Sonntag, 24. August 2014

Die Abwicklung

Ich habe gerade das wunderbare Buch "Die Abwicklung" von George Packers gelesen, indem der soziale, politische und kulturelle Wandel Amerikas in den letzten 30 Jahren geschildert wird. In vielen miteinander verwobenen Handlungssträngen zeichnet der Autor ein sehr schwarzes Bild von Amerika. Die Wallstreet wird immer gieriger, die politische Klasse korrupter, und auch die Helden von Silicon Valley kommen nicht besonders gut weg.

Ziemlich beeindruckend ist zum Beispiel auch das Kapitel zum Niedergang der alten industriellen Zentren der Stahlindustrie. Dieser Niedergang wird nicht nur durch die Globalisierung getrieben, auch eine unfähige alte Elite trägt erheblich dazu bei. Letztlich also scheitert die Politik.

Das Thema des schwächelnden Produktionsstandortes USA beschäftigt die Amerikaner schon seit geraumer Zeit.  Think Tanks haben sich dazu vielfach geäußert und die amerikanische Regierung hat entsprechende Programme aufgelegt.

Neben der nationalen Ebene gibt es aber auch eine lokale Ebene. Manche Städte haben es einfach besser verstanden als andere, den Strukturwandel zu bewältigen und als Innovations- und Produktionsstandort attraktiv zu bleiben. Sehr beeindruckt beschreibt dies zum Beispiel dieser Bericht zu Pittsburg. Das World Economic Forum beschäftigt sich in diesem und anderen Artikeln seit einiger Zeit sehr intensiv mit dem Zukunft der Städte und versucht, aus good practice und bad practice -Beispielen Erfahrungswerte für die Zukunft unserer Städte abzuleiten.

Für die Optimisten das World Economic Forum ist Technologie ein wichtiger Lösungsweg auch zur Bewältigung politischer Probleme wie Korruption. Das zeigt zum Beispiel der jüngste Blogbeitrag zum Thema open budget data.

Ich wäre da etwas skeptischer, ob neue Technologien wirklich eingefahrene Verhaltensmuster wie Korruption verändern können. "Die Abwicklung" zeigt eigentlich sehr schön, wie Machtinteressen und persönliche Eitelkeiten Stück für Stück die politische Kultur und damit auch die materielle Wirklichkeit eines Landes verändern.

Auch auf der Ebene der Stadt machen Smart City Konzepte Städte nicht wirklich smarter, wenn sich auf der politischen Ebene nichts bewegt.

Samstag, 16. August 2014

Digitale Agenda

Nächste Woche wird die Bundesregierung die Digitale Agenda im Kabinett beschließen. Darin steht vermutlich vieles, was nicht ganz neu ist: der Ausbau des Breitbandnetzes, die Vernetzung der Fabriken im Sinne einer digitalen Produktion und auch die Förderung von Gründern im Bereich IKT. Einige Überraschungen werden sicher auch drin sein in der digitalen Wundertüte - lassen wir uns überraschen.
Viel wichtiger ist aber eigentlich eine übergreifende Strategie und eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ressorts. Tatsächlich gibt es einige digitale Themen, in denen Deutschland nicht als Klassenprimus da steht, zum Beispiel bei den eher mageren und weiter zurückgehenden Gründungszahlen.
Die Bertelsmann-Stiftung hat gerade die Ergebnisse einer neuen Studie veröffentlicht, in der sich die Deutschen als potentielle Gründer outen, denen nur das nötige Know-how beziehungsweise die nötige Schulbildung fehlen.
Das haben die einschlägigen Industrieverbände schon immer gewusst und gefordert. Und tatsächlich, eine Studie aus Skandinavien zeigt, daß junge Menschen, die in der Schule ein entsprechendes Fach Wirtschaft oder Gründung belegten, hinterher häufiger und auch erfolgreicher gründeten. Aber Schulpolitik ist Ländersache, da wird der Bund nur wenig ausrichten können.
Ein anderes Betätigungsfeld betrifft die Finanzierung von Gründen. Erst letzte Woche hat das Wirtschaftsministerium stolz verkündet das der Mezzanin-Fonds der KfW deutlich ausgeweitet wird. Aber irgendwo muss noch mehr Geld her.
Der große Unterschied Deutschland zu den USA besteht ja unter anderem gerade darin, dass keine großen Investitionen von Pensionskassen und Versicherern in Start-ups erfolgen. Die deutschen Verbände haben sich jetzt dafür stark gemacht, die Möglichkeiten für solche Institutionen Investitionen zu verbessern und sich am Beispiel der Schweiz zu orientieren, die einen Zukunftsfonds geschaffen hat.
Ein weiteres Schlagwort der digitalen Agenda wird sicher auch die Crowd sein. Zum Thema Crowdfunding erschien gerade ein neuer Artikel, der auf Studien verweist, die die Weisheit der Crowd bei der Wahl der richtigen, erfolgversprechenden Projekte belegen - zumindest gilt dies für Projekte aus dem Kreativbereich. Außerdem scheint die Crowd weiblichen Entrepreneuren eher Geld zu geben als klassische Finanziers.
Allgemein steigt ja seit längerem das Volumen an Crowdfunding und Crowdinvesting -Mitteln stetig an. Im Vergleich zur traditionellen Finanzierung von Gründungsideen bleibt das zwar eine Nische, aber eine wachsende und für manche Geschäftsideen durchaus attraktive. Auch hierzu wird sich die Digitale Agenda der Bundesregierung äußern müssen. Der neue Kleinanlegerschutz der Bundesregierung zumindest wurde von der Crowdszene nicht wirklich goutiert.
Vielleicht rettet uns ja am Ende das Privatfernsehen ab August mit seiner neuen Gründershow und macht aus Deutschland ein Land der Gründer und Entrepreneure. Bei der Volksaktie haben die Werbeclips mit Manfred Krug ja damals auch eine echte Trendwende erreicht. Es muss ja nicht alles immer so abstürzen wie der alte neue Markt, oder?
 
