Samstag, 26. März 2016

Microsofts Frankenstein-Chatbot oder von de Verführung durch eine schlechte Welt

Ziemlich genau 200 Jahre ist es her, dass Mary Shelley in einem romantisch, kalten Sommer am Genfer See Frankensteins Monster schuf. Der Stoff ist zig-mal mal verfilmt worden, und meist war die Pointe, dass das Monster ursprünglich nur ein wehrloses, hilfloses, kindhaftes Wesen war, das erst durch die Erfahrung mit den grausamen Menschen selbst zum Monster wurde.


Nun hat dieses Schicksal ein anderes Wesen ereilt, Microsofts Chatbot. Tay war ein lernendes Programm, das über den Dialog mit seiner Umwelt neues Wissen aufnehmen und in neue Dialoge einspeisen sollte. Was da über kurze Zeit bei raus kam, war für Microsoft so schrecklich, dass das Programm erst einmal in einen künstlichen Schlaf versetzt wurde.

Der NewYorker schreibt: "I've seen the greatest A.I. mind of my time destroyed by Twitter". Die Zeit meint: "Twitter Nutzer machen Chatbot zur Rassistin. "

Tja,  wie fies Menschen zu Maschinen sein können haben wir ja erst kürzlich sehen können:


Sonntag, 13. März 2016

Daten für die Innovationsforschung

Im Februar war ich in Brüssel, zu einer sogenannten mutual learning exercise. Das ist ein neues Austauschformat der Europäischen Kommission, bei dem sich Mitgliedstaaten treffen, um sich über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung ihrer nationalen Innovationspolitiken auszutauschen. Es gibt zur Zeit mindestens drei parallel laufende exercises zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten, ich war bei einem Auftaktworkshop zum Thema impact assessment. Die Idee ist ausserdem, dass nicht alle Mitgliedstaaten mitmachen müssen, sondern nur diejenigen, die Interesse am Thema haben. In unserem Fall war das eine Kerngruppe von fünf Mitgliedstaaten und einige Beobachter, auch assoziierte Mitgliedstaaten sind zugelassen.
Mit zur Kerngruppe gehören in unserem Fall drei skandinavische Länder, die beim impact assessment wirklich weit voran sind, und von denen Deutschland einiges lernen kann. Ein Grund dafür ist die hervorragende Datenbasis. Dänemark zum Beispiel hatten Unternehmensregister, aus dem man lange Zeitreihen ziehen kann, um die Beteiligung einzelner Unternehmen an Fördermaßnahmen und ihre Wirkung zu untersuchen.
Deutschland steht hier traditionel schlechter da, entsprechende Statistiken gibt es kaum und nicht einmal die Teilnahme an Förderprogrammen wird systematisch zusammengeführt erfasst.
Diese Situation könnte sich noch einmal verschlechtern, gerade habe ich über einen amerikanischen Blogeinträge von der Novellierung des Bundesstatistikgesetzes gelesen, die eine Speicherung von Firmendaten erheblich einschränken wird. Eine Diskussion gibt es in Deutschland zurzeit praktisch nicht dazu, nur einen offenen Brief der deutschen Volkswirte und einen kritischen Kommentar der Baden-Würtembergischen grünen Wissenschaftsministerin Theresa Bauer.
Dann arbeiten wir halt demnächst mit dänischen Daten.

Sonntag, 6. März 2016

digitale Philantrophen

Ich hatte bereits in einem früheren Blogbeitrag über den amerikanischen Wahlkampf und das Verhältnis der Kandidaten zur neuen Technologie-Geldaristokratie berichtet. Während die alte Plutokratie der USA noch recht unverblümt eigene Kandidaten protegiert und damit das politische System direkt beeinflussen möchte (siehe hier einen Hintergrund des Deutschlandfunk), sind die neuen "Techno-Aristokraten" aus Silicon Valley etc. weniger direkt politisch aktiv. Ihr Instrument der Einflussnahme sind Stiftungen, die global Krankheiten bekämpfen oder den Klimawandel eindämmen wollen. Dieser Beitrag von Boston Consulting zeigt schön, wie anders die neuen Philanthropen vorgehen, im Vergleich zu den Milliardären und Spendern des 20 Jahrhunderts. Sie sind radikaler, sie operieren mit den Steuerungsinstrumenten von Startups, sie messen den Erfolg und richten ihre Strategie danach aus.  sie verschieben aber auch das Kräftegleichgewicht, global relevante Entscheidungen und Einflussnahmen werden nicht mehr von demokratisch legitimierten Institutionen getroffen, sondern von privaten Interessen beeinflusst. Und ob die neuen Stiftungen tatsächlich erfolgreicher sind, wird erst die Zeit zeigen.

An anderer Stelle versuchen die digitalen Philantrophen, durch neue Wissenschaftspreise Einfluss zu nehmen und natürlich ihren eigenen Glanz noch heller strahlen zu lassen. Dieser Artikel des New Yorker zeigt schön, wie die Preisstifter dabei scheitern können.

Bei einigen Studien zum Innovationssystem, die zur Zeit in den USA erscheinen, habe ich auch den Verdacht, dass sie zumindest beeinflusst sind durch die Themen des Wahlkampfs. Dies gilt zum Beispiel für diese Studie von ITIF, die demografische Indikatoren des amerikanischen Innovationssystems untersucht und zeigt, wie stark Einwanderer für seine Stärken verantwortlich sind. Angesichts einer Diskussion um Schließung der Grenzen und "America first" sicher ein Teil der Wahlkampfdebatte.

