Samstag, 16. Juli 2016

European Innovation Scoreboard

In der vergangenen Woche hat die Europäische Kommission mal wieder ihr European Innovation Scoreboard veröffentlich. Das macht sie jedes Jahr, und ich habe auch schon in einem meiner früheren Blogs darüber berichtet. Trotzdem lohnt sich ein Blick in die aktuelle Ausgabe, zumal man nicht nur den Gesamtbericht lesen, sondern auch auf einer aktiven Webseite Vergleiche zwischen Ländern und Einzelindikatoren anstellen kann.

Für Deutschland ist die Bilanz durchwachsen. Einerseits ist Deutschland weiterhin Teil der sogenannten Innovation Leader, also der Gruppe der innovationsstärksten Mitglieder der EU. Andererseits ist der deutsche Gesamtindex in den letzten Jahren eher stagnierend bis abnehmen, während andere Länder wie die Niederlande deutlich aufholen und schon fast gleichauf mit Deutschland liegen.

Interessant ist auch die Entwicklung der skandinavischen Länder. Während die top Länder Finnland und Schweden ihre schwächeln, holt Dänemark rasant auf. Es wäre schon spannend zu erfahren, was der Grund hierfür ist, ob bestimmte Politikansätze dafür verantwortlich sind.

Unterschiedlich auch die Entwicklung auf der iberischen Halbinsel. Während Portugal eher an Innovationsstärke gewinnt, rutscht Spanien ab. Und unsere großen westlichen Nachbarn Frankreich und Großbritannien wiederum sind eher auf einem  Aufwärtstrend, wenn auch nicht in der Spitzengruppe wie Deutschland.

Insgesamt nimmt die Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten der EU wieder ab. Es gab schon einmal einen auseinanderstrebenden Trend in der Nachfolge der Finanz- und Wirtschaftskrise, dann sei zunächst so aus als wenn die Länder in ihrer Innovationskraft wieder stärker zusammenrücken, aber jetzt scheint es sich wieder leicht auseinander zu bewegen. Innerhalb der einzelnen Gruppen allerdings ist eher Stabilität angesagt.

Bei all diesen Trends und Vergleichen muss man allerdings berücksichtigen, dass die Daten schon etwa 3 Jahre alt sind, dass dies also ein Blick in die Vergangenheit ist. Das ist auch den Machern des Innovation Scoreboard bewusst, und dieses Jahr haben sie zum ersten Mal darauf reagiert und versucht aktuellere Zahlen einzubeziehen und Trendaussagen zu formulieren. Das ist ein spannender Ansatz, den man sich auch für die deutsche Innovationen Statistik wünschen würde.

Für Deutschland ist der Trend übrigens eher negativ.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Robotersteuer und Teamarbeit


in einem Interview hat sich der Chef der Post Frank Appel gerade für eine Robotersteuer ausgesprochen. "Man könnte zum Beispiel bei Arbeit, die von Menschen geleistet wurde, auf die Mehrwertsteuer verzichten – und nur die Arbeit von Robotern besteuern". Im selben Interview hat sich Appel übrigens gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, wie es gerade erst wieder anlässlich des Schweizer Referendums stark in den Medien diskutiert worden war.

Der Kontext ist klar. Die Angst davor, durch die neu heranrauschende Automatisierungswelle auf breiter Front Arbeitsplätze zu verlieren. Und die Senkung der Arbeitskosten ist natürlich ein bewährtes Mittel, um Arbeit attraktiver und Standorte sicher zu machen. Wenn der Arbeitgeberanteil zur Krankenkasse eingefroren wird, steckt genau diese Logik dahinter. Mir erschließt sich die Logik des Vorschlags trotzdem nicht.

Automatisierte Arbeit wird ja mit diesem Vorschlag relativ gesehen zu menschlicher Arbeit teurer. Und automatisierte Arbeit ist im weltweiten Wettbewerb sicher die Konkurrenz fähigere, ein Standortvorteil. Wir leben ja nicht in einem geschlossenen System. Das nun tatsächlich auf breiter Front menschliche Arbeit nach Deutschland kommt, weil hier Steuervorteile winken, halte ich für eher unwahrscheinlich.

Außerdem lässt sich das sicher nicht so fein auseinanderhalten, wo nur ein Mensch und wo nur ein Roboter gearbeitet hat. Das ist doch völlig weltfremd. In der Regel arbeiten Maschinen und Menschen zusammen, und das Bild vom Roboter führt sowieso in die Ehre. Es sind Softwaresysteme, die den Menschen unterstützen, es ist Intelligenz in der Maschine, die den menschlichen Arbeiter effizienter macht. Die will man da tatsächlich steuerrechtlich zu sortieren, was nur menschliche Arbeit ist.

Der große Trend in der industriellen Produktion ist doch gerade die kollaborative Arbeit von automatisierten Systemen und Menschen.

Apropos kollaborative Arbeit. Zu diesem Thema habe ich gerade einen Klassiker gelesen, das Buch Stahlhöhlen von Isaac Asimov aus den 50er Jahren. In diesem Buch beschreibt er sie mal auf die Vision einer Gesellschaft, in der Roboter und Menschen zusammenleben. Es geht ja ganz im Stil der 50er Jahre vor allen Dingen um humanoider Roboter. Der Held der Geschichte ist übrigens ein Polizist, und einen Roboter-Partner hat er auch.

Auch bei der Polizei wird heute zusammen mit automatisierten Systemen gearbeitet. Publicityträchtig sind immer Meldungen, indem es um Vorhersage Software, predictive computing geht. Ein ganz anderer Vorfall hat aber erst in den letzten Tagen für Aufsehen gesorgt. Der Fall eines Roboters, der eine Bombe zu einem Attentäter transportiert hat und sie dort explodieren ließ. Dagegen hilft auch kein Steuerrecht mehr.