P.S. Ein kleiner Nachklapp: Heute hat die Zeit im Wirtschaftsteil ihrer Printausgabe ein Portrait des sicheren Datenhafens Island - sozusagen die Hardwareergänzung zum Estnischen "Sichere-Identitäten"-Ansatz...
P.P.S. Und zur Gründershop "Höhle des Löwen" hier die Bewertung der Berliner Gründerszene nach dem Public Viewing..
P.P.P.S. ... und jetzt auch noch die TITANIC zur Digitalen Agenda...

Samstag, 9. August 2014

Digitale Identitäten

Sommer 2024: Deutschland diskutiert den Aufstieg dunkler, allmächtiger Internetkonzerne, oder vielmehr - die Zeit rezensiert das jetzt endlich auch auf deutsch erschienenen Buch von Daniel Eggers: the circle - und hat gleich noch ein Spezial zu Googles schöner neuer Welt mit im Paket. Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung widmet sich heute diesem Buch, unter anderem in einem Interview mit Daniel Eggers.
Gerade erst haben Kriminelle Millionen von Nutzerdaten und Passwörtern geklaut, die NSA sucht einen neuen Whistleblower. Schreckliche neue Welt der digitalen Identitäten...
Aber halt, ein kleines Volk im Nordosten Europas stellt sich tapfer gegen diesen Trend, es plant mit seiner digitalen ID einen echten Coup. Massiv verschlüsselt, scheint der estnische Personalausweis tatsächlich viel sicherer zu sein als alles, was private Anbieter oder andere Staaten sonst so zu bieten haben. Das ganze Leben soll einfacher dadurch werden, die Anmeldung eines neuen Unternehmens, der Besuch beim Arzt und so weiter und so fort.
Das kennen wir auch aus Deutschland. Hier hat man versucht, zum Beispiel mit der elektronischen Gesundheitskarte oder dem maschinenlesbaren Ausweis die Vorteile einer digitalen Identität zu nutzen. Bislang ist das ganze hier eher ein Flop gewesen (beide Länder im Vergleich in der hörenswerten Sendung auf SWR2 Wissen). Der Economist hat das Thema vor einem Monat ebenfalls aufgegriffen, damals erinnerte er sich mit Grauen an die finanziellen Ausgaben der britischen Regierung, denen nur wenige Erfolge gegenüber stehen. 
Die estnische Regierung scheint jetzt daran zu denken, die ID Cards auch an Ausländer auszugeben, damit auch diese in den Genuss einer einfachen und sicheren digitalen Identität kommen. Damit löst sich die enge Bindung zwischen Staatsbürgerschaft und Ausweis auf, der Ausweis  wird zu einer Eintrittskarte in die digitale Welt, der Staat zu einem Anbieter unter vielen.
Nach so viel Digitalität nun aber noch ein kleines Schmankerl aus der Welt des Analogen. Vergangene Woche hat es ein Papierroboter zu ein wenig Berühmtheit gebracht. Gefaltet in der Technik des Origami, in der Lage, sich selbst auseinander zufalten und zu bewegen. Das Video lohnt sich!
 
P.S.: Im Nachgang noch der Hinweis auf ein Beispiel, wie man das mit den digitalen ID im Gegensatz zu Estland wohl lieber nicht macht...

Donnerstag, 31. Juli 2014

Beziehungsprobleme

Heute erzählt uns die Süddeutsche Zeitung die schöne Sommergeschichte vom Hitchbot, einen kleinen Roboter in Kanada, der gerne per Anhalter quer durchs Land fährt. Eine wesentliche Frage des Projektes ist: Können Roboter Menschen vertrauen? Die Hintergründe werden sehr schön in einem Artikel auf heise online - auch von den Initiatoren - geschildert. Es geht also um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Bisher dachte ich ja als fleißiger Science Fiction Leser, dass eher Menschen Probleme mit Maschinen haben könnten, aber umgekehrt?

In einer Radiovorlesung, die ich kürzlich gehört habe, wurde anschaulich und anspielungsreich das Unbehagen geschildert, dass Menschen angesichts immer menschenähnlicherer Roboter haben. Die konfliktreiche und mitunter tragische Beziehung zwischen Menschen und Maschinen ist nicht neu. Schon das Verhältnis zwischen Nathanael und Orphelia im Sandmann ging nicht gut. Aus Japan stammt die Theorie, dass Roboter, die menschenähnlicher werden, zunächst immer attraktiver erscheinen, aber nur bis zu einem Punkt, wo dieses Verhältnis kippt. Ab einem gewissen Punkt der Menschenähnlichkeit werden die Androiden uns unheimlich - wir befinden uns im sogenannten uncanny valley.

Der Autor des Radiobeitrags führt unser Unbehagen auch auf die perfekte Nachahmung des Menschlichen zurück. Er erinnert an den Turing-Test, in dem die perfekte Nachahmung menschlicher Konversation der Beweis für künstliche Intelligenz sein sollte. Und er führt fort, dass Turing zunächst einen Test vorschlug, der nicht den Unterschied zwischen menschlicher und künstliche Intelligenz betraf, sondern den Unterschied zwischen Männern und Frauen. Es geht also auch um soziale Rollen, um Spiele, in denen der jeweils andere aufs Glatteis geführt wird. Wir kennen dieses Spiel zwischen Menschen und Androiden aus Literatur und Filmen. Wann dürfen wir auch in der Realität mitspielen, wann fährt Hitchbot durch Deutschland?

