Donnerstag, 29. August 2013

Singularität



Massive Open Online Courses (MOOCs) sind zurzeit ein herrliches Modethema. Sie werden als gute Ergänzung zum klassischen "analogen" Lehrbetrieb gesehen (zum Beispiel ein Artikel in der ZEIT vom Juni), sie werden als mögliche Bedrohung wahrgnommen (MOOCs bedrohen kleinere US-Unis), oder auch als Geschäftsidee (MOOCs als Gründungsidee für Deutschland). Ganz aktuell wirbt zum beispiel das Hasso-Plattner Institut für sein Online-Angebot (Großer Erfolg des Hasso-Plattner Instituts). Aber eigentlich spielen sie noch keine Rolle.

Grundidee der MOOCs ist es, digitale Medien zu nutzen, um eine möglichst breite Onlinegemeinde an Lerneneden mit seinem Lehrangebot zu beglücken. Damit eröffenn sich ganz neue Gelegenheiten für Lernende, an sehr renomierten Hochschulen Kurse zu besuchen und Abschluss zu machen. Und für die Universitäten gibt es - so die Beführworter - die schöne Hoffnung, viel zusätzliches Geld zu machen.

Irgendjemand muss die ganzen Abschlüsse allerdings auch abnehmen, muss die Klausuren bewerten und die Aufsätze lesen. Mit automatisierten Multiple-Choice Test kommt man da - insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften - nicht immer weiter. Bei der sehr großen Zahl an Teilnehmern ist die individuelle Bewertung eine echte Herausforderung. In den USA, dem Mutterland der MOOCs, wird nun die automatische Benotung von Aufsätzen durch ein Computersystem ausprobiert, wie in einem aktuellen Beitrag des Deutschlandfunk beschrieben wird. Dabei ist das Vorgehen zweigleisig. Zum einen benoten sich die Lernenden als "Crowd" gegenseitig, zum anderen bewertet ein Computeralgorythmus und gleicht seine Note mit derjenigen der menschlichen Bewerter ab. Noch ist dieses System relativ "dumm", es lernt aber von der Crowd. Im Artikel wird aber auch gleich deutlich gemacht, dass sich Nutzer und Kommentatoren durchaus die Frage stellen, wie sie das System am besten betrügen können. Je länger der Aufsatz, je mehr Zitate, desto besser werden die Noten...

Lernprozesse im Anwendungsfeld Bildung sind für IKT-basierte Systeme keine Seltenheit mehr. Gerade bei Sprachtechnologie kommen Crowd-basierte Ansätze zu Einsatz, wie zum Beispiel ein Artikel zu Duolingo in BRAND EINS zeigt. Textcorpora wurden in der Sprachtechnologie schon lange genutzt, Systemlernen ebenfalls, wenn z.B. Spracherkennung vom Nutzer trainiert und so die Erkenngenauigkeit verbessert wurde. Auch bei Suchmaschienen spielen "lernende" Systeme eine immer größere Rolle, wenn zum Beispiel Suchallgorythmus unsere Vorlieben kennen lernen (über die Vor- und Nachteile habe ich bereits früher gebloggt).

Interessant wird diese Entwicklung, wenn man die lernenden Systeme weiter denkt und das Konzept der MOOCs und der "automatischen" Benotung auf die Spitze treibt. Irgendwann sind die Systeme so schlau, dass man Menschen (außer als Lernende, als Kursteilnehmer) kaum noch braucht. Wenn Menschen die künstliche Intelligenz nicht mehr betrügen können, dann ist vielleicht der Moment der Singularität gekommen. Das wäre so etwas wie ein umgekehrter Turing-Test. Dazu passt eine Meldung aus Japan, in der ein alternativer Turing Test (der sogenannte Tokyo-Test) KI-Systeme in Aufnahmeprüfungen einer berümten japanischen Universität schicken. Sollten sie diesen bestehen, wären sie wirklich intelligent. Sollten sie diesen Test kontrollieren, wären sie es womöglich auch. oder ist da möglicherweise gar kein Unterschied?

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