Parallel zum amerikanischen Vorwahlkampf tagt auf der anderen Seite des Globus im Moment übrigens auch der chinesische Nationale Volkskongress. Trotz der Diktatur der Partei hat sich in China so etwas wie ein Kapitalismus entwickelt, der ebenfalls zu großem Reichtum einiger weniger Technologieunternehmer geführt hat. Und auch diese Unternehmer versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen, so schreibt zumindest dieser Artikel in der digitalen Zeit. Anzunehmen ist allerdings, dass der Einfluss der Politik auf die Unternehmen in China deutlich größer ist als in die andere Richtung, wie wäre es für die USA vermuten können.

digitale Produktivität

Beim Thema digitale Revolution ist zurzeit ein interessantes Paradox in der Diskussion zu beobachten. Einerseits wird mit der Digitalisierung aller Wirtschaft und Gesellschaft Bereiche große Hoffnung verbunden. Wachstumsszenario gibt es aktuell für ganz Deutschland oder zum Beispiel auch für Berlin.
Andererseits wird in den Wirtschaftswissenschaften schon länger das Paradox beobachtet, dass sich die Wachstumseffekte der Digitalisierung in den amtlichen Statistiken nur schwer ablesen lassen. Dies hat zu einigen Vermutung darüber geführt, ob entweder die Digitalisierung doch kein so wichtiger Wachstumstreiber ist wie zunächst gedacht, oder ob es einfach ein wenig länger dauert bis die Effekte auch in der ganzen Wirtschaft sichtbar werden.
Aktuelle Artikel bringen noch einen dritten Aspekt in die Debatte ein. Möglicherweise sind Wachstumseffekte der digitalen Wirtschaft mit den klassischen Instrumenten der volkswirtschaftlichen Rechnung gar nicht so leicht zu messen. Möglicherweise entstehen Güter, die nicht in Euro und Cent übersetzt werden können und nicht in die Berechnung mit einfließen. Dies war wohl auch ein Thema, das auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos diskutiert wurde. Vielleicht hat das Bruttoinlandsproduktes als zentrale Maßzahl ja auch ausgedient.
Ein bisschen bleibt natürlich trotzdem der Eindruck, wir rechnen uns das Leben schön, wenn uns die Daten nicht gefallen. Macht uns die schöne neue digitale Welt nicht reicher, sind wir einfach zu undankbar und messen dem unbegrenzten Zugang zum Wissen der Welt nicht den nötigen Mehrwert bei. Hat nicht jede erfolgreiche Google Anfrage irgendwie doch auch ihren eigenen Wert? Müsste man nicht jedes gratis YouTube Video auch als Geschenk sehen?
Für Deutschland gilt sicher auch, dass die digitale Transformation noch nicht wirklich überall angekommen ist. In diesem Sinne sagt auch die Expertenkommission für Forschung und Innovation, die in der letzten Woche ihr neues Jahresgutachten vorgestellt hat, dass die Umsetzung der digitale Agenda noch zu zögerlich erfolgt.
Und jenseits der Frage, ob die gesamten Volkswirtschaft in nennenswertem Maße von der Digitalisierung profitieren, ist die Frage der Verteilung dieser digitalen Dividende auch noch nicht geklärt. Führt die Digitalisierung zu einem größeren Ungleichheit, wirkt sich dies möglicherweise auch regional aus?
In diesem Sinne sind die Wachstumsszenarien für Berlin, das sich als digitale Start-Up-Metropole Deutschland sieht, vielleicht dann doch nicht so unrealistisch.

P.S. hier kam aktuell noch ein Blogbeitrag von Tyler Cowen rein derauch ziemlich skeptisch hinsichtlich einer reinen Rechenproblematik ist...

Samstag, 5. März 2016

Kein Nachfolger für Amazon?

Bald eröffnet wieder die CeBIT. Neben vielem Technik-Schnickschnack wird es dort auch wieder Stände geben, die zeigen, wie Innovationen in Deutschland gefördert werden. Unter anderem wird sich auf der CeBIT der neue Gründerwettbewerb des BMWi vorstellen, der Gründerwettbewerb digitale Innovationen. Einen solchen Gründerwettbewerb gibt es jetzt seit etwa 18 Jahren, und von Anfang an wird er mit eine Wirkungsforschung begleitet.
Wie viel sich in 18 Jahren ändern kann, zeigt eine neue Studie aus den USA, die mir gestern über den Bildschirm geflattert ist. In der Studie geht es zum Beispiel darum, ob die Strategie, in der Breite Startups befördern, um angesichts einer ungewissen Trefferquote möglichst auch den neuen Superstar, den späteren Amazon, Google oder Facebook im Portfolio zu haben, eine vernünftige Strategie ist. Tatsächlich zeigen ja viele Untersuchungen, dass es auf die wenigen hi-flyer ankommt die Unternehmen, die schnell wachsen und dann auch viele Arbeitsplätze bringen. Der Rest ist eher nice-to-have, es sind die Unternehmen, deren Gründer von Anfang an nicht vorhatten, wirklich schnell und immer schneller zu wachsen, sondern die sich damit begnügen, ihre Geschäftsidee erfolgreich umgesetzt zu haben und mit ein paar Mitarbeiter weiter zu entwickeln.
Für viele positive Effekte, die mit Gründern verbunden werden, ist das auch vollkommen ausreichen. Neue Innovationen schaffen es auf den Markt, Branchen werden durch junge Akteure durcheinandergewirbelt, kreative Zerstörung findet statt. Aber die großen volkswirtschaftlichen Effekte lassen sich mit diesen kleinen, jungen Unternehmen natürlich nicht erreichen, daher sind insbesondere die staatlichen Gründungsvertrag sehr auf die "Gazellen" aus.
Unsere Analysen der deutschen Szene, die wir auch regelmäßig in unserem Trendbarometer veröffentlichen, zeigen, dass auch in Deutschland das ganz schnelle Wachstum für die meisten Gründerinnen und Gründer nicht erste Priorität hat. Aber auch die andere Art von Gründungen gibt es natürlich.
Die eben erwähnte amerikanische Studie zeigt nun, dass der Anteil der schnellwachsenden junge Unternehmen in den USA kontinuierlich zurückgegangen ist. Spätestens seit dem Platzen der Dotcom-Blase werden solche Unternehmen immer seltener. Die Autoren folgen daraus, dass es Unternehmen wie Amazon oder Google heute deutlich schwerer hätten.
Auch das amerikanische Innovationssystem, für Deutschland in Hinblick auf Gründungen immer das große Vorbild, hat also ähnliche Probleme wie hierzulande. Nur ist das möglicherweise dort viel gravierender, weil dieses System voll auf stetige Erneuerung durch Gründungen ausgelegt ist, während Deutschland mit seinem traditionellen innovativen Firmen stärker auf Erneuerung derselben zielt.