Montag, 28. Juli 2014

The world in 50 years

Die Welt in 50 Jahren: Wie werden wir leben und arbeiten?  Wird es gerechter zugehen oder ungerechter? Zu diesen und anderen Fragen hat sich die OECD Gedanken gemacht. Ausgehend von der Frage, ob Roboter in Zukunft unsere Arbeit machen, hat die OECD in zwei Blogbeiträgen die positiven wie die negativen Konsequenzen der Roboterisierung skizziert. Insbesondere die Frage, ob sich die Einkommensverteilung wesentlich verändert, ob also die Gesellschaften ungleicher werden, hat die Autoren besonders beschäftigt. Die aktuell heiß diskutierte These zu diesem Thema ist ja, dass insbesondere die Mittelschicht Opfer der Automatisierung werden wird.

Jeremy Bowles vom Bruegel Blog hat gerade mögliche Konsequenzen der Automatisierung auf den europäischen Arbeitsmarkt nachgezeichnet, indem er die Daten eines Papiers aus Oxford auf den europäischen Arbeitsmarkt übertragen hat.

Aber Technik ist nicht der einzige Einflussfaktor auf die Welt in 50 Jahren. Tyler Cowen stellt sich die Frage, ob die Globalisierung vielleicht gerade jetzt ihren Zenit erreicht hat und die Welt der Zukunft sehr viel weniger global sein wird. Auch das mag eine Folge von neuen Technologien sein, wenn zum Beispiel neue Produktionstechnologien die Fertigung vor Ort attraktiver machen.

Ganz heftig wird aus aktuellem Anlass auch die Frage diskutiert, ob die BRICS Staaten ihren Zenit überschritten haben. Wärend Georg Erber von den Oekonomenstimmen der neugegründeten BRICS-Bank keine große Zukunft vorausgesagt, ist Jim O'Neill von Bruegel der genau entgegengesetzten Ansicht.

Insbesondere die Entwicklung Indiens wird zurzeit heftig diskutiert. Durch die Wahl Modis könnte sich ein neuer Entwicklungsphas ergeben. Die Bürokratie müsste abgebaut, der Produktionsstandort Indien gestärkt und eine neue Gründerkultur endfacht werden. Andere Autoren sehen eine Stärkung des Urheberrechts als entscheidend an.

Und wie wird die Fußball Welt in 50 Jahren aussehen? Ob Deutschland wieder Weltmeister wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Aber das Roboter eine gute Chance haben, menschliche Mannschaften zu schlagen, das zumindest hält der Economist für nicht ausgeschlossen.

Sonntag, 6. Juli 2014

Android

Es geht um Talking Heads, um sprechende Köpfe, im letzten Artikel der Zeit mit dem schönen Titel "Der digitale Adam": um den Autor der literarischen Grundlage von Blade Runner (siehe auch meinen Blog zu den träumenden Androiden), Phil Dick, als leibhaftiger Androide. Clemens Setz hat in seinem Artikel die Unmöglichkeit beschrieben, dass der Mensch sein Ebenbild in der Maschine schafft. Wir sind nicht nur nicht Papst,wir sind auch nicht Gott. Der digitale Adam wird anders sein als wir, er wird nicht den Turing-Test bestehen, weil er Turing Test für ihn keine Gültigkeit hat. Die künstliche Intelligenz wird nicht der Logik unserer menschlichen Intelligenz gehorchen. Ein Gespräch mit einem Androiden wird nicht einem Gespräch mit einem Menschen gleichen.  Androiden werden ihre eigene Sprache entwickeln, sie werden miteinander reden, nicht unbedingt mit uns.

Der Artikel erschien in der Printausgabe der letzten Zeit und ist daher hier nicht direkt verlinkt, dafür habe ich aber einen Link auf einen Artikel in Perlentaucher gefunden, der den Artikel schön zusammenfasst. Und den sprechenden Androiden kann man am besten hier sehen. Wo wir gerade von Robotern sprechen, Nesta hat kürzlich ein neues Buch veröffentlicht wo es um unsere gemeinsame Zukunft, die Zukunft von Menschen und Robotern geht

Freitag, 4. Juli 2014

Innovationskritik

Eigentlich stehen in diesem Blog ja die spannende Nachrichten über die schöne neue Welt der Innovation. In den letzten 2 Wochen sind mir aber einige sehr spannende Artikel über den Weg gelaufen, die sich ziemlich kritisch mit Innovationen auseinandersetzen.
Besonders gut hat mir ein Artikel gefallen, der in der Zeit vom 26. Juni erschienen und mit dem Titel Teile und verdiene überschrieben ist. Er beschäftigt sich mit der sharing economy und formuliert sieben Thesen: 1. Unternehmen unterlaufen Arbeitsstandards und Rechtsvorschriften, 2. Firmen bereichern sich an dem, was andere anbieten, 3. Es entsteht ein neues Prekariat aus Tagelöhnern, 4. Die Tauschwirtschaft nützt vor allem jenen, die selbst haben und besitzen, 5. Aus idealistischen Ideen werden renditeorientierte Geschäftsmodelle, 6. Vertrauen wird ersetzt durch Kontrolle, 7.  Menschliche Beziehungen werden zur Ware. Anlass des Artikels ist natürlich der Taxifahrer Streik der letzten Wochen. Der Artikel spitzt den Begriff der sharing economy ziemlich zu; bewusst setzt er diesem ein idealistisches Verständnis von sharing economy gegenüber, das fast in Richtung Gutmenschentum und naiver Sozialromantik geht. Aber er bringt doch passend auf den Punkt, dass die schöne neue Welt der digitalen Kommunikation nicht ins Paradies führt und auch an den sozialen Realitäten zunächst wenig ändert. In dieselbe Kerbe schlug übrigens zwei Tage später ein Artikel des  Tagesspiegel, der sich auch mit der selbstlosen und nachhaltigen oder auch nicht so selbstlosen und nachhaltigen Szene rund um die sharing economy beschäftigte. Technik macht uns nicht besser und glücklicher; auch mit Technik müssen wir richtig umgehen. Optimistische Zukunftsvisionen verlieren dies vielleicht manchmal doch aus dem Blick. Dazu passt ganz gut meine nächste Literaturempfehlung.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat im Juni eine Broschüre zur Smart City herausgegeben, in der sehr abgewogen Chancen und Risiken der Smart City beschrieben und vor industriegetriebener Euphorie gewarnt wird. Risiken sind nach Einschätzung des BBSR noch unterbewertet, Partizipation kann auch ausschließend wirken, da nur eine Minderheit tatsächlich aktiv mitwirkt. Auch anderswo haben sich Stadtplaner kritisch mit dem optimistischen Bild der Smart City hat ein anderer gesetzt wieder Blogbeitrag Against the Smart Cities zeigt. Und wer finanziert die tollen Technologielösungen? Natürlich die Crowd. Auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt: crowd washing ist vielleicht der neue Kampfbegriff.