Montag, 27. Juni 2016

Brexit und Wissenschaft

Jetzt ist es also passiert. Eine knappe Mehrheit der Briten hat sich für den brexit entschieden. Eine sehr weitreichende Entscheidung für die Zukunft aus sehr rückwärtsgewandten Motiven heraus. Eine Katastrophe für Großbritannien und für Europa.
Ziemlich eindeutig gegen den brexit und ziemlich deutlich entsetzt waren unter anderem Wissenschaftler auf der Insel (auch wenn es auch in dieser Community auch positive Stimmen gab). Aus ihrer Sicht profitiert Wissenschaft von internationalem Austausch und insbesondere vom europäischen Austausch in enormen Ausmaße. Der brexit trifft die Attraktivität des Wissenschaftssystems ebenso wie er die Chancen auf Austausch in gemeinsamen Projekten verringert.
Die Schweiz hat gerade erfahren, welche Probleme sich für das Wissenschaftssystem ergeben, wenn eine Bevölkerung in einem Referendum die Bande zu Europa lockert. Akzeptiert die Schweiz nicht die Freizügigkeit für das EU-Neumitglied Kroatien, so werden Schweizer Forscher in Zukunft nicht mehr am Forschungsrahmenprogramm teilnehmen können. Und war nicht gerade die Freizügigkeit eines der großen britischen Probleme?
Wenn auch die Überstürzung auf dem Kontinent allgemein sehr groß ist, so beginnen sich doch auch einige potentielle Krisengewinnler mehr oder minder heimlich die Hände zu reiben. Profitiert der Bankenplatz Frankfurt vom Abstieg des Bankenplatzes London? Wird Berlin zur Fintech-Metropole Europas? Wird die deutsche Gründerszene vielleicht ganz allgemein profitieren?
Vielleicht ist ja dieser ganze neumodische Technikkram überhaupt erst Schuld am brexit. Eine leicht verschwörungstheoretisch angehauchte Studie zumindest beschreibt, wie die Argumente für einen Ausstieg Großbritanniens in den sozialen Medien in den letzten Wochen dominierten, und das nicht wegen der menschlichen Kommentare, sondern wegen der bots. Bereits im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gab es ja den Vorwurf, dass soziale Medien wie Facebook die politische Diskussion und potentiell damit auch das Wahlverhalten massiv beeinflussen könnten.
Vielleicht ist das Ergebnis des brexit-Referendums aber auch eine Verschwörung der Alten gegen die Jungen. Wie soll da noch zukunftsgewandte Politik gemacht werden? Einen gewagten Vergleich sieht angesichts dieser Diskussion Tyler Cowen  in seinem regelmäßigen Block und verweist auf eine in den letzten Tagen veröffentlichte Studie zum Verhalten unsere nächsten Verwandten.

Update: hier ist ein live blog von Science Business zum Thema brexit, science and technology

Samstag, 18. Juni 2016

Mittelschicht, Mittelstand und andere Mythen

Neben Gemeinplätzen wie deutscher Gemütlichkeit oder dem deutschen Wald nimmt die deutsche Mittelschicht einen herausragenden Platz im Selbstverständnis dieser Nation ein. Gestern las ich in einem Feuilleton-Artikel der Süddeutschen Zeitung (hier, allerdings hinter der Bezahlschranke) eine erfrischende Dekonstruktion dieses Mythos.

Der Soziologe Stephan Lessenich skizzierte im Interview, wie gemütlich sich die Mittelschicht seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts im deutschen Sozialstaat eingenistet hat und diese Position durch Abschließungstendenzen gegenüber anderen sozialen Milieus verteidigt. Die Mittelschicht ist wirtschaftlich privilegiert, und sie nimmt für sich politisch in Anspruch, die Leitlinien der deutschen Politik wesentlich zu gestalten.

Ängste um die Auflösung der Mittelschicht hält Lessenich im Wesentlichen für eine Fantasie. Die Mittelschicht habe seit fast 70 Jahren die Erfahrung gemacht, dass es immer bergauf gehe, dass ihnen das Wirtschaftswachstum der Republik zugutekomme, sie ihren Wohlstand auch an ihre Kinder und Enkel vererben können und dass sie das gesellschaftliche und politische Leben dominieren.

Nun droht angesichts säkulare Stagnation ein Ende dieses Dauerwachstums, und der technologische Fortschritt schafft neue Unübersichtlichkeiten und schwer planbare Karrierepfade für die Kinder, die neuen Reichen der digitalen Revolution machen zudem den Mittelstand den Thron als Regent dieser Gesellschaft streitig.

Ein vergleichbarer Mythos wie die deutsche Mittelschicht ist meiner Meinung nach der deutsche Mittelstand. Stütze der Wirtschaft und Garant für Wachstum und Wohlstand, ist er sicher der meistgenannte Akteur des deutschen Wirtschaftsystems.

Im Vergleich zu KMU anderer Länder soll er besonders innovativ sein. Im Vergleich zu Großunternehmen soll er besonders flexibel und agil sein. Natürlich setzt er nicht auf Shareholder-Value, sondern denkt langfristig und strategisch. Und schließlich kümmert er sich fürsorglich um seine Mitarbeiter.

Das alles trifft aber letztlich bloß für einem kleinen Teil dieser heterogenen Gruppe der Unternehmen zu. Die sogenannten hidden champions zum Beispiel sind tatsächlich besonders innovativ und erfolgreich. Im Mittelstand insgesamt geht die Innovationsleistung seit vielen Jahren zurück, und es dominieren im deutschen Innovationssystem eigentlich die große Unternehmen. Ob der deutsche Mittelstand tatsächlich so flexibel und anpassungsfähig ist, daran lassen die besorgniserregenden Berichte um die Unfähigkeit, den Trend Digitalisierung schnell und effizient umzusetzen, doch ein wenig zweifeln.