Sonntag, 7. Februar 2016

Startup-Alarm

Vor ein paar Tagen übertrumpfte Alphabet, die Firma, die einst Google hieß, zum ersten Mal für kurze Zeit Apple als wertvollste Firma der Welt. Zeitungskommentare wunderten sich ein wenig, dass eine Firma, die nichts Materielles produziert, im Gegensatz zu Apples Handys, Tablets und SmartWatchs, tatsächlich diesen Spitzenplatz erreichen kann. Das Wunder der digitalen Ökonomie... Dabei ist Google mittlerweile mehr als die Suchmaschine: Eine Firma, die autonome Autos entwickelt, die Roboterfirmen kauft, und vieles mehr.
Derade diese Angewohnheit, junge Firmen, aufstrebendes Startups zu kaufen, um sein Geschäftsfeld zu erweitern, um mit den Milliarden, die den Großkonzern zur Verfügung stehen, Entwicklungen zu beschleunigen, macht den deutschen Behörden scheinbar Angst.
Anders ist es nicht zu erklären, dass die Bundesregierung jetzt im Jahreswirtschaftsbericht angekündigt, das Kartellrecht so zu ändern, dass auch junge Firmen, die noch scheinbar ohne wert sind, nur aufgrund ihres zukünftigen Potenzials kontrolliert werden. Man möchte verhindern, dass sogenannte Plattform Firmen, also Google Apple und Co, marktbeherrschende Stellung erreichen, indem sie neue Geschäftsfelder durch diesen Aufkauf schnell für sich entscheiden. Damit die großen Internetkonzerne sich also nicht zusammen kaufen, was sie aus der Portokasse bezahlen können.
Die Kritik der deutschen Startup-Szene war abzusehen. Hier werde ein sowieso sehr schwacher Markt systematisch kaputt gemacht. Ohne Exit-Option wäre es noch schwerer für deutsche Firmen, an Wachstumskapital zu gelangen. Stattdessen sollte sich die Politik lieber bemühen, ihre Hausaufgaben zu machen, und den Startups ein einigermaßen attraktives Umfeld zum Wachsen und Gedeihen zu schaffen.
Die Intention der Bundesregierung ist schon zu verstehen. Es gedeihen nur sehr wenige, kleine, zarte Pflänzchen auf dem deutschen Startup-Acker. Die würde man doch eigentlich gerne zu deutschen Internetgrößen weiterentwickeln, als Gazellen hegen und pflegen. Und wenn sie dann weggekauft werden von den amerikanischen Internet-Giganten, was bleibt dann für Deutschland? Die traditionellen Mittelständler, die sogenannten hidden champions, die aber möglicherweise die Digitalisierung verschlafen?
Solange aber die Bedingungen für ein schnelles Wachstum in Deutschland nicht gegeben sind, bleibt den meisten deutschen Startups nur die Hoffnung, den Exit über den Aufkauf durch die Großen zu realisieren. In diesem Sinne werden tatsächlich letzte Optionen abgebaut durch diese neue Regelung. Wenn sie denn kommt.
P.S.  jetzt geht auch die Diskussion auf Gründerzeit zu dem Thema los, mit einem kritischen und einem wirklich lesenswerten positiven Artikel

Montag, 1. Februar 2016

Randomized Controlled Trials

Aktuell jährt sich die Einführung des Mindestlohns in Deutschland, und damit auch erste Bilanzen, ob hier Jobs flöten gegangen sind oder nicht. Entgegen mancher Unkenrufe wohl nicht, im Gegenteil wurden nicht wenige Minijobs in richtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt. Vor einem Jahr war die Aufregung noch groß, und so mancher Ökonom war sich sicher, dass der Mindestlohn der große Jobkiller würde. Jetzt wird sich rausgeredet, zum Beispiel mit der guten Konjunktur. Aber auch für die weitere Entwicklung gehen die Meinungen auseinander. Letztlich kann keiner genau sagen, wo die kritische Grenze liegt, wie hoch der Mindestlohn steigen darf. Man muss es halt ausprobieren, so wie auch der Mindestlohn selbst ein großes Experiment war. (Ähnlich wilde Spekulationen gibt es übrigens zu den Kosten der Flüchtlingskrise.)

Als ich diese Artikel las, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Daher kommt also die Begeisterung der Arbeitsmarkt- und Sozialforscher für randomized controlled trials  (rct), die jetzt auch in die Innovationspolitik ausstrahlen. Gerade erst hatte ich im Januar einen Workshop für TAFTIE, das europäische Netzwerk der Innovationsagenturen (oder Projektträger) moderiert. Es war zwar nur einer von vielen Beiträgen, aber der Vortrag vom Innovation Growth Lab aus UK wurde deutlich am längsten diskutiert. Mir wurde erneut deutlich, dass sich rct vor allem für neue Maßnahmen eignet, um kontrolliert, z.B im Rahmen eines Piloten zu klären, wie eine neue Politikintervention eigentlich wirkt.

Darum werden rct auch in der Arbeitsmarktpolitik so gerne genutzt. Weil man eben nicht weiß, ob und wie neue Ansätze wirken. Und das ist in der Innovationspolitik meist anders. Da sind die meisten Instrumente gut bekannt und gut beforscht. Ein bisschen mehr Lust zum Experimentieren würde der Innovationspolitik zwar manchmal ganz gut tun, für das aktuelle Instrumentarium wäre eine Sammlung aller bereits vorliegenden Erkenntnisse und ganz neue Forschungsdesigns wichtiger als das  Abkupfern von Evaluationsdesigns aus der Arbeitsmarktpolitik, die meist nicht wirklich passen. 