Sonntag, 22. Juni 2014

startups vs. old economy

Letzte Woche war ich bei einer Veranstaltung der OECD zu Innovationpolitik. Ein Gastredner aus den USA las  dort unter anderem den Europäern die Leviten. Ohne mehr Dynamik, mehr junge Hightech-Firmen würde das nichts werden in Europa. Und damit bewegt sich der gute Mann ja ziemlich auf der Höhe der Zeit. Die OECD selbst beschäftigt sich intensiv mit den Voraussetzungen und Folgen einer intensiven Gründungskultur und hat z.B. jüngst eine Studie zur Finanzierung von kleinen und jungen Unternehmen in Zeiten der Krise veröffentlicht. Es steht im Koalitionsvertrag, jüngst hat sich eine "Allianz" für Venture Capital in Deutschland gegründet. Alle scheinen sich einig zu sein. Wir brauchen mehr Startups, wir brauchen mehr Risikokapital, alles muss so dynamisch wie in den USA werden. Das auch dort nicht alles zum besten steht, das hatte ich bereits in einem früheren Blog angesprochen. Und irgendwie wird das im Moment auch in Europa nichts mit den Startups. Berlin boomt im Moment und wird als Startup-Metropole mit internationaler Strahlkraft hochgejubelt, aber übers ganze Land gesehen sind die Statistiken für Technologiegründer kontinuierlich rückläufig.

Warum das so ist, dazu habe ich zwei mögliche Hypothesen. Entweder, wir befinden uns einfach in einem großen Wellental der Gründungsdynamik. Es gibt Gründerzeiten, die für junge Unternehmen besonders günstig sind, und eben auch Zeiten, wo sie sich besonders schwer tun. Irgendwie sie sind die Gründer halt noch durch die 2000er Blase geschädigt, aber irgendwann wird sich das wieder geben, sicher auch mit leichtem Anschub durch eine geeignete staatliche Politik. 

Oder die deutsche (oder kontinentaleuropäische?) Innovationskultur setzt doch langfristig eher auch tradierte Unternehmen, die sich weiterentwickeln, aber nicht durch neue Aufsteiger hinweggefegt werden. Also das Modell inkrementelle Innovation statt disruptive Innovation. Dazu gehört auch, neben eigenen Innovationen zu entwickeln gleich auch neue Konkurrenzten einfach aufzukaufen. Das ist sicher oft branchenspezifisch, die Pharmaunternehmen oraktizieren dieses Modell mit den Biotech-Gündern ja schon seit Jahren weltweit. Aber es könnte auch ein regionales Modell sein. Für Deutschland ist auf jeden Fall auffallend, wie seit einiger Zeit die Bindung zwischen etablierten und neuen Unternehmen immer enger wird. In Deutschland sind seit einiger sogenannte corporate ventures aktiv, also große, etablierte Unternehmen (Telekom, Springer, Otto etc.), die jetzt technologieorientierte Gründer mit eigenen Räumen, Geld und weiteren Unterstützungsleistungen helfen. Die Süddeutsche hat dazu gerade erst ein ganz schönes Feature veröffentlicht, auch das Handelsblatt hat sich dem Thema bereits wiederholt gewidmet. Damit stabilisieren die etablierten Unternehmen möglicherweise ihr altes Innovationsmodell einer kontinuierlichen inhouse Forschung und Entwicklung, indem sie die neuen Innovationsakteure früh eng an sich binden und im richtigen Moment dann übernehmen können.

In Berlin hatte kürzlich die Factory eröffnet, ein "Campus" für junge Unternehmen, den der Platzhirsch Google finanziert. Auch die neuen Technologieunternehmen werden in diesem Sinne schnell zu alten und halten die nachwachsende Konkurrenz so unter Kontrolle.

Samstag, 14. Juni 2014

Berlin Smart City - Chance oder soziales Risiko


Berlin möchte Smart City werden. Im Mai fand der erste Smart City Summit statt, die Technologiestiftung Berlin hat zu diesem Anlass eine Studie zur Smart City Berlin veröffentlicht. Auch die Forschung in Berlin schläft nicht, die TU Berlin hat ihre Forschungsaktivitäten kürzlich auf einer Plattform zusammengeführt. Der Tagesspiegel titelte gar, Berlin wolle Europas schlauste Stadt werden. À propos Tagesspiegel. Der hat jetzt eine neue schicke App (Tagesspiegel Radar) vorgestellt, in der Meldungen und Berichte mit Geodäten verknüpft werden und automatisch auf dem Smartphone aufpoppen, wenn man die entsprechende Gegend in Berlin durchläuft oder fährt. Ich hab das die letzten beiden Wochen mal getestet und finde das ein ziemlich nettes kleines Gadget der Smart City!

Die Berliner Senatsverwaltung denkt natürlich weiter und möchte die ökonomische Zukunft der Stadt mit dem Thema Smart City verbinden. Das könnte angesichts der kreativen Energie und Attraktivität der Stadt ganz gute Chancen für ein Erfolgsmodell haben, könnte aber auch ungeahnt nach hinten losgehen. Die aktuellen Proteste der Taxi-Fahrer weltweit gegen Apps wie Uber zeigen, wie viel sozialer Brennstoff auch in der schönen neuen Welt der sharing economy liegt, die eine smart City Berlin mit prägen könnte.

