Freitag, 25. September 2015

Superforecasting

Im Economist wurde gerade ein spannendes neues Buch rezensiert, dass sich mit sogenannten superforcasters beschäftigt. Ich muss zugeben, ich habe das Buch nicht gelesen, aber das Thema hat mich schon interessiert. Also habe ich gegoogelt.

Schon im Sommer hatte die Süddeutsche Zeitung über das Projekt berichtet, auch die BBC interessierte sich für das Thema. Der Sozialwissenschaftler Philip Tetlock beschäftigt sich schon lange Zeit wissenschaftlich mit der Möglichkeit und den Grenzen der Vorausschau. Er wurde bekannt mit der Einsicht, das sogenannte wissenschaftliche Vorausschauen, zum Beispiel zu Wirtschaftsentwicklung oder von Börsenmärkten, auch nicht besser sind als das Werfen von Dartpfeile. Sprich: da kann man auch gleich würfeln.

Im Moment leitet Tetlock ein entsprechendes Forschungsprojekt im Auftrag von IARPA, eine Forschungsagentur, die der berühmten DARPA nachgebildet ist und für den amerikanischen Geheimdienst Forschungsprojekte finanziert. Im Projekt werden Menschen identifiziert, die besonders gut und ideologiefrei Voraussagen zu politischen und sozialen Entwicklung in der näheren Zukunft treffen können. Und es scheint sie tatsächlich zu geben, die Supervorhersager.

Sie haben keine anderen Informationen zur Verfügung als eine normale Google Suche. Sie sind besser als die Spezialisten, die mit Fachwissen in die Tiefe gehen und in der Regel herangezogen werden, wenn es um eine wissenschaftlich fundierte Vorausschau geht. Auch für den amerikanischen Geheimdienst. Oder für das Außenministerium. Und deshalb sind diese Ministerien so interessiert an den Ergebnissen von Herrn Tetloc.

Natürlich ist der Blick in die Glaskugel immer faszinierend. Aber es gibt vier ganz konkrete, zugegebenermaßen etwas frei assoziierte Gründe, warum ich diesen Ansatz spannend finde.

Erstens: Finanziert das etwas verrückte Projekt wie gesagt durch eine Institution ähnlich der DARPA , die viele zukunftsweisende, innovative Projekte gefördert hat. Aber warum ist DARPA so erfolgreich? Vergleichbar mit Innovationspreisen wie dem X Prize wird hier das Risiko gegenüber dem möglichen Ertrag geringer geschätzt, so dass hier auch in spannende Projekte investiert wird, in die kein normales ziviles Forschungsministerium investieren würde. Das ist ein bisschen zu vergleichen mit den future and emerging technology flagship Projekten der EU, die ebenfalls ganz schön ins Risiko gehen und visionäre Forschungsprojekte wie das human brain project finanzieren. Vielleicht wird nichts draus, aber wenn, dann ist es wirklich was ganz Großes. Das ist echtes Risikogeld, Venture Capital, bei dem der Investor auch davon ausgehen muss, dass 9 von 10 Firmen, in die er investiert, pleite gehen. Aber wenn die eine Firma, die übrig bleibt, dann abgeht wie eine Rakete, dann hat sich das Investment gelohnt. Sollte so möglicher Weise nicht auch Forschungspolitik sein?

Zweiten: Im Fall der Superforcaster ist tatsächlich der Mensch der Maschine noch überlegen. Er kann die verwirrenden Informationen richtig deuten, er macht aus Chaos Ordnung, er findet die richtigen Muster. Die Mustererkennung ist tatsächlich eine Domäne, in der Menschen Computer noch schlagen können, deshalb werden Menschen auch so gerne von citizen science Projekten genutzt, um z.B. große Mengen von Bildern auf Muster zu untersuchen. Aber das ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit, bis hier die Maschine den Menschen auch in Mustererkennung überlegen ist.

Drittens: Schließlich hat mich das Verhältnis von foresight und forcast interessiert. Während forcast nur auf die nähere Zukunft schaut, beschäftigt sich foresighte mit dem Blick in die weite Ferne, mit den nächsten 15 bis 20 Jahren. Meine Kollegen sagen immer, bei foresight geht es nicht darum, möglichst richtig zu liegen, die Zukunft korrekt vorauszusagen, sondern sich mit ihr zu beschäftigen, Szenarien durchzudenken und Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen. Aber natürlich wäre es schon schön, wenn foresight nicht vollkommen falsch läge. Also lohnt sich meiner Meinung nach durchaus die Frage, was man von den superforcasters lernen kann.

