Friedrich Merz hatte im Vorfeld seiner Kandidatur als CDU Parteichef den Vorschlag gemacht, das private Investment in Aktien doch steuerlich zu begünstigen, wenn dies der Altersvorsorge diene. Da die meisten von uns keine Aktienprofis sind, würde das Management vermutlich meist ein Investmentverwalter übernehmen, die Sparkasse z.B., oder andere institutionelle Anbieter (vielleicht auch indirekt der ehemalige Arbeitgeber von Herrn Merz). Der Vorschlag stieß auf ein unterschiedliches Echo. Während die einen ihn grundsätzlich interessant fanden, allerdings darauf hinwiesen, dass die meisten deutschen Haushalten gar kein Geld haben, um in Aktien zu investieren, lehnten die andern die Idee eher ab. Allerdings nicht, weil sie eine Stärkung des Aktieninvestments zur Alterssicherung nicht gut fänden, sondern weil es hierfür schon vielfältige Möglichkeiten gäbe, die aber alle nicht optimal funktionierten. Die deutsche Bevölkerung zu Aktienbesitzer zu machen, hat seit dem Fehlstart der T-Aktie vor mehr als 20 Jahren einen gewissen Beigeschmack. Ob mit Reform der bestehenden Systeme oder mit einem neuen Ansatz, leicht wird es nicht werden. Dabei klingt die Idee zunächst einmal sehr schön, dass die Deutschen selbst in Unternehmen investieren, die vom digitalen Wandel profitieren, und somit auch selbst Nutznießer desselben werden. Vielleicht muss doch Vater Staat helfen, der ja im Moment ganz begeistert ist von digitalen Umwälzungen aller Art.
An 15. November stellte die Bundesregierung z. B. ihre neue Strategie zur künstlichen Intelligenz vor. Deutschland soll zu einem führenden Standort für künstliche Intelligenz werden, damit soll ganz wesentlich auch der Wohlstand in Deutschland abgesichert werden. Die ersten Reaktionen waren wohlwollend bis skeptisch. Insbesondere die Besetzung von 100 Lehrstühlen mit hochkarätigem Personal wurdd als nicht kleine Herausforderung gesehen. Auch die Wirkung auf KI-Gründungen bleibt abzuwarten.
Überhaupt ist es mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz so eine Sache. Es gibt eine Reihe von Studien, die diesen Technologien ein erhebliches disruptives Potenzial nachsagen. Und die Disruption, also die verändernde und durcheinanderwirbelnde Wirkung, ist nicht immer für alle gleichermaßen positiv. Der Digitalisierung und dem Einsatz künstlicher Intelligenz wird z.B. auch zugeschrieben, dass sie möglicherweise sozialer Ungleichheit fördern.
Zum einen auf der individuellen Ebene, weil nicht alle Beschäftigten mithalten können mit den neu geforderten Kompetenzen. Weil viele Arbeitsplätze verschwinden und viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden, aber vermutlich nicht unbedingt für die selben Personen.
Zum anderen auf Unternehmensebene, weil einige wenige Firmen vom Einsatz dieser Technologien profitieren, ihre Chefs reicher und reicher werden und auch ihre Mitarbeiter einen Teil vom wachsenden Gewinn abbekommen. Andere Firmen hingegen haben es immer schwerer, die Löhne in diesen Unternehmen sinken. Manche Branchen trifft es dabei besonders hart.
Es wird also vermutlich Gewinner und Verlierer geben. Aber wie kann es gelingen, dass die ganze Gesellschaft von diesem Technologiewandel profitiert? Vielleicht durch Investitionen der Bürgerinnen und Bürger in Aktien solcher Unternehmen? Wie oben beschrieben hat das so seine kleinen und großen Fallstricke. Vielleicht könnte auch der Staat einspringen.
Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee schlugen schon vor ein paar Jahren in ihrem Buch "The second machine age", dass über eine staatliche Teilhabe an Unternehmen, die Gewinner der digitalen Revolution sind, ein Rückfluss für uns alle gewährleistet werden könnte.
Bereits anlässlich der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers zur künstlichen Intelligenz im Sommer griffen einige Autoren die Idee eines Staatsfonds für künstliche Intelligenz auf und beriefen sich dabei auf Brynjolfsson und McAffee. Ein Staatsfonds investiert öffentliche Mittel in vielversprechende Unternehmen, um langfristig eine gute Rendite auch für spätere Generationen zu erwirtschaften. Und wenn KI so eine tolle Idee ist, warum nicht in Firmen investieren, die damit überdurchschnittlich wachsen?
Im Prinzip sind Staatsfonds keine neue Idee. Am bekanntesten sind die Staatsfonds der Ölstaaten wie Saudi-Arabien oder Norwegen, die mit dem Reichtum des heutigen Ölgeschäfts für die Zeit vorsorgen wollen, wenn diese Ressourcen erschöpft sind. Immer größere Summen werden von solchen Staatsfonds jetzt auch in Startups investiert, manche Experten fürchten hier schon eine Investitionsblase, da Staatsfonds anders als klassische Risikokapitalgeber agieren und den Markt überhitzen könnten.
Die Bertelsmann-Stiftung hat bereits 2017 im Rahmen einer kleinen Studie Überlegungen zu einem deutschen Staatsfonds in Anlehnung an das norwegische Vorbild skizziert, dabei aber ein unabhängiges Management, eine an ethischen Grundsätzen orientiere Anlagestrategie und eine internationale, an der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft abgekoppelte Investitionspolitik geforderten. Die Idee taucht immer wieder in deutschen Medien auf, so z. B. zuletzt in Spiegel oder Zeit.
Staatsfonds könnten eine schlaue Idee sein und möglicherweise auch in KI-Unternehmen investieren - vermutlich dann nicht nur in deutsche, sondern international. Damit ist die Idee des Staatsfonds erst einmal unabhängig von der Bemühung zu sehen, eine internatiinal wettbewerbsfähige nationale Industrie - z.B. in KI - aufzubauen.
Staatsfonds wurden jüngst aber auch ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, heimische Industrien zu schützen. Im September diesen Jahres wurde angeblich Überlegungen der Bundesregierung berichtet, durch einen Staatsfonds den deutschen Mittelstand z.B. vor chinesischen Übernahmen zu schützen. Die Bundesregierung dementierte. Ob ein Staatsfonds dafür überhaupt ein geeignetes Instrument wäre, daran ließ ja schon die oben genannte Bertelsmann-Studie zweifeln. Andere Abwehrmittel sind die Prüfung von Übernahmen durch nationale Behörden oder künftig sogar durch ein Investment Screening der EU, beide vermutlich geeigneter zum Schutz deutscher Unternehmen (und einer deutschen KI-Unternehmenslandschaft).
Der deutsche KI-Staatsfonds ist im Augenblick kein ernstes Thema der politischen Diskussion. Im Moment scheint die Bundesregierung eine andere Strategie zu befolgen: Die heimische Industrie fit machen für den digitalen Wandel und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Und damit Steuerrückflüsse zu garantieren, die man für das Gemeinwohl nutzen kann. Arbeitnehmer durch Weiterbildungsmaßnahmen so qualifizieren, dass sie möglichst wenig auf der Strecke bleiben.
Ob das reicht, werden wir sehen.
Bis dahin kann natürlich jede/r von uns in ihr/sein privates KI Aktienportfolio investieren - wenn sie/er das nötige Kleingeld und den richtigen Riecher hat.