Zeitungen meldeten letztes Jahr, dass China endlich die USA als größte Wirtschaft überholt habe. Hintergrund war eine Berechnung des Internationalen Währungsfonds im Herbst. Die Angemessenheit der Indikatoren wurde sofort angezweifelt, die meisten Kommentatoren kamen zu einem deutlich späteren Zeitpunkt für dieses Ereignis. Der Economist z.B. lässt seine Leser seit Jahren raten, wann es endlich soweit ist. Zuletzt veröffentlichte er im August 2014 ein Update und kommt eher auf 2019 oder später. Das ist übrigens just der Zeitpunkt, zudem laut OECD China auch in Hinblick auf Forschungs- und Entwicklungsausgaben aufgeschlossen haben wird.
Ob nun 2014, 2019 oder 2022 ist aber eigentlich nebensächlich, wenn wir in etwas längeren Zeiträumen denken. Mit sehr langen Zeitreien hat sich z.B. Ian Morris in seinem Buch "Wer regiert die Welt?" auseinandergesetzt. Er hat einen zusammengesetzten Indikator entwickelt, den er gesellschaftliche Entwicklungen nennt und der aus den Teilindikatoren Kriegsführungskapazität, Urbanisierung, Energieausbeute und Informationstechnik besteht. Die zugehörige Grafik, die von grauer Vorzeit bis heute reicht und nicht Länder sondern Wirtschaftsräume miteinander vergleicht in Morris Worten den Osten und den Westen , sieht dann so aus:
Insgesamt scheint es ein knappes Kopf an Kopf Rennen zu sein, in dem mal der Osten, mal der Westen vorne ist. Die Pointe am Ende des Buches ist übrigens, dass beide miteinander verschmelzen und in einer sehr engen Abhängigkeitsbeziehungen leben: die USA und China werden zu Chimerika. Dieser Blogbeitrag setzt sich kritisch mit Morris Ansatz auseinander. Die eingangs erwähnten Daten zeigen aber, daß der grundsätzliche Trend schon stimmt. Die Globalisierung ändert das weltweite Gleichgewicht, Europa ist schon lange nicht mehr die Nummer 1, und die USA absehbar dann auch nicht mehr.
Wie es zu dieser Vorherrschaft des Westens kam, beschreibt exemplarisch ziemlich anschaulich das (wenn auch zumindest in der deutschen Ausgabe leider schlecht geschriebene) Buch "King Cotton". Technischer Fortschritt und militärische Gewalt (sowie eine restriktive Marktabschottung) gaben dem Westen die Chance, die zuvor dominanten Baumwollregionen wie Indien zu überholen.
Jetzt haben Dekolonisierung, Freihandel, Änderungen innerhalb des Westens und auch Technologiediffusion dazu geführt, daß der Süden wieder Baumwollproduktion und -Verarbeitet bestimmten.
Wenn ich mir die aktuelle Diskussion um die Rückverlagerung der Produktion in die westlichen Industriestaaten anschaue oder auch darüber, in inwieweit neue Technologien die Globalisierung ausbremsen und höhere Löhne in China hier die weltweite Arbeitsteilung in Frage stellen, dann bin ich mir nicht sicher, in welche Richtung der Trend tatsächlich laufen wird. Lassen wir uns überraschen.
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