Viertens: Dieses Interview zum Thema zeigt: Superforcasting eignet sich sogar noch besser als sogenannte Vorhersagemärkte als Prognosetool. Aber auch diese sind interessant, weil sie manchmal besser als Experten Wahlergebnisse oder andere zukünftige Ereignisse voraussagen können. Das ist die Expertise der Vielen.

Und für alle die, die jetzt Interesse am Thema superforecast gefunden haben. Man kann sich auf der Website auch anmelden und bewerben als superforcaster. Nur zum Lotto spielen eignet sich die Methode nicht. Da geht es wirklich um Zufälle.

Dienstag, 22. September 2015

Verantwortungsvolle Wissenschaft

Sorgt Wissenschaft für ein besseres Leben?  Ist Wissenschaft überhaupt nützlich?  Wollen Wissenschaftler geliebt werden? 

Lauter Fragen, die ich in meinem Kopf hatte, als ich Anfang der Woche an einem Workshop zum Thema responsible research and innovation für die EU-Kommission teilnahm. Das Konzept war relativ neu für mich, der Begriff ist in Deutschland praktisch unbekannt. Natürlich gibt es die Elemente, die responsible research and innovation ausmachen, auch in Deutschland. Wissenschaftskommunikation, Bürgerbeteiligung, Genderfragen, open science und ethische Aspekte von Forschung spielen auch in der deutschen Diskussion eine Rolle und werden immer stärker auch von Forschungsorganisationen, Forschungsförderern und anderen Akteuren genutzt. Aber halt nicht unter einem Dach. Deswegen wirkte vielleicht auch das Konzept der Europäischen Kommission auf mich ein wenig wie ein Gemischtwarenladen.

Ich habe mich im Verlauf des Workshops immer wieder gefragt, was eigentlich die Motivation der Akteure hinter responsible research and innovation ist. Bei manchen schien mir eine gewisse "Allmachtsphantasie" durchzuschimmern, dass Technik tatsächlich die Probleme dieser Welt lösen kann. Das war im Kontext dieses Workshops umso eigentümlicher, als insbesondere manche  anwesenden Wissenschaftler hier auf die Unternehmensseite doch ein klein wenig herabsahen. Und gleichzeitig strahlten sie genau dasselbe Sendungsbewusstsein aus wie die Teckies aus dem Silicon Valley.

Außerdem vermitteln sie das Gefühl, geliebt werden zu wollen. Sie wollten Teil der Gesellschaft sein, zusammen mit anderen Bürgerinnen und Bürger die Probleme dieser Welt lösen. Und wenn wir schon bei der Perspektive auf den Bürger sind. Die Diskussion um responsible research and innovation hat etwas altmodisch aufklärerisches. Wenn erst die Wissenschaft die Menschheit erleuchtet, dann sieht diese selbst ein, wie sie ihre Probleme lösen kann. Ich habe da so meine Zweifel, ob Wissen gleich Einsicht gleich richtiges Handeln ist.

Die Politik scheint mir hier häufig deutlich profaner und  rationaler.  Sie nutzt den Verweis auf gesellschaftliche Herausforderungen, die mit technischen Lösungen bewältigt werden können, eher, um steigende Ausgaben in Forschung und Entwicklung zu legitimieren.

Und dann habe ich mich gefragt, warum gerade die Europäische Union so auf normativ aufgeladene Konzepte steht. Sie war ja die erste, die in Europa Evaluationen salonfähig gemacht hat. Sie ist die Institution, die Genderaspekte als notwendigen Bestandteil von Forschungsanträgen etabliert hat. Wahrscheinlich muss die Kommission einfach deutlich stärker als nationalstaatliche Institutionen ihr Handeln legitimieren und jeden Euro, den sie ausgibt, auf die Goldwaage legen.

Lustig fand ich übrigens die Hoffnung einiger Wissenschaftsvertreter, dass eine stärkere gesellschaftliche Einbindung ihrer Forschung sie von der Last der ständigen Evaluationen befreien würde. Denn wenn sie  gesellschaftlich  relevant forschen würden, müssten sie die Ausgaben ja nicht mehr schnöde Euro um Euro rechtfertigen. Da haben sie, glaube ich, etwas falsch verstanden. Evaluation ist ja nicht Kontrolle um der Kontrolle willen, sondern soll Steuerungsinformationen auch für die evaluierten Akteure liefern.

