Donnerstag, 21. Mai 2020

Innovationspolitik und COVID 19 IV: Was hat Westworld mit Corona zu tun?

Um auch das gleich vorweg zu nehmen, wahrscheinlich ziemlich wenig. Manchmal sieht man aber doch die unwahrscheinlichsten Verbindungslinien, wenn zwei Dinge zeitgleich passieren. 

Westworld
Ich habe mir die letzten Wochen die dritte Staffel von Westworld angeschaut, der wirklich abgefahrenen Verfilmung eines Science Fiction Klassikers von Michael Crichton aus dem Jahr 1973, dessen erste Verfilmung mit Yul Brynner schon legendär war. Die aktuelle Neuverfilmung nimmt zunächst den ursprünglichen Plot auf. In einem Freizeitpark leben Roboter, die wie echte Menschen wirken und dort um des Freizeitspaßes willen von Gästen missbraucht und misshandelt werden. Die Roboter entwickeln Bewusstsein und lehnen sich gegen die menschlichen Besucher auf. Dann aber wird die ursprüngliche Story weiterentwickelt. Im Laufe der Staffeln zeigt sich, dass der Freizeitpark eigentlich dazu dient, die menschlichen Besucher in ihrem Verhalten zu durchleuchten und digital zu erfassen, um die notwendigen Daten für digitale Kopien und damit letztlich die Unsterblichkeit zu bekommen. In einem weiteren Handlungsstrang wird eine künstliche Intelligenz vorgestellt, die die menschliche Gesellschaft perfekt simuliert und damit die Manipulation der Gesellschaft erlaubt. Nach Aussage der Erfinder dieser KI natürlich nur, um eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Die ganze Serie durchzieht die philosophische Frage, ob es ein Bewusstsein für Maschinen gibt, ob der Mensch selbst einen freien Willen besitzt und ob Gesellschaften steuerbar sind. 

Modellierung
Zumindest die letzte Frage hat durchaus einen aktuellen Bezug. Schließlich geht es gerade ziemlich intensiv darum, ob wir das Verhalten von Gesellschaften steuern können, nämlich in dem Sinne, dass die Ausbreitung einer gefährlichen Pandemie gestoppt werden kann.

Grundlage vieler dieser Steuerungsversuche sind sogenannte Modellierungen, also der Versuch die Ausbreitung der Pandemie, das Verhalten der Bevölkerung, und die Wirkung politischer Maßnahmen im Computer zu simulieren, und besser abschätzen zu können, welche Maßnahmen zu welchem Erfolg führen können. Besonders schön erklärt ist die Idee der Modellrechnung auf dieser interaktiven Website. Ebenfalls sehr anschaulich ist das agentenbasierte Modell der Universität Hohenheim, dass man auf dieser Webseite ebenfalls spielerisch erfahren kann.

Eine ganze Reihe dieser Modellrechnungen hat es auch in die breite Mediedöffentlichkeit geschafft . Dazu gehört zu Beispiele eine Studie des Imperial College in London, die maßgeblich zum Politikwechsel der britischen und amerikanischen Regierung beigetragen hat. Oder auch Modellrechnungen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland, die ein nur schrittweise Hochfahren aus dem Lockdown präferieren. Oder letzte Woche dann eine Studie, die epidemiologische Modellierungen und wirtschaftswissenschaftlichen Modellierung zusammenführt. Clou dieser Studie ist es zu zeigen, dass der immer wieder postulierte Gegensatz zwischen Epidemiologie und Wirtschaftswissenschaft keine solcher ist, sondern dass sich diese beiden Perspektiven gegenseitig bedingen.

Besonders spannend finde ich zwei zentrale Herausforderungen solche Modellrechnungen. Einmal ist es die Verfügbarkeit der richtigen Daten. Zum anderen ist es eine hinreichende Komplexität des Modells selber, um das epidemiologisch-gesellschaftlich-politischen System hinreichend zu schreiben.

Datenverfügbarkeit
Wer ein aufmerksamer Abonnent des Christian-Drosten-Podcast zum Coronavirus ist, hat in den letzten Wochen erfahren, dass praktisch täglich neue Studien publiziert werden, die mit aktuellen Daten unsere Erkenntnisse zum Virus und seiner Ausbreitung vertiefen. Für die richtige Modellierung des Ausbreitungsgeschehens ist es natürlich zentral, zu wissen, ob z.B. Kinder nun besonders infektiös sind und wie lange die Inkubationszeit beträgt bzw. wie viele asymptomatische Infizierte es eigentlich gibt. 

