Zurzeit regnet es wieder Zahlen zur deutschen
Gründungskultur und zur Gründungshäufigkeit (siehe hier und hier). Es scheint sich zu bestätigen, was
niemand wirklich wahrhaben möchte. Die Gründungsneigung, gerade für
technologieorientierte Gründungen, ist in Deutschland weiter rückläufig. Und
das, obwohl die Gründungsstimmung doch so gut ist. Berlin als international
wahrgenommener Gründungsstandort, die Politik voller neuer Ideen und Gelder,
und sogar das Privatfernsehen macht mit seinen Gründungsshows mit. Und trotzdem
wird nicht mehr, sondern weniger gegründet.
Die Erklärungsversuche wirken auf mich auch etwas hilflos.
Die gute Konjunktur sei schuld, die guten Leute würden von der Uni lieber direkt
in die etablierten Unternehmen gehen, die sehr attraktive Bedingungen böten.
Aber eine gute Konjunktur sollte doch eigentlich Normalzustand sein, die
Notgründer sind doch nicht wirklich die Klientel, auf die man hierzulande als
potenzielle schielt. Es sind doch die
Leute mit den tollen Ideen, die wir als Gründer wollen.
Zweiter Erklärungsversuch: der demographische Wandel. Auch
das finde ich kein echtes Argument. Denn auch daran wird sich nicht wirklich
was ändern- Auch wenn Gründerinnen und Gründer aus anderen Ländern in größerer
Zahl nach Deutschland kommen, werden sie diesen Rückgang nicht kompensieren.
Dritter Erklärungsversuch: zu wenig Geld. Das stimmt zum Teil
sicher, aber die interessanten deutschen Gründer finden zunehmend auch ihr Geld
in den USA.
Vierter Erklärungsversuch: Fachkräfte. Hier schreibt derTagesspiegel heute ganz schön von einer möglichen Wahrnehmungsverzerrung der in
der Regel noch sehr kleinen Gründer, die sich häufig auf ihr persönliches
Umfeld verlassen und die potenziellen Engpässe bei einem weiteren
Wachstumsprozess eher überschätzen.
Ich habe die Vermutung, dass wir einer Lebenslüge aufsitzen
und dass die Gründungszahlen absehbar nicht so hoch werden, wie sie es während
der Dotcom-Blase oder im Nachgang zur deutschen Einheit waren. Ein
langfristiger, rückläufiger Trend scheint hier durchzuschlagen, der nicht nur für Deutschland
relevant ist, sondern z.B. auch für die USA.
Ich habe auch den Verdacht, dass geringe oder gar
rückläufige Gründungszahlen kein Defizitmerkmal sind, sondern im Gegenteil ein
Indikator dafür, dass unser Innovationssystem auf anderen Stärken aufbaut. Und
das sind eher die anpassungsfähigen etablierten Unternehmen, die sich von
jungen Unternehmen nicht so einfach vom Markt drängen lassen. In diesem Fall
müssten wir uns allerding besonders Sorgen machen, weil zumindest der
Mittelstand nicht mehr wirklich die „Innovationsrakete“ von früher darstellt.
Und wo Großunternehmen und große Mittelständler durch eine verstärkte
Zusammenarbeit mit Startups frischen Wind und Innovationen noch in ihre
Konzerne bringen, verhalten sich kleinere Mittelständler immer noch viel zu
zaghaft.
In diese Richtung haben wir vergangene Woche auf einem Workshop des
BMWi diskutiert, bei dem es um eine bessere und intensivere Zusammenarbeit zwischen Jungen Unternehmen auf dem Wachstumspfad und etablierten Mittelständlern ging. Ziel: Junge fördern und Innovationen schneller bei den etablierten Unternehmen zur Anwendung bringen, z.B. um diese fitt für den Umstieg auf Industrie 4.0 zu machen.
Und in diese Richtung geht auch ein weiterer ganz aktueller Artikel desTagesspiegels. Der berichtet zwar eigentlich über Berlin als Startup-Metropole
im internationalen Vergleich, nennt aber dann auch eine noch ausbaufähige Zusammenarbeit
zwischen etablierten Mittelständlern und Gründern als Schwäche der deutschen
Hauptstadt.
Und natürlich ist eine Förderung von Gründern weiter notwendig, weil sie eben die Hefe für den Innovationsteig in Deutschland sein können. Und es scheint auch so, als wenn die Politik das kapiert hat und einen nicht schlechten Job macht. Nur beim Matching von Mittelstand und Jungunternehmen fehlt mir noch das richtige Instrument. Von alleine scheint sich das im Moment nicht zu regeln.
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