Noch ein Konflikt, der immer wieder aufschimmerte, war die Frage, inwieweit Grundlagenforschung sich einem Nützlichkeitsdiktat unterwerfen müsse. Mich erinnert das an die gruselige Diskussion um die Nützlichkeit von Kunst und Musik (wer ein Instrument spielt, ist im Job teamfähiger ... ) oder auch die politische correctness von moderne klassische Musik (ich habe hierzu mal ein erschütterndes Buch über Schostakowitsch im stalinistischen  Russland gelesen).

Übrigens, was ich vergessen habe zu erwähnen: Der Workshop war sehr spannend, toll organisiert, und ich möchte ihn nicht missen. Nur das Thema, das hat mich halt zum Nachdenken angeregt. Auch wenn ich es richtig und wichtig finde, dass Wissenschaft nicht selbstbezogen im Elfenbeinturm stattfindet, sondern sich seiner gesellschaftlichen Einbettung bewusst ist.

Freitag, 18. September 2015

Evaluationsmaschine

Ich war die letzten zwei Tage auf der Jahrestagung der DeGEval, der Gesellschaft für Evaluation, dieses Jahr unter dem Motto "Evaluation und Wissensgesellschaft ". Jedes Jahr treffen sich hier die Evaluationseinrichtungen Deutschlands und Österreichs der unterschiedlichsten Politikfelder, um über neue Projekte und Trends zu berichten und zu diskutieren. In seiner Keynote sprach Professor Kuhlmann relativ kritisch über eine Art Pervertierung der Evaluation des Wissenschaftssystems. Hochschulrankings und impact factors von Publikationen entwickelten ein Eigenleben, sie führten zu weitreichenden Entscheidungen von Universitätsleitungen und beeinflussten maßgeblich Karrierepfade von Wissenschaftlern. All dies, obwohl sie als Indikatoren höchst kritisch zu diskutieren wären.

Aus dem Publikum kam nach diesem Vortrag in der Regel zustimmender Beifall und Kommentare, die die Position von Herrn Kuhlmann stützen. Einer der Zuhörer fragte, wie man diese Trends, unter anderem dem zu einer "Evaluationsmaschine", begegnen können. Mit Evaluationsmaschine meinte er vermutlich die quasi automatische Generierung von Indikatoren und nachfolgende Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Ich finde es interessant, dass auf einem Kongress, der das Leitthema Wissensgesellschaft hat, eine solche Angst vor einem besseren oder gar automatisierten Zugang zu Indikatoren steht. Das ist ein bisschen wie die Angst vor dem Autopiloten im Flugzeug, weil man der Meinung ist, der Pilot könnte besser steuern.

Ja, es ist richtig, viele Indikatoren verkürzen die Realität, manche sogar unzulässig. Es ist auch richtig, dass die Messung technischer Systeme vermutlich leichter zu realisieren ist, als die Messung komplexe soziale Systeme. Möglicherweise sind weiterhin Menschen am ehesten in der Lage, die komplexe Interpretation von sozialen Mustern zu leisten. Aber auch hier sehe ich eine Analogie zur Mustererkennung in vielen anderen Bereichen. Noch ist der Mensch da der Maschine überlegen, aber das scheint sich Stück für Stück zu wandeln. Also kann man wohl auch davon ausgehen, dass in den Sozialwissenschaften der Trend eher zu einer quasi automatisierten Messung von geeigneten Indikatoren und einer ebenfalls automatisierten Interpretation gehen wird. Vermutlich wird es tatsächlich irgendwann eine evaluations Maschine geben. Ich nehme fast an, der Zeitpunkt wird nicht in allzu ferner Zukunft liegen. Die Idee einer computergestützten Modellierung komplexer sozialer Systeme wird zum Beispiel im EU - PROJEKT FutureICT gefördert.

Und trotzdem wird noch Platz sein für menschliche Evaluatoren. Vielleicht geht es ein bisschen so wie mit den Assistenzsystemen für Chirurgen. Auch hier geht keiner davon aus, dass die Maschine allein operiert. Viel mehr unterstützt sie den Chirurgen bei seiner Operation und macht ihn deutlich leistungsfähiger. In diesem Sinne freue ich mich jetzt schon auf die Evaluationsmaschine.

