Manche Jahrestagungen von wissenschaftlichen Fachgesellschaften schaffen es ja durchaus in die überregionalen Medien, heute z.b. erschienen ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zum Deutschen Historikertag. Diese Aufmerksamkeit ist der Jahrestagung der DeGEval bislang nicht vergönnt gewesen. Nun ist die DeGEval sicher nicht mit den deutschen Historikern zu vergleichen, sie ist ungleich weniger im Fächerkanon deutscher Universitäten verankert, auch der breiten Bevölkerung bis das Thema Evaluation vermutlich relativ unbekannt und auch egal. Andererseits ist die Tätigkeit von Evaluatorinnen und Evaluatoren möglicherweise deutlich praxisrelevante als die der deutschen Historikerinnen und Historiker. Grund genug, einen kurzen Rückblick auf die diesjährige Tagung unserer Fachgesellschaft zugeben und aus der Perspektive der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik auf einigen der besonders relevanten Sessions zu schauen.
Samstag, 29. September 2018
Rückblick auf die diesjährige Tagung der DeGEval
Manche Jahrestagungen von wissenschaftlichen Fachgesellschaften schaffen es ja durchaus in die überregionalen Medien, heute z.b. erschienen ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zum Deutschen Historikertag. Diese Aufmerksamkeit ist der Jahrestagung der DeGEval bislang nicht vergönnt gewesen. Nun ist die DeGEval sicher nicht mit den deutschen Historikern zu vergleichen, sie ist ungleich weniger im Fächerkanon deutscher Universitäten verankert, auch der breiten Bevölkerung bis das Thema Evaluation vermutlich relativ unbekannt und auch egal. Andererseits ist die Tätigkeit von Evaluatorinnen und Evaluatoren möglicherweise deutlich praxisrelevante als die der deutschen Historikerinnen und Historiker. Grund genug, einen kurzen Rückblick auf die diesjährige Tagung unserer Fachgesellschaft zugeben und aus der Perspektive der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik auf einigen der besonders relevanten Sessions zu schauen.
Samstag, 25. August 2018
Wie beeinflusst Technologie Politik?
in den USA stehen im November die Wahlen zum Repräsentantenhaus an, und nach zwei Jahren Donald Trump ist die ganze Welt gespannt, ob er nun einen Denkzettel bekommt oder ob die Republikaner ihre starke Stellung halten können. Und wie bereits anlässlich der Präsidentenwahlen richtet sich die Aufmerksamkeit auch darauf, ob Technologie einen Einfluss auf Politik haben könnte. Immer noch sind die Amerikaner damit beschäftigt, die Einzelheiten möglicher Einflussnahme auf die letzten Wahlen durch soziale Medien und Akteure wie Cambridge Analytics zu klären. Bereits jetzt schon werden besorgte Stimmen laut, die eine Einflussnahme auf Wähler oder gar ein Hacken der Wahlmaschinen bei der kommenden Wahl fürchten. Erste Anzeichen dafür gibt es ganz aktuell.
Die amerikanische Ausgabe Technology Review hat sich nun in ihrer neuen Ausgabe ganz und gar dem Thema Technologie und Politik gewidmet. Das Editorial schlägt noch einmal den ganz großen Bogen von seiner optimistischen Perspektive auf politisch genutzte Technologie aus dem Jahr 2013, als Barack Obama auch mit der Hilfe neuer Wahlkampftechniken die Präsidentschaftswahlen gewann und der arabische Frühling auch durch die Möglichkeiten sozialer Netzwerke seine durchschlagende Kraft entfaltete. Heute hingegen scheint Technik nur noch als Bedrohung demokratischer politischer Prozesse zu funktionieren. Nur ein einziger Artikel der neuen Ausgabe widmet sich neuen, technologisch ermöglichten partizipativen Formaten, die hier am Beispiel Taiwans demokratische Prozesse bereichern können.
Am Beispiel Kenias skizziert ein Artikel z. B., wie bestimmte demokratieschädliche Tendenzen neuer Technologien nicht wirklich neu sind, sondern auch manchen Technologien des Vor-Internetzeitalters eigen waren. Hate-speech z. B. wurde in Kenia bereits früher durch lokale Radiostationen befördert, das Internet hat nun diese unheilvolle Funktion übernommen. Dabei war die Hoffnung in Kenia nach den Unruhen des Jahres 2007 groß, das mit neuer Wahltechnik eine Befriedung des Landes gelingen könnte. Der Autor des Artikels schließt, dass Technik in der Regel keine sozialen Probleme löst.
Diee repressive Politik der chinesische Regierung gegenüber den Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang, die immer stärker auf entsprechenden Überwachungs- und Analysetechnologien basiert und als Art Testlabor zum Funktionieren des technologisch ausgerüsteten autoritären Staates gesehen werden kann, greift die Zeitschrift The Atlantic auf. Besonders beeindruckt hat die Autoren eine neue Überwachungsdrohne, die sich als Taube tarnte und flattert wie ein echter Vogel. Diese Drohne wird auch in einigen anderen Medien aufgegriffen.
Die Technologiepolitik der chinesischen Regierung wird übrigens auch in der oben beschriebenen Ausgabe der Technology Review aufgegriffen, unter der schönen Überschrift 'Warum Demokratie, wenn es Technologie" gibt. Tatsächlich kann Überwachungstechnologie wie Gesichtserkennung oder das berühmt-berüchtigte social credit System ein zentrales Problem chinesischer Politik lösen helfen, nämlich das Fehlen von Informationen, die von unten nach oben fließen. Dies ist ja eine der wesentlichen Funktionen von Demokratie, dass nämlich aus der Breite der Bevölkerung über den Wahlakt und die damit verbundene Kommunikation Meinungen und Einstellungen an die politische Führung kommuniziert werden. Wer diese Mechanismen nicht hat, der ist auf andere Kanäle angewiesen um das Problem zu lösen.
Allerdings ist Demokratie keine Einbahnstraßenkommunikation wie die beschriebenen Überwachungstechnik.