Für eine Modellierung der Wirkung politischer Steuerungsentscheidungen wie einem Kontaktverbot, der Pflicht, Masken zu tragen oder ähnlichen Auflagen ist es mindestens genauso wichtig zu wissen, wie sich die Bevölkerung eigentlich verhält. Auch hier wird mittlerweile quasi in Echtzeit gemessen, eine ganze Reihe von laufenden Studien, Datensätzen der Telefonanbieter, Google-Suchanfragen oder sonstiger Daten werden zusammengeführt und zeigen, wie sich unsere Gesellschaften in ihrem Verhalten verändern. Dabei zeigt sich z.B., dass das sogenannte social distancing schon deutlich vor den offiziellen Kontaktverboten eingesetzt hat. Ebenso zeigt sich, dass hier mittlerweile ein kontinuierlicher Anstieg der Aktivitäten eingesetzt habt, der nun wiederum insbesondere von Epidemiologen mit Sorge beobachtet wird. 

Und natürlich ist für eine Einschätzung der Steuerungswirkung auch die Information wichtig, wie hoch eigentlich die Akzeptanz in der Bevölkerung ist. Auch hierzu gibt es gleich mehrere Studien, die dies relativ engmaschig begleiten und zeigen, dass noch eine hohe Akzeptanz gegeben ist, diese aber auch Stück für Stück schwindet.

Ein anderer Ansatz verfolgt die Idee, dass wir alle fast automatisch zu Daten-Spendern werden. Die Tracking-App, die eine Nachverfolgung der Corona-Infektionen erleichtern soll und über die immer wieder heftig diskutiert wurde, sollte zunächst auch für eine epidemiologische Verfolgung der Krankheitsausbreitung genutzt werden. Mittlerweile hat man sich in Deutschland auf ein dezentrales System geeinigt, mit dem das nicht funktioniert. Parallel dazu hat aber das Robert-Koch-Institut eine weitere sogenannte Datenspende-App veröffentlicht, mit der jeder seine Fitnessarmband-Daten spenden kann. Vor ein paar Jahren, als der Siegeszug der fitness-tracker begann, gab es eine heftige Diskussion darum, ob Krankenkassen diese Daten nutzen könnten, um ihr Tarifsystem anzupassen und gesundheitsbewusstes Verhalten zu belohnen. Mittlerweile hat sogar Generali, die einzige Versicherung, die ernsthaft mit so einem Gedanken spiegelte, alle Pläne begraben. Auch, weil das mit der Datennutzung rein technisch gar nicht funktioniert. Spannend aber, wenn für den Gesundheitsschutz der ganzen Bevölkerung diese Daten wieder relevant werden.

Wer möchte, kann auch bei einer ganzen Reihe bürgerwissenschaftlicher Projekte  mitwirken, Corona-Tagebücher schreiben, an Befragungen teilnehmen oder in anderer Form die Wissenschaft mit seinen persönlichen Daten bereichern.

Mit Voranschreiten der Krise und der wirtschaftlichen Folgen nimmt das Interesse zu, die volkswirtschaftlichen Konsequenzen hinreichend abschätzen zu können. Auch hier ist eine zentrale Voraussetzung, möglichst schnell an verlässliche Daten und Indikatoren zu kommen. Enige Wirtschaftsforschungsinstitute haben entsprechende Daten-Dashboards ins Netz gestellt, um zumindest annäherungsweise zu verstehen was ganz aktuell in der Wirtschaft passiert und welche Reaktionen nun notwendig sind. Andere Forschungsprojekte nutzen Google Trends als Indikator für volkswirtschaftliche Veränderungen. Und beim ZEW läuft eine Untersuchung, die per Webcrawling auf der Auswertung von Firmen-Webseiten beruht und verfolgt, wie stark die Corona Pandemie auf diesen Web-Sites präsent ist. Unsere skandinavischen Nachbarn schließlich sind mal wieder ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, Datensätze zusammenzuführen und innovative Indikatoren zu entwickeln.

