Im Economist wurde gerade ein spannendes neues Buch rezensiert, dass sich mit sogenannten superforcasters beschäftigt. Ich muss zugeben, ich habe das Buch nicht gelesen, aber das Thema hat mich schon interessiert. Also habe ich gegoogelt.
Schon im Sommer hatte die Süddeutsche Zeitung über das Projekt berichtet, auch die BBC interessierte sich für das Thema. Der Sozialwissenschaftler Philip Tetlock beschäftigt sich schon lange Zeit wissenschaftlich mit der Möglichkeit und den Grenzen der Vorausschau. Er wurde bekannt mit der Einsicht, das sogenannte wissenschaftliche Vorausschauen, zum Beispiel zu Wirtschaftsentwicklung oder von Börsenmärkten, auch nicht besser sind als das Werfen von Dartpfeile. Sprich: da kann man auch gleich würfeln.
Im Moment leitet Tetlock ein entsprechendes Forschungsprojekt im Auftrag von IARPA, eine Forschungsagentur, die der berühmten DARPA nachgebildet ist und für den amerikanischen Geheimdienst Forschungsprojekte finanziert. Im Projekt werden Menschen identifiziert, die besonders gut und ideologiefrei Voraussagen zu politischen und sozialen Entwicklung in der näheren Zukunft treffen können. Und es scheint sie tatsächlich zu geben, die Supervorhersager.
Sie haben keine anderen Informationen zur Verfügung als eine normale Google Suche. Sie sind besser als die Spezialisten, die mit Fachwissen in die Tiefe gehen und in der Regel herangezogen werden, wenn es um eine wissenschaftlich fundierte Vorausschau geht. Auch für den amerikanischen Geheimdienst. Oder für das Außenministerium. Und deshalb sind diese Ministerien so interessiert an den Ergebnissen von Herrn Tetloc.
Natürlich ist der Blick in die Glaskugel immer faszinierend. Aber es gibt vier ganz konkrete, zugegebenermaßen etwas frei assoziierte Gründe, warum ich diesen Ansatz spannend finde.
Erstens: Finanziert das etwas verrückte Projekt wie gesagt durch eine Institution ähnlich der DARPA , die viele zukunftsweisende, innovative Projekte gefördert hat. Aber warum ist DARPA so erfolgreich? Vergleichbar mit Innovationspreisen wie dem X Prize wird hier das Risiko gegenüber dem möglichen Ertrag geringer geschätzt, so dass hier auch in spannende Projekte investiert wird, in die kein normales ziviles Forschungsministerium investieren würde. Das ist ein bisschen zu vergleichen mit den future and emerging technology flagship Projekten der EU, die ebenfalls ganz schön ins Risiko gehen und visionäre Forschungsprojekte wie das human brain project finanzieren. Vielleicht wird nichts draus, aber wenn, dann ist es wirklich was ganz Großes. Das ist echtes Risikogeld, Venture Capital, bei dem der Investor auch davon ausgehen muss, dass 9 von 10 Firmen, in die er investiert, pleite gehen. Aber wenn die eine Firma, die übrig bleibt, dann abgeht wie eine Rakete, dann hat sich das Investment gelohnt. Sollte so möglicher Weise nicht auch Forschungspolitik sein?
Zweiten: Im Fall der Superforcaster ist tatsächlich der Mensch der Maschine noch überlegen. Er kann die verwirrenden Informationen richtig deuten, er macht aus Chaos Ordnung, er findet die richtigen Muster. Die Mustererkennung ist tatsächlich eine Domäne, in der Menschen Computer noch schlagen können, deshalb werden Menschen auch so gerne von citizen science Projekten genutzt, um z.B. große Mengen von Bildern auf Muster zu untersuchen. Aber das ist möglicherweise nur eine Frage der Zeit, bis hier die Maschine den Menschen auch in Mustererkennung überlegen ist.
Drittens: Schließlich hat mich das Verhältnis von foresight und forcast interessiert. Während forcast nur auf die nähere Zukunft schaut, beschäftigt sich foresighte mit dem Blick in die weite Ferne, mit den nächsten 15 bis 20 Jahren. Meine Kollegen sagen immer, bei foresight geht es nicht darum, möglichst richtig zu liegen, die Zukunft korrekt vorauszusagen, sondern sich mit ihr zu beschäftigen, Szenarien durchzudenken und Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen. Aber natürlich wäre es schon schön, wenn foresight nicht vollkommen falsch läge. Also lohnt sich meiner Meinung nach durchaus die Frage, was man von den superforcasters lernen kann.
Viertens: Dieses Interview zum Thema zeigt: Superforcasting eignet sich sogar noch besser als sogenannte Vorhersagemärkte als Prognosetool. Aber auch diese sind interessant, weil sie manchmal besser als Experten Wahlergebnisse oder andere zukünftige Ereignisse voraussagen können. Das ist die Expertise der Vielen.
Und für alle die, die jetzt Interesse am Thema superforecast gefunden haben. Man kann sich auf der Website auch anmelden und bewerben als superforcaster. Nur zum Lotto spielen eignet sich die Methode nicht. Da geht es wirklich um Zufälle.