Samstag, 11. August 2018
Künstliche Politiker
Samstag, 4. August 2018
Zombie-Gründer
Seit kurzem nutze ich verstärkte Twitter, um mich auf interessante Artikel, Studien oder Meinungen stoßen zu lassen. Jenseits der üblichen Newsletter ist dies manchmal eine wirkliche überraschende Quelle von spannenden Meldungen. Das Ganze steht und fällt natürlich mit den Personen, denen man folgt. Wenn diese alle selbst miteinander vernetzt sind, dann twittern sie nur immer wieder dieselben Beiträge. aber das macht das dann auch wieder spannend, zu sehen, welche Netzwerke sich hinter Twitter verbergen.
im Moment recht angetan bin ich z. B. von der Expertenkommission Forschung und Innovation EFI, die eine ziemlich bunte Mischung an Beiträgen mit einer relativ hohe Taktfrequenz twittert. Lustig fand ich da den Retweet zu einem Artikel in WIRED, der Studienergebnisse zitiert, die einen Zusammenhang zwischen der Infektion mit Toxoplasmose und Gründungsneigung behaupten. Wer eine Katze hat bzw. sich mit diesem Katzenparasiten identifiziert, ist wagemutiger und gründet häufiger ein Unternehmen, so die Autoren. Das wäre natürlich praktisch und eine ziemlich preiswerte Möglichkeit für die Bundesregierung, die Gründungsneigung in Deutschland zu erhöhen: einfach süße kleine Katzenbabys flächentechnik verschenken.
Die Geschichte erinnert mich auch an sogenannte Zombie-Pilze, die tropische Ameisen befallen (hier auch ein Artikel mit einem nett-gruseligen Film), sie zu einem selbstmörderischen Verhalten zwingen und dann töten, um an geeigneter Stelle weiter zu wachsen. Das ist aber nicht der einzige Parasit, der seinen Wirt geradezu unglaublich raffiniert manipuliert. Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Neuroparasiten, die entsprechend vorgehen und diverse Tierarten zu höchst merkwürdigen und selbstschädigenden Verhalten bringen.
Beim Toxoplasma-Parasiten und dem Menschen war diese Art der Beziehung schon länger vermutet worden, aber wissenschaftlich nicht wirklich eindeutig nachgewiesen. Und wenn man bedenkt dass Toxoplasma in Deutschland ungefähr 60% der Bevölkerung infiziert hat, so scheinen sich die Auswirkungen doch sehr im Rahmen zu halten. Und leider sind insbesondere die Auswirkungen auf die Gründungswahrscheinlichkeit dann doch sehr beschränkt geblieben und die Idee mit der Katze als innovationspolitischler Wunderwaffen doch nicht so toll.
Aber Gründerinnen und Gründer sind ja sowieso recht eigenartige Wesen, deren Verhalten wohl auf sehr mannigfaltige Art und Weise beeinflusst wird und nicht einfach zu steuern ist. Breit ist die Literaturlage z. B. In Hinblick auf Geschlechterunterschiede. Schon länger in Studien beschrieben ist die Beobachtung, dass weibliche Gründerinnen vorsichtiger agieren und eher auf ein nachhaltiges, langsames Wachstum setzen. Neu ist die Beobachtung, dass Frauen dabei scheinbar sehr erfolgreich sind und höhere Renditen erwirtschaften als männliche Gründer.
Bislang immer wieder aufgegriffen wurden die Annahme, dass insbesondere jüngere Menschen eher ein Unternehmen gründen. Der demografische Wandel würde in diesem Fall ein nicht unerheblicher Einflussfaktor auf die sinkende Gründungsneigung in Deutschland sein. Neu sind dann die Studien, die zeigen, dass ältere Gründer deutlich erfolgreicher sind. Gründungsneigung und Gründungserfolg sind eben doch nicht ein und dasselbe.
Jetzt würde mich interessieren, welche Korrelation ist zwischen Alter und Vorlieben für Katzen gibt.
Samstag, 23. Juni 2018
Innovationsprotektionismus
Protektionistische Töne aus dem Weißen Haus sind in diesen Tagen nichts ungewöhnliches. Präsident Trump ist in vielen Bereichen der festen Auffassung, dass Amerikas Unternehmen unfair behandelt werden und amerikanische Verbraucher leiden. Während des meist um den Import ausländischer Waren in die USA geht, entzündet sich der neueste Streit am Export amerikanischer waren, genauer gesagt amerikanischer Medikamente. Diese unterliegen, wie alle Medikamente, in vielen Ländern einer Preisregulierung. Gesundheitsbehörden oder Krankenkassen schließen Verträge und legen fest Komma zu welchen Preisen bestimmte Medikamente zu haben sind. Diese Praxis ist nach Ansicht des Weißen Hauses dafür verantwortlich, dass die Preise für Medikamente in den USA im Vergleich deutlich höher sind. Amerikanische Pharmaunternehmen müssten ihre hohen Forschungs- und Entwicklungskosten über diese hohen Preise in den USA refinanzieren, weil sie zu billig im Ausland verkaufen müssten.
Natürlich liegt es durchaus nahe und wird auch in einigen Artikeln so beschrieben, dass die amerikanische PharmaBranche hier erhebliches Lobbying betreibt. Wirklich erstaunlich ist aber das eigentliche Argument: die Kosten für Forschung und Entwicklung eines neuen Produktes sollten gleichmäßig über alle Kunden verteilt werden, und andere Länder profitieren unverhältnismäßig von dem Forschungsanstrengungen in einem Land.
Viele Kommentatoren sind sich sicher, dass der Grund für unverhältnismäßig hohe Kosten für Medikamente in den USA aber an anderen Faktoren hängen. So ist es z.b. in den USA möglich, direkt für Medikamente zu werden, was in vielen anderen Ländern verboten ist. Auch ist das amerikanische Gesundheitssystem so strukturiert, dass es wenig Verhandlungsmacht gegenüber Pharmakonzernen besetzt.
Der europäische Gesundheitskommissar Andriukaitis hat jetzt die Vorwürfe aus den USA zurückgewiesen und unter anderem darauf hingewiesen, dass Pharmaforschung heute multinational funktioniert, dass die großen Pharmakonzerne ihre Forschungsabteilungen überall auf der Welt haben und in enger Kooperation mit unterschiedlichsten Forschungseinrichtungen an neuen Medikamenten arbeiten. Auch europäische Forschungsgelder fließen in großen Mengen in diese Anstrengungen. Es gibt nicht das eine Medikament, das in Amerika erforscht und entwickelt wurde.
Gesundheitsforschung wird auch deshalb mit hohen öffentlichen Mitteln unterstützt, weil sie am Ende in Produkte mündenden soll, die allen Menschen zur Verfügung stehen. Es geht nicht, oder zumindest nicht nur, um wirtschaftliche Ziele, sondern um übergreifende gesundheitspolitische Ziele, die mit der öffentlich finanzierten Pharmaforschung erreicht werden sollen.
Die NZZ übrigens hat in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Daten veröffentlicht, die einmal deutlich machen, dass in den USA die Ausgaben für Medikamente tatsächlich am höchsten sind, die aber auch zeigen, dass auch in Deutschland deutlich mehr pro Kopf für Medikamente ausgegeben wird als z.b. in den Niederlanden. Und die NZZ weist auch darauf hin, dass natürlich amerikanische Konzerne und die amerikanische Volkswirtschaft erheblich davon profitieren, dass die globale Pharmaforschung in den USA konzentriert ist.