Das Abschlussgespräch der Tagung nahm das Thema dann übrigens doch noch einmal auf. Der Panelexperte Hr. Holtmannspötter z.B ging davon aus, dass Big Data und ähnliche Ansätze, z.B. auch die Suche nach auffälligen Mustern und ihre Deutung per Algorithmen, zukünftig häufiger zu sehen sein würden. Sie würden aber menschliche Evaluatoren nicht ersetzen, sondern diese unterstützen und ergänzen.

Bislang sind wir meiner Meinung nach davon aber weit, weit entfernt, zumindest im Politikfeld FTI. Hier müssten wir ja erstmal kurzfristig verfügbare, vergleichbare und auswertbare Daten zur Verfügung haben, bevor wir das Evaluieren halbautomatisiert umstellen könnten. Da sieht es jedoch mau aus. Keine vergleichbaren Indikatoren und keine zugänglichen Vergleichsdaten. Evaluation bleibt hier also bis auf weiteres echte Handarbeit. Willkommen Wissensgesellschaft!

Samstag, 12. September 2015

Machen Männer Geschichte?

Große Männer - und Frauen - machen Geschichte! So zumindest dachte die Geschichtsschreibung des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Doch heute ist die Geschichtswissenschaft längst weiter. Es sind soziale und wirtschaftliche Faktoren, es sind sogar Umwelteinflüsse wie das Klima, die den Lauf der Geschichte stark beeinflussen. Natürlich hat auch menschliches Handeln seinen Anteil daran, und auch einzelne Personen können, wenn sie an einer entscheidenden Machtposition stehen, entscheidende Weichen stellen. Alles in allem aber wurde wohl der Einfluss einzelner Persönlichkeiten der Geschichte ziemlich überschätzt. Und das sicher auch deshalb, weil die Geschichtsschreibung selbst von den jeweiligen Machthabern beeinflusst und diktiert wurde.

Da sind wir nun weiter, dachte ich. Aber wenn es um das Geschehen in der Wirtschaft geht, scheint sich hartnäckig der Eindruck zu halten, das Firmenlenker entscheiden sind für das Wohl und Wehe ihrer Unternehmen. Da charismatische Personen wie Steve Jobs zu wahren Lichtgestalten hoch geschrieben wurden, wird jetzt auch von Startups erwartet, dass sie von entsprechend herausragenden Persönlichkeiten gegründet und aufgebaut werden. Gerade beklagte sich der Spiegel in einem Essay darüber, dass die deutsche Gründerszene langweilig sei, lauter BWLer, die an die charismatische Nerds des Silicon Valley lange nicht heranreichen könnten. Dabei hatte die Süddeutsche gerade erst die Erotik der BWL-Studenten entdeckt.

Aktuelle Studien zeigen zumindest, dass es kein Gründer-Gen gibt, sondern dass vor allem familiärer Hintergrund den Erfolg von Gründerinnen und Gründern erklärt. Und es gibt auch mehr als leise Zweifel daran, dass die 150 prozentigen Gründer, die Tag und Nacht durcharbeiten, tatsächlich effektiver oder effizienter sind als diejenigen, die sich an normale Arbeitsrythmen halten.

Und in der Gründungs-Forschung weiß man seit langem, dass gemischte Teams - Betriebswirtschaft und Techniker, Frauen und Männer, Alte und Junge, Deutsche und Menschen anderer Herkunft - zusammen besonders erfolgreich sind. Aber es ist halt so schön, an den genialen Steve Jobs zu glauben, der das nächste Apple gründen wird.

Da kann ich nur sagen: Leute, lest mehr Geschichtsbücher, wie zum Beispiel das ziemlich beeindruckende Buch zu Napoleons Feldzug nach Russland (Adam Zamoyski: 1812). Da werdet ihr sehen, welches tragische Kuddelmuddel große Männer anrichten können, vor allen Dingen, wenn sie nicht zusammenarbeiten.

Sonntag, 6. September 2015

Abkürzungen zur Innovation

Bei der Analyse des chinesischen Wirtschaftserfolges wird immer auch wieder auf die Stärke der Chinesen beim Kopieren und Nachmachen verwiesen. In Deutschland rümpft da mancher die Nase, aber eigentlich ist das Nachmachen einer der stärksten Innovationsmotoren, die man sich vorstellen kann. Anders ist eine Verbreitung neuer Ideen ja kaum denkbar, und so manche Idee wird erst beim zweiten Versuch ein Erfolg. Außer natürlich, man schätzt Monopole.

