Freitag, 8. September 2017

Gesichtserkennung

Nächste Woche wird das neue iPhone vorgestellt, und eines der wenigen richtig neuen Feature, die dieses neue iPhone haben wird und die sich nicht schon in  Android-Handys finden, ist eine Gesichtserkennung. Der Homebutton fällt weg, und entsperrt wird über eben diese Gesichtserkennung. Außerdem soll man auch bezahlen können mit dieser neuen Gesichtserkennung.

Vielleicht ist es ein Zufall, aber im Moment sind die Medien voll mit Artikeln zu den Potenzialen und Risiken der Gesichtserkennung. Der neue Economist widmet dem Thema nicht nur eines seiner Editorials, sondern auch drei weitere Artikel.

In einem der Artikel geht es um eine Studie, in der ein Algorithmus die sexuelle Orientierung eines Menschen aufgrund der Analyse seines Gesichts mit größerer Treffsicherheit vorgenommen hat, als ein Mensch dies tun könnte. Ein weiterer Artikel beschreibt ein Verfahren, nachdem aufgrund einer DNA-Analyse Gesichtszüge rekonstruiert werden (anderere Artikel bestreiten übrigens, dass das möglich ist). Und der dritte fast übergreifen zusammen, wo Gesichtserkennung heute schon eingesetzt wird und was uns in Zukunft noch so alles blüht. Ein Startup aus den USA z.b. bietet einen Dienst an, indem Gesichter auf Merkmale für Krankheiten analysiert werden. Dieser Dienst soll Ärzten zur Verfügung stehen, aber wer weiß, wer das dann sonst noch nutzen möchte.

Für den Economist ist das alles eine technische Revolution mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen, er spricht von einem facial-industrial complex. Insbesondere China sei schon deutlich weiter in der kommerziellen Nutzung als westliche Länder. Und auch der chinesische Staat nutzt weidlich die Möglichkeiten, die Gesichtserkennung bietet, natürlich auch zu Überwachungs- und Kontrollzwecken. Aber dazu hatte ich schon in einem anderen Blogbeitrag berichtet. Eine israelische Firma hat sogar eine Software entwickelt, mit der man seine Fotos so leicht verändern kann, dass sie in der Datenbank eines Gesichtserkennungs-Algorithmus nichts mehr wert sind.

Die Firma Unilever, so schreibt ein Artikel der französischen Zeitschrift Usbek & Rika, nutzt neuerdings zumindest experimentell in ihrem Einstellungsprozess eine Software zur Gesichtserkennung, die die Motivation und den Enthusiasmus der Beweber misst und nur diejenigen Kandidaten in die nächste Runde entlässt, die hier ausreichend überzeugen.

Der Wissenschaftler hinter der Studie zur Identifizierung sexuelle Orientierung durch Gesichtserkennung ist übrigens Michal Kosinski, der kürzlich auch in einem langen Feature des Deutschlandfunk im Mittelpunkt stand. Dort allerdings nur am Rande mit seiner Studie zur Gesichtserkennung, hier ist er vielmehr der, der im Winter für Aufsehen sorgte, als er die Wahl Donald Trumps auf seinen Algorithmus zurück führte. Wie erinnern uns, die Firma Cambridge Analytics unterstütze den Wahlkampf Donald Trump mit einem System, dass angeblich gezielte Ansprache von potenziellen Wählern erlaubt, von denen vorher eine Art Psychogramm erstellt wurde.

Der Beitrag des Deutschlandfunks beschäftigt sich allerdings übergreifend mit der Frage, ob Psychogramme auf der Grundlage von Daten erstellt werden kann, die wir im Internet über unser dortiges Kommunikationsverhalten oder auch über ein Bild unseres Gesichts preisgeben. Der Autor ist hier zwar deutlich skeptisch, die Beispiele, die im Beitrag genannt werden, sind aber zum Teil schon frappierend. Kann unsere Facebook-Kommunikation Auskunft darüber geben, ob wir zu Depressionen neigen und suizidgefährdet sind? Können Arbeitgeber aus der Kommunikation ihrer Mitarbeiter Schlüsse über Motivation und Engagement ziehen? Ist Privatsphäre überhaupt noch möglich, wenn alle Signale, die wir irgendwie im Rahmen von Kommunikation oder einfach nur unsere Anwesenheit weitergeben, entsprechend intelligent ausgewertet werden können?

Das Beispiel von Cambridge Analytics zeigt, dass hier noch viel Eigenwerbung mit dem Spiel und die Fähigkeiten der meisten Algorithmen doch sehr beschränkt sind. Eine hohe Fehlerquote könnte Anlass zur Beruhigung sein, vielleicht aber auch eher besonders beunruhigen, weil das ganze genutzt wird, aber nicht einmal gut funktioniert.

Ganz im Sinne von Jaron Lanier, der sagte, was ihn besonders beunruhigt, sind nicht kluge Maschinen, sondern dumme Maschinen zusammen mit dummen Menschen.

Und was die Gesichtserkennung angeht, so klingen die Verheißungen schon ein wenig magisch. Die Persönlichkeit, künftige Krankheiten und sogar alle Informationen, die das Netz je über einen gespeichert hat, werden so zugänglich. Das Gesicht als Schlüssel zur Person. Immerhin ist es nicht die Kopfform, wie die Phrenologie früher behauptete. Das würde ja auch arg und schöne Assoziationen und Erinnerungen an dunkle Zeiten wecken.

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