Es gibt auch ganz andere Vorschläge, zu hohe Arzneimittelpreise zu bekämpfen. Auf dem World Economic Forum wurde dieses Jahr z.b. einen Vorschlag vorgestellt, der eine zweigeteilte Finanzierung vorsieht. Die eigentliche Forschung wird separat finanziert, z.b. aus einem Fonds, der insbesondere den Mehrwert für Patienten als Grundlage für die Kostenerstattung der Forschung heranzieht. Und dann wird das eigentliche Medikament eher wie ein Generika bezahlt, da die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten ja nicht mehr durch Patentabsicherungen und hohe Preise refinanziert werden müssen.
Samstag, 16. Juni 2018
Kunst und Zukunft
Samstag, 9. Juni 2018
Startup Kill Zone
In der vergangenen Woche hat der Economist einen Beitrag über das Silicon Valley veröffentlicht, in dem den großen Tech-Konzernen schwere Vorwürfe gemacht werden. Sie würden jungen Startups kaum noch die Möglichkeit geben, auf eigenen Beinen groß zu werden. Wer eine Konkurrenz für die großen Konzerne sei, würde schnell vom Markt weggekauft. Nicht unbedingt, um die neuen Geschäftsideen in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren, sondern insbesondere, um keine neuen Gegner entstehen zu lassen. Es entstehe eine regelrechte Todeszone oder "Kill Zone", durch die kaum ein Startup noch unbeschadet durchkomme, um zu einem größeren Unternehmen zu werden. Auch fegten die großen Konzerne in ihrem Hunger nach gutem Personal die Arbeitsmärkte leer. Wer einigermaßen gut in seinem Fachgebiet sei, könne sich einen äußerst lukrativen Job sichern. Startups blieben dann bei ihrer Suche nach Personal auf der Strecke, und potentielle Gründerinnen und Gründer würden gleich in die Tech-Konzerne wechseln.
Die im Economist skizzierte Problemlage trifft in Teilen auch Deutschland. In manchen Themengebieten, z.b. der künstlichen Intelligenz, wandern die besten Uni-Absolventen oft ab in die USA. Mit den dort gebotenen Gehältern kann hierzulande kaum einer mithalten. Und gleichzeitig scheint nicht wenigen deutschen Gründerinnen und Gründern der Exit in Form eines Aufkaufs durch Google und Co. als das große Los. Das ist im Businessplan fast schon angelegt.
In eine ähnliche Richtung hatte schon im vergangenen Jahr ein Artikel des Guardian argumentiert, der anhand konkreter Beispiele beschreibt, wie Tech-Konzerne auch die Geschäftsmodelle und Gründungsideen junger Firmen kopieren und diesen damit das Wasser abgraben. Die finanziellen Ressourcen der großen Fünf scheinen schier unerschöpflich zu sein, damit wird der Wettbewerb für Startups nicht gerade ausgewogener. Der Guardian sieht hier durchaus einen der Faktoren dafür, dass die Gründungsrate auch in den USA seit vielen Jahren eher rückläufig ist. Dies wird in Deutschland, wo das Silicon Valley als großes Vorbild gilt, gerne auch einmal übersehen.
Andererseits ist eben diese Exit-Option für viele Gründerinnen und Gründer erst die Motivation, alle Energie auf die Gründung eines neuen Unternehmens zu konzentrieren und damit Neues zu schaffen. Und es gibt auch immer noch Beispiele für Newcomer, die ihre Nische gefunden und dann schnell selbst zu größeren Unternehmen herangewachsen sind - ohne dass sie gleich von Google, Facebook, Microsoft oder Amazon aufgekauft wurden. Und schließlich ist der Zyklus von Gründen, Exit und Neuinvestment des so gewonnenen Vermögens in neue, junge Startups der Motor, der die Innovationsmaschine Silicon Valley am Laufen hielt und auf den auch hierzulande viele setzen, wenn sich Startup-Ökosysteme erst einmal in deutschen Gründungsmetropolen wie Berlin etabliert haben. Eine kritische Menge an Risikokapital wird so akkumuliert und steht dann für die Finanzierung eines Ökosystems bereit.
Es kommt halt auf den Fokus an, ob es um Wettbewerbspolitik und Marktdominanz geht, oder darum, dass immer wieder neue Ideen geboren werden und einen Standort letztlich fit gegenüber der Weltkonkurrenz machen. Allerdings machen Guardian und Economist auch darauf aufmerksam, dass der Gründungselan erlahmen könnte, wenn die zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinliche Perspektive, selbst zum neuen Google zu werden, völlig unrealistisch wird, weil das echte Google jeden möglichen Konkurrenzen rausschießt.
In Deutschland besteht die Gefahr nicht, dass die großen deutschen Tech-Konzerne reihenweise den Startup-Markt leer kaufen. Dafür gibt es zu wenig große deutsche Tech-Konzerne. Im Gegenteil wäre es möglicherweise für die deutsche Volkswirtschaft ein Segen, wenn die kreativen Impulse der deutschen Startups ihren Weg in andere Unternehmen, in diesem Fall in die traditionelle Industrie finden würden - z.b. in den deutschen Mittelstand. Auch deshalb werden Kooperation zwischen diesen beiden Akteursgruppen mittlerweile gezielte auch in der Politik entdeckt. Aber hier geht es nicht darum, dass die Konkurrenz vom Markt genommen wird, sondern dass hier starke Partnerschaften entstehen und bestehende Strukturen stabilisiert und fit für den internationale Wettbewerb gemacht werden. Dafür müssen die deutschen Startups aber auch auf ihren nationalen Partner schauen und nicht damit liebäugeln, dem Exit im Silicon Valley zu finden.
Für das Startup-Land Deutschland ist nicht die Kill Zone das Problem, sondern eher die geringe Gründungsneigung. Und da tut sich, schaut man auf die letzten Studien zu diesem Thema wie den KfW-Gründungsmonitor oder die GEM-Studie zu Deutschland, nicht wirklich viel.
Samstag, 26. Mai 2018
Chinesische Ambitionen
Die Bundeskanzlerin ist gerade in China. Und nicht zufällig werden passend dazu neue Studien zu Chinas Rolle in der Welt veröffentlicht. So z.b. eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die belegt, dass chinesische Investitionen in deutsche Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker auf einige wenige Schlüsselsektoren zielten, die auch in der übergreifenden chinesischen Strategie "Made in China 2025" im Fokus stehen. Das ist nicht völlig überraschend, letztlich spiegelt die chinesische Strategie vor allem die bereits laufende Schwerpunktsetzung im Lande wieder, und da ist die Wahrscheinlichkeit dann besonders hoch, dass auch die Perlen der deutschen Industrie gerne in den Blick genommen werden, zumal private Investoren aus China oder staatliche Unternehmen mit einer wohlwollenden Reaktion des chinesischen Staates rechnen können.