Mit der Mittelschicht gemeinsam hat der Mittelstand die erfolgreiche Strategie der Abschließung gegenüber anderen Gruppen. Die aktuelle Diskussion um die Erbschaftsteuer macht dies noch einmal deutlich. Auch im Forschungsförderungssystem der Bundesrepublik hat es der Mittelstand geschafft, sich als einzig wahrer Fördermittelempfänger zu stilisieren. Zwar gehen auch Fördermittel an Großunternehmen, das schlechte Gewissen ist aber gar groß dabei.

Klar, eine starke Mittelschicht und ein starke Mittelstand klingt gut, aber ein wenig Skepsis gegenüber einer ausufernden Idealisierung dieser sozialen Konstruktionen ist schon angebracht.

Donnerstag, 9. Juni 2016

Schmetterlingseffek

Gestern hat mir meine Tochter ein Video über Wölfe im Yellowstone Nationalpark gezeigt. Es geht darum, wie die Wiederansiedlung von Wölfen das gesamte Ökosystem verändert hat. Hirsche haben ihr Verhalten verändert, Bäume sind nun gewachsen, wo sie bislang von diesem Hirschen klein gehalten wurden, und sogar Flüsse haben ihren Lauf verändert.

Ähnliche Effekte kann man manchmal auch im Bereich der Innovationspolitik beobachten. So zeigt dieser Artikel, dass das Auftauchen von Uber erhebliche Effekte auf die Gründungsintensität in einer Region haben kann. Insgesamt nimmt die Gründungsintensität ab, dies betrifft dabei insbesondere solche Unternehmen, die vermutlich eher zum Scheitern verurteilt gewesen wären.

Spannend ist auch folgender Zusammenhang, der nicht sofort ersichtlich ist. Im Moment gibt es in Deutschland ja eine intensive Diskussionen um die Übernahme des Roboterherstellers KUKA durch einen chinesischen Investor.  Ich hatte  darauf auch schon in einem letzten Blog  Bezug genommen. Warum die Chinesen gerade an KUKA so stark interessiert sind,  kann vielleicht  der folgende Bericht  verdeutlichen, indem von einer Roboter-Blase geschrieben wird, die in China seltsame Blüten getrieben hat. Da ist das Investment in deutsche High-Tech vielleicht ein sicherer Weg, um an die begehrte Hochtechnologie zu kommen.

Das ist ja schon fast der Sack Reis, der in China umfällt ... Oder doch der Schmetterlingsflügel ....

Samstag, 4. Juni 2016

Realität und Illusion

Angeblich ist ja der Krieg der Vater aller Dinge (ob eine fortress economy nur Vorteile bringt, darüber lässt sich wohl streiten, wie auch dieser Artikel des Economist zu Israel zeigt ). Die Mutter vieler neuer Dinge ist aber meiner Ansicht nach das Spiel. Für ein bisschen Textverarbeitung hat die Chipindustrie nicht die immer neuen hochleistungs Chips entwickelt, die wir in Handys und Computern finden. Im Moment werden insbesondere neue Handygeneration weiter aufgerüstet, um einen ganz neuen spielerischen Erlebnis die technische Grundlage zu schaffen: der Virtual Reality, der Milliardenmärkte vorausgesagt werden. Im Moment blüht die virtuelle Realität ja in einem Hochpreissegment ebenso wie in einer low budget Variante auf.

Dieser zweiten Form habe ich mich seit Weihnachten mit dem Erwerb eines Google cardboard vorsichtig genähert. Es gibt ja mittlerweile wirklich tolle Beispiele für gelungene 3D Filme: noch von den Jahrmärkten meiner Kindheit kenne ich die groß Projektionen auf halbrunde Leinwände, in denen man zum Beispiel Achterbahn vor. Das geht jetzt auch mit Brett beziehungsweise Handy vorm Kopf. Etwas seriöser sind Reportagen, wie sie zum Beispiel die New York Times veröffentlicht und dabei gleich jedem Leser einen Google cardboard mitgeschickt hat. Neuerdings hat der  Economist eine virtuelle Rekonstruktion der antiken Kunstschätze aus Mossul ins Netz gestellt. Und mit ARTE kann man in 3D ins Wasser tauchen oder die Marmorberge von Carrara besuchen.

Interessanterweise wird nicht nur die virtuelle Realität immer realer, nein, auch die reale Realität (kann man das so sagen?) wird immer virtueller. Ich saß letztens zum ersten Mal hinter dem Steuer eines Elektroautos. Grundsätzlich sehr beeindruckend, aber etwas seltsam fand ich schon, das ist keine oder kaum haptische oder akustische Rückkopplungen gibt. Das Lenkrad vibriert nicht, insgesamt ist das Auto so ruhig, als wenn ich mich in einem Film befinden würde. Irgendwann wird es mir schwer fallen, noch zwischen virtueller Realität und echter zu unterscheiden. In diesem Sinne hat vielleicht auch Egon Musk recht, der kürzlich spekulierte, wir wären alle schon in der Matrix.

Alles Instant also. Vielleicht werde ich doch zum Steam Punker.

Sonntag, 29. Mai 2016

Der Zukunft schwaches Rauschen


Heute habe ich es rascheln hören in meiner samstagmorgentlichen Zeitungslektüre. Es war zwar nicht der Weltgeist, aber war es eine Ahnung von Zukunft? War es ein Wispern der Dinge, die da kommen? Oder waren es einfach nur zufällige Meldungen am Samstag?

