Manchmal erscheint es geradezu zauberhaft, welche Segnungen uns die moderne Technologie verheißt. Sie kuriert uns von allen Krankheiten, sie bringt uns zum Mars, und auch Bildung für die Ärmsten der Armen wird plötzlich möglich. So zumindest erscheint es, wenn man den langen Artikel liest, den die Süddeutsche Zeitung heute früh veröffentlicht hat. Es geht um eine Bildungsrevolution in Afrika. Private Schulen, von Philanthropen aus dem Silicon Valley finanziert, mit Tablets ausgestattet und einer Standleitung nach Cambridge, USA, krempeln den Bildungsmarkt in den ärmsten Ländern Afrikas um und konkurrieren erfolgreich gegen das staatliche Schulsystem. Dahinter stecken Social Entrepreneurs, also Gründer, die sich sozialen Zielen verschrieben haben, gleichwohl aber auch ein bisschen Gewinn machen wollen. Der Erfolg dieser Schulen beruht auf mindestens vier Säulen: zum einen auf standardisierten Komponenten, gleiche Schuluniformen, gleiche Gebäude, gleiche Lernsoftware, das lässt sich gut skalieren und wird damit immer preiswerter. Zum zweiten eine bessere Organisation, die dafür sorgt, dass die Lehrer tatsächlich zum Unterricht erscheinen und nicht wie in den staatlichen Schulen oft zu Hause bleiben, weil sie nicht bezahlt werden. Hier schafft die internationale Organisation stabilere Strukturen, und die Schüler freut es. Zum dritten ist da die Software selbst, die eine individualisierte Lernbetreuung der Schüler möglich macht, und auch eine permanente Evaluation des Schulkonzepte selber. Und schließlich profitieren die Schuhe natürlich davon, dass sie potente Geldgeber im Rücken haben, Mark Zuckerberg von Facebook oder Bill Gates. Der Artikel der Süddeutschen Zeitung bleibt ambivalent, auf der einen Seite spricht der Erfolg der Schulen für sich, auf der anderen Seite werden auch Kritiker zitiert, die vor einer Privatisierung des Schulwesens warnen und sich Sorgen, dass die Silicon Valley -Größen jetzt auch die weltweite Bildung monopolisieren wollen.
Es mag ein Zufall sein, aber just diese Woche veröffentlichte auch der Economist einen langen Artikel zu der technologischen Revolution des Bildungsmarktes, in diesem Fall mit einem Schwerpunkt auf die USA, wo viele private Schulen mittlerweile entsprechende Software einsetzen, um ihren Schülern eine individualisierte Betreuung zu ermöglichen. Auch hier wird der Trend natürlich getrieben vom Silicon Valley, dort sind auch wieder die Schulen angesiedelt. Und auch hier verheißt die technologiegetriebene Bildungsrevolution einen besseren Zugang insbesondere für die Armen und Vernachlässigten. Der Economist zitiert mehrere Studien, die den Erfolg dieser Technologien zu belegen scheinen. Und alle Verantwortlichen beteuern, dass die Zeit, die die Lehrkräfte durch ihre digitalen Assistenten sparen, selbstverständlich zu Wohle der Schüler und für eine individualisierte Betreuung derselben eingesetzt wird.
Von solchen Experimenten scheint Deutschland weit entfernt zu sein, hier stehen die meisten Verantwortlichen einem Einsatz digitaler Technologien in Schulen eher konservativ gegenüber. Gerade erst laufen erste Pilotprogramme zur Digitalisierung der Bildung in Schulen, aber über den Einsatz von Whiteboards oder der gelegentliche Nutzung des Handys sind die Schulen in der Regel nicht hinaus. Individualisiertes Training durch Lernalgorithmen? Zumindest nicht in staatlichen Schulen. Vielleicht hat ja der Misserfolg der Sprachlabore, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts fast flächendeckend installiert wurden, die Verantwortlichen derart abgeschreckt, dass sie nicht schon wieder in nutzlose Technologie investieren wollen.
Vielleicht ist das Ganze aber auch nur ein Hype, der bald wieder in sich zusammenfällt. So wie massiv open online courses (MOOCS) an Universitäten 2013 und 2014 das Trendthema waren, von dem heute kein Mensch mehr spricht. Und trotzdem hatte die Digitalisierung der universitären Lehre riesige Fortschritte gemacht Ähnlich wird es sicher auch im Schulbereich sein.
Und bis es soweit ist, wird sich Bildungssoftware wohl weitgehend auf den Privatmarkt konzentrieren. Und hier auch ganz erfolgreich sein, wie es das Beispiel der Berliner Firma Babble zeigt, die von Deutschland aus den Weltmarkt mit ihrem Sprachlernprogramm erobert.
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