Allerdings ist eine planvolle Umsetzung dieser Strategie des gezielten Aufkaufs aus deutscher und europäischer Sicht schon ein wenig beunruhigend, auch da hier zum Teil sehr konspirativ vorgegangen wird. Die heimlich vorgenommenen Investitionen bei Daimler zum Beispiel kamen in der deutschen Öffentlichkeit nicht besonders gut an, zumal es hier auch nicht nur um eine kleine Perle, sondern eher um die Kronjuwelen der deutschen Wirtschaft geht. Aber mittlerweile gibt es ja auch heftige Diskussionen auf europäischer Ebene, wie man solchen chinesische Einkaufsgelüsten bei strategisch relevanten Unternehmen einen Riegel vorschieben kann. In Deutschland bleibt die Diskussion weiterhin kontrovers: Während der Chef des Verfassungsschutzes mit den Worten zitiert wird, es gehe um aufkaufen und ausschlachten, spricht sich der BDI dafür aus, hier keine künstlichen Barrieren für Investitionen aufzubauen.
Völlig neu war mir die ganz aktuelle amerikanische Diskussion über das verstärkte Engagement chinesische Venture Capital Firmen im Silicon Valley. Auslöser die Diskussion waren wohl zwei Studien amerikanischer Behörden, die vor einem Ausverkauf von technologischem Know-how durch strategische Investitionen chinesischer Investoren warnten. Was den Deutschen ihre hidden champions, sind den Amerikanern ihre Silicon Valley Firmen. Zwar sind sich die Kommentatoren in den USA im Grundsatz weitgehend einig, dass eine Regulierung hier dringlich ist, und die amerikanische Regierung unter Trump scheint auch mehr als bereit zu sein, chinesischen Einfluss zurückzudrängen. Gleichzeitig gibt es aber auch kritische Stimmen, die davor warnen, das weltweite Innovationsnetzwerke, die mittlerweile dann doch auch chinesische Akteure intensiv miteinbeziehen, durch solche Regelungen beschädigt werden. Es ist also für die USA ebenso wie für Europa nicht mehr ganz so einfach, schlicht die chinesischen Akteure draußen zu halten und gleichzeitig weiter vorne im Innovationswettkampf zu bleiben. Innovativ bleiben geht in vielen Schlüsselbereichen in Zukunft nur noch gemeinsam mit den chinesischen Partnern, nicht mehr allein gegen sie. Zudem scheinen die Investitionen chinesischer VC Firmen im vergangenen Jahr zurück gegangen zu sein, da es eine verstärkte Regulierung von Seiten des chinesischen Staates gab, um den übermäßigen Transfer - man könnte auch Flucht von Kapital sagen - ins Ausland zu unterbinden.
Neben realen Veränderungen der Machtverhältnisse und der spürbaren Auswirkungen chinesischer Strategien einer technologischen Entwicklung sind hier also durchaus auch irrationale Ängste mit dem Spiel, die Macht- und Kontrollverlust befürchten und zu Überreaktion führen könnten. Die Frage wird dadurch noch komplexer, dass es nicht nur um scheinbar einfache Fälle kritischer Infrastrukturen geht, in denen man den ausländischen Einfluss aus naheliegenden Gründen möglichst gering halten möchte. Es geht um Innovationen und Zukunftstechnologien, deren Relevanz man heute noch gar nicht wirklich absehen kann.
Sind Investitionen in einem Hersteller von Industrierobotern entscheidend für Deutschland Sicherheit oder nicht? Oder ist es einfach nur ein Business Deal?
Ist es ein Vorteil, wenn deutsche, europäische oder amerikanische Startups schnell nach China gehen und dort Erfahrungen sammeln, oder sind sie dann schon im gegnerischen Einflussbereich? Brauchen wir chinesische Startups in Europa, die hier nachher bringen und Arbeitsplätze schaffen, oder sind das Konkurrenten?
Ob die verstärkte Interaktion mit China eher segensreich oder der Anfang vom Ende ist, hängt stark von den Entwicklungen in China selbst habe. Und die sind nur bedingt absehbar, das hat bereits vor zwei Jahren ganz schön eine Foresight-Studie der Bertelsmann-Stiftung auf den Punkt gebracht. Auf eine interaktive Website kann übrigens jeder selbst einmal in die Glaskugel schauen und seine Prognosen abgeben.
Samstag, 19. Mai 2018
Akzelerationisten und Innovation
Vor ein paar Tagen las ich in der neuen Ausgabe von brand eins ein interessantes Interview mit dem Berliner Philosophen Armen Avanessian. Entgegen dem Zeittrend zu Entschleunigung, wie ihn der (ebenfalls) Philosoph Hartmut Rosa oder auch der Wachstumskritiker Niko Paech propagieren, sprach sich Avanessian dort für einen Beschleunigung der Moderne aus. Die Probleme unserer Zeit seien nur mit mehr Technologie, mit schnelleren Entwicklungsprozessen und einer deutlich dynamischen Anpassung auch der Politik zu bewältigen, wo vieles noch zu langsam gehe. Es könne nicht sein, Entschleunigung zu predigen angesichts der Herausforderungen, vor denen wir heute ständen. Es geht Avanessian darum, die positiven Aspekte von Technologie und Wissenschaft im Blick zu behalten und hier aufs Tempo zu drücken. Avanessian ist nicht allein, und die Bewegung hat auch einen schönen Namen, die Akzelerationisten. Mir war der Begriff komplett neu, deshalb habe ich ein wenig in gegoogelt und bin auf eine wirklich interessante Geschichte gestoßen.