Wenn Adidas eine neune Turnschuhfabrik in Deutschland baut, ist das schon ein Ereignis. Normalerweise sind Turnschuhe die klassischen Produkte einer globalisierten Wirtschaft.  wie T-Shirts oder Ikea Kleinteile werden sie in Asien preiswert gefertigt und in Europa preiswert verkauft. Jetzt will Adidas die Produktion wieder nach Deutschland verlagern, in einer hochautomatisierten Fabrik mit hoch individualisierter Fertigung. Das Vorzeigebeispiel für Industrie 4.0. Wird sicher einige Arbeitsplätze in Asien Kosten, wenn sich das durchsetzt. Nur werden in den neu errichteten Fabriken in Deutschland kaum neue Arbeitsplätze entstehen. Außer vielleicht bei den Maschinenbauern und Automatisierungsspezialisten.

Adidas wird übrigens in einigen Kommentaren in einem Atemzug mit Foxconn genannt, die die neue Serie des iPhone mit Roboter anfertigen und deshalb nur noch halb so viele Arbeiter brauchen wie zuvor.

Also sind Roboterspezialisten die großen Gewinner? Dazu passt die nächste aktuelle Meldungen. Die Süddeutsche berichtete über die Aktionärsversammlung bei KUKA und die heftigen Auseinandersetzungen über ein chinesisches Angebot zur massiven Aufstockung der Aktienanteile. Ist das der Hausverkauf deutschen Know-hows oder vielmehr der Einstieg von KUKA in die Servicerobotik, die ja das letzte Gutachten der EFI-Kommission als große Schwachstelle der deutschen Hersteller ausgemacht hatte.

Ja die Chinesen, die können einem schon Angst machen. Obwohl sie doch für einen Gutteil des deutschen Wachstums in den letzten Jahren mitverantwortlich waren. Als Absatzmarkt. Übrigens steigt auch das Interesse an China bei den deutschen Startups. Oder zumindest hofft dass die Berliner Wirtschaftsförderung, die jetzt ein neues Vernetzungsprogramm aufgelegt hat. Deutsche Gründer aus Berlin und chinesische Gründer aus Shanghai sollen sich gegenseitig besuchen und das jeweils andere Land als Markt kennenlernen. Ähnliche Vernetzungsprogramme gibt es schon mit New York und Tel Aviv und bald mit Paris.

Àpropos neue Fabriken. VW will nach neusten Gerüchten und Zeitungsartikeln eine Batteriefabrik bauen, um die Elektromobilität der eigenen Flotte in Schwung zu bringen. Das wird ja auch langsam Zeit. Gerade erst hatten die Moderatoren anlässlich der neuen Kaufprämie für Elektroautos gemault, das lieber Geld in den Aufbau solcher Fabriken fließen sollte.  Aber noch scheint nichts entschieden. Bisher hat sich auch noch keiner dazu geäußert, ob dies eine hochautomatisierte Fabrik à la Industrie 4.0 werden wird.

Ebenfalls Teil der Berichterstattung in vielen Medien diesen Samstag war der neue Zukunftsatlas von Prognos. Er misst anhand unterschiedlicher Indikatoren die Zukunftsfähigkeit von Städten in Deutschland. Ziemlich breit hat sich der Tagesspiegel darüber ausgelassen, dass Berlin zwar einerseits mächtig im Ranking nach oben geklettert ist, andererseits gerade die Früchte dieser Entwicklung nur von einem kleinen Teil der Berliner Bevölkerung genossen werden.  Zwar werden viele Technologiefirmen neu gegründet, ihre Mitarbeiter ziehen aber eher zu als dass sie aus der angestammten Berliner Bevölkerung rekrutiert werden. Sind das erste Anzeichen der großen Spaltung, die Tyler Cowen in seinem Buch zum Ende der Mittelmäßigkeit Haus gemacht hatte?

Eine letzte, positive Meldung zum Schluss. Der Anteil der sogenannten Clickworker, der Speerspitze der Gig economy, ist in Deutschland rückläufig. Solange die Wirtschaft rund läuft, scheinen traditionelle Arbeitsverhältnisse doch attraktiver zu sein. Na das lässt ja für die Zukunft hoffen.

Samstag, 21. Mai 2016

Evaluationen und Wissensgesellschaft

Heute morgen habe ich einen schönen Vortrag auf meiner Lieblings-Vortrags Podcast-Website angehört, D-Radio Wissen. Der Soziologe Helmut Willke sprach über die Zukunft der Demokratie in der Wissensgesellschaft. Da lachte der alte Politikwissenschaftler in mir schon ein klein wenig vor Vorfreude.

Seinen Vortrag begannen Willke mit zwei zentralen Thesen. Zum einen ging er davon aus, das die klassische parlamentarische Demokratie zunehmend von der Notwendigkeit eines vertieften Expertenwissens herausgefordert sei. Kein Mensch, auch kein Parlamentariet könne heute noch alle Politikfelder in ihrer Tiefe durchdringen. Ohne Expertenwissen wäre eine vernünftige Steuerung der Politikfelder nicht mehr denkbar.

Ich musste bei diesem Argumentationsschritt an ein Projekt des Global Science Forum der OECD denken, an dem ich vor ein paar Jahren teilgenommen habe. Es ging damals um wissenschaftliche Politikberatung. Anlass waren einmal  das Erdbeben und die Atomkatastrophe in Fukushima gewesen, die in Japan zu einem dramatischen Vertrauensverlust der wissenschaftlichen Politikberatung geführt hatten. Zum anderen hatte ein Erdbeben in Italien zu einer Verurteilung von Geologen geführt, die zu früh Entwarnung gegeben hatten. Der Endbericht des Projektes kam damals zu dem Schluss, das wissenschaftliche Politikberatung heute deutlich heterogene und kontroverse abläuft als früher.