Samstag, 23. Januar 2016

Europäischer Innovationsrat

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des europäischen innovationsrats. Zwar ist die Idee nicht ganz neu, sie wurde schon vor ungefähr fünf Jahren zum Beispiel durch die Fraunhofer-Gesellschaft geäußert. Seitdem aber ruhte sie in einem sanften Dornröschenschlaf, bis sie Mitte letzten Jahres durch EU-Kommissar Moedas erweckt wurde. Seitdem dient sie als Projektionsfläche, um allerhand interessante oder abstruse Ideen zu ventilieren, wie Europa seinen Innovationsdefizit beheben könnte.
Soll der Innovationsrat ähnlich wie der Forschungsrat individuelle Stipendien vergeben? Soll er vergleichbar der amerikanischen DARPA als großer Beschaffung gehen, aber für wen und was? Soll der Innovationsrat große Innovationspreise ausschreiben, ähnlich wieder X-Preis in den USA? Oder soll der Innovationsrat als Ratgeber der europäischen Innovationspolitik fungieren, als Expertengremium, ähnlich der deutschen EFI? Im Beratenlassen ist die Europäische Kommission ja eher groß. Oder soll der Rat den großen nächsten Fünfjahresplan der Innovationsförderung, nach asiatischem Modell, entwickeln und durchsetzen?
Ein klein wenig Schwung ist schon in die Debatte gekommen. Beate, der europäische Verband der Gesellschaften für Forschung und Technologie, hat sich in ein Positionspapier positiv zu dem Vorschlag geäußert. Peter Tindemans von Euroscience hingegen kann der Idee nichts abgewinnen Komma aus seiner Sicht braucht es für die Förderung von Innovationen vor allen Dingen privates Kapital. Es gäbe nirgendwo auf der Welt ein vergleichbares öffentliches Gremium. Das stimmt vielleicht nicht ganz, Science/Business zumindest hat eine ganze Reihe von Beispielen zusammengetragen.
Ein wenig scheint mir, als wenn nun eine Diskussion ähnlich der auflegt, die wir schon über das europäische MIT erlebt haben. Wie jeder weiß, kam am Ende das EIT raus, etwas doch ziemlich anderes.
Wer sich an der Diskussion beteiligen möchte, kann das jetzt tun. Science/Business hat gerade auch eine Umfrage veröffentlicht, in der jeder seinen Senf dazu geben kann.

Samstag, 16. Januar 2016

Daten und arabischer Frühling

Die Weltbank hat gerade einen interessanten Artikel zu Stärken und Schwächen von Daten bei der Interpretation politischer Situationen veröffentlicht. Anlass sind 5 Jahre arabischer Frühling. Dieser kam damals ziemlich plötzlich, zumindest aus Sicht der politischen Entscheider, die eigentlich von einer relativ stabilen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Ländern Nordafrikas ausgingen. Dazu verleiteten zumindest die klassischen Daten wie Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, Kindersterblichkeit, Alphabetisierungsraten und ähnliches. Gleichzeitig waren andere Daten zur subjektiven Einschätzung der eigenen Lebenssituation, wie die Weltbank in Ihren Artikel zeigt, deutlich abgerutscht. Ein Anzeichen dafür, dass die Länder eine Krise  entgegentaumelten? Aus dem Rückblick ist dies leicht gesagt. Damals wurde den Beratern der Weltbank von den politischen Entscheider Nordafrikas entgegengehalten, dass die objektiven Daten doch sehr positiv sein.

Man kann diese Daten allerdings auch anders interpretieren. Vor 4 Jahren, zum ersten Jahrestag der arabischen Revolution, erschien in der Zeit ein erstes Resümee, in dem der französische Soziologe Emmanuel Todd zu Wort kam. Dieser hatte mit eben jenen Daten zu einer steigenden Alphabetisierungsrate, sinkende Geburtenraten und ähnlichen soziodemografischen Trends vorausgesagt, dass sich ein Potenzial für soziale Unruhen in den arabischen Ländern aufbauten.

Noch stärker auf einen einzigen soziodemografischen Faktor verweisen Vertreter der sogenannte youth bulge -These wie Gunnar Heinsohn, die den Überschuss an insbesondere jungen Männern in den arabischen Ländern als Ursache für den arabischen Frühling ausgemacht haben. Die Zeit hatte Heinsohns Thesen bereits 2004 mit Verweis auf andere Studien sehr kritisch kommentiert.

Man muss aufpassen. Hier kommen zwei verschiedene Diskussionsstränge Zutaten zusammen. Auf der einen Seite werden Daten als Indikatoren genutzt, um bestimmte Situation richtig zu interpretieren. Zum Beispiel für die subjektive Einschätzung der eigenen Lebenssituation.  Auf der anderen Seite verweisen Daten auf mögliche Faktoren, die zu diesem Situation geführt haben. Sind z.B.  junge Männer in großer Zahl Schuld an sozialen Unruhen? Ist ein höherer Bildungsgrad, der sich an einer entsprechend steigenden Alphabetisierungsrate ablesen lässt, Ursache für mehr politische Beteiligung?

Da vermutlich nicht ein einziger Faktor zum Arabischen Frühling  geführt hat, wird es schnell unübersichtlich. Es gibt eine ganze Reihe von "Stressfaktoren", die zu einer Situation führen, die plötzlich in einer Revolution mündete. Als Stressfaktoren im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling genannt wurden natürlich diktatorische Regime, aber auch durchaus der Klimawandel.

Als Frühindikatoren eignen sich diese Faktoren allerdings nicht. In manchen Ländern führen sie zu Umwälzungen, in anderen nicht.

Einen anderen Weg gehen Ansätze der Big Data Analyse sozialer Systeme, wie sie beispielsweise im Projekt FutureICT in Zürich bearbeitet werden sollten. Äußerungen in sozialen Netzwerken sollen hier ausgewertet werden, um Ereignisse wie den arabischen Frühling vorauszusagen. Interessanter Weise ist der geistige Vater des Projekts Dirk Helbing einer der Initiatoren des "digitalen Manifests", über das ich kürzlich berichtete. Dort wird gerade vor der politischen  Manipulation mithilfe digitaler Werkzeuge gewarnt. Ein gewisser Widerspruch?