Die Kollegen von brand eins sind nicht die ersten, die auf die Akzelerationisten gestoßen sind. In Deutschland hatte diese "Bewegung" den Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit schon in den Jahren 2013 folgende, nachdem das Buch #Akzeleration veröffentlicht worden war. Für die Frankfurter Allgemeine kam dort eine neue Linke zur Sprache, die den Kapitalismus durch Beschleunigung zerstören möchte. Im Deutschlandfunk wurde unter anderem die enge Verbindung des Akzelerationismus zu Science-Fiction hervorgehoben. Die Bewegung, ursprünglich in den 90er Jahren in Großbritannien entstanden, lies sich stark durch Bücher wie "Neuromancer" oder Filme wie Terminator und Matrix beeinflussen. Sie kann auch als besondere Ausprägung einer Popkultur verstanden werden, in der Technik, Kunst und Philosophie zusammenfließen. Die Schriften der Akzelerationisten wirken in ihrem assoziativen Duktus literarisch, Musik spielt in der Bewegung eine große Rolle. Außerdem hat die Zukunft des Menschen in einer technisierten Welt eine besondere Faszination für die Akzelerationisten, der Transhumanismus, also die Überwindung des biologischen Menschlichen durch eine Verschmelzung mit Technik, durch den Cyborg ist eine Fantasie, die auch im Akzelerationismus mitschwinkt. Es gab allerdings auch sehr kritische Stimmen, die dem Akzelerationismus ein geradezu totalitäres Verständnis von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft nahe legten. Einerseits propagiert der Akzelerationismus ein Zukunftsbild jenseits von links und rechts, andererseits ist er schon lange in eben solche rechte und linke Fraktionen gespalten.
Den besten Überblick über die Entwicklung der Bewegung, die ursprünglich Texte französischer Philosophen der 70er Jahre aufgriff und dann mit den Frustrationen der 80er Jahre und den Utopien neuer Technologien ein Amalgam schuf, dass bis heute lebhafte Diskussion hervorruft, gibt ein langer Artikel im Guardian. Er beschreibt auch sehr anschaulich die geradezu sektenhafte Gruppendynamik des Kreises um Nick Land, die Euphorie und enge Zusammenarbeit, die geradezu an die Factory von Andy Warhol einnert, aber auch die Spaltungen, das Abdriften zentraler Akteure in rechtsextreme Fraktionen, während andere sehr linke Gesellschaftsmodelle entwickelten.
In der aktuellen deutschen Diskussion sind eher die linken Vertreter des Akzelerationismus präsent, die Themen wie ein generelles Grundeinkommen oder ein Ende der Arbeit durch eine flächendeckende Automatisierung thematisieren. Im Karl-Marx-Gedenkjahr darf zudem nicht der Hinweis fehlen, dass die Diskussion um den Akzelerationismus auch immer wieder Bezug auf Karl Max genommen hat, insbesondere auch sein "Maschinenfragment". Hat Max tatsächlich eine Beschleunigung des technologischen Fortschritts herbeigesehnt, um die Früchte der Automatisierung zu ernten und gleichzeitig dem Kapitalismus den Todesstoß zu versetzen? Oder ist das eine verkürzte Lesart von Marx, um eigenen Thesen eine gewisse Würde und Autorität zu verleihen. Die digitale Revolution und Karl Marx wären allerdings ein Thema, das einen eigenen Blog-Einntrag verdienen würde. Fast alle Artikel der letzten Wochen und Monate, die sich mit Marx beschäftigen, verweisen an der ein oder anderen Stelle auf das genannte Maschinenfragment und die dort formulierte Vision einer technologischen Beschleunigung.
Bleibt noch klarzustellen: Dass aktuelle brand eins -Heft hatte eigentlich Entschleunigung als Titelthema, der Akzelerationismus war hier nur der kleine provokante Kontrapunkt.
Donnerstag, 10. Mai 2018
Foresight und Innovationspolitik
Vor ein paar Tagen veröffentlichte die Stiftung Wissenschaft und Politik ihre neue Foresight-Studie. Seit ein paar Jahren bringt die Stiftung, die einer der wichtigsten Think Tanks Deutschlands im Bereich internationale Politik ist, solche Studien heraus. Es geht darum, Szenarien alternativer Entwicklung internationaler Politik zu skizzieren, die zunächst unerwartet und unwahrscheinlich klingen, aber erhebliche Konsequenzen haben könnten. Also hohe Unwahrscheinlichkeit, aber hohe Auswirkungen. Ein bisschen das Konzept des schwarzen Schwans.
Foresight ist ein methodischer Ansatz, der im Bereich der Innovationspolitik seit vielen Jahren gern genutzt wird. Dabei geht es vor allen Dingen darum zu überlegen, welche Technologieentwicklungen möglich und wahrscheinlich wären, oder auch zu analysieren, welche gesellschaftlichen Trends Auswirkungen auf Innovationspolitik haben könnten, weil sie z.b. neue Bedarfslagen schaffen oder ein verändertes Nutzerverhalten bewirken.
Was ich bislang nicht kenne, sind Foresight-Ansätze dazu, wie sich die Politikebene selbst verändern könnte, welche Ereignisse dazu führen könnten, dass hier eingetretene Pfade verlassen werden müssen. Dies liegt vielleicht auch darin begründet, dass sich Innovationspolitik und ihre Rahmenbedingungen nur sehr gemächlich zu verändern scheinen. Vergleichende Innovationsindikator-Studien wie das European Innovation Scoreboard oder der Innovationsindikator damit immer wieder zu kämpfen, dass sich in kurzen Zeiträumen relativ wenig ändert im Vergleich zwischen unterschiedlichen national innovationspolitiken und den ihnen zugrundeliegenden Strukturen. Es kommt halt meistens auf relativ fest gefügte Strukturen an, die Branchenstruktur eines Landes, das Universitätssystem, die Unternehmenskultur und so weiter. Wie langweilig.
Aber natürlich sind auch externe Schocks denkbar, die solche eingetretene Pfade nachhaltig beeinflussen könnten. Das liegt schon in der Natur des Innovationskonzept, dass ja auf das Neue, das Disruptive setzt. Der technologische Durchbruch, der alles auf den Kopf stellt und etablierte Branche und Unternehmen hinwegfegen. So wie die Digitalisierung die analoge Fotografie vernichtet hat. Das ist z.B. die große Angst der deutschen Automobilhersteller, dass ein schneller technologischer Wandel, z.B. in der Elektromobilität, alte Geschäftsmodelle komplett umkrempeln und neuen Player ziemlich viele Marktanteile schenken könnte. Die Automobilbranche ist für Deutschland eine zentrale Größe in der Innovationspolitik. Der Stifterverband für die Wissenschaft, der jährlich die Forschungsausgaben der Privatwirtschaft untersucht, ist in seinen letzten Berichten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Konzentration auf die Automobilbranche in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat. Wenn hier eine Branche zusammenbrechen sollte, weil sie durch den technologischen Wandel nicht mehr wirtschaftlich arbeiten kann, dann würde das massiv auf das gesamte Innovationssystem wirken, da riesige Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden. Natürlich könnte der Versuch der Autobauer, hier mitzuhalten beim Technologieumbruch, auch dazu führen, dass noch mehr Geld in Forschung und Innovation gepumpt wird. Und nicht unwahrscheinlich ist, dass sie damit Erfolg haben könnten und alles so bliebe wie bisher. Im Moment ist der Wechsel vom klassischen Verbrennungsmotor zum Elektromotor auch eher eine Schnecke als ein Rennpferd. Also ein eher unwahrscheinliches Szenario mit enormen Auswirkungen.