Helmut Wilke forderte wiederum in seinem Vortrag, dass Expertengremien deutlich autonome Verantwortung für die Störung spezifischer Politikfelder übernehmen sollten. Verfassungsgericht und Zentralbanken seine gutes Beispiel dafür, dass auch jenseits der üblichen parlamentarischen Entscheidungsprozesse Experten getriebene regime in spezifischen Politikfeldern möglich und sinnvoll sein, solange reden, also das Parlament, die letzte Entscheidungsgewalt behalte. Wichtig sei außerdem eine hinreichende Pluralität der Gremien, um verschiedene Meinungen und durchaus politische Strömungen zu repräsentieren. Bei ausreichender Transparenz sei eine hohe Akzeptanz der Bevölkerung zu erwarten.

Ich würde den Fokus dieser politischen Steuerung jenseits klassischer parlamentarischer Entscheidungsfindung sogar noch deutlich breiter sehen. Eigentlich geht es doch um die Partizipation unterschiedlicher aktuelles Gruppen, die jeweils für sich Expertenwissen beanspruchen können. Es geht also nicht nur um wissenschaftliche Politikberatung, sondern gerade auch um die Partizipation unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Gerade die deutsche Innovationspolitik das hätte ich gerade in Richtung einer partizipativen Politikgestaltung, wenn auch das Ende der Fahnenstange sicher noch lange nicht erreicht ist.

Seine zweite Eingangsthese führte Willke übrigens leider nicht besonders weit aus. Er postulierte, dass neben der klassischen Inputlegitimation politischen Handelns, also insbesondere des Wahlaktes, eine Art Legitimation über Ergebnisse guter Politik immer wichtiger werde. Die Europäische Union, die gerade in ihren Anfangstagen über einen besonderen Mangel an Inputlegitimation verfügt habe, sei ein gutes Beispiel für diese Legitimation über gute Ergebnisse guter Politik.

Und das ist natürlich das beste Argument für eine ausgeprägte Evaluationskultur. Ohne Evidenz für die positive Wirkung guter Politik ist eine ausreichende Legitimation nicht mehr darstellbar. Gerade wenn Experten zunehmend Entscheidungsverantwortung übernehmen sollten, ist eine enge Prüfung der Ergebnisse solcherart realisierter Steuerung umso wichtiger.

Hierzu hat sich Willke nicht geäußert in seinem Vortrag, aber er hat ja auch nochein Buch geschrieben, vielleicht steht da mehr zu ...

Masken

Steve Jobs ist tot, und damit endete auch die Geschichte der großen Technopräsentationen mit Kultstatus von Apple. Google muss mehr schlecht als recht in die Lücke springen. So wieder einmal geschehen in der letzten Woche.

Die interessantesten Novität scheint der Google Assistent zu sein, die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz früherer Google-Produkte. Der Assistent soll eine quasi natürliche Unterhaltung, Fragen und Steuerung ermöglichen. Daraufsetzen ja mittlerweile auch die anderen Internetgrößen wie Microsoft, Facebook oder Amazon. Er wird in diverse Produkte eingebaut sein. Google stellte schon mal einen drahtlosen  Lautsprecher vor, der "always on" ist und alle Fragen beantwortet. Oder einen Kurznachrichtendienst à la WhatsApp.

Der oben zitierte Bericht über die  Entwicklerkonferenz findet diese Neuvorstellungen ja ziemlich unheimlich. Es kann aber auch ganz anders gehen. Da wird nicht die Maschine menschlich, sondern der Mensch schlüpft in die Maschine. So geschehen in dieser Reportage, in der der Autor über seine virtuelle Konferenzteilnahme in den USA berichtet. Er hat dies mit einem Telepräsenzroboter verwirklicht, und seine Reportage liest sich teils ziemlich skurril. Wenn er zum Beispiel zum begehrten Objekt der medialen Berichterstattung und ihm die Journalisten hinterherrennen, wenn er nicht selbsttätig Treppensteigen oder auch Aufzug-Knöpfe und Türklinken bedienen kann. Wenn bunte Fähnchen die unterschiedlichen Roboter voneinander unterscheidbar machen.

Das ist doch mal was anderes als ein Konferenz-Livestream, macht sicher auch mehr Spaß als Videokonferenzen. Zumal der Roboter vom Nutzer selbst navigiert wird, der sich in einer Einführung erst einmal einweisen lassen muss. Der Autor meint dazu, dass vertiefte Computerspiel-Erfahrungen hier durchaus hilfreich sind. Das ist dann nicht mehr virtual reality, sondern ... ?

Jetzt denke ich mir einmal dieses Szenario als Erfolgsgeschichte weiter. Wir alle können überall hin reisen, zumindest in die Haut von solchen Telepräsenzrobotern schlüpfen. Die Straßen und Plätze sind bevölkert von Telepräsenzlern. Wir schauen uns gegenseitig auf den Bildschirm. Aber vielleicht steckt ja nicht in jedem Roboter ein echter Mensch? Vielleicht sind das dann doch nur Simulationen. Schlaue Algorithmen.

In der Literatur ist das alles schon mal dagewesen. Ich empfehle dem geneigten Leser nur die Geschichte "Der Kalkulator " aus den "Sterntagebüchern" von Stanislaw Lem (hier die entscheidende Textpassage).

Und auch so mancher scheinbar künstlich intelligente Dialoge, der von schlauen Algorithmen generiert wird, bedarf dann doch der Hilfe menschlicher Geisteskraft. Die Washington Post berichtet, dass die Schöngeister unter uns wohlmöglich demnächst sehr gesuchte Arbeitskräfte Entschädigung Berlin sein werden.

Da kann ich nur sagen: studiert keine MINT-Fächer sondern Poesie!