Komplexität
Daten, Daten, Daten! Ist es nicht verrückt, was plötzlich möglich ist? Vor ein paar Monaten noch wurde mit einem fast wohligen Schauder des Entsetzens nach China geschaut. Social Scoring, Gesichtserkennung, genetische Datenbanken, der digitalisierte orwellsche Überwachungsstaat des 21. Jahrhunderts. Mit Corona schien dieser digitale Überwachungsapparat auf einmal sehr effizient und effektiv, aber weiterhin nichts für aufgeklärte westliche Demokratischen. Und heute ist die Sensibilität zwar immer noch sehr groß (siehe Tracking-App), gleichwohl ist eine digitale Erfassung der Bevölkerung, ihres Verhaltens und ihrer Steuerung nicht mehr automatisch des Teufels. 

Vermutlich hat der Münchner Soziologe Armin Nassehi Recht mit seiner These, dass die digitale Orientierung der modernen Gesellschaft viel älter ist als die aktuelle Digitalisierungswelle. Und die kulturskeptischen Abhandlungen zum metrischen Wir oder zu einer Gesellschaft der Singularitäten übersehen wichtige Funktionen des Digitalen in der Moderne.

Es gibt auch Autoren, für die die Modellierungen unterschiedlichster Teilsysteme bereits seit langem etabliert sind und der Anspruch einer systematischen Modellierung der gesamten Gesellschaft die Voraussetzung, um Herausforderungen wie den Klimawandel überhaupt in den Griff zu bekommen. Denn auch hier wird es ohne ein verändertes gesellschaftliches Verhalten nicht gehen. 

Vielleicht ist das aber auch nur ein schöner Traum, Größenwahn oder Allmachtsphantasie. 2012 scheiterte ein Antrag auf europäische Förderungen einer Gesellschaftssimulation, die Finanzkrisen und Kriege voraussehen sollte. Einer der Antragsteller, Dirk Helbing, wurde später zu einem großen Mahner vor den Gefahren solcher Ansätze. Bislang haben wir noch keine solche Simulation gesehen, und ehrlich gesagt scheint die ganze Welt ziemlich überrascht vom unvorhersehbaren Lauf der Dinge (Finanzkrise, Coronavirus...) zu sein, die richtigen Prognosen scheint es also auch noch nicht zu geben.

Und auch in China mit seinem Social Credit System läuft nicht alles perfekt. Es gibt durchaus Experten, die das System als weniger ausgefeilt und wirkmächtig halten. Auch zur Überwachung der Regeln in Corona-Krisenzeiten kommen dabei zum Teil ganz altmodische Methoden zum Einsatz, die dann auch nur manchmal wie geplant funktionieren, wie die Reporterin der Zeit in dieser Reportage schildert.

Schluss
Zum Abschluss noch als Hörtipp der Link auf ein wunderbares, trauriges Feature des Deutschlandfunk zu gescheiterten Versuch im Chile Allendes, ein kybernetisches Modell der Wirtschaft für eine endlich funktionierende Planwirtschaft zu entwickeln...

Sonntag, 3. Mai 2020

Innovationspolitik und COVID 19 III: Welche Rolle spielt die wissenschaftliche Politikberatung?

Um es kurz zu machen: ich weiß es nicht. Und um hier nicht gleich zu enden: ich habe ein paar Thesen, welche Rolle sie spielen könnte.

These 1: Sie spielt im Grundsatz in Deutschland die selbe Rolle wie in anderen modernen Gesellschaften
In den Medien liest man aktuell manchmal, dass Deutschland mit seiner Kanzlerin, die in ihrem Leben vor der Politik Wissenschaftlerin gewesen sei, besonderes Glück habe. Eine rationale Politik, die ein offenes Ohr für wissenschaftliche Politikberatung habe, sei eine Folge davon, und dies sei gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie besonders wichtig. Andererseits beziehen sich Analysen, warum Deutschland möglicherweise besser als andere Länder durch die Krise gekommen ist, weniger auf die hohe Qualität der deutschen Politikberatung, als vielmehr auf die guten Testkapazitäten, das gut ausgebaute Gesundheitssystem mit vielen Intensivbetten sowie auf das Glück, erst nach Italien und Frankreich in die Krise geraten zu sein und etwas mehr Zeit für die Vorbereitung und die Einstimmung der Bevölkerung auf die kommenden Wochen gehabt zu haben. Das soll nicht heißen, dass die Politikberatung in Deutschland schlechter als in anderen Ländern gewesen wäre, aber auch nicht unbedingt besser. Die Systeme sind eben sehr unterschiedlich, in manchen Ländern gibt es so etwas wie einen Chief Scientist, einen Chefberater der Regierung, in anderen spielen Akademien eine große Rolle, oder auch unabhängige Institute. Wenn die Regierungen mancher großer Staaten außerhalb Europas nicht oder zu spät auf die Beratung gehört haben, so lag das in der Regel nicht an schlechtem Ratschlag selbst, sondern eher an unfähigen Regierungen. Auch Großbritannien, das heute in Europa vielleicht am meisten in der Corona-Krise feststeckt, hat vermutlich noch Glück gehabt und ist gerade wegen ausgezeichnete wissenschaftlicher Politikberatung, hier der Intervention durch das Imperial College und seine Studie, und einer einsichtigen und lernfähigen Regierung einer schlimmeren Katastrophe entgangen. 