Geld kommt aber nicht nur von den Unternehmen, sondern auch vom Staat. Hier haben wir in den letzten 10 Jahren erlebt, wie die Politik echte Prioritäten gesetzt und die Ausgaben für Forschung und Innovation kontinuierlich und ziemlich erheblich erhöht hat. Das hat private F&E Investitionen weiter stimuliert, der Anteil der F&E Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist kontinuierlich gewachsen und Deutschland hat das selbst gesteckte Ziel von 3% hier praktisch erreicht. Die neue Bundesregierung hat sich darum das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 nun 3,5% anzustreben. Die F&E Ausgaben also weiter zu erhöhen. Aber wäre es auch denkbar, das hier schon früher das Ende der Fahnenstange erreicht ist, dass die Ausgaben nicht mehr so schnell wachsen, dass sie vielleicht sogar kaum noch wachsen oder gar schrumpfen? Der aktuelle Bundeshaushalt, die sich noch in der Beratung befindet und erst im Sommer verabschiedet wird, lässt schon erahnen, dass diese Ausgaben möglicherweise nun etwas langsamer wachsen. Verglichen mit den Vorjahren sind die Gelder, die für Forschung Innovation bereitgestellt werden sollen, nicht mehr ganz so üppig. Ja, es gibt vermutlich mehr Geld als im Vorjahr, aber andere Ministerien scheinen deutlich mehr rausgehandelt zu haben. Und das in Zeiten durchaus gut gefüllter öffentliche Kassen. Wie könnte die Situation erst aussehen, wenn die Mittel plötzlich knapp werden, weil z.b. eine Rezession droht, oder weil plötzlich in anderen Politikfeldern unerwartete Mehrausgaben anstehen. Da könnte der ein oder andere Finanzminister durchaus auf die Idee kommen, dass Forschung und Innovation in den vergangenen Jahren ja ganz gut bedient worden und das jetzt langsam mal Schluss ist. Das würde in einem System, das in den letzten Jahren an ein ständiges Wachstum gewöhnt wurde, ziemliche Schockwellen auslösen. Zumal in manchen Bereichen des Forschungs- und Innovationssystem schon quasi langfristig Mehrausgaben fest eingeplant wurden, so z.b. im Pakt für Forschung und Innovation, der die außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Institute finanziert. Das würde möglicherweise also zu noch heftigeren Rückgängen in anderen Teilbereichen führen müssen, um dies zu kompensieren.
Vielleicht ändert sich aber auch weniger die Höhe der Forschungs- und Innovationsausgaben, sondern die Art und Weise, wie dieser ausgegeben werden. Die Bundesregierung möchte ja in dieser Legislaturperiode endlich eine steuerliche Forschungsförderung einführen. Fast alle anderen Ländern haben ein solches Förderinstrument, nur Deutschland nicht. Die aktuell diskutierten Modelle sehen eine steuerliche Förderung allerdings nur als (kleinere) Ergänzung des bisherigen Fördersystems. Die direkte Förderung im Rahmen von Forschungsprojekten soll im Grundsatz nicht angetastet werden. Allerdings stehen für dieses Politikfeld insgesamt dann doch nur beschränkte Mittel zur Verfügung, was den einen gegeben wird, wird mittelfristig vielleicht den anderen genommen. Und der Blick über die nationalen Grenzen (z.B. auf die Niederlande) zeigt, dass in anderen Ländern die steuerliche Förderung sehr schnell zu einem erheblichen, ja gerade einem dominanten Instrument der Forschungs- und Innovationsförderung werden kann. Hier gebe es ganz klar Gewinner und Verlierer, das System würde ziemlich umgekrempelt werden.
Auch die internationale Landschaft, in der wir unsere Innovationspolitik betreiben, könnte sich unerwartet schnell ändern. Das zumindest legen auf den ersten Blick die Ereignisse in den USA seit dem Amtsantritt von Donald Trump nahe. Wissenschaft wird plötzlich zum Buhmann, Forschungsausgaben sollen massiv gekürzt werden, die Einwanderung von hochqualifizierten Fachkräften wird erschwert, der internationale Austausch behindert. Könnte dies zum Absturz des amerikanischen Wissenschafts- und Forschungsystems führen, würde das globale Powerhouse der Innovation in sich zusammenbrechen, und damit auch der beständige Strom an neuen Ideen, an exzellenten Forschungsergebnissen und Nobelpreisträgern? Würde das Deutschlands Wettbewerbsposition eher stärken oder schwächen? Möglicherweise stellt sich die Frage so bald nicht, denn der Blick auf die USA seit Trump zeigt auch, wie widerstandsfähig das Wissenschaftssystem ist. Der aktuelle Haushalt der amerikanischen Regierung sieht dann doch nicht die einschneidenden Kürzungen bei Forschungsausgaben vor wie zunächst befürchtet.
Und was sagt uns das alles nun? Sind das Indikatoren für Resilienz, für Widerstandsfähigkeit eines gut funktionierenden Systems, nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland? Oder sind dies Pfadbhängigkeiten, die aufgrund struktureller Veränderungen nur schwer verändert werden können und die dann umso anfälliger für unerwartete externe Schock sind. Müssen wir uns Sorgen machen, oder können wir uns entspannt zurücklehnen? Eine vertiefte Foresight-Analyse im Sinne der obigen Skizze könnte durchaus interessant sein. Was wäre, wenn ....?
Samstag, 14. April 2018
Science Fiction und March for Science
Dieses Wochenende findet wieder der March for Science statt, die Großdemonstration für die Wissenschaft und gegen alternative Fakten. Ausgelöst wurde die Bewegung letztes Jahr durch die als wissenschaftsfeindlich erlebte Politik des neuen US-Präsidenten. Seitdem sind die Sorgen nicht kleiner geworden. Zwar sind die angekündigten Haushaltskürzungen im Bereich Wissenschaft in den USA ausgeblieben, gleichwohl sind wichtige Posten mit Personen besetzt worden, die nicht gerade als wissenschaftsfreundlich zu bezeichnen sind - wenn überhaupt Posten besetzt wurden. Es ist also zu erwarten, dass auch dieses Jahr wieder viele viele Menschen für die Wissenschaft auf die Straße gehen, und das weltweit.