Die ganze Debatte um die ökonomischen und sozialen Voraussetzungen und Folgen der sharing economy hat sehr schön der Bruegel-Blog in einer Blog Review zusammengestellt. Bauen die neuen Geschäftsideen vor allem auf Regelbrüchen auf, die notwendige (oder auch veraltete) Regulierungen für Dienstleistungen in Frage stellen (das Argument der Taxifahrer)? Ist die sharing economy der einzige Ausweg für die Verlierer der digitalen Revolution, die angesichts breiter Automatisierung von Produktion und Dienstleistung sonst keine Arbeit mehr finden? Ist der Boom der sharing economy eher ein Krisenzeichen, um angesichts schwächelnder Arbeitsmärkte und sinkender Durchschnittseinkommen doch noch über die Runden zu kommen? Das wäre ja eine echte Chance für den chronisch knappen Berliner Haushalt und eine eher arme Stadtbevölkerung... Ist nicht die Technologie das eigentlich neue, sondern eine neue Kultur des Vertrauens in der Gesellschaft?

Wie schön man Stadtpolitik mit kreativen neuen sozialen Medien machen kann, zeigt übrigens die Website Radwende, die für mehr Radwege in Wiesbaden arbeitet. Wär doch auch was für Berlin, oder?

Sprache und Sprachtechnologie

Mit Sprache und Sprachtechnologie verbindet mich eine alte Liebe. Eines meiner ersten Projekte war ein EU-Projekt zur Förderung der Sprachtechnologieforschung. Und einige Jahre später war ich an der Evaluation anderer EU-Fördermaßnahmen für Sprachtechnologie beteiligt. Ich fand die Möglichkeiten, gesprochene Sprache automatisch in Text zu verwandeln, oder auch Sprache automatisch zu übersetzen, ziemlich beeindruckend, obgleich noch ziemlich heftige Fehler auftraten.
Heute sind viele Visionen, die damals nur ein bis zwei Jahre entfernt schienen, dann - mit gehöriger zeitlicher Verzögerung - doch wahr geworden. SIRI lässt das Handy aufs Wort gehorchen, und jetzt hat Microsoft für Skype eine Echtzeit-Übersetzung angekündigt.

In meinem Blog zur Europa-Wahl hatte ich mich noch ganz enthusiastisch ob des sozialen Nutzens von Sprachtechnologie in Europas Vielsprachenwirklichkeit gezeigt, aber jetzt kommen mir doch Zweifel. Was wäre, wenn es gar nicht so toll ist, automatisch immer alles zu verstehen? Mark Pagel zeigt in diesem (auch als Text transkribierten) Radiobeitrag, dass Sprache nicht zu dazu da ist, uns die Verständigung zu ermöglichen, sondern dass sich Sprachvielfalt auch aus dem Bedürfnis nach Nicht-Verstehen heraus entwickelt hat. Ausgangspunkt ist die Frage, warum es eigentlich so viele verschiedene Sprachen gibt, zum Teil auf engstem geographischem Raum. Pagels These ist, dass Sprache Gruppenidentität erzeugt und zur Abgrenzung von anderen Gruppen stetig weiterentwickelt wird, um für andere unverständlich zu bleiben.

Wir kennen das ja auch aus Jugendsprachen, die nur deshalb so schnell neue Grade der Unverständlichkeit entwickeln, damit die ach so jugendlich gebliebenen Eltern nicht hinterherkommen mit dem Verstehen. Und all die Fachsprachen und das Bürokratendeutsch hat vermutlich auch nur die soziale Funktion, als Geheimsprache das Tun der jeweiligen Gruppe vor dem Verstehen der Restgesellschaft zu verschleiern. Was aber, wenn wir immer alles per wearable Computer sofort übersetzt bekämen. Folgt man Pagel, so würden wir halt Alternativstrategien zur Abgrenzung entwickeln und uns so gegen die Gleichmacherei wehren. Die Utopie von Douglas Adams Babelfisch (übrigens schon früh als Namensgeber für Sprachtechnologie genutzt) wird also möglicherweise nie Wirklichkeit.

Die digitale Revolution droht aber nicht nur mit der irdischen Hölle der allgegenwärtigen Übersetzung, sondern auch damit, Maschinen ununterscheidbar von Menschen machen. Vergangene Woche rauschte eine Meldung durch den digitalen Blätterwald, dass ein Computerprogramm endlich, endlich den Turing Test bestanden habe. Einigen Artikeln stieß zwar auf, dass dieser Durchbruch ausgerechnet am 60. Todestag von Turing gelang, sie witterten eine PR-Gag statt einem epochalen Schritt der Künstlichen Intelligenz. Gleichwohl, auf kurz oder lang werden Maschinen so kommunizieren, dass der Unterschied zu menschlicher Kommunikation kaum noch zu erkennen sein wird (- auch wenn man bei manchen Menschen und dem, was sie von sich geben, den Eindruck haben könnte, dass sei gar nicht so schwer).

Zurück zur Theorie von Mark Pagel würde uns das in schwere Bedrängnis bringen, weil wir uns von den kalten Maschinen ja weiterhin merkbar abgrenzen wollen. Diese Phantasien haben herrliche kreative Energien befördert. Verschwimmenden Grenzen zwischen Androiden und Menschen haben z.B. zu einem der schönsten Titel der Science Fiktion Geschichte geführt: Träumen Androiden von elektrischen Schafen? Als Blade Runner wurde das Buch dann zu einem Klassiker der Filmgeschichte. Zeigt diese kreative Kraft nicht auch, wie bedrohlich der Gedanke eigentlich auf uns wirkt?

Die Tragik von Verstehen und Nichtverstehen hat übrigens Alan Turing, der Erfinder des Turing-Tests, am eigenen Leibe erfahren. Ihm wurde sein Anderssein und die Ablehnung der Gesellschaft zum Verhängnis, wie der Blog der Zeit erinnert.