Ich denke, das moderne Wissensgesellschaften mit einem differenzierten Wissenschaftssystem und internationaler Vernetzung (und damit Zugang zu wissenschaftlicher Expertise weltweit) in vergleichbaren Situationen alle auf möglichst vielen wissenschaftliche Expertise zugreifen wollen, um gute politische Entscheidung zu treffen. Möglicherweise helfen Meinungsfreiheit und Demokratie dann, ein möglichst breites Angebot an unterschiedlicher  Expertise (die sich auch nicht immer einig sein muss) zu nutzen und die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Schließlich ist ein Vorteil der Demokratie ja, auf dem offenen Markt der Meinungsäußerungen eine bessere informationsverarbeitung und Lernfähigkeit zu bieten, auch wenn die Entscheidungsfindung mühsamer und langsamer ist als in nicht demokratischen Systemen. In einer Pandemie-Situation kann Geschwindigkeit allerdings entscheidend sein. Daher tendieren wohl auch Demokratien in solchen Stresssituationen dazu, Pluralität und konflikthaften Diskus zu minimieren, und sei es mit Verweis auf scheinbar objektive wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen. Wie wir alle an der aktuell dann doch sehr lebhaften Diskussion sehen, ist das allerdings nur in sehr kleinen Zeitfenstern möglich - und das ist vermutlich auch gut so (auch wenn die Autorität zentraler wissenschaftlicher Beratungsgremien vielleicht nicht mutwillig durch Oppositionspolitiker zerstört werden sollte).

These 2: Die wissenschaftliche Politikberatung ist weit weniger orchestriert und homogen als gedacht
Unser Blick auf Politik und auf Politikberatung ist in der Regel ein eher eingeschränkter und schematischer, der weniger prominente Akteure ins Auge nimmt, die im Mittelpunkt der Medienberichterstattung stehen. Tatsächlich aber ist die Politik deutlich differenzierter, Entscheidungen werden auf den unterschiedlichsten Ebenen in Ministerien und Fraktionen vorbereitet und diskutiert, dabei fließen neben dem Ratschlag der offiziell zuständigen Gremien (wie dem aus der Tagesschau bekannten Robert-Koch-Institut) natürlich auch Meinungsäußerungen anderer Expertinnen und Experten ein. Allein die etwas breiter diskutierten Gutachten, Studien und Meinungsäußerungen zu Corona in den letzten Wochen sind ziemlich zahlreich und heterogen. es gibt das Gutachten der Leopoldina, es gibt den Expertenrat des Landes Nordrhein-Westfalen, es gibt eine Studie der Helmholtz-Gesellschaft, ein gemeinsames Papier der großen  außeruniversitären Forschungseinrichtungen und so weiter. Und entgegen der Kritik manche Kommentatoren oder Politiker sind in diesen verschiedenen Gremien sehr unterschiedliche Disziplinen versammelt gewesen. Es waren nicht nur die Virologen, deren Meinung für die Entscheidung der Politik ausschlaggebend war. Möglicherweise war das ein oder andere Gremium nicht besonders divers zusammengesetzt, wie die Diskussion um die Leopoldina und ihr Gutachten zeigt, dass insbesondere von älteren Männern geschrieben wurde. Aber natürlich kamen auch andere Gruppen zu Wort.