Erst vor kurzem hat der Economy ist einen langen Artikel dazu veröffentlicht, wie schädlich Patente sein können - nicht in jeder Technologie und Branche, aber doch in so manchem Feld. Natürlich schützen Patente dasjenige Unternehmen, welches den Innovationsaufwand hatte. Häufig dienen sie aber heute eher dazu, Monopole abzusichern und Wettbewerber nicht auf den Markt zu lassen. Für die Nutzer von Innovationen ist das ein Nachteil. In diesem Sinne plädiert der Economist dafür,  das "Was" und "Wie lange" von Patenten noch einmal zu überdenken.

Quasi den legalen Weg beschreiten große Unternehmen, die sich die kleinen innovativen Newcomer einfach kaufen, samt ihrer Patente und Innovationen. Gerade für Länder wie Deutschland mit einer gewachsenen traditionellen Industrielandschaft und einer eher schwach ausgeprägten Gründungskultur ist dies eine wunderbare Möglichkeit, ihre Schwäche auszugleichen und trotzdem an die fixen Startups zu kommen. Oder man versucht wie die Franzosen die internationalen Startups mit ein wenig Geld ins Land zu locken, wenn die eigenen Bürger einfach nicht gründen wollen.

Einen anderen Weg gehen wiederum die fixen Chinesen, die sich die innovativen Mittelständler in Deutschland kaufen, samt ihrer Patente und gute Ideen.

Man kann es auch machen wie die Amerikaner, die ein eher schwaches Bildungssystem haben und deshalb auf die gut ausgebildeten, kreativen und risikobereiten Zuwanderer aus aller Welt setzen.

Es gibt also so manche Abkürzungen für ein leistungsfähiges Innovationssystem, und Staaten, deren Haushalte nicht mehr in den Himmel wachsen, sollten sich überlegen, welche diese Abkürzungen für sie attraktiv sein könnten.

Dies trifft auch für Deutschland zu. Viel zu lange haben deutsche Innovationspolitiker auf die Ausgabenseite geschaut und sich stolz auf die Schultern geklopft, dass in den letzten Jahren die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung beständig gestiegen sind. Dieses Wachstum wird sich vermutlich nicht in selben Maße aufrechterhalten lassen. Es sind nun Effizienzgewinne gefragt, nicht nur im oben genannten Sinne.

Samstag, 5. September 2015

Trendbarometer junge IKT

Rankings und Bestenlisten sind unheimlich in und verkaufen sich immer gut. Die 100 schönsten Orte Berlins, die 100 Plätze, die du sehen musst, bevor du stirbst, und jetzt die 111 am schnellsten wachsenden jungen Unternehmen Deutschlands. An dieser Liste bastelt zumindest die Online-Plattform Gründerszene und ruft in die Landschaft der Gründer und Gründerinnen Deutschland, sich zu bewerben. Schnell wachsende junge Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln, das ist auch der Traum der Europäischen Kommission und der Bundesregierung.

Aber wollen junge Unternehmen tatsächlich so schnell wachsen und dem Silicon Valley -Ideal nachstreben? Wir haben das die junge IKT Wirtschaft gefragt im neuen Trendbarometer, dass wir gerade veröffentlicht haben. Tatsächlich wollen die meisten Unternehmen schnell wachsen und viele meine auch, sie müssten, es um nicht unterzugehen. Es gibt aber auch einen nicht unerheblichen Prozentsatz, der der Meinung ist, die Rahmenbedingungen für schnelles Wachstum sind in Deutschland gar nicht gegeben. Und einige streben lieber nach einem nachhaltigen, langsamen Wachstum.

Eine andere aktuelle Meldung aus Gründerszene passt ebenfalls nahezu perfekt auf unser neues Trendbarometer. Es geht dabei um ein Portal, das sich an Schülerinnen und Schüler richtet, um sie zum Gründen anzuregen. Damit ist ein Gründerwettbewerb verbunden, bei dem die jungen Leuten einiges gewinnen können. Auch zu diesem Thema haben wir in die Szene hinein gefragt, um zu erfahren, ob die erfolgreichen Gründerinnen und Gründer in ihrer Jugend schon Erfahrungen mit dem Thema gesammelt haben, zum Beispiel in der Schule, oder auch später im Studium. Unsere Zahlen zeigen, dass dies zumindest für den schulischen Bereich bisher nur bei sehr wenigen der Fall war. In diesem Sinne ist die neue Initiative, über die Gründerszene berichtet, tatsächlich der richtige Ansatz.

