsam mit den chinesischen Partnern, nicht mehr allein gegen sie. Zudem scheinen die Investitionen chinesischer VC Firmen im vergangenen Jahr zurück gegangen zu sein, da es eine verstärkte Regulierung von Seiten des chinesischen Staates gab, um den übermäßigen Transfer - man könnte auch Flucht von Kapital sagen - ins Ausland zu unterbinden.
Neben realen Veränderungen der Machtverhältnisse und der spürbaren Auswirkungen chinesischer Strategien einer technologischen Entwicklung sind hier also durchaus auch irrationale Ängste mit dem Spiel, die Macht- und Kontrollverlust befürchten und zu Überreaktion führen könnten. Die Frage wird dadurch noch komplexer, dass es nicht nur um scheinbar einfache Fälle kritischer Infrastrukturen geht, in denen man den ausländischen Einfluss aus naheliegenden Gründen möglichst gering halten möchte. Es geht um Innovationen und Zukunftstechnologien, deren Relevanz man heute noch gar nicht wirklich absehen kann.
Sind Investitionen in einem Hersteller von Industrierobotern entscheidend für Deutschland Sicherheit oder nicht? Oder ist es einfach nur ein Business Deal?
Ist es ein Vorteil, wenn deutsche, europäische oder amerikanische Startups schnell nach China gehen und dort Erfahrungen sammeln, oder sind sie dann schon im gegnerischen Einflussbereich? Brauchen wir chinesische Startups in Europa, die hier nachher bringen und Arbeitsplätze schaffen, oder sind das Konkurrenten?
Ob die verstärkte Interaktion mit China eher segensreich oder der Anfang vom Ende ist, hängt stark von den Entwicklungen in China selbst habe. Und die sind nur bedingt absehbar, das hat bereits vor zwei Jahren ganz schön eine Foresight-Studie der Bertelsmann-Stiftung auf den Punkt gebracht. Auf eine interaktive Website kann übrigens jeder selbst einmal in die Glaskugel schauen und seine Prognosen abgeben.