Sonntag, 30. März 2014

Drei auf die Ohren: Sharing Economy, Roboter und Pareto-Verteilung

Nachdem sich mein letzter Blogeintrag mit eher abstrusen Zukunftsprognosen und Foresight beschäftigte, muss ich jetzt doch noch mal zwei schöne Beispiele (und eine Zugabe) einbringen, die essayistisch Zukunftsbilder zeichnen un beide vor kurzem als Hörfunkbeiträge im Deutschlandfunk liefen:

Ein Beitrag des Deutschlandfunk zur Sharing Economy zeigt anhand von aktuellen Beispielen die ganze Bandbreite von aktuellen Prozessen der Sharing Economy auf, von eher traditionellen Kommunen über Mitwohnplatformen und Carsharing-Angeboten bis hin zu Tauschplattformen und gemeinsamen Werkstätten der Maker-Community. Die Sendung macht ganz schön deutlich, dass es das Prinzip des Tauschens und Teilens natürlich sehr viel länger als den neuen Begriff der Sharing Economy gibt, dass Tauschen und Teilen in vielen Beispielen ganz klar auf wirtschaftliche Erträge abzielt, also eigentlich nur neue Formen kommerzieller Angebote darstellt, und dass in einigen Beispielen der Sharing Economy ganz andere Trends einer gesellschaftlichen Teilhabe an Veränderungsprozessen durchscheint, die zum Beispiel auf Stadttransformation (siehe meine letzten Blogbeiträge hier und hier) oder auf  Bürgerwissenschaft verweisen.

Ein weitere Beitrag des Deutschlandfunk zum Thema Automatisierung, Roboter, Drohnen und autonomen Fahren greift die ganze Diskussion auf, die mit Amazons Dronenprojekt, Googles Roboterfirmen-Kauf und ähnlichen Meldungen verbunden waren (auch hier ein älterer Blogbeitrag). Am schönsten ist die Einführung von Norma Jeane als Ikone des Drohnenkriegs...

Und schließlich ein Beispiel zur Pareto-Verteilung - auch vom Deutschlandfunk, nicht mit einem Zukunftsthema, aber trotzdem schön und hörenswert: Es geht in diesem Beitrag um eine angebliche Behauptung Vilfredo Paretos über ein stabiles 80 zu 20 Verhältnis in ganz vielen Lebensbereichen, von Aufwand zu Ertrag (20 % Anstrengung bringen 80% Ergebnis, die restlichen 20% Ergebnis brauchen weitere 80% Anstrengung) bis hin zu Masse und Elite (20% der Bevölkerung sind für 80% des Wohlstands Verantwortlich - und besitzen auch 80%...). Der Beitrag zeigt sehr anschaulich, wie es hier eigentlich um einen großen Mythos geht: Pareto hat das meiste so nie gesagt, sondern sich nur aufgrund der damals vorliegenden Statistiken zur Einkommensverteilung geäußert. Und er vertrat eine Elitentheorie, die mit einem solchen Verhältnis gut in Einklang zu bringen ist, auch wenn sie auf ganz anderen Quellen aufbaute. Mit BIG DATA (heute scheinbar für alle Argumentationen passend) könnte sich nach Einschätzung des Autors zeigen, dass Paretos Verteilung doch ganz nützliche Konsequenzen für das Marktverhalten von großen Internetkonzernen wie Google und Co haben könnte, und zwar ganz theoriefrei - einfach den gefunden Mustern folgend...   

Samstag, 29. März 2014

Untergang der Zivilisation

Zurzeit jagt das Gespenst des Untergang durch den deutschen Blätterwald, oder vielmehr Berichte über eine NASA-Studie zum Untergang der Zivilisation. Die Wirtschaftswoche berichtet zum Beispiel, dass aufgrund von Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Bevölkerungswachstum unsere Zivilisation respektive die Menschheit bald am Ende sei. Auch technologischer Fortschritt könne uns dabei nicht retten, da er den Verbrauch von Ressourcen ankurbele. Die Wirtschaftswoche fühlte sich dabei an Oswald Sprenglers Untergang des Abendlandes erinnert, das ziemlich genau vor 100 Jahren erarbeitet wurde. Wer den im vorvergangenen Jahr erschienenen Bestseller "1913" von Florian Illies zum letzten Jahr vor Beginn des ersten Weltkriegs gelesen hat, weiß, dass Sprengler ein reichlich überspannter Zeitgenosse war.