Samstag, 7. Mai 2016

Open Access Piraten und das Rundum Sorglos Paket

Open Access ist gerade total in. Die Europäische Kommission hat den Aufbau einer europäischen wissenschaftlichen Cloud verkündet, in der zum Beispiel ab 2017 alle mit öffentlichen europäischen Geldern geförderten wissenschaftlichen Daten verfügbar sein sollen. Die niederländische Präsidentschaft wiederum, die sich sehr starke für das Thema Open Access einsetzt, hat gerade einen Aufruf veröffentlicht nachdem alle europäischen wissenschaftlichen Paper ab 2020 frei zugänglich sein sollen. Dies umzusetzen ist nicht unbedingt ein Selbstläufer, wie zum Beispiel der Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0 schreibt. Eine Reihe von Voraussetzungen, Strukturen und Rahmenbedingungen muss gegeben sein.

Und vielleicht wird das ganze öffentliche System auch rechts überholt. Seit ungefähr einem halben Jahr sorgt ja das Portal Sci-Hub für Furore, das praktisch alle wissenschaftlichen Publikationen frei ins Netz stellt. Unter anderem wurde dieses Portal mit Pirate Bay verglichen.  Ist hier nicht ein neuer Robin Hood der Wissenschaft unterwegs? Oder handelt es sich vielleicht um die Disruption des Wissenschaftssystems? Von einigen Autoren werden Analogien wie Spotify genannt, um die Rolle als Game Changer deutlich zu machen. Die betroffenen Verlage, allen voran Elsevier, sehen das aus naheliegenden Gründen ganz anders.

Die möglicherweise disruptive Kraft dieses Portals legen auch neueste Daten nahe, die in dieser Umfrage gesammelt wurden. Einerseits zeigen die Befragungsdaten, dass Nutzer der ganzen Welt und den unterschiedlichsten Beweggründen die illegalen Veröffentlichungen nutzen. Neben Überzeugungstätern sind auch viele dabei, die einfach das praktische und unkomplizierte Verfahren Wert schätzen.

Vielleicht gibt es irgendwann noch eine Flatrate für wissenschaftliche Veröffentlichungen. Die Flatrate für Mobilität hat ja gerade erst Bahnchef Grube als Fernziel ausgegeben. Aber habe ich diese Flatrate nicht eigentlich schon bezahlt? Mit meinem Steuern? Aus denen wissenschaftliche Forschung ja letztlich finanziert wird?

Samstag, 30. April 2016

Auf die Perspektive kommt es an

Heute Nacht ist nicht nur Walpurgisnacht, nein, in Berlin beginnt ein neues Zeitalter.  Ab 1. Mai ist es in Berlin verboten,  kommerziell Ferienwohnungen über Airbnb anzubieten, oder zumindest ist es deutlich eingeschränkt.  Grund dafür ist die Sorge des Berliner Senats, dass zunehmend Wohnraum aus dem Markt für normale Mieter genommen wird und nur noch Touristen zur Verfügung steht.
Die Zeit stellt besonders die Strategie des Senats heraus, die Nachbarn zur Unterstützung bei der Umsetzung einzuladen. Der Artikel geht soweit, das potenzielle Denunziantentum mit der DDR zu vergleichen, bleibt aber insgesamt eher verständig. Die Welt brachte bereits vor einem Jahr einen Beitrag zu Paris, nachdem nach der Gentryfizierung nun die Touristifizierung droht. Aktuell hat die Zeit in ihrer Printausgabe einen Artikel zu London, in dem die amerikanische Soziologin Saskia Sassen durch die Stadt wandelt und die Zerstörung  (hier allerdings durch die globalen Investitionen der durch die Finanzkrise auf der Suche nach neuen Investitionen befindlichen Reichen weltweit ) einer bunten und vielfältigen Stadt klagt. Man kann das natürlich auch etwas neutraler sehen. Gerade hat sich auch das ZEW in einem Working Paper dem Thema Sharing Economy angenommen. Dies wird nach allen Regeln der ökonomischen Kunst auseinander genommen. Unterm Strich finden die Autoren, dass mit ein wenig Regulierung der Mehrwert der neuen Techniken durchaus gehoben werden könnte. Insgesamt aber scheint der Zeitgeist der Sharing Economy im Moment allerdings eher ins Gesicht zu blasen, wie zum Beispiel diese Kritik zu einem neuen Buch über die Sharing Economy zeigt .

Eine andere Alltagserfahrung der digitalen Revolution betrifft sozusagen den digitalen Wiedergänger des alten Mixtape. Ich habe vor kurzem zwei ganz unterschiedliche Beiträge dazu gelesen. Der eine kommt aus der Süddeutschen Zeitung, die seit ein paar Monaten eine schöne Serie zum Thema Digitales hat. Hier äußert sich der Autor ziemlich fasziniert von seinem wöchentlichen Mix-Vorschlag, die in ihm Spotify macht. Der Lernalgorithmus der Maschine scheint nach seiner Sicht tatsächlich dazu zu führen, dass Spotify ihn besser kennt, als er selbst. Die Vorschläge an neuen Musikstücken treffen erschreckend oft ins Schwarze. Dieser Autor des Blogs fivethirtyeight ist da allerdings anderer Ansicht. Er versteht Musik hören als kreativen Akt und will sich das nicht durch einen Algorithmus vorkauen lassen. Ist mir ein wenig zu affektiert, aber es kommt halt auf die Perspektive an ...

Samstag, 23. April 2016

Utopie? Dystopie? Anarchie!

Die Zukunft ist ein gar schrecklich Ding. Grausame Kriege, eine verpestete Umwelt, intelligente und tödliche Roboter, allwissende Techno-Diktaturen und so weiter und so fort. Und der Weltraum, fremde Planeten? Lebensfeindlich und einsam. Wer Science Fiction Bücher liest oder Filme anschauen, hat wirklich keine Lust mehr auf Zukunft. Da ist es doch kein Wunder, dass neue Technologien und Innovationen vor allen Dingen Sorgen hervorrufen vor ihren Gefahren und unerwünschten Auswirkungen.