Samstag, 9. Januar 2016

Künstliche Schönheit

Digitale Technologien und Schönheit stehen ja in einem recht ambivalenten Verhältnis zueinander. Schaut man auf die Cover von Zeitschriften, so schauen einen lauter mit Digitaltechnik künstlich schöner gemachte Menschen an. Keine Fältchen, die Proportionen etwas zurecht gerückt, Photoshop oder ähnliche Programme machen praktisch alles möglich.
Gestern nun schaffte es eine neue Software in zahlreiche Online-Ausgaben (z.B. hier und hier), die nicht Schönheit produziert, sondern Schönheit erkennt. Ein Projekt der ETH Zürich, in Zusammenarbeit mit einer Partnerbörse. Der Algorithmus erkennt nicht nur, ob ein Gesicht schön ist, sondern kann auch Geschlecht und Alter einschätzen. So zumindest die Hoffnung seiner Schöpfer. Ich habe es ausprobiert, zwischen 32 und 42 hat mich der Algorithmus geschätzt. Ja, männlich bin ich, und auch zwischen 20 und 60. Aber die Einschätzung meiner Schönheit, da war ich doch anderer Meinung. Aber es ist ja noch ein Forschungsprojekt, und es gibt noch andere Computer basierte Schönheitswettbewerbe ...
Eine andere Software, über die ich gerade gestolpert bin, erkennt angeblich, ob etwas lustig ist. Das schien doch eigentlich die letzte Bastion des menschlichen Geistes zu sein. Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewusstsein. Können das jetzt auch Computer? Der Artikel, der darauf Bezug nimmt, ist da letztendlich skeptisch. Aber auch hier ist es vermutlich erst der erste Schritt eines langen Weges.
Und dann gab es da noch vor Weihnachten den Artikel im Guardian über eine Software, die selber Kunst macht. Oder zumindest ganz normale Fotos in Kunstwerke verwandelt. In Kunstwerke, die sich an klassischen Vorbildern der Moderne orientieren. Eigentlich gestaltet der Algorithmus das Foto nur nach einem bestimmten Schema um, sodass die Technik dem der Kunstwerke ähnelt. Aber ist das nicht auch das Prinzip gewesen, nachdem die großen Werkstätten der Renaissancekünstler arbeiten? Unser Kater Leo zum Beispiel sieht jetzt wirklich sehr künstlerisch aus, oder?
Schließlich sind da die vielen Beispiele von dichtenden oder komponierenden Computern. Wirklich überzeugend sind all diese Beispiele noch nicht. Im Bereich der Kunst wird uns der Computer so schnell nicht ersetzen. Aber das einfache Kunsthandwerk? Die Fabrikarbeit unter den künstlerischen Berufen? Ja ja, so fängt alles an.

Freitag, 1. Januar 2016

Zukunft 2016

Die Zeit zwischen den Jahren ist auch die Zeit der Jahresrückblicke und Ausblicke. Stolz präsentieren Autoren ihre besten Artikel und Videos des letzten Jahres. Und mehr oder minder mutig blicken sie voraus, um zu spekulieren, was uns die Zukunft im neuen Jahr wohl bringt. Oder kombinieren gar beide Ansätze, indem sie ihre alten Voraussagen überprüfen. Oder kommentieren die Voraussagen anderer Autoren. Da reihe ich mich natürlich gerne ein...

Der Guardian veröffentlicht wieder einen New Year Prediction Bot,  der alle möglichen,  im Netz auffindbaren Voraussagen für das Jahr 2016 per Zufallsgenerator zugänglich macht. Meine ersten Zufallstreffer führten mich zu Voraussagen über eine Monetarisierung von YouTube durch Google, den Durchbruch der virtual reality Gadgets und der großen Rückrufaktionen bei VW.

Ausnehmend gut gefallen hat mir auch  der Foresight-Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik, die bereits vor ein paar Wochen nach den möglichen Krisen der nächsten Jahre fragte. Sehr Amerika zentriert ist in dieser Hinsicht der Bericht des Council on Foreign Relations zu 2016.

Die Technology Review fragt sich, was aus den breakthrough technologies von 2015 geworden ist, die sie im Februar letzten Jahres geschrieben hatte. Darunter waren Themen wie Entsalzungsanlagen im großen Stil, car-to-car-communication, die Versorgung durch Internet in den letzten Winkel der Welt, wie sie Google und Facebook planen, oder auch virtual reality Gadgets. Technology Review blickt auch noch einmal zurück auf wichtige Ereignisse im Bereich Robotik und künstliche Intelligenz des vergangenen Jahres.

Die TED Talks schauen zurück auf die besten Beiträge 2015. Und wer kleine Videobeiträge mag, dem kann ich auch den Jahresrückblick der beste Naturfilme von National Geographic empfehlen. Zum Beispiel die irren Zeitrafferaufnahmen, wie aus Bienenlarven Bienen werden.

Auch so etwas wie ein Rückblick, wenn auch kein Jahresrückblick, ist die neue EDGE-Frage für 2016: Was war die interessanteste wissenschaftliche Neuigkeit der jüngeren Vergangenheit? Es hatte ja schon das vergangene Jahr 2015 durch seine letzte Frage nachdenken den Maschinen ganz schön geprägt.

Die österreichische Akademie der Wissenschaften schließlich schaut zurück auf die Technologie - Voraussagen vor 30 Jahren und widmet sich dabei echten Klassikern wie dem papierlosen Büro oder der Kernfusion.

Selbst ein Bundesverkehrsminister waren sich über den Jahreswechsel mit mutigen Prognosen an die Öffentlichkeit. Der sollte allerdings kräftig mitwirken an der Realisierung seiner Prognosen...

Sonntag, 20. Dezember 2015

Neolitische Revolution und Innovationen

Gestern habe ich mir als Podcast den Vortrag eines Archäologen zum Thema Innovationen in der Frühgeschichte angehört. Ich beschäftige mich zwar beruflich schon wirklich lange mit Innovationen, und Geschichte, auch die Ur- und Frühgeschichte, fand ich schon immer spannend, aber diesem Zusammenhang hatte ich bisher noch nie gesehen. Dabei ist es eigentlich natürlich ziemlich einleuchtend. Archäologen machen sich Gedanken über frühe Kulturen. Sie versuchen also, menschliche Gesellschaften anhand ihrer kulturellen Eigenarten zu beschreiben und vor allen Dingen die Interaktion zwischen diesen Kulturen zu analysieren. Veränderungen in den Kulturen, die sich vor allen Dingen an Innovationen festmachen, sind dabei ein wichtiges Merkmal. Von daher müssen sich Archäologen zwangsläufig mit der Frage beschäftigen, was Innovationen sind, warum Gesellschaften Neues hervorbringen und warum sich dies durchsetzt, wie sich Innovationen verbreiten, und vor allen Dingen, wie diese Verbreitung zu interpretieren ist. Mindestens drei Fragen sind dabei zu beantworten, die sich auch die moderne Innovationsforschung stellt.