Ich fühle mich ja bei dieser Meldung eher an "Kollaps" von Jared Diamond erinnert, in dem Diamond eine ganze Reihe von Kulturen untersucht, die aufgrund von Überbevölkerung, falschem Umgang mit begrenzten Ressourcen und aufgrund von Klimawandel und ökologischen Katastrophen kollabierten. Mit Diamond wiederum setzten sich intensiv Daron Acemoglu und James A. Robinson in ihrem Buch "Why Nations Fail" auseinander. Ihrer Meinung nach sind es insbesondere Institutionen, die über Erfolg oder Scheitern von Ländern entscheiden. Innovationen sind hier eher positive Faktoren, die durch entsprechende Institutionen gefördert oder behindert werden können.

Die eingangs genannt Studie nutzte das sogenannte HANDY Rechenmodell für seine Projektionen. Wie solche Modelle irren können, zeigte ja schon vor 40 Jahren die "Grenzen des Wachstums". Die lagen zwar ziemlich falsch, spielten aber eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung der Öffentlichkeit für einen bewussteren Umgang mit endlichen Ressourcen.  

Die NASA hat sich übrigens von allen Meldungen distanziert, dass sie selbst die Studie in Auftrag gegeben habe, vielmehr habe sie den beteiligten Wissenschaftlern nur die Nutzung eines ihrer Rechenmodelle erlaubt. Wer jetzt mehr zur Studie, ihrer Beziehung zur NASA und ihrer Argumente lesen möchte, sollte am Ausgangspunkt des ganzen Medienrummels suchen, der nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien, nämlich im Guardian liegt. Hier setzte sich der EarthInsight Blog sehr intensiv mit der Studie auseinander und provozierte eine rege Diskussion.

Selten finden Zukunftsstudie oder Foresight-Berichte öffentliche Aufmerksamkeit, wenn sie nicht mit Katastophen- oder Untergangsszenarien aufwarten können. Und "gerechnet" klingt auch immer seriöser als in Szenarioworkshops erarbeitet. Kann die Zukunft eigentlich vorausgesagt werden? Wirken hier deterministische Regeln und Mechanismen? Gibt es nicht immer mehrere mögliche Entwicklungspfade, und haben Szenarien nicht eher die Rolle, uns für die Ergebnisoffenheit unseres Handelns zu sensibilisieren und die Verantwortung für die Zukunft zu verdeutlichen?

Vielleicht aber haben die Sozialwissenschaften bislang nur zu wenige Daten gehabt, um mal wirklich solide rechnen zu können, und jetzt, mit "BIG DATA, eröffnen sich ganz neue Prognosemöglichkeiten?  

Sonntag, 23. März 2014

Smart Cities

Anfang Dezember letzten Jahres fragte der Economist in seiner Debatte, ob Smart Cities nur ein leerer Hype sind. Knapp sprachen sich etwa 45% der Debattenteilnehmer gegen diese These aus - das ist keine wirklich große Mehrheit. Der Anwalt der kritischen These, Anthony Townsend, kritisierte vor allem technizistische Phantasien einer allumfassenden Lösung. Er setzt eher auf Veränderungen von unten, auf bürgerschaftliche Ansätze, die möglicherweise durch Crowdfinanzierung neue Ressourcen erschließen.

Gleichwohl ist das Thema weiterhin sehr lebendig. Die Technologiestiftung Berlin veröffentlichte gerade eine Studie zur Smart City Berlin, in der sie etwa 40 aktuelle Projekte vorstellt und zugleich eine stärkere Verschränkung und Weiterentwicklung fordert. Fraunhofer hat erst im Februar mit einem Konsortium von eigenen Instituten und Kooperationspartnern aus Industrie und Kommunen die Phase II seines Projekts "Morgenstadt: City Insights" eingeläutet, in dem unter anderem Geschäftsmodelle für die smart cities der Zukunft entwickelt werden sollen.

Der Markt lockt, und nicht nur in Deutschland. Das Thema ist weltweit immer noch heiß diskutiert, und Lösungen für smarte Cities sind natürlich besonders in den Megastädten der Schwellenländer ein lohnendes Geschäft. Auf dem World Economic Forum wurde beispielsweise diskutiert, wie China seine Städte smarter macht. Und in Europa ist Großbritannien ein wichtiges Player in diesem Thema. Mit vielen Projekten akitv ist zum Beispiel NESTA, die sich für 2014 viel vorgenommen haben. Nest verfolgt dabei einen Ansatz, der neben Technologien vor allem auf soziale Innovationen setzt. 

Denn vielleicht brauchen wir keine smart cities, sondern eher smart citizen...