Dabei geht es doch anders. Man kann da doch wirklich etwas lockerer drangehen. Mein Erweckungserlebnis als Kind war das Hörspiel zu "Per Anhalter durchs All", das 1982 auch als deutsche Version produziert wurde. Da war doch schon alles drin: depressive Roboter, sprechende Fahrstühle wie im Internet der Dinge oder Übersetzungscomputer. Und diese Zukunft war definitiv sehr sehr lustig.

Aber der satirische Science-Fiction scheint zurück zu sein. Horst Evers zum Beispiel schreibt in seinem neuen Buch "alles außer irdisch", wie nette, aber leicht durchgedreht Außerirdische die Erde vor anderen Außerirdischen retten wollen. Ein Großteil der Handlung spielt auf dem nun doch eröffneten Großflughafen Berlin-Brandenburg. Das ist natürlich für sich genommen schon ein Hammer. Doch darüber hinaus erfährt man doch nur wenig in Horst Evers Buch.

Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Anfang der Woche war ich auf der Lesung eines ganz besonderen Autors. Marc Uwe Kling, der Vater des anarchistischen Kängurus. Er hat das einen neuen Buch vorgelesen, an dem er gerade arbeitet: Qualityland.

Hier ist wirklich alles drin. Ein Online-Versandhändler, der alles über Dich weiß, deine Wünsche kennt, selbst diejenigen, die du nicht kennst. Und Dir per Drohne alles sofort nach Hause liefert. Leider kann die Drohne sprechen, ist etwas selbstverliebt und möchte dauernd bewertet werden.

Oder die Partnervermittlung, die Dir einen perfekten Partner ermittelt und dich direkt mit ihm verkuppelt. Inklusive Rückgaberecht. Der Algorithmus, der alles steuert, die ganze Gesellschaft. Und intelligente Roboter, die selbst zum Verschrotten gehen, wenn sie nicht mehr richtig funktionieren. Dort aber gerettet werden von den letzten Aufrechten Menschen, die noch über die Erde wandeln. Und dann in einem Zoo der Roboter Freaks weiterleben. Dort erlebt sogar das Känguru eine Reinkarnation in einem rosafarbenen Touchpad.

Es lebe die Zukunft!

Marc-Uwe Kling hat diese grandiose Geschichte noch nicht veröffentlicht, im Netz finden sich keine Aufzeichnungen seiner Lesungen, da muss man schon selber hingehen. Aber Achtung, ist ziemlich schnell ausverkauft!

Donnerstag, 14. April 2016

Makerspaces in China

Gestern und heute war ich auf dem vierten deutsch-chinesischen Innovationsforum in Berlin. Das Innovationsforum wird von der deutsch-chinesischen Innovationsplattform organisiert, einer Kooperation zwischen dem deutschen Forschungsministerium BMBF und seinem chinesischen counterpart MOST. Ziel der Kooperation ist es, das jeweils andere Innovationssystem besser zu verstehen und damit eine breitere Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Forschern und Innovatoren bei der Länder zu legen.

Eine der Sessions heute wird mit der sich dem Thema Finanzierung von Innovationen, mit Schwerpunkt auf kleine und mittlere Unternehmen sowie auf Startups. Aufhorchen ließ mich ein chinesischer Vortrag, indem dauernd von makerspaces die Rede war, und zwar in einem Zusammenhang mit Startup-förderung. Ich war ein bisschen verwirrt, in Deutschland versteht man eigentlich etwas anderes darunter. Ich wollte mir weitere Informationen zusammen googeln, aber leider war der Handyempfang grauenhaft schlecht.

Zu Hause habe ich mich dann schlauer gemacht und erstaunlich viele aktuelle Beiträge gefunden. Interessant war zum Beispiel ein ziemliche aktueller Artikel von NESTA zum Thema maker space in China, in dem auch auf eine Studie zum Thema verwiesen wird. Interessant finde ich dabei die Beobachtung, dass solche maker spaces wohl auch von etablierten Firmen als eine Art open innovation labs genutzt werden, während maker spaces in Europa und den USA eher als Gegenbewegung zu industriell gefertigten Produkten gelten. Bis zu einem gewissen Grad sind maker spaces in China wohl auch das, was man hierzulande als co-working spaces oder Incubatoren versteht.

Das Thema makerspaces war letztes Jahr wohl ziemlich hipp in China, nachdem die Parteispitze einen einen solchen makerspace besucht habe. Das führte zu einer regelrechten Blase, allüberall entstanden entsprechende makerspaces, die aber vielfach leer blieben.

Andere Artikel übrigens verknüpfen das Thema makerspaces mit dem Trend Konzept der Smart City und suchen weltweit beispiele hierfür, auch wenn diese zugegebenermaßen sehr unterschiedliche Ausrichtung haben.

Samstag, 9. April 2016

Ungleichheit

Seit ein paar Wochen nimmt in deutschsprachige Medien eine Debatte zum Thema Ungleichheit Fahrt auf. Ausgangspunkt ist das neue Buch von Marcel Fratzscher, dem Chef des DIW, mit dem Titel Verteilungskampf. Ich habe das Buch über Ostern gelesen. Wenn man sich bereits ein bisschen in die Debatte eingelesen hat, bringt das Buch wenig Neues. Es ist populärwissenschaftlich und verständlich geschrieben, es spricht die wesentlichen Argumente an, an einigen Stellen fehlt mir die Tiefe, da hätte ich schon gern mehr gewusst. Die Grundthese eines ungleichen und damit auch ungerecht in Deutschland scheint mir aber plausibel. Fratzscher hat sein Buch in mehreren Interviews promoted, zuletzt heute früh im Tagesspiegel. So war auch ich vor ein paar Wochen über das Buch gestolpert und hatte es mir zugelegt.