These 3: Mindestens genau so wichtig wie die Politik ist die Gesellschaft als Adressat der wissenschaftlichen Politikberatung
Interessant in der aktuellen Krise ist auch, welche Präsens wissenschaftliche Expertise plötzlich in der allgemeinen Mediendiskussion hatte, wie Personen wie Professor Drosten z.B. plötzlich zu Medienstars werden konnten mit ihrem Podcast. Mittlerweile könnte ich zuhause ein ganzes digital-virtuelles Erstsemester in den unterschiedlichsten Fächern absolvieren, wenn ich Zeit hätte, die ganzen Podcasts in Wirtschaftswissenschaft, Virologie oder Soziologie zu hören. Insgesamt scheint das Vertrauen der deutschen Gesellschaft in die Wissenschaft hier auch in der aktuellen Krise ziemlich hoch zu sein, wie eine aktuelle Studie des Wissenschaftsbarometers zeigt. Allerdings sticht auch hier in Deutschland nicht in besonderem Maße international heraus. Allerdings glaube ich nicht, dass das weitgehend vernünftige Verhalten der Bevölkerung, die Regeln und Ratschläge der Politik zu Ende folgen und damit die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, auf tiefere wissenschaftliche Einsicht fußt. Ich glaube eher, dass das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer wissenschaftlichen Erklärung der Situation und der Ratschläge ein Gefühl der Sicherheit schaffte und ein Vertrauen daran, dass die zum Teil sehr harten Einschränkungen der Politik durchaus ihren Sinn haben. In diesem Sinne dürfte auch der Verweis der politischen Entscheidungsträger auf die wissenschaftliche Fundierung in Form der Politikberatung die Funktion gehabt haben, hier schnell einen breiten Konsens auch überdeutlich einschneidende Maßnahmen zu schaffen. Hier hat dann wissenschaftliche Politikberatung weniger den Zweck, zu guter Entscheidung zu führen (das natürlich auch), als vielmehr Vertrauen zu schaffen für schwierige Entscheidungen in sehr unsicheren Entscheidungssituationen. Denn auch die beste wissenschaftliche Politikberatung kann aktuell über viele Fragen noch keine gesicherte Auskunft geben. z.B. die Frage, ob Kinder nun in besonderem Maße für die Verbreitung des Virus verantwortlich sein könnten und damit Kita- und Schulschließungen zu rechtfertigen sind, oder ob Kinder eher weniger betroffen sind und damit schnell in Kitas und Schulen zurückkehren sollten. Und das ist dann eben Wissenschaft, das sieht auch die Kanzlerin so. Interessanter Weise scheint das die Bevölkerung auch nicht im Grundsatz zu beunruhigen, wenn Wissenschaft kontroversen austrägt. Wer mehr zur Wahrnehmung der Wissenschaft durch die Bevökerung in Zeiten von Corona erfahren möchte, dem empfehle ich abschließend dieses lesenswert Interview mit Rainer Bromme.

Update (4.5. abends): Nachdem mir die Ökonomen öffentlich ein wenig verschnupft schienen, dass sie nicht so omnipräsent wie die Virologen waren, zeigt sich, dass sie doch wohl sehr intensiv in die aktuelle Politikberatung eingebunden sind

Dienstag, 21. April 2020

Innovationspolitik und COVID 19 II

Fakten, Fakten, Fakten: Zahlen spielen in der aktuellen Diskussion rund um Corona und seine Folgen eine dominante Rolle - sei es bei der Frage danach, wie groß die Bedrohung (noch) ist, welche Effekte die beisherigen Maßnahmen gebracht haben, oder nun auch, ob die Lockerungen der Maßnahmen nicht zu einem Wiederanstieg der Fallszahlne führt.

So viele Graphiken und Datenanalysen wie in den letzten 6 Wochen habe ich in der normalen Medienberichterstattung bislang kaum zu einem anderen Thema gesehen. Und trotzdem scheint es immer noch nicht genug zu sein. Empirisch basierte Informationen sind eher noch Mangelware, noch wissen wir wohl zu wenig und sind zumindest zum Teil zu einem Blindflug durch die Krise verdammt.

Das gilt wahrscheinlich auch für die Krise des innovationssystems, vor dem wir stehen dürften. Auch hier wissen wir noch sehr wenig. In meinem letzten Blogbeitrag hatte ich erste Informationen verlinkt, die auf die Erfahrungswerte frühere Krisen verweisen, z.B. diese Studie vom Stifterverband. Die Krise von 2008 war anders, aber doch einer der wenigen empirischen Anhaltspunkte dazu, wie wir dieses Mal mit unserem Innovationssystem durch die Krise kommen.

Spezifisch für Deutschland liegen mindestens zwei Studien vor, die Auswirkungen auf das Innovationssystem untersucht haben.