Warum wird überhaupt innoviert? Vermutlich sind es schon äußere Veränderungen, ist das der Stress, der Menschen dazu bringt, sich neue Lösungen zu überlegen. Not macht erfinderisch, wie der Autor in meinem Vortrag meint. Ich finde, das kann man schön sehen an der aktuellen Flüchtlingssituation, die ja auch Stress für unsere Gesellschaft ist, und in der unheimlich viel innovatives Potenzial freigesetzt wird.

Dann ist ja die Frage, ob Innovationen immer nützlich sind. Ob sie also einen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Und da heutzutage vor allen Dingen innovationsökonomen das Geschäft der Innovationsforschung betreiben, fällt die Analyse häufig zu Gunsten des ökonomischen Nutzens aus. Aber die Geschichte, und zwar die lange Geschichte angefangen in der Jungsteinzeit zeigt wohl, dass die Nützlichkeit nicht immer der ausschlaggebende Grund ist, neues anzunehmen. Häufig sind dassoziale Prozesse, die mit Prestige zu tun haben, mit kultischen Fragen, oder einfach auch mit Geschmack. Das schönste Beispiel des Vortrags fand ich den Übergang von der Jäger- und Sammler-Gesellschaft zur Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht. Das war für den Einzelnen nicht wirklich ein positiver Wandel, da nun lange harte Arbeit den Tag strukturierte, während die Jäger und Sammler viel mehr freie Zeit gehabt hatten. Gesamtgesellschaftlich war das Ganze aber scheinbar schon ein Erfolgsmodell, sonst hätte es sich nicht durchgesetzt.

Und die dritte Frage ist vor allen Dingen für die Geschichtsforschung eine zentrale. Haben sich Innovationen ausgebreitet, weil sie von Menschen mit genommen wurden, oder sind nur Ideen gewandert. Haben wir es also mit einem Phänomen des Transfers zu tun oder der Migration. Das ist dann zentral, wenn man die Frage beantworten möchte, ob zum Beispiel der Ackerbau durch Menschen mitgebracht wurde die dann in Mitteleuropa sesshaft wurden, oder ob einfach die Technik des Ackerbaus Stück für Stück aus dem Balkan und Donauraum bis nach Mitteleuropa weitergegeben wurde. Ein anderes Beispiel sind die vielen Kulturen, die sich nur an unterschiedlichen Keramik -Stilen identifizieren lassen, Bandkeramik und so weiter. Auch hier kann man fragen, ob dahinter tatsächlich auch einheitliche Gruppen standen, die sich auch biologisch als miteinander verwandt festmachen lassen, oder ob ihr einfach eine Mode weitergegeben wurde. Sollten in der Zukunft Archäologen unsere Zivilisation ausgaben, würden sie vermutlich nicht davon ausgehen, das nur deshalb, weil Menschen fast auf der ganzen Welt iPhones benutzt haben, diese auch miteinander verwandt waren.

Die moderne Innovationsforschung setzt ihren Schwerpunkt also auf den Transfer von Wissen und Innovationen. Es sind die Produkte, die verkauft werden, sind die Ideen, die weitergegeben werden, es ist der spillover vom Innovator zu den vielen anderen Akteuren des Innovationssystems. Einzelne Menschen, die ihre Ideen mitnehmen, spielen keine große Rolle. Das hat sicher auch forschungspraktische Gründe. Nicht zuletzt der Datenschutz, aber einfach auch die Kosten zur Umsetzung einer solchen Methodik machen es praktisch unmöglich, Einzelpersonen in den Blick zu nehmen, wenn man Innovationsprozesse über längere Zeiträume verfolgen möchte.

Dabei wäre es schon interessant zu beobachten, wie sich Neues über den individuellen Werdegang der Beteiligten ausbreitet. Wie sich also zum Beispiel aus Forschungsprojekten durch den beruflichen Werdegang der Beteiligten, ihre Veränderungen des Arbeitsplatzes, ihren direkten Austausch mit Kollegen und Freunden Neues Stück für Stück verbreitet. Migration statt Wissenstransfer als wichtiges Element der Ausbreitung. Stattdessen schauen wir uns in der Regel an, wie sich die Kooperationsbeziehungen von Organisationen, von Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Laufe der Zeit verändern und welchen Einfluss darauf die Beteiligung an Forschungsprojekten hat. Alles richtig, aber möglicherweise nur die halbe Geschichte.

Samstag, 12. Dezember 2015

Startups und Großkonzerne

Anfang Dezember stellte der Stifterverband wie jedes Jahr die neuesten F&E Zahlen für Deutschland vor. Demnach nähert sich Deutschland mit 2,87 Prozent weiter seinem drei Prozent Ziel an. Die Welt scheint in Ordnung. Noch. Allerdings macht der Stifterverband auch deutlich, dass ein Großteil der privaten F&E Investitionen auf das Konto der großen Konzerne geht. Und die sind aktuell mitten in einem Umbau, von dem man nicht weiß, wie er sich zum Beispiel schon nächstes Jahr auf die Statistik auswirken wird.

Beispiel VW: Hier gab es diese Woche eine Pressekonferenz, wie der Konzern auf den Abgaskanal reagieren und seine Strukturen umbauen möchte. Zwar wiegelt die Konzernspitze ab. Die drohenden Kosten zur Bewältigung des Skandals sind scheinbar geringer, als zunächst gedacht. Aber das wahre Ausmaß der finanziellen Belastungen ist aufgrund der anstehenden Klagen in den USA noch nicht wirklich abzusehen. Und damit auch nicht, ob der Konzern mehr finanzielle Ressourcen aus der Forschung in solche Zahlungen umwidmen muss als heute schon absehbar. Und das könnte sich tatsächlich in der Statistik niederschlagen. Jedes Jahr aufs Neue zeigt die Kommission in ihrem European Industrial R&D Scoreboard, das VW mit Abstand der größte Investor in Forschung und Entwicklung und das weltweit, andere Quellen wie PwC bestätigen das. Aber vielleicht steigert das Unternehmen ja auch seine Forschungsaufwendungen, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität, die erst kürzlich verkündet. Und das wäre möglicherweise auch dringend, da ganz aktuell eher die Meldungen über chinesische Erfolge bei der Elektromobilität durch den Blätterwald rauschen als deutsche. Hierzulande scheinen die Verkaufszahlen sogar noch zurückzugehen.