Die Kritiker von Fratzscher reiben sich insbesondere an zwei Argumenten. Zum einen wird das Argument angezweifelt, dass sich mehr Gleichheit in einer Volkswirtschaft auch wirtschaftlich lohnt und mehr Wachstum bringt. Hier bezog sich Fratzscher auf eine Studie der OECD, die aber von mehreren Quellen auch angezweifelt wird. Wie z.B. die NZZ schreibt, gibt  es mehrere Studien, die nicht glauben dass mehr Gleichheit kostenlos ist.

Ob die Rechnung in der OECD richtig oder falsch sind, kann ich nicht bewerten. Mir scheint aber die Gegenthese höchste unplausibel, dass nämlich Ungleichheit immer als Antriebe wirkt für Leistung und Wachstum. Es geht ja in der Diskussion gerade um sehr ausgeprägte Ungleichheit, um immer reicher werdende Reiche. Und ab einem gewissen absoluten Wert ist solche Reichtum nur noch obszön, nicht mehr motivierend.

Außerdem wird Fratzscher entgegengehalten, das Deutschland aufgrund der Globalisierung unter einem stärkeren Lohndruck steht, der dann durch staatliche Umverteilung ausgeglichen werden muss. So wurde zum Beispiel jüngst in einem Artikel der Zeit noch einmal diskutiert.

Der Wirtschaftsblog der Süddeutschen Zeitung schlägt sich auf Fratzschers Seite und verknüpft seine Thesen mit den aktuellen Entwicklungen rund um die Offshore-Konten.

Was mir bei Fratzschers Buch ein wenig fehlt, ist die Sicht auf die Wirkung von Innovationen und  neuen Technologien. Zum einen wird das ja zur Zeit in Deutschland recht heftig diskutiert mit Blick auf Automatisierung und Roboter, also die Zukunft der Arbeit. Zum anderen sind die Veränderungen vermutlich deutlich breiter und tiefer. Brynjolfsson und McAfee haben das in ihrem Buch zum Rage Against the Machine schöne herausgearbeitet.

Ich hatte genau dazu über Ostern noch ein zweites Buch gelesen: average is over von Tyler Cowen. Dieser garniert seine Argumentation für mein Verständnis zwar etwas zu stark mit Beispielen aus der Schachwelt. Gleichzeitig zeigt er aber sehr anschaulich, wie Ungleichheit auf einer ganz anderen Ebene immer weiter zunehmen wird. Zwischen den top innovativen Firmen und dem Rest (siehe zum Beispiel diese aktuelle Studie der OECD, zwischen den wenigen städtischen Innovationszentren und dem platten Land (siehe zum Beispiel die immer stärkere Konzentration von Gründern in Zentren wie Berlin), oder auch zwischen globalen Elite-Unis und dem Rest der weltweiten Universitätslandschaft.

Und ob die Innovationsstärke zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und ihren Regionen mittelfristig eher auseinanderdriftet oder konvergiert, scheint mir noch offen zu sein. Zumindest meldet der aktuelle Bericht der Kommission hierzu im Moment wieder einen leichten Konvergenz-Trend auf Mitgliedstaatsebene, während die Regionen zum Teil zumindest auseinanderdriften.

Average is over, Ungleichheit muss man aber trotzdem nicht hinnehmen!

Achtung Fakten

Ostern war ich unterwegs zu einem Familienfest, und für die Zugfahrt hatte ich mir die neue April-Ausgabe des Magazins brand eins gekauft, diesmal mit dem Titel: Achtung Fakten, Schwerpunkt richtig bewerten. Ich muss sagen, ich war richtig begeistert. Ein echtes Heft für Evaluatoren. Nicht jeder Artikel hat mich überzeugt, aber insgesamt haben die Macher eine schöne Bandbreite an interessanten Themen abgedeckt.

Spannend fand ich zum Beispiel die beiden Artikel, die sich mit der Bewertung eigentlich unbewehrtbarer Bereiche wie Natur und gesellschaftlicher Mehrwerte beschäftigen. Wie können soziale Organisationen evaluiert werden? Welche absurden Zahlenspiele und Übersetzungen in Euro und Cent werden notwendig, wenn ich wirklich alle Effekte der Arbeit einer solchen Organisation monetarisieren soll?

Etwas platt fand ich den Artikel zu Evaluationen und Bewertungen im Wissenschaftssystem. Klar gibt es hier Auswüchse und dysfunktionale Effekte, mir fehlt aber schon die positive Perspektive.

Interessant auch, wie soziale Medien Bewertungen in alle möglichen neuen Lebensbereiche hinein getragen haben. Wie zum Beispiel haben TripAdvisor und Co den  Tourismus verändert? Warum werden wenn wir als Kunden neuerdings auch dauernd bewertet, wenn wir ein über Taxi nehmen, wenn wir bei Airbnb eine Wohnung buchen oder wenn wir bei ebay etwa kaufen?

Den Prolog fand ich, wie häufig, leider etwas enttäuschen. Wolf Lotter verliert sich am Ende seines Essays vor allen Dingen beim Thema Nudging. Am Ende bleibt der Vorwurf, das sind doch alles nur Psychotricks. Pardon, ich verstehe Nudging anders.

Das Thema Evaluation taucht in den Medien in der Regel nicht auf. Die DeGEval, die Gesellschaft für Evaluation, versucht seit Jahren , mit ihrem Medienpreis gute journalistische Arbeit zum Thema Evaluation zu prämieren und scheitert häufig an der Aufgabe, weil zu wenig Anwärter auf den Medienpreis zu finden sind. Ich glaube, im letzten Jahr wurde der Preis gar nicht mehr verliehen.

Wenn dann endlich mal was zu finden ist, ein prallgefülltes Heft voller spannender Artikel, mache ich gerne Schleichwerbung.