In Deutschland wird dieses Jahr nicht nur demonstriert, in einigen Städten wie Berlin auch der Dialog mit der Gesellschaft gesucht, in Kneipen und Cafés, überall dort, wo sich Menschen begegnen. Eigentlich ist die deutsche Gesellschaft ja sehr wissenschaftsfreundlich eingestellt, auch die Politik tut ihr Bestes, sodass man hierzulande kaum Sorgen haben muss das ähnliche Zustände wie in den USA drohen. Trotz aller Klagen um die angebliche Technikskepsis der Deutschen hat Wissenschaft einen sehr guten Ruf. Daran ändern auch kleine und laute Gruppen nichts, die sich skeptisch gegenüber Fakten zeigen.
Um die Wissenschafts - und Technikbegeisterung einer Gesellschaft zu befördern, kommen manche Regierungen übrigens auf ganz sonderbar Ideen. Die chinesische Regierung z.B. scheint verstärkt die Produktion von Science Fiction zu fördern, um die Technikbegeisterung in der chinesischen Gesellschaft zu stärken. Das zumindest behauptet die Zeit, die sich mit dem Hype über chinesische Science Fiction beschäftigt und dabei insbesondere Bezug auf die Trisolaris-Reihe des chinesischen Autors Cixin Liu nimmt. Dieser frönt tatsächlich einer gewissen Technikeuphorie, um die aktuellen und zukünftigen Probleme dieser Welt zu lösen und der Bedrohung durch Außerirdische zu begegnen.
Die segenbringende Wirkung von Science Fiction - dazu passt auch die folgende Quelle: Technology Review berichtete gerade von einer amerikanischen Studie, nach der Science Fiction messbaren Einfluss auf reale Wissenschaft hat. Da kann man den Amerikaner nur raten, mehr Science Fiction zu schreiben und zu lesen. Der Economist hat gerade eine aktuelle Grafik online gestellt, auf der zu sehen ist, wie die Anhänger der Theorie, die Erde sei eine Scheibe, neuerdings an Einfluss gewinnen, während die Gläubigen der Chemtrail-Theorie zurückbleiben. Zumindest für die Trisolaris-Angreifer aus dem Weltraum ist ja vielleicht eine flache Erde schlechter zu finden als der gewohnte runde Ball.
Update: und so lief der March for Science dann gestern in den USA
Samstag, 17. März 2018
Steven Pinker oder wie schön ist die Welt
In eine ähnliche Kerbe haut bald wieder Steven Pinker, ein amerikanischer Experimentalpsychologe und Kognitionswissenschaftler, der schon 2011 mit seinem Buch "Gewalt. Eine Geschichte der Menschheit" für großes Aufsehen gesorgt hatte. In diesem Buch trug Pinker eine Unzahl an Daten und Statistiken zusammen, um zu beweisen, dass unsere Welt immer weniger gewalttätig wird, dass die Zahl der Kriegstoten und derjenigen, die Gewaltverbrechen zum Opfer fallen, zumindest aus der Distanz betrachtet kontinuierlich zurückgeht.
Samstag, 10. März 2018
Künstliche Intelligenz, Zauberlehrling und Büchse der Pandora
Samstag, 3. März 2018
Produktivitätswachstum, das unbekannte Wesen
Donnerstag war ich bei der öffentlichen Vorstellung des Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation - EFI. Ein Tag zuvor hatten die Experten ihr Gutachten der Bundeskanzlerin übergeben, so wie jedes Jahr. Jetzt stellten sie sich der Diskussion mit dem Fachpublikum. Versammelt waren die üblichen Verdächtigen, Vertreter von Wirtschaftsforschungsinstitute, Projektträger, Ministerien und ähnlichen Einrichtungen. Im Zentrum der Diskussion mit der Expertenkommission standen die Themen steuerliche FuE-Förderung, die Förderung radikaler Innovationen oder auch das Verhältnis von Nachhaltigkeit und Innovationspolitik. Ein Thema des aktuellen Gutachtens wurde allerdings nicht angesprochen, der langsame, aber beständige Rückgang des Produktivitätswachstum all überall auf der Welt. Die Experten hatten ihr entsprechend des Kapitels war kurz vorgestellt, das Publikum aber biss nicht wirklich an.
Vielleicht lag dies auch an der etwas enttäuschenden Generalaussage. Alle möglichen Fakturen kämen dafür infrage, diesen Rückgang des Produktivitätswachstum zu erklären, aber so richtig genaues weiß man nicht. Und auch die Handlungsempfehlungen blieben ein bisschen im Allgemeinen. Nicht zuviel regulieren, den Wissenstransfer unterstützen, überhaupt eine aktive Innovationspolitik machen. Das sind alles schöne fromme Wünsche, aber ob sie tatsächlich spezifisch einen Beitrag dazu leisten könnten, den langfristigen Rückgang des Produktivitätswachstum zu beeinflussen, ist doch eher fraglich.
Die Expertenkommission hatte übrigens zur Beantwortung dieser Fragen auch ein- sehr lesenswertes - Gutachten beim Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Auftrag gegeben, welches sich als Metastudie die breite Literatur zum Thema zu Gemüte führte.
Die Thesen zum Thema könnten unterschiedlicher nicht sein. Von der Annahme, dass einfach alle spannenden Innovationen jetzt schon verwirklicht sind, sozusagen die Idee vom Ende der Innovationsgeschichte, bis hin zur Hoffnung, dass die Produktivitätseffekte der digitalen Revolution einfach noch kommen und halt ein bisschen länger brauchen, also sozusagen das Prinzip Hoffnung, ist wirklich alles mit dabei. Auch Marktkonzentration und Plattformökonomie-Effekte könnten dafür verantwortlich sein, dass nur noch ein paar Top -Firmen schnelle Produktivitätszuwächse verwirklichen, während der Transfer und die Diffusion in die Breite der Unternehmenslandschaft ziemlich verwirrt und so der Abstand zwischen den sogenannten "frontier firms" und den sogenannten "laggarts" immer größer.
Man muss sagen, das Thema Produktivitätswachstumsrückgang ist im Moment ziemlich hip, so ziemlich jeder scheint sich damit zu beschäftigen. Letztes Jahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie in Auftrag gegeben, dabei lag der Fokus sehr spezifisch auf der deutschen Entwicklung, und die Studienehmer vom Institut für Weltwirtschaft haben ebenfalls ganz viele Hypothesen (etwas stärker als bei EFI hier die Untersuchung demographischer Effekte) getestet und sind zu dem etwas unbefriedigenden Schluss gekommen, das doch sehr unterschiedliche Faktoren in den letzten 20 Jahren für den Rückgang in Deutschland verantwortlich waren. Aber insgesamt sahen die Autoren keinen Grund zur Panik.