Ein anderer zentraler Spieler ist Siemens. Der neue Unternehmenschef hat gerade erst ziemlich vollmundig verkündet, dass Siemens in Zukunft mehr in Forschung und Entwicklung investieren wird als bislang. Außerdem möchte Siemens die kreative Kraft seiner eigenen Mitarbeiter neu nutzen, indem so etwas wie interne Start-ups besser gefördert werden. Das ist jetzt kein neues Konzept, auch für Siemens nicht, aber es zeigt, wie man sich dort Sorgen macht, als Großkonzern die rasanten Technologieentwicklungen zu verschlafen. Außerdem soll, wie das aktuelle Magazin von Siemens pictures of the future zeigt, noch stärker mit anderen Start-ups zusammen gearbeitet werden.

Das zeigt sich in letzten Jahren sowieso immer stärker als drin, dass Großkonzerne zum Beispiel über corporate venture den Kontakt zu jungen Unternehmen suchen. Auch wenn diese Zusammenarbeit nicht immer von Erfolg gekrönt ist, wie diese Meldung zeigt.

P.S. Kleiner Nachschlag: jetzt machen sich die Konkurrenten von VW noch einen Spaß drauf und fordern den Konzern auf, statt teuer umzurüsten doch gleich in Elektromobilität zu investieren ...

Sonntag, 29. November 2015

Digitalmanifest

Vor kurzem erschien ein sogenanntes digitales Manifest in der deutschen Ausgabe der Spektrum der Wissenschaft. Es ging nicht wie so häufig in aktuellen Artikeln zur digitalen Revolution darum, inwieweit Deutschland Nachholbedarf habe, zu wenig auf digitale Veränderung vorbereitet seit oder sogar kulturell geprägt zu große Ängste vor den Segnungen der digitalen Revolution habe. Nein ganz im Gegenteil: Eine ganze Reihe namhafter und honorige Wissenschaftler warnen darin vor dramatischen Konsequenzen der Digitalisierung, insbesondere im Hinblick auf einem Missbrauch durch den Staat.

Das klang alles gut gemeint, und natürlich möchten wir nicht, dass der Staat uns manipuliert, dass Allmachtsphantasien sich in Planungswut ausleben, das digitale Systeme über Menschen entscheiden. Aber mal davon abgesehen, dass eine ganze Reihe von Grundannahmen in meinen Ohren mehr als merkwürdig  klangen ( zum Beispiel die Kantsche These, dass Demokratien keine Kriege führen, was wie dieser Artikel zeigt nicht stimmt), fand ich auch den allgemeinen Tenor sehr alarmistisch, ja fast schon verschwörungstheoretisch.

Eine der größten Bedrohungen, die in dem Artikel gezeichnet wurden, stellte das sogenannte "big nudging" da. Zu denken ist big nudging als eine Verbindung von Big Data und dem klassischen nuging. Die Politik könnte versuchen, mit Hilfe intelligenter Algorithmen ganze Gesellschaften digital abzubilden und zu steuern. Natürlich würde das nach Ansicht der Autoren alles ziemlich schief gehen, wo ich Ihnen ausnahmsweise recht geben würde. Aber schon die Grundannahme, dass solche Steuerungsversuche in nächster Zukunft möglich oder gar wahrscheinlich wären, kann ich beim besten Willen nicht teilen. Mir scheinen auch die Indizien, die im Artikel genannt werden, wie die Buchempfehlungen von Amazon (andere Leser haben XY gekauft) oder die individualisierten Sucheinstellungen bei Google nicht wirklich zu tragen.

Und die bekannten nudging-Versuche der Regierungen nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere in Großbritannien oder den USA sind mehr als harmlos. Da geht es dann eher darum, die Anschreiben zur Steuererklärung etwas umzuformulieren, um die Leute dazu zu bewegen, diese schneller auszufüllen. Das ist doch mehr auf der Ebene von Warenregalen in Supermärkten, in denen die Waren nicht zufällig sortiert sind, sondern so, dass der Kunde möglichst viel von den teuren Produkten kauft. Auch die Versuche, Gesellschaften digital zu erfassen,  waren  (siehe z.B. futureICT) eher nicht so erfolgreich.

Im Manifest wird ziemlich am Ende des Textes auch das abschreckende Beispiel China genannt, in dem jetzt alle Bürger mit ihrem Internet erhalten geraten werden sollen. Dieses Beispiel zirkuliert schon länger im Netz. Ein neues "social credit system" oder "citizen scoring"
sogenannte sesame credits bei der Alibaba-Tochter Alipay, um insbesondere die Kreditwürdigkeit einzuschätzen. Mit dem neuen Chinesischen System beschäftigte sich zum Beispiel ein Artikel auf Netzpolitik. Die Zeit titelt in ihrem Blog-Beitrag sogar "China plant die totale Überwachung".
"Schon seit einigen Jahren ist die chinesische Führung dabei, ein System zu entwickeln, das das Verhalten seiner Bürger bewertet und öffentlich macht. Ausgangspunkt waren zahlreiche Berichte über das rüpelhafte Verhalten vieler chinesischer Touristen im Ausland."
Kritische wäre es, wenn auch social media Aktivitäten Teil des Bewertungssystems würden. Die scheinen die Player in China aber bislang zu dementieren, wie einige Blogeinträge (z.B. hier ) melden. Inzwischen hat eine parallele Diskussion um die für November angekündigte App Peeple auch die deutsche Blog-Szene erreicht und sehr kritisch kommentiert. Das sind sicher Eindrücke, vor deren Hintesgrund das Manifest entstand.

