Samstag, 10. März 2018

Künstliche Intelligenz, Zauberlehrling und Büchse der Pandora

Wer in den vergangenen Jahren von den Gefahren der künstlichen Intelligenz die Rede war, verengte sich die Diskussion in der Regel schnell auf das Thema Superintelligenz, ein Begriff, den Nick Bostrom geprägt hat. Dieser wiederum ließ sich vom Fermi-Paradox anregen, der Beobachtung des Physikers Fermi aus den 50er Jahren, dass es bislang keinen Kontakt zu einer außerirdischen Intelligenz gegeben habe, was angesichts der unermesslichen Zahl an Sternen, Planeten und damit auch möglichen Zivilisationen doch recht erstaunlich ist. Die These von Bostrum war nun, das vielleicht das Zeitfenster des Überlebens für jede dieser galaktischen Zivilisationen zu kurz sei, um den Kontakt mit anderen Zivilisationen weit draußen im Weltall zu suchen. Sie würden schlecht zu schnell zugrunde gehen. Die Frage war nun, warum dies so sei, und hier führte Bostrom sein Idee von der sich immer schneller entwickelnden künstlichen Intelligenz, die nach dem Zeitpunkt der Singularität die Intelligenz der Menschen überflügele, ein. Diese künstliche Intelligenz würde auf kurz oder lang die menschlichen oder andersartig natürlich gewachsene Zivilisationen beenden. Die Menschheit wäre also nicht besser als Goethes Zauberlehrling, der die Geister die er rief, nicht mehr beherrschen kann.

Irgendwie scheint diese Obsession von der allmächtigen künstlichen Intelligenz auch quasi-religiöse Züge zu tragen. In diesem Sinne ist es nicht weiter verwunderlich, das erste Kirchen zur Anbetung einer künstlichen Intelligenz ins Leben gerufen wurden. Da schüttelt man den Kopf und fragt sich, ist das nur geniale Satire oder ist das wirklich wahr.
Es gibt auch andere interessante Hypothesen dazu, wie man Fermis Paradox auflösen kann. Eine ist gerade besonders schön in Szene gesetzt worden von dem chinesischen Science Fiction Autor Cixin Liu, der mit den drei Sonnen einen echten weltweiten Erfolg gelandet hat. Wer die Trilogie noch nicht kennt, dem kann ich nur die Hörspielfassung des ersten Bandes empfehlen, der zweite Band ist jetzt gerade auf Deutsch erschienen. Ich habe ihn zwar noch nicht zu Ende gelesen, den Rezensionen aber entnommen, dass die Antwort von auf das Paradox folgende ist: jede Zivilisation strebt ab einem gewissen Reifegrad nach Expansion, besiedelt das All und versucht, alle rivalisierenden Zivilisationen auszulöschen. Weil aber dieses Verhalten auch von den anderen Zivilisationen antizipiert wird, versucht jede Zivilisation, zunächst ganz unscheinbar und unsichtbar für andere, potenziell gefährliche und bedrohliche Zivilisationen zu sein. Wir sehen also nichts von den anderen, weil sich jeder versteckt. Und zwar auch aus Angst vor uns, auch wenn wir bisher noch lieb und brav und nicht in der Lage sind, fremde Welten zu bereisen und neues Leben zu entdecken.
Das aber nur am Rande. Eigentlich wollte ich heute ja über künstliche Intelligenz und die Fantasie hin, die sie auslöst, schreiben. Soviel also zum Zauberlehrling-Syndrom.
Einen anderen Aspekt nach kürzlich Ende Februar eine Studie ins Visier, die sich vor allen Dingen mit dem Missbrauch künstlicher Intelligenz beschäftigt. Was ist, wenn Verbrecher, Schurkenstaaten oder Durchgeknallte sich der mächtigen Werkzeug der künstlichen Intelligenz zu ihren fiesen Zielen bedienen? Wer öffnet sozusagen die Büchse der Pandora? Sind es die großen Internetkonzerne, die seit einiger Zeit den Zugang zu künstlicher Intelligenz per Open Source bereitstellen? Ist der Skandal um DeepFake, der Anfang des Jahres die Leserinnen und Leser weltweit erschreckte oder amüsierte, erst der Anfang? Wenn mit Rückgriff auf ein Tool von Google beliebige Personen in beliebige Videos einfach rein geschnitten werden, ohne dass man noch unterscheiden kann, ob das jetzt wahr oder gefälscht ist. In der griechischen Ursprungsfassung gehört Pandora und ihre Büchse zur Strafe dafür, das Prometheus für die Menschen das göttliche Feuer stahl. Die Götter wollten nicht, dass die Menschen gottgleich werden, und was ist es anderes, als wenn der Mensch neues, künstliches Bewusstsein, neue künstliche Intelligenz schafft?
Eine letzte Metapher  sieht künstliche Intelligenz als ultimative Waffe im Wettrüsten der Supermächte. Sieht man nicht heute schon, dass die Manipulation der öffentlichen Meinungsbildung durch geschickte Fälschungen, durch die Nutzung intelligente Algorithmen im internationalen Kräftemessen gebraucht wird? Sind es nicht die autonomen Superwaffen der Zukunft, die durch künstliche Intelligenz aufgerüstet die Kriege der nächsten Jahrzehnte bestimmen werden? In diesem Sinne werden die erheblichen Investitionen Chinas in die Erforschung künstliche Intelligenz unter der Perspektive des internationalen Sicherheits Gleichgewichts gesehen. In den Vereinigten Staaten läuft eine intensive Diskussion darüber, ob verstärkte Forschung im Bereich künstliche Intelligenz nicht geradezu ein strategischer Imperativ ist. In diesem Sinne ist dann KI immer dual-use, nicht nur für zivile, sondern auch für militärische Zwecke interessant und potenziell geheimzuhalten.

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