Unterm Strich scheint mir der Rückgang des Produktivitätswachstum kein Thema zu sein, mit dem man die Öffentlichkeit hinterm Ofen hervorlocken. Der Trend ist global, trifft auch die Wettbewerber, also kein Grund zur Panik? Und darüber hinaus bleibt ja immer noch die Hoffnung, dass die Digitalisierung alles regelt, dass künstliche Intelligenz den entsprechenden Schub gibt. Und das ist ja auch das Heilsversprechen der Digitalisierung, die der Angst vor Arbeitsplatzverlust entgegengesetzt wird. Wir brauchen Rationalisierungseffekte, um Produktivitätswachstum zu erreichen, sonst sind wir nicht wettbewerbsfähig. Und überhaupt droht ja eigentlich eher ein Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern, die die ganze Arbeit machen können, angesichts des demografischen Wandels.
Das mag alles stimmen, unterm Strich sind es aber vermutlich eher nicht die Globalbetrachtungen, die uns weiterhelfen. Zur Herausforderung dürften vielmehr die Unterschiede zwischen einzelnen Sektoren, zwischen unterschiedlichen Qualifikationsprofil and, zwischen unterschiedlichen Regionen werden.
Und hier könnte es schon zum Problem werden, wenn die Produktivität in manchen Bereichen, in manchen Firmen, in manchen Regionen deutlich langsamer wächst als in anderen. Und hier könnte zudem die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eher noch die Unterschiede vergrößern als einebnen.
Donnerstag, 1. Februar 2018
Klon-Affen und Evaluation
Eine Sensationsmeldung schaffte es vor zwei Wochen in die Hauptnachrichten: in China wurden erstmals erfolgreich Affen geklont. Droht jetzt auch bald das Klonen von Menschen? Ich habe hierzu kürzlich einen wirklich interessanten Beitrag des Deutschlandfunk gehört. Tatsächlich stand dort weniger die Spekulation über Klonmenschen im Vordergrund, das wurde eher als längerfristig unwahrscheinlich eingeschätzt. Es ging vielmehr um den eigentlichen Grund für das Klonen von Affen, nämlich die medizinische Forschung. Die Forschung an Affen wird insbesondere für Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz immer wichtiger, weil Affen aufgrund ihres großen Gehirns den Menschen doch etwas ähnliches sind als Mäuse und Ratten. Und Klonaffen haben den Vorteil, dass sie genetisch identisch sind. Man kann also an ihnen die perfekte Kontrollgruppen-Studie durchführen. Zwei Gruppen von Affen werden gebildet, die eine bekommt eine Behandlung, die andere nicht. Jede Veränderung des behandelten Affen ist dann tatsächlich auf die verwendete Therapie zurückzuführen, und nicht mehr auf die individuellen, genetisch bedingte Unterschiede.
Ich dachte bislang immer, das Konzept des Kontrollgruppenansatzes aus dem Bereich der Medizin sei dort zumindest etabliert und soweit ausgereift, dass es kaum noch verbessert werden kann. In den Sozialwissenschaften, in denen ich unterwegs bin und in denen immer wieder auch die Nutzung eines Kontrollgruppenansatzes z.b. bei der Evaluation von Innovationspolitiken gefordert wird, ist das ganze viel schwieriger. Die Kontrollgruppe soll ja eigentlich in allen wesentlichen Merkmalen derjenigen Gruppe gleichen, die in unserem Fall durch eine spezifische Maßnahme beeinflusst wird. Und das ist im Gegensatz zur Medizin nicht so einfach, weil es hier nicht um einem Schicksalsschlag, eine Krankheit geht, sondern um die bewusst angestrebte Teilnahme an einem Förderprogramm. Wer hier teilnehmen möchte, wer hat schon einen Grund dafür, und wer dies nicht tut, der hat ebenfalls einen Grund.
Eine Möglichkeit mit diesem Dilemma umzugehen, wäre ein Experiment. Man würde alle Bewerber um eine Fördermaßnahme in zufällig in zwei Gruppen teilen, diejenigen, die ein Unterstützung bekommen, und diejenigen, die keine bekommen. Das Innovation Growth Lab aus London wirbt heftig für solche Ansätze, aber in der Praxis ist eine "Lotterie" der Innovationsförderung in der Regel kaum politisch durchsetzbar.
Ein zweiter Ansatz besteht darin, diejenigen Antragsteller, die knapp gescheitert sind, mit denjenigen zu vergleichen, die es knapp in die Förderung geschafft haben. Beide Teilgruppen sollten sich nur wenig unterscheiden, sodass die weitere Entwicklung der entsprechenden Akteure vor allen Dingen davon abhängen sollte, ob sie nun gefördert wurden oder nicht. Leider kann ein solcher Ansatz nur dann umgesetzt werden, wenn es sich um wirklich große Fördermaßnahmen handelt, damit diese beiden sehr speziellen Gruppen auch groß genug sind für einen Vergleich. Und natürlich sollte es eine Art Punktesystem beide Antragsbeurteilung geben, damit wirklich nur diejenigen untersucht werden die nur sehr knapp gescheitert sind oder es nur sehr knapp geschafft haben. Diese Randbedingungen allerdings sind wieder nur sehr selten gegeben, sodass sich auch ein solcher methodischer Ansatz meist nicht eignet. Außerdem ist es nicht so einfach, einen gewissen Placeboeffekt herauszurechnen, der sich daraus ergibt, dass alleine die Bemühungen um die Teilnahme an einem Förderprogramm schon zu Veränderungen führen könnten, die dann das Ergebnis verzehren.
Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe weiterer Ansätze, die mehr oder weniger gut funktionieren. Man kann aus einer großen Gruppe nicht-teilnehmende Akteure statistische Zwillinge bilden, also genau gleiche Akteure suchen, die sich sonst praktisch nicht von den teilnehmenden Akteuren unterscheiden. Sozusagen die Suche nach dem natürlichen Klon. Das ist auf Basis der im Moment verfügbaren Daten allerdings eine ziemliche Herausforderung. Der Traum vom Glück eines jeden Innovationsforscher wäre es, wenn tatsächlich alle relevanten Akteure in einer Datenbasis erfasst wären und alle relevanten Merkmale und Indikatoren dort abgespeichert. Also z.B. auch, an wie vielen verschiedenen Fördermaßnahmen diese Einrichtung schon in der Vergangenheit teilgenommen hatte. Dann könnte ein schlauer Algorithmus tatsächlich ermitteln, welcher Faktor nun ausschlaggebend für eine spezifische Veränderung ist. Das wäre sozusagen der Klon-Moment der Innovationsforschung.