Ich habe den Eindruck, dass digitale Manifest ist stark beeinflusst vom Buch von Nick Bostrom zur Superintelligenz. Da geht es allerdings in letzter Konsequenz eher um die Welt Vernichtungsmaschine. Ich hatte das Buch von Boston bereits vor einiger Zeit gelesen. Jetzt bin ich aber über einen schönen langen Artikel des New Yorker gestoßen, der nicht nur auf das Buch, sondern insbesondere auf die Person von Bostrom und die verschiedenen Diskussionsstränge, die zu seiner Idee führten, eingeht. Intern spekuliert Bostrom darüber, ob ein wirklich intelligenter Computer so schnell so viel lernen würde, dass er die Menschheit beherrschen kann. Bostrom selbst scheint mir ein sehr ambivalenter Charakter zu sein. Auf der einen Seite verliebt in die Frage, welches Ereignis zum Weltuntergang führen könnte. Auf der anderen Seite nach eigenem Bekenntnis an Anhänger des Transhumanismus. Also jene Bewegung die den Menschen mit Hilfe technischer Mittel und Errungenschaften der modernen Wissenschaft weiter verbessern vervollkommnen möchte. Bis hin zum ewigen Leben. Eine schöne Zusammenfassung des Transhumanismus findet sich in diesem Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Man sieht, die Zukunft scheidet die Geister.

Aber die finale Szene zur Doomsday-Maschine bleibt weiterhin die folgende:


 


Freitag, 13. November 2015

Bessere Politik durch Evaluation?


Gestern Abend war ich auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Bessere Politik durch Evaluation?“. Ich hatte Dir dazu ja schon die Veranstaltungseinladung geschickt.

 

Das Leitthema wurde gleich zu Beginn etwas in Frage gestellt, als der Moderator Dirk Asendorpf ins Publikum fragte, wie viele der Anwesenden Evaluatoren, wie viele Auftraggeber von Evaluationen und wie viele aus dem Bereich der Politik seien. Evaluatoren und ihre Auftraggeber verteilten sich in etwa hälftig, die Politik war praktisch nicht vertreten. Vielleicht machte das schon ein Problem deutlich (die Politik interessiert sich eigentlich nicht für Evaluation?), vielleicht lag es aber auch eher an der Frage, was überhaupt mit Politik in diesem Kontext gemeint ist. Prof. Thomas Widmer aus der Schweiz, einer der Diskutanten, brachte diese Frage gleich zu Beginn auf. Ist Politik die Verwaltung in den Ministerien, oder ist Politik nur die politische Leitung der Ministerien, ist sie die vielleicht auch nur die Parteipolitik in Person der Abgeordneten? Das ist eine durchaus relevante Frage, da davon auch die möglichen Wirkungen abhängen. Prof. Reinhard Stockmann vom Centrum für Evaluation der Universität des Saarlandes, ein weiterer Diskutant, zitierte amerikanische Studien, nach denen Evaluationen auf der Verwaltungsebene sehr wohl zu verändertem Handeln führen, während die Effekte auf der parteipolitischen Ebene praktisch gleich Null sind. Und Hr. Widmer ergänzt, dass dies auch möglicherweise sehr rational sei, da sich gute Politik durch Information, aber auch durch Ideologie und Interessen getrieben sei. Die „evidence based policy“ sei also gar nicht die perfekteste aller Welten (was er wörtlich nicht so sagte, ich aber zwischen den Zeilen raushörte).

 

Ein weiterer Diskussionsschwerpunkt widmete sich der Frage, ob wir mehr Evaluationen strategischer Politikansätze und ganzer Politikfelder brauchen, und dann auch andere Institutionen, die diese strategischen Evaluationen beauftragen und durchführen können. Mit auf dem Podium saß nämlich auch Michaela Zintl, die bis vor kurzem kommissarische Direktorin des Deutschen Evaluationsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Dieses Institut wäre sicher besser in der Lage, solche übergreifenden Evaluierungen durchzuführen. Oder  vielleicht auch nicht? Zumindest hat das erst vor drei Jahren gegründete Institut wohl schon sehr turbulente Anfangstage hinter sich, mit einem nur kurz amtierenden Gründungsdirektor, mit einer kommissarischen Direktorin, die vom Hauptauftraggeber BMZ entsandt wurde und gestern wie gesagt auch auf dem Podium saß. Mit war diese Vorgeschichte nicht präsent gewesen (hier ein interessanter Artikel aus dem letzten  Jahr mit einem Interview des entlassenen Gründungsdirektors), gestern Abend schwang sie auf jeden Fall deutlich mit und führte zur wiederkehrenden Thematisierung des Frage nach Unabhängigkeit.

 

Ein kleines Nebengefecht entwickelte sich um das Verhältnis von Evaluation und Journalismus. Mehrere Diskutanten warfen dem Journalismus relativ plakativ vor, Evaluationsergebnisse zu verdrehen und nicht zu verstehen und so zu einer dramatisierenden Berichterstattung zu führen, die manchen Institutionen keine andere Wahl lasse als Evakuationsbericht nicht zu veröffentlichen. Von der anderen Seite wurde dagegengehalten, dass Evaluationsberichte ja häufig kaum lesbar und verständlich seien und die Zusammenfassungen in verständlicher (leichter?) Sprache dann nur noch weichgespülte Werbetexte für die Öffentlichkeitsarbeit enthielten.

 

Ein letztes Diskussionsschwerpunkt wurde durch den vierten Podiumsgast, Frau Angelika Flatz aus dem österreichischen Bundeskanzleramt, bestimmt, die das neue System der Wirkungsorientierten Haushaltsführung vertrat (hier eine Studie der Hertie School of Governance aus dem letzten Jahr zum Thema). Kurz gesagt geht es darum, für jedes Ressort verbindliche Ziele und Zielerreichungsindikatoren zu bestimmen und dies mit der Haushaltsführung (und ggf. auch der Budgetzuweisung) zu verknüpfen.  Frau Flatz war sehr enthusiastisch und pries vor allem die Veränderungen im Kopf der Beteiligten, die sich nun systematisch Gedanken machen müssen, welche Effekte sie mit ihrer Politik eigentlich erreichen wollen und welche Wirkannahmen diesem Handeln zugrunde liegen. Leider ging sie nicht wirklich auf die Frage des Moderators ein, ob ein solches Kennzahlen-basiertes Steuerungssystem nicht schnell zu einer Politik der einfachen (weil messbaren) Schritte führt. Mir sind aus Österreich im Politikfeld Innovations- und Technologiepolitik auch schon ein Reihe sehr kritischer Stimmen zu Ohren gekommen. Aber es war gestern ja kein österreichischer Abend, sondern ging vor allem um Deutschland.

 

Unterm Strich ein spannender Abend, aber ich bin eher mit Fragen als mit Antworten zum Thema „Bessere Politik durch Evaluation“ herausgekommen.