 

Samstag, 7. Juni 2014

Wo geht die Arbeit hin?

Macht uns die digitale Revolution arbeitslos? Wer wird in den nächsten Jahren seinen Job verlieren, welche Tätigkeiten lassen sich durch Computer und Roboter besonders gut ersetzen? Ich hatte mich dieser Frage in den letzten Beiträgen des Öfteren gewidmet (z.B. hier und hier), nun habe ich aber (dank meines Kollegen Christian - Danke Dir Christian!) die definitive Antwort. Eine interaktive Graphik zeigt endlich wo die Arbeitsplätze bleiben und wo sie gehen.

Das Thema rauscht auch beständig durch den deutschen Blätterwald, zum Beispiel jüngst in einem langen Artikel der deutschen Technology Review. Der Artikel fasst die Diskussion schön zusammen, vor allem aber zitiert er einige interessante Quellen. Ein Artikel der Uni Oxford vom vergangenen September z.B. werden 702 Berufe analysiert und die Auswirkungen einer weiteren Computerisierung auf den amerikanischen Arbeitsmarkt beschrieben.

Ein Beitrag von Maarten Goos, der im Rahmen einer Konferenz der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) veröffentlicht wurde, beschäftigt sich mit einem Literaturüberblick mit der Frage, wie sich Arbeitsplätze in den letzten 150 Jahren verändert haben. Bis in die 80er Jahre nahmen Einkommensunterschiede ab, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitnehmer hingegen nahmen zu. Mit der Computerisierung hingegen hat sich dieser Trend verändert, der Arbeitsmarkt tendiert zu einer Polarisierung, also zu einer Stärkung der Hochqualifizierten und Geringqualifizierten und einer Schwächung der Mitte. Die Autoren behalten trotzdem ihren Optimismus. dass der Arbeitsmarkt sich im Positiven anpasst und vor allem die besser gebildeten Arbeitnehmer von Morgen liefert.

Noch eine Schippe drauf legt scheinbar Jeremy Rifkin in seinem neuen Buch zum Ende der Arbeit (und des Kapitalismus), in dem Rifkin neben besagtem Totenglöckchen zu läuten auch den Versuch unternimmt, die Marxsche Utopie einer Welt ohne Lohnarbeit mit sozialer Arbeit (non-profit Community) zu füllen. Wer Rifkin seine Thesen persönlich vorstellen sehen und hören möchte, kann sich das ganze z.B. hier anschauen. Kurz gefasst hat er sie z.B: in der New York Times und im Guardian vorgestellt. Den Blätterwald hat diese Neuveröffentlichung scheinbar noch nicht wirklich erreicht, zumindest fördert halbherziges Googeln bislang kaum Rezensionen zutage.

Donnerstag, 5. Juni 2014

Piketty und kein Ende

Ich geb's zu, die Diskussion um Thomas Pikettys Buch "Kapital im 21. Jahrhundert" lässt mich nicht los. Zwei neue Blogeinträge gehen auf interessante Aspekte von Pikettys Buch ein.

In der "Ökonomenstimme" wird die Frage gestellt (und ganz anschaulich beantwortet), warum Deutschland bei Piketty ganz gut wegkommt, obwohl doch die OECD in ihren letzten Veröffentlichungen mehrfach darauf hingewiesen hat, dass die Ungleichheit in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eher schneller gewachsen ist. Die Autoren erklären das mit dem sogenannten "Unternehmensschleier", also der Tatsache, dass hierzulande die kräftigen Unternehmensgewinne nicht in gleichem Maße an die Shareholder und Finanzmanager ausgezahlt werden wie z.B. in den USA, sondern in den Unternehmen verbleiben. Aber diese Unternehmen gehören ebenfalls jemandem. Sie sind, da häufiger nicht börsennotiert, auch tendenziell unterbewertet. Die Zahlen von Piketty bedeuten demnach also nicht, dass die Situation in Deutschland grundsätzlich viel rosiger wäre als in den USA.

Die Blogserie des World Economic Forum wiederum fragt, in welchem Verhältnis die Thesen von Piketty zu Innovationen stehen. Piketty selbst hat sich dazu nur sehr kurz geäußert und vernachlässige laut diesem Beitrag die positiven Effekte des technologischen Fortschritts. Der Blogbeitrag geht daher (neben Verweisen auf die aktuellen Veröffentlichungen von Brynjolfsson und McAfeeins sowie anderen) besondere auf die These von Clayton Christensen ein, der zwischen Empowering Innovation und Efficiency Innovation unterscheidet (aber auf dem Ungerechtigkeitsauge blind sei). Entsprechend sind die Schlussfolgerung von Piketty, durch Steuergesetzgebung Umverteilung zu erreichen, nicht befriedigend. Vielmehr gehe es darum, die Reichen zu einer anderen Innovationsstrategie zu bewegen, die tatsächlich nicht nur Effizienzgewinne verspricht, sondern auch langfristige Produktionsgewinne und neue Arbeit.

Unterm Strich bleibt einerseits die beunruhigende Beobachtung, das Pikettys Buch für Deutschland relevanter ist als zunächst gedacht. Andererseits scheint die Rolle von Innovation noch nicht wirklich ausdiskutiert. Damit ist auch die Rolle der Innovationspolitik für eine gerechtere Politik insgesamt aus meiner Sicht noch offen. Die Debatte bleibt spannend. 

Dienstag, 3. Juni 2014

Schnell wachsende, junge und innovative Firmen

Die OECD hat in ihrem immer lesenswerten Insight Blog gestern einen Beitrag zu kleinen Unternehmen veröffentlicht. Sie wirbt darin für eine neue Veröffentlichung: The Dynamics of Employment Growth: New Evidence from 18 Countries. Leider ist Deutschland nicht dabei... Aber die Ergebnisse sind trotzdem interessant und übertragbar. Zu nächst verweist der Blogbeitrag darauf, dass insbesondere kleine Unternehmen überdurchschnittlich zum Wachstum und neuen Arbeitsplätzen beitragen. Das ist auch der Hintergrund für den neuen Indikator der EU.