Donnerstag, 3. September 2015

Die Startup-Glaskugeln

Vor ein paar Tagen habe ich einen spannenden Artikel gelesen (hier auch ein Beitrag dazu bei Grünerszene), der von der Harvard Business School herausgebracht wurde. Es geht darin darum, ob der Erfolg von Startups bereits zu einem früheren Zeitpunkt von Gutachtern bzw. Experten vorausgesagt werden kann. Da ich zusammen mit Kollegen seit einiger Zeit auch einen Gründerwettbewerb evaluieren, dachte ich gleich, hier kann ich was lernen. Doch so einfach lässt sich der Ansatz der Kollegen nicht übertragen, und genau das macht den Artikel so spannend.

Aber zunächst zu den wesentlichen Erkenntnissen der Autoren: Der Erfolg von Startups lässt sich tatsächlich relativ gut voraussehen, zumindest solange sie stark "wissensgetrieben" sind und eher im Hardwarebereich angesiedelt, also zum Beispiel typische Universitätsausgründungen. Schlechter sieht die Prognosefähigkeit schon bei Software- oder Geschäftsmodell- getriebenen Gründungen aus. Hier konnten die Gutachter nicht wirklich treffsicher voraussagen, ob eine Gründungsidee später zu einem Erfolg führen wird. Eine wichtige Randbedingungen konnten die Autoren bei ihrer Analyse ausschließen, nämlich dass die Teilnahme an einem Gründungsförderung Programm bereits dazu führt, dass eine gewisse Selektion der Teilnehmer erfolgt, beziehungsweise dass die prämierten Teilnehmer einen anderen Weg gehen als die nicht erfolgreichen. Diese verfolgen ihre Gründungsidee möglicherweise enttäuscht nicht mehr weiter, auch wenn sie ein Erfolg hätte werden können. Die Harvard-Kollegen konnten Daten nutzen, die nicht im Rahmen einer Förderung erhoben wurden, sondern vorher.

Dieser Punkt berührt ein typisches Problem von Evaluationen von Förderprogrammen: die nicht erfolgreichen Antragsteller sind keine echte Vergleichsgruppe, da der Prozess der nicht erfolgreichen Antragstellung bereits einen Einfluss auf den späteren Projektverlauf hat.

Dass Hardware -getriebene Ideen besser prognostiziert werden können als Software- oder Geschäftsmodell getriebene, ist für sich genommen erst einmal plausibel erklärt. Die Autoren gehen davon aus, dass im weiteren Verlauf andere Faktoren, nämlich auch ein Gründungsteam,  dass zum Beispiel von Betriebswirten mitgeprägt wird, den Geschäftserfolg maßgeblich mit beeinflusst. Die Gründungsprozess sind also bei Software-/Geschäftsmodellideen von Anfang an weniger determiniert durch die gute Idee und das technische Know-how, sondern werden zu späteren Zeitpunkten weiter beinflusst.

Die Autoren sprechen sich deshalb dafür aus, einen stärker experimentell orientierten Förderansatz zu verfolgen, also z.B. eine größere Zahl von Gründungen auszuwählen und dann zu schauen, was aus ihnen wird. Übertragen auf ein deutsches Förderprogramm könnte das zum Beispiel heißen, dass man in mehreren Phasen fördert und immer wieder den Fortschritt des entsprechenden Prozesses daraufhin überprüft, ob hier alles in die richtige Richtung geht.

Eine weitere Besonderheit der genannten Studie ist es, dass die Team Zusammensetzung explizit nicht bewertet wurde, da nur das eigentliche Gründungskonzept den Gutachtern bekannt war. Für eine Prüfung Überprüfung der Prognose Fähigkeit von Gutachtern bei der Bewertung von Gründungskonzept ist das natürlich prima, in der Realität allerdings schauen sich die Gutachter auch sehr genau das Team an und können damit vielleicht ganz gut abschätzen, ob dieser zentrale Faktor den Gründungserfolg beeinflussen kann.

Wollten wir das Konzept der Studie auf unsere eigene Wirkungsanalyse übertragen, müssten wir also eine ganze Reihe von Faktoren anpassen. Aber spannend wäre es schon zu überprüfen, ob die Gutachter in unserem Wettbewerb bei der Erfolgseinschätzung der Hardware- getriebenen Gründungskonzepte besser lagen als bei den Software- oder Geschäftsmodell -getriebenen.