Innovationen in Afrika

Während Chinas Innovationspolitik in aller Munde und auf allen Kanälen präsent ist, haben es andere Weltregionen schwerer. Wer spricht und schreibt schon über Innovationen z.B. in Afrika? Vielleicht liegt das ja auch an unterschiedlichen Innovationsverständnissen. Ein aktueller Blogbeitrag zu diesem Thema zitiert eine Studie der Universität Oxford, die vor allem methodische Zugänge verantwortlich für die anhaltende Unklarheit über Innovationen in Afrika macht und stärker fallstudienbasierte Ansätze fordert. Jeune Afrique hat gerade eine Liste der TOP 10 Innovationen aus Afrika vorgestellt und darauf verwiesen, dass diese oft Bereiche der Landwirtschaft, Energie, Transport oder Gesundheit betreffen. Und die Corporate Financing Beratung U-Start hat gerade die fünf besten Technologie-Startups aus Afrika wählen lassen. Beispiele gibt es also. Und vielleicht liegt die Zukunft ja auch stärker als gedacht in den heutigen Peripherien der Welt. Der Economist hatte in einer seiner Debatten bereits vor einem Jahr gefragt, ob Afrika zu neuer wirtschaftlicher Größe heranwächst. Immerhin 58% der Debattenteilnehmer hielten dies für nicht unwahrscheinlich. Die Wirtschaftswoche fragte sich jetzt, ob auch die entscheidenden Lösungen für die Energiewende womöglich von den Rändern der Welt kommen und stützt seine Argumentation unter anderem auf das Konzept der reversen bzw. frugalen Innovationen.

Die so beschriebenen Ränder der Welt sind in der Tat nicht im Fokus unserer Aufmerksamkeit. In einem aktuellen Blogbeitrag wurde daher folgerichtig eine Datenbank und Webplattform zu Innovationspolitiken in Entwicklungsländern gefordert, wie sie zum Beispiel für die EU mit ERAWATCH vorliege. ERAWATCH sammelt aktuelle Überblicken über die Innovationspolitiken der Mitgliedstaaten, der assoziierten Länder und weiterer Drittstaaten.

Ähnlich geht übrigens die neue Innovation Policy Platform der OECD vor, die darüber hinaus nicht nur nach Ländern, sondern auch nach Instrumenten und Zugängen sortiert einen hervorragenden Überblick bietet und mittelfristig auch die wichtigsten OECD-Statistiken neu zugänglich machen möchte.

Entwicklungsländer sind hier aber natürlich auch nicht eingeschlossen....

Donnerstag, 20. März 2014

China innovativ?

Über China könnte man ja praktisch dauernd schreiben, immer wieder sind neue Nachrichten und Kommentare in Blocks und Websites zu finden, die sich mit Chinas Innovationsleistung und Innovationspotenzial befassen. Gerade hat Philipp Sandner seine neueste Studie "Chinese Champions" vorgestellt, in der er das Patentverhalten chinesischer Firmen untersucht und unter anderem auch zum Ergebnis kommt, dass immer weniger imitiert und immer mehr innoviert wird. Insbesondere die zunehmende internationale Ausrichtung ist ein weiterer Schwerpunkt der Studie. Kritischer schaut der Economist auf Korruption im chinesischen Wissenschaftssystem (ähnlicher Beitrag auch hier). In eine ähnliche Kerbe haut das China Policy Institute Blog mit einem Beitrag "Chinese research and development: more d than r", in dem ebenfalls disfunktionale Elemente des chinesischen Wissenschaftssystems beschrieben werden. Felix Lee vom ZEIT- China-Blog nimmt die wachsende Ungleichheit in China aufs Korn und beschreibt die Versuche der chinesischen Regierung, mit einer neuen Wirtschaftspolitik auch höhere Löhne zu bewirken, als wichtiges Element für ein leistungsfähigeres chinesisches Innovationssystem. Foreign Policy schließlich beschreibt China als neues "Innovation Powerhouse", während eine der zurückliegenden Debatten des Economist im November letzten Jahres mit 33% zu 66% gegen China als "Global Innovation Powerhouse" ausging. In dieser Debatte sah Edward Tse vor allem in den jungen chinesischen Unternehmen starke Innovationsmotoren, während Anne Stevenson-Yang in ihrer Replik vor allem auf die weiterhin starke Rolle des Staates und der staatlichen Unternehmen verwies. Und so geht das vermutlich auch die nächsten Wochen, Monate und Jahre weiter mit den Berichten und Analysen.