Das DIW hat 2011 eine Studie zur deutschen forschungsintensiven Industrie in der Finanzkrise veröffentlicht und kommt damals zu dem Schluss, dass aufgrund der vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente die Belegschaft auch in der Krise kaum reduziert wurde und daher das Wiederhochfahren deutlich leichter möglich war als in anderen Ländern. Kurz nach der Krise ging das DIW davon aus, dass die forschungsintensiven Industrien vermutlich gestärkt aus der Krise hervorgehen dürften.

In einem Artikel aus dem Jahr 2015 beschreiben Martin Hud und Katrin Hussinger die Rolle staatlicher FuE-Förderung auf FuE-Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland während der Krise. Sie kommen zu dem Schluss, dass die staatlichen FuE-Finanzierungen in den Krisenjahren von den KMU genutzt wurden, um FuE aufrecht zu halten und die freiwerdenden Mittel z.B. in den Erhalt der Belegschaft zu stecken. In diersem Sinne hat die ausgeweitete Förderung das Innovationssystem stabilisieren können und die schnelle Erholung anschließend begünstigt.

International dürfte sich das innovationspolitische Verhalten unterschiedlich zeigen, zumindest legt auch das der Blick vergelichender Studien zur Finanzkrise 2008  nahe. Nach einer Studie des ZEW aus dem Jahr 2018 haben in Europa vor allem die besonders innovationsstarken Länder eine antizyklische Politik umgesetzt, in der Krise also durch zusätzliche staatliche FuE-Mittel die rückläufigen rpivaten FuE-Investitionen ausgeglichen, während die schwächeren Länder prozyklisch auch die staatlichen FuE-Investitionen zurückfuhren. In der KOnsequenz haben sich die Unterschiede der Leistungsfähigkeit der Innovationssysteme mit der Krise weiter verstärkt.

Zu interessanten Schlüssen kam auch der OECD Outlook 2012. Demnach haben die jeweiligen Innovationssysteme alle unter den Folgen der Krise gelitten, allerdings in erhebliche unterschiedlichem Außmaß. Einige Länder Asiens haben strukturelle Vorteile sogar nutzen können, um sich im internationalen Wettbewerb weiter nach vorne zu arbeiten. Auch internationale Technologiekonzerne haben die Krise tendenziell zu ihren Gunsetn nutzen können. Ein innovativer Impuls im Sinne einer Schumpeterschen kreativen Zertsöhrung ist durch die Krise eher nicht ausgelöst worden, da die Zahl der Risikofinanzierungen ebenso abgenommen hat wie die der Unternehm,ensgründungen, die erhöhte Zahl der Unternehmensschließungen also nicht durch eine wachsende Zahl an innovativen Neugründungen ausgeglichen werden konnte.

Zur Situation von Startups während und nach der Krise gibt es auch weitere spezifische Unteruchungen:

Ein Diskussionspapier der Uni Luxemburg aus dem Jahr 2016 untersuchte, wie deutsche Startups 2008 durch die Krise kamen. Die Autoren formulieren die zentralen Ergebnisse wie folgt:

Empirical results show that crisis startup foundations in high-tech sectors are less likely to
introduce innovations to the market than ventures started in the pre-crisis period. Yet, the
degree of novelty of these product or service innovations is significantly higher as compared
to products and services introduced by start-ups founded in pre-crisis years. Moreover, we do
not find evidence for necessity entrepreneurship in German low-tech industries.


 Auch aus der Schweiz liegen empirische Befunde zur Auswirkung der Finanzkrise von 2008 auf Startups vor. Demnach sak die Zahl der Finanzierungsrunden nach 2008 signifikant, auch die Zahl der gescheiterten Startups nahm deutlich zu. Die Gesamtzahl der Gründungen aber blieb relativ konstant.

jetzt wird es darum gehen, die aktuelle Krise und ihre Auswirkungen möglichst gut zu erfassen. Auch hier hatte ich im letzten Beitrag auf erste Erhebungen verwiesen, die gerade angelaufen sind. Seitdem bin ich über ein schönes Beispiel des ZEW gestoßen, die mit einem neuartigen Ansatz der Analyse von Websites von Unternehmen versuchen, die Auswirkungen von Corona auf die Wirtschaft quasi in Echtzeit zu tracken.

Es bleibt spannend und wird viel Futter geben für weitere Blogbeiträge.

