Samstag, 2. Februar 2019

Innovation Winter

Der Winter ist gekommen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, die in den letzten Tagen von arktischer Kälte geplagt waren. Passend zur Jahreszeit und auch zur Trend-Vorausschau-Sai dieses Jahresanfangs macht im Moment allerdings auch ein anderer Winter von sich reden. Der Winter der Innovationen. Ich bin vor ein paar Tagen zufällig über dieses Konzept gestolpert, ein Kollege hatte einen Trendbericht der Asian Productivity Organization weitergeleitet (Danke, Ernst!). Darin wird das Konzept des Global Innovation Winter vorgestellt, einem globalen Trend zurückgehender Innovationen, die insbesondere durch protektionistische Tendenzen, Sicherheitsbedenken, den technologieorientierten Handelskrieg zwischen den USA und China sowie durch stärkere Regulierungen und Datenschutz ausgelöst werde und globalen Austausch und gemeinsame Innovationsprozesse behindere. Da Innovationen wichtig für Produktivitätswachstum und Wohlstand seien, gebe dieser Trend Anlass zu ernster Besorgnis.

Das Konzept des Winters der Innovationen stammt von Ian Bremmer, einem amerikanischen Politikwissenschaftler und Berater für Risikoanalysen. Er beschrieb den Globalen Winter der Innovationen in seiner Risikovorausschau für 2019. Bremmer hat ein gutes Händchen für einen sexy Begriff bewiesen. Winter der Innovationen, da muss man gleich an "Winter is coming" aus Game of Thrones denken. Dramatische Szenen, das Ende der Welt ist nahe.

Aber ob verstärkte Datenschutzregeln und mehr Sensibilität für Sicherheitsfragen tatsächlich innovationsbremsen oder vielleicht doch eher Innovationstreiber sind, da habe ich eine andere Meinung als Bremmer. Es gibt z.B. durchaus relevante Stimmen, die die europäische Datenschutzgrundverordnung eher als Vorteil für Innovationen sehen. Auch der aktuelle Konflikt zwischen den USA und China um technologische Vorherrschaft in wichtigen Anwendungsfeldern kann als Intensivierung eines Wettbewerbs gesehen werden, der die Akteure hier zu mehr Innovationen antreibt. Zumindest ist er eher Ausdruck einer wachsenden Innovationsstärke Chinas, der die USA nun mit handelspolitischen Mitteln beikommen möchte.

Recht hat Bremmer natürlich mit der grundsätzlichen Annahme, dass Offenheit, Kooperation und Austausch über nationale Grenzen hinweg Innovationen begünstigen. Nicht umsonst hat der im Dezember erschienene Innovationsindikator von ZEW und Fraunhofer ISI dieses Jahr einen eigenen Schwerpunkt auf die Offenheit von innovationssystemen gelegt. schaut man sich diesen Indikator an, so willigt Deutschland erstens nur im Mittelfeld und hat zweitens auch noch im Vergleich zu 2007 an Offenheit eingebüßt, dies gilt auch für andere wichtige Länder wie die USA oder China. Allerdings zählen die Autoren des Innovationsindikators eine ganze Reihe von aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung auf, die tendenziell eher zu einer weiteren Öffnung des Wissenschafts- und innovationssystems beitragen.

Auf europäischer Ebene könnte der brexit zu einer Verminderung der Offenheit führen, schließlich ist Großbritannien einer der wichtigsten Akteure der europäischen Forschung im Rahmen von Horizon 2020. die Zusammenarbeit mit britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird durch den Brexit auf jeden Fall nicht einfacher. Deutsche Forschungspolitikern sind hier hinreichend besorgt.

Der Global Risk Report des World Economic Forum 2019 übrigens sieht auch durchaus Trends für eine Schließung, z.B. in Hinblick auf ausländische Direktinvestitionen. Hier schlagen technologische und strategische Rivalitäten insbesondere zwischen China und den westlichen Industriestaaten voll durch. Einen globalen Winter der Innovationen kennt der Risikobericht allerdings nicht.

Der größere Kontext dieser Diskussion ist sicher auch das, was der Economist diese Woche mit Slowbalisation umschrieb: Eine deutliche Abschwächung der Globalisierung.

Bleibt zu hoffen, das auf den Winter wieder ein neuer Frühling folgt; meteorologisch und innovationspolitisch.




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