Vor einer Woche veröffentlichte NESTA, eine meiner Lieblings -Think Tanks (warum gibt es so eine Organisation eigentlich nicht in Deutschland?), einen Blogbeitrag zu Mariana Mazzucatos Buch "The Entrepreneurial State. Nachdem Stian Wsestlake zunächst die Grundthese von Frau Mazzucato mehrmals bekräftigte, nämlich die zentrale Rolle der Staates bei der Forschung an Grundlagenforschung, die später in disruptive Innovationen mündet und dann von Firmen wie Google oder Apple vermarktet werde, war Westlake mehr als zweifelnd, ob die vorgeschlagenen Rezepte zur Abschöpfung der privaten Gewinne aus dieser öffentlich finanzierten Forschung und die Refinanzierung eben diese Forschungsförderung funktionieren können. Die vorgeschlagenen Mechanismen (z.B. eine staatliche Beteiligung an IPRs und eine Art Innovationsfond, der daraus finanziert wird) würde zu einem administrativen Albtraum, beträfen die falschen Firmen und sollten besser durch allgemeine Besteuerung ersetzt werden.
Mazzucato und der gerade skizzierte Bolgbeitrag von NESTA konzentrieren sich auch das Ungleichverhältnis zwischen staatlicher Vorleistung (hier bei der Finanzierung von Forschungsförderung) und der privaten Gewinnabschöpfung, bei einigen explizit genannten Firmen wie Google und Apple in geradezu exorbitanter Höhe. Eigentlich müsste man da noch eine Schippe drauflegen. Wie Brynjolfsson und McAfee in "The Second Machine Age" schön beschreiben, führt das digitale Zeitalter zu exponentiellem Wachstum neuer Innovationen und gleichzeitig zu einer beständigen Spreizung der Chancen und Vermögen. Die "winner takes it all" -Ökonomie macht sehr wenige Menschen sehr reich, und in der Regel sind das die Chefs derjenigen Unternehmen, die durch neue Produkte, Technologien und Dienstleistungen besonders von der digitalen Revolution profitieren. Dieser Trend ist nach Brynjolfsson und McAfee kaum zu stoppen und heute noch vergleichsweise milde ausgeprägt. Aber dieser technologische Wandel, ist das nicht genau das Ergebnis der öffentlich finanzierten Grundlagenforschung, die Mazzucato beschrieben hatte? Und ist das angesichts der wachsenden Einkommensungleichheit, die die beiden amerikanischen Autoren prognostizieren, eigentlich gerecht, dass die aktuellen und künftigen Superreichen so stark von der staatlichen Grundlagenforschung profitieren?
Da sind wir dann wieder bei den Umverteilungsmodellen von Mazzucato. Sie sah nur Bedarf, die öffentliche Forschungsförderung zu refinanzieren. Ob ihre vorgeschlagenen Ansätze funktionieren könnten, da habe ich zusammen mit NESTA meine Zweifel. Vielleicht ist auch eine viel grundlegendere Restrukturierung der staatlichen und privaten Finanzen notwendig. Piketty (siehe auch meinen Blogbeitrag hier) schlägt eine deftige Reichensteuer vor. Vielleicht geht es aber auch um eine Art Grundeinkommen, dass durch die neuen Reichtümer der digitalen Revolution finanziert werden muss. Gestern hat der deutsche Bundestag ja das Rentenpaket auf den Weg gebracht. Kritiker sehen hier eine langfristige Bedrohung für das deutsche Rentensystem und sprechen von sinkenden Rentenhöhen und drohender Altersarmut, die aus diesen Beschlüssen mittelfristig folgen wird. Im Deutschlandfunk plädierte gestern der Sozialökonom Friedrich Breyer dafür, über eine Grundrente nachzudenken, um diese Ungleichheitstrends auszugleichen. Wolle man den sozialen Frieden nicht gefährden, führe an solchen Überlegungen wohl kein Weg vorbei. Ich könnte mir vorstellen, dass dies auch für die Früchte der digitalen Revolution auf Dauer auch gelten könnte.
P.S. Die Konsequenzen der Digitalisierung auf alle Branchen werden auch in Deutschland immer intensiver diskutiert, wobei die Grundsätzlichkeit des Wandels für meinen Geschmack meist unterschätzt wird. Die meisten Artikel und Studien beschränken sich dabei auf die Beobachtung, ob ein bisschen mehr IT dabei ist. Zwei Artikel der Wirtschaftswoche (zu Digitalisierungseffekten in verschiedenen Branchen und zu Digitalisierung und Wertschöpfungsketten) skizzieren z.B. eher impressionistisch und mit Blick auf einzelne Unternehmen Beispiele für neue digitale Lösungen. Dahinter steht ein sogenannter "Digital Readiness Index", den die Beratungsfirma Neuland für die Wirtschaftswoche erarbeitet hat. Aber alles mit Fokus auf Einzelunternehmen, ohne wirklich die Veränderungen im System in den Blick zu bekommen.
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