Aber den jungen und kleinen Unternehmen geht's nicht gut, nicht nur im Start-up-Muffel-Land Deutschland. Auch in unserem großen Vorbild USA geht es mit der Gründungsrate seit vielen Jahren munter bergab Dazu verweist der OECD-Blog auf die schon in einem meiner letzten Blogs erwähnte Studie der Kauffman Foundation, die erst kürzlich die Alarmtrommel schlug.

Andere Ergebnisse der zitierten OECD-Studie: Während Unternehmen in einigen Ländern wie den USA sehr schnell wachsen, bleiben sie in anderen (genannt werden Frankreich und Deutschland, insbesondere aber auch Italien) deutlich kleiner. Auch sind amerikanische innovative Jungunternehmen erfolgreicher dabei, externes Kapital zu gewinnen.

Bemerkenswert ist der Hinweis darauf, dass eine steuerliche FuE-Förderung eher mit weniger Dynamik bei Firmengründungen in innovativen Sektoren korreliert (wobei ich die entsprechende Textstelle in der Originalstudie noch nicht gefunden habe..., die relevante Stelle scheint in diesem Dokument ab S. 46 zu sein).

Tja, den kleinen, jungen Unternehmen muss man irgendwie helfen, aber irgendwie weiß keiner so richtig wie. Zumindest haben alle Bemühungen in Deutschland nur wenig gefruchtet. Vielleicht liegt es ja am falschen Ansatz? Der Economist hat sich vor zwei Wochen zu staatlichen VC Fonds ausgelassen, und zwar sehr kritisch. Seite Meinung nach führt staatliche VC-Unterstützung, z.B. durch den Europäischen Investment Fonds, zu einem crowding out. Private Investitionen werden also nur ersetzt, es fließt unterm Strich kein zusätzliches Geld.

Wie sehr politische Rahmenbedingungen die Gründungstätigkeit in bestimmten Sektoren beeinflussen, zeigt sehr schön eine jüngste Studie des ZEW zu Gründungen im Vollzug der Energiewende. Die Gründungszahlen sind zunächst kometenhaft gestiegen, mit den Turbulenzen in den letzten drei Jahren dann geradezu dramatisch eingebrochen. Die Autoren empfehlen nun stabile Perspektiven für die Unternehmen. Das wünschen sich in Punkto Energiewende aber nicht nur die Gründer...

Aber nicht nur die Gründer in Deutschland haben es schwer: KMU in Deutschland scheinen im deutschen Innovationssystem zunehmend schwächer zu werden. Dies zumindest legt ein Interview mit Christian Rammer vom ZEW nahe.

Es ist scheinbar ein großes Trauerspiel mit den Gründern und KMU. Vielleicht sollten wir unsere Aufmerksamkeit doch den Großunternehmen widmen? NESTA z.B. spricht sich in einem seiner jüngsten Blogbeiträge aus, mehr Aufmerksamkeit den großen Unternehmen zu widmen. Die seien doch die eigentlich relevanten im Innovationssystem. Jetzt bin ich endlich verwirrt...

Samstag, 31. Mai 2014

Das digitale Dorf

Im Blog Ökonomenstimmen haben Schweizer Konjunkturforscher der ETH Zürich gerade einen Artikel zu ihrem Big-Data Nowcast-Instrument veröffentlicht. Deutlich schneller als die traditionelle Konjunkturforschung mit ihren zeitverzögerten Daten wollen sie Prognosen zur Schweizer Konjunkturentwicklung liefern. Im Vergleich zu den ex post ermittelten Daten schneidet das Instrument meist ganz gut ab, hat aber gerade zuletzt  deutlich abweichende Daten produziert, die sich im nachhinein als falsch herausstellten. Das heißt nicht, dass das Instrument nicht taugt, sondern eher, dass hier noch weitere Forschung und Entwicklung notwendig ist.

Die Sammlung und Auswertung sozioökonomischer Daten schafft nicht nur bei der Konjunkturprognose ganz neue Möglichkeiten, auch die Analyse aktueller politischer Ereignisse wird im Lichte großer Kontextdaten interessant. In Foreign Policy erschien gerade ein Artikel zur Gewalt in der Ukraine und in den Ländern des Arabischen Frühlings, der die These vertritt, dass die Proteste des arabischen Frühlings zu einer Welle weltweiter Proteste geführt haben. Dahinter steht das GDELT-Projekt, dass den Anspruch hat, Krisen in aller Welt vorherzusagen. Bislang besticht das Tool durch beeindruckende Graphiken vergangener Ereignisse, die Prognosekraft zu beweisen steht aus meiner Sicht noch aus.

Auch MIT-Professor Alex Pentland träumt davon, soziologische Studien mit Echtdaten zu revolutionieren, er will dazu Städte als Real-Labore nutzen und open data Ansätze der smart cities für die Sozialanalyse verwenden. Mittlerweile gibt es auch Konferenzen und Wettbewerbe wie SBP (International Conference on Social Computing, Behavioral-Cultural Modeling, and Prediction), die entsprechende Forschungsprojekte präsentieren.

Ja, und wenn de Bürger der smarten Städte mitmachen, gibt es sogar die richtigen Daten. In Lateinamerika haben Apps Konjunktur, mit denen Bürger Verdächtige und Kriminelle fotografieren und melden können, um die Arbeit der Polizei zu unterstützen. Mit solchen Daten kann man sicher auch toll zaubern, da scheint der Schritt zum social engineering nicht mehr weit. Natürlich klingt dass auch ziemlich gruselig, die volle soziale Kontrolle durch unsere Nachbarn, für alle sichtbar im Netz! Da schnurrt die Welt wieder zusammen zum digitalen Dorf, in dem jeder alles weiß und Informationen (und Gerüchte) nicht so schnell vergessen werden. Echtzeit-Daten sind im Dorf auch früher nicht das große Problem gewesen.