Mittwoch, 19. März 2014

Roboter

Was ist eigentlich Roboterjournalismus, fragt Lorenz Matzat in seinem neuen Blog auf Datenjournalist, und schildert dann, wie intelligente Software zunehmend die Arbeit menschlicher Journalisten übernimmt. Ein schönes Beispiel, dass perfekt auf das Szenario von Brynjolfsson und McAfee passt, die in ihrem neuen Buch über das zweite Maschinenzeitalter die Industrialisierung der Wisssensarbeit beschreiben. Die beiden haben schon länger die Blogwelt zu Kommentaren angeregt, zum Beispiel die Ökonomenstimmen mit einer Reflexion über die Zukunft der Schweiz, oder die FAZ mit alternativen Studienergebnissen von Daron Acemoglu und anderen. Grundlage dafür ist natürlich, das Software immer "intelligenter" wird, und der ultimative Beschleuniger wäre wohl, wenn Software selber lernt. Der Economist berichtete kürzlich von einem EU-Projekt, in dem Roboter zu Lernnetzwerken zusammengeschlossen werden sollen. Und dann lernen sie werden gute Journalisten, oder Anwälte, oder Mediziner. Gottseidank muss irgendwer die Dinger dann auch putzen und warten. Es bleibt also auch für uns noch was zu tun.

Samstag, 15. März 2014

Transformation der Städte

Der Tagesspiegel berichtete in dieser Woche von einem "Experiment" des Bezirks Pankow zur Finanzierung neuer Spielplatzgeräte für zwei Spielplätzen: die Anwohner wurden um Spenden für hochwertigere Spielgeräte gebeten, und zwar in zwei unterschiedlichen Kiezen. Während im südlichen Prenzlauer Berg in kurzer Zeit mehr als ausreichend Geld zusammen kam, führte der Aufruf weiter nördlich nur zu eher kümmerlichen Beträgen. Nun ist die Spendenbereitschaft bzw. das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland bekanntlich immer schon weniger ausgeprägt als z.B. in den USA. Die Bundebürger sind  - auch zurecht - der Meinung, das der Staat für viele Leistungen verantwortlich ist und aus dieser Verantwortung auch nicht durch Spenden entlassen werden sollte. Die Diskussionen um die sogenannten "Tafeln" sind ein gutes Beispiel für diese Ambivalenz.

Andererseíts zeigt gerade das Berliner Spielplatzbeispiel, dass Initiativen von unten mit dem Willen zur Veränderung viel erreichen können und auch erhebliche Mittel mobilisieren. Die Anwohner im Prenzlauer Berg hatten das Bedürfnis, ihre Wohnumgebung zu verbessern und dafür auch eigene Mittel zu mobilisieren. Für die Transformationsprozesse unserer Städte, für den Energieumbau und überhaupt für komplexe Innovationsprozesse mit einem hohen partizipativen Anteil sind das wichtige Erfahrungswerte. Im Bereich der erneuerbaren Energien macht man sich schon länger Gedanken, wie man die Menschen vor Ort mitnehmen kann, wie die hohen lokalen Kosten (auch indirekter Art durch zusätzliche Belastungen durch Lärm oder Verbauung) kompensiert werden können. Ein relativ neuer Versuch sind dabei Beteiligungsmodelle, wie z.B.
die Bürgerbeteiligung beim Stromtrassenbau.

Ein weiterer neuer Ansatz liegt in der Nutzung der neuen Median, z.B. durch Crowdfunding für Stadtentwicklung. Gerade kreative Milieus nutzen Crowdfunding ja schon heute, in der Kutlurszene, aber auch für Nachhaltigkeitsprojekte. Der Nutzen liegt nicht nur in der Mobilisierung neuer finanzieller Mittel, er zeigt sich meiner meinung gerade durch die Initiative von Unten und die neuen Ideen, die damit einfließen und erstmals Verwirklichungschancen bekommen. Und Corwdprozesse sind im besten Falle hoch mobilisierend, sie nehmen die Menschen mit und geben ihnen eine Perspektive, real mitzugestalten. Komplexe Innovationsprozesse werden in Zukunft noch viel mehr auch solche Ansätze setzen müssen. Sobald allerdings Technik im Spiele ist, müssen auch die Barrieren bedacht werden, die mit saolchen technologien aifgebaut werden. Das kann und will nicht jeder. Die Pankower Stadtverwaltung arbeitete bei ihrem "Experiment2 übrigens ganz altmodisch mit Zetteln, die aufgehängt wurden...