Update 22.4.2020:

Seit gestern abend habe ich einen weiteren relevanten Beitrag von AIT und ZEW gefunden,der einen sehr guten Überblick über die vorhandene Literatur zu vergangenen Krisen und Schlussfolgerungen bietet, was dies für die aktuelle Corona-Krise bedeuten könnte bzw. was diesmal vielleicht anders ist. Frau Peters (ZEW) und Herr Dachs (AIT) fassen die zentralen Ergebnisse wie folgt zusammen:

  •  „Vergangene Krisen zeigen, dass sich die F&E-Ausgaben von Unternehmen insgesamt prozyklisch entwickeln, Unternehmen also in der Rezession weniger für F&E ausgeben.
  • Gründe  für  prozyklische  F&E-Ausgaben  sind  Schwierigkeiten,  F&E  zu  finanzieren,  sowie  unsichere Zukunftserwartungen. Sie lassen die Unternehmen zweifeln, ob während einer Krise neue Produkte am Markt nachgefragt werden.
  • Es gibt allerdings auch Unternehmen, die die Krise als Chance sehen. Etwa ein Drittel der deutschen Unternehmen haben ihre Innovationsausgaben während der Finanzkrise von 2008/09 antizyklisch erhöht. Auch die aktuelle Krise wird viele Unternehmen zwingen, neue Lösungen zu entwickeln.
  • Fraglich ist allerdings, ob die Unternehmen die freien Kapazitäten für Innovation im „Home Office“ nutzen können. Innovation ist vielfach an technische Ausstattungen wie etwa Labore und Werkstätten gebunden und oft das Ergebnis der Zusammenarbeit mit externen Partnern, von denen viele – wie etwa Universitäten – derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind.
  • Studien zeigen, dass innovative Unternehmen während einer Rezession deutlich weniger Beschäftigung abbauen als Firmen ohne Innovationen. Das Ziel der Forschungs- und Innovations-politik  in  der  Krise  muss  es  deshalb  sein,  zu  verhindern,  dass  Unternehmen  ihre  Innovationsaktivitäten  einstellen.  Direkte  und  indirekte  Finanzierungsinstrumente  können  helfen,  Liquiditätsengpässe  für  Innovationsprojekte  insbesondere  bei  kleinen  und  mittleren  Unternehmen (KMU) zu überwinden und Zukunftserwartungen zu stabilisiere“

Ich würde noch die ebenfalls im Artikel zitierte Erkenntnis ergänzen, dass Unternehmen, die sich aufgrund von Krisen einmal aus einer FuE-Tätigkeit verabschiedet haben, nur schwer wieder in FuE zurückkommen. Es kommt also darauf an, möglichst wenige zu verlieren. Die einschlägige Quelle ist hier meiner Meinung nach Rammer / Schubert (2016)
 

Donnerstag, 9. April 2020

Innovationspolitik und COVID 19

Deutschland steht still - das Coronavirus hat das Land, hat die ganze Welt fest im Griff und verändert die Voraussetzungen für alle möglichen Politikfelder, auch für die Innovationspolitik. 

Vor ein paar Wochen, als der Virus noch weit weg schien, ein Ereignis im fernen China, schauten deutsche Medien noch in einer Mischung aus Faszination und Skepsis auf die Reaktionen der chinesischen Regierung auf den Krankheitsausbruch. Der starke Überwachungsstaat schien seine Potentiale voll ausspielen zu können, der breite Einsatz von Überwachungstechnologie, Handy Tracking, Big Data und künstlicher Intelligenz ein wirksames Rezept gegen die Ausbreitung des Virus und für die Bekämpfung seiner Folgen zu sein. Technik als Mittel der Wahl eher automatischer bis diktatorischer Regime bei der Bekämpfung der Krankheit. Aber so einfach ist das heute schon nicht mehr...

Mittlerweile ist das Virus mit voller Wucht nach Deutschland gekommen, nun dominieren andere Themen die Diskussion. Praktisch alle Energie richtet sich forschungs- und innovationspolitisch darauf, die Ressourcen der Gesundheitsforschung zu mobilisieren und mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu versorgen. Die Europäische Kommission, die Bundesregierung, Regierungen weltweit finanzieren jetzt mit Hochdruck Forschungsprojekte, um schnell Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln, die Testmöglichkeiten auszuweiten und einfach schneller und besser zu verstehen, wie das Virus funktioniert und wie man es stoppen kann. Innovationspolitik scheint heute fast ausschließlich Gesundheitspolitik zu sein.