Vielleicht aber ist die dörfliche Gemeinschaft auch nur die uns allen am ehesten gemäße (und jahrtausendalte gewohnte) Lebensform, und alle Innovation (nicht nur die digitale Revolution, auch die mobile Vernetzung) nur ein einziger Versuch, diese dörfliche "Idylle" wieder herzustellen - als kuscheliges Paradies oder als soziale Hölle...  

Donnerstag, 29. Mai 2014

Europawahl

Europa hat gewählt, und die Debatten um das Ergebnis sind heftig wie lange nicht. Haben die extremen Parteien zugelegt, drohen die Europaskeptiker und Europagegner das Projekt Europa absehbar zum Scheitern zu bringen? Müssen wir den Skeptikern entgegenkommen und doch wieder mehr Kompetenzen in die Mitgliedstaaten verlagern? Ist das vielleicht doch alles ein wenig zu kompliziert und technokratisch in Brüssel? Oder haben wir endlich einen entscheidenden Schritt Richtung Demokratisierung Europas unternommen, wenn sich das Europaparlament mit einem seiner Kommissionspräsidentenvorschläge gegen den Rat durchsetzt?

Harold James sieht das Wahlverhalten Frankreichs und Großbritannien in seinem Blogbeitrag als rückwärtsgewandt, als wären beide Länder noch die großen Imperien des 19. Jahrhunderts und hätten die Zeichen der Zeit, einer globalisierten und vernetzten Welt, nicht erkannt.

Die indische Korrespondentin Pallavi Aiyar beschreibt das krisenhafte Europa in einem Artikel als fragiles Projekt eines politischen Gemeinwesens über den Nationalstaat hinaus, dass durch rückwärtsgewandte Europagegner gefährdet ist. Indien folgt ihrer Meinung nach einem ähnlichen Staatsverständnis und könnte als eine Art Proto-Europa beschrieben werden. Pakistan wäre dann das Gegenmodell des alten Nationalstaats. Gerade wurde ja auch in Indien gewählt, allerdings war das eine klare Personenwahl, die mit den europäischen Parlamentswahlen nicht zu vergleichen ist. Entsprechend einfacher war auch die Wahlberichterstattung, auch wenn auch hier wohl schöne Beispiele eines neuen Datenjournalismus zu beobachten waren.   

In Europa scheint das Ergebnis auch Tage nach der Wahl noch nicht klar oder zumindest noch nicht richtig verständlich zu sein. Irritiert schauen die Kommentatoren auf den Aushandlungsprozess zwischen den Parteien des EP und befürchten voller Schrecken, dass nun auch der Rat in die Verhandlungen mit einsteigt und wochenlanges Tauziehen und am Ende komplexe Paketlösungen drohen. War den Wählern mit der Idee der Spitzenkandidaten nicht versprochen worden, alles werde klarer und verständlicher, ganz wie daheim im kuscheligen Nationalstaat?

Ich fürchte, dieses Missverständnis steht stellvertretend für ein grundsätzliches Missverständnis gegenüber der Natur der EU. Die EU muss nicht einfacher (aber verständlicher!) werden, sie ist in  ihrem technokratischen Politikverständnis, in ihren komplexen Aushandlungsmechanismen, aber auch in ihren neuen Beteiligungsformaten ein Blick in die Zukunft des Regierens. Einfacher wird es nicht mehr in einer komplexen Welt. Politik wird nicht mehr von gewählten Mandatsträgern entschieden und dann von einer effizienten staatlichen Verwaltung einfach umgesetzt. Politische Institutionen sind eher Moderatoren in einem Aushandlungsprozess vieler unterschiedlicher Akteure. Die EU ist das Labor für neues Regieren, und sie hat schon einiges an effektiven Techniken hervorgebracht, um der stetig steigenden Komplexität eines beständig (an Mitgliedstaaten, an Kompetenzen) wachsenden politischen Etwas, das zudem noch am laufenden Band seine Verträge und damit seine Geschäftsgrundlage ändert. Evaluationen als systematische Mittel der Reflexion und Instrumente einer evidenzbasierten Politik z.B. wurden erst auf EU Ebene flächendeckend eingeführt, bevor sie sich auch auf nationaler Ebene langsam durchsetzten (übrigens z.T. mit sanftem Druck aus Brüssel). Das Europäische Semester (und andere Formate der indikatorbasierten Koordinierung) ist ein weiterer Versuch, Steuerung trotz Komplexität und Multiakteurskonstellationen zu ermöglichen.

Wir brauchen eher neue Techniken (und vielleicht auch Technologien), um dieses neue Regieren effizient und für die Bürger verständlich zu machen. Das große Thema ist für mich nicht so sehr eine Reduzierung der Brüsseler Komplexität, sondern eher neue Modelle der Partizipation und vielleicht auch der Visualisierung und damit Erklärung komplexer Sachverhalte.

Zurück ins 19. Jahrhundert des Nationalstaats geht es nicht mehr.

Einer der schönsten Artikel der letzten Tage zu veränderten Natur des Politischen ist mit dem Titel "Politics or technology – which will save the world?" überschrieben. Klar wird, dass beide nicht ohne einander auskommen. Die massiven Auswirkungen der digitalen Revolution sind im Politikbetrieb noch nicht wirklich angekommen. Aber ohne das Politische werden wir die Probleme der Welt auch nicht lösen können.  

P.S.: Ups, kaum war der Artikel online, sah ich noch diesen schönen Beitrag über die neue Übersetzungsfunktion von Skype. Na, dass wäre doch mal Technik, um Europa ein klein wenig verständlicher zu machen. Zumindest sprachlich. Falls es funktioniert.