Gleichzeitig wird das Alltagsleben komplett umgekrempelt, was ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf innovationspolitike Themen haben dürfte. So ist mit der Schließung von Schulen und Universitäten der Bedarf nach digitaler Bildung plötzlich riesengroß. Und das in einer Zeit, in der die Digitalisierung von Bildung nur in kleinen Schritten, Stück für Stück vorangetrieben wurde, da ja keiner ahnen konnte, das plötzlich der Ernstfall da ist. Pilotprojekte für digitale Bildungsinhalte wie das des Hasso-Plattner-Instituts werden plötzlich maximal skaliert, das kommende Sommersemester zu einem komplett digitalen Semester umdefiniert.

Mit etwas Erfindungsreichtum und der Nutzung der vorhandenen, oft kommerziellen Tools ist plötzlich möglich, was bislang undenkbar schien. Allerdings ist dabei viel Improvisation und Leidensfähigkeit gefragt. Spätestens nach der Krise wird die Infrastruktur massiv ausgebaut werden müssen, wenn jetzt erleben plötzlich alle, dass die vorhandenen Kapazitäten für den Echtbetrieb kaum reichen, weil Bandbreiten für Videokonferenzen nicht ausreichen oder dauernd zusammenbrechen. 

Geschlossene Universitäten sind ein weiteres Ergebnis der Corona-Pandemie. Das betrifft Studentinnen und Studenten, vor denen ein sogenanntes digitales Sommersemester liegt. Und das gilt vermutlich auch früher den Forschungsbetrieb der zumindest in Teilen im Moment ruhen dürfte, abgesehen von der Forschung an Wirkstoffen, an Studien zu Ausbreitungsszenarien der Krankheit und ähnlicher Gesundheitsforschung. Von einem Normalbetrieb in deutschen Universitäten ist zurzeit nicht auszugehen. Eine Momentaufnahme vom aktuellen Forschungsbetrieb liefert diese Reportage des Deutschlandfunk. 

Auch die Expertenkommission Forschung und Innovation EFI fordert ganz aktuell, den veränderten Forschungsbedingungen der Universitäten Rechnung zu tragen und hier z.B. förderpolitisch nachzurüsten. Zumindest mit Blick auf BAföG und Wissenschaftszeitvertraggesetz hat die Politik bereits reagiert. aber ob das Forschungssystem nicht nachhaltiger beeinträchtigt sein wird, wissen wir noch nicht. 

Auch die Digitalisierung des Arbeitslebens schreitet in geradezu rasender Geschwindigkeit voran. Home-Office wird (scheinbar) zum Normalfall, Videokonferenzen ersetzen Präsenztreffen, Verwaltungsprozesse müssen plötzlich mit digitalen Unterschriften statt papierbasiert ablaufen. Allerdings ist nicht jede Tätigkeit ins Home Office auslagerbar und viel muss schnell improvisiert werden. 

Wer hier mit der Digitalisierung schon vor der Krise begonnen hatte, ist eindeutig im Vorteil. Der Blick auf die große Finanzkrise des Jahres 2009 zeigt übrigens, dass stärker digitalisierte Unternehmen besser durch die Krise gekommen sind als weniger digitalisierte. Ich kann mir gut vorstellen, dass das für Corona-Zeiten ebenso gilt.

Wie Deutschlands Unternehmen durch die schwere Wirtschaftskrise gehen könnten, die uns erwartet, lässt sich möglicherweise auch in anderer Perspektive aus dem Blick zurück auf die Krise 2007 2008 lernen. Damals waren die Forschungsaufwendungen nicht in gleichem Maße zurückgegangen wie die wirtschaftsleistung, auch FuE-Beschäftigten wurden nicht in größerem Umfang entlassen. Sollten die Unternehmen heute eine ähnliche Strategie fahren und ihre Innovationsfähigkeit erhalten wollen, so lässt dies für das deutsche innovationssystem hoffen. Andererseits sind die Herausforderungen heute andere als in der damaligen Finanzkrise. Auch hier fehlen uns noch wichtige Informationen über das veränderte innovationsverhalten. Das BMWi versucht gerade, zumindest für KMU ein besseres Bild zu gewinnen.

Ebenso zeigt der Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, dass die Anzahl der Patente damals dauerhaft zurückging, dass aber die weiterhin publizierten Patente breit rezipiert wurden und auch die überlebenden, eher größeren Unternehmen einer betroffenen Region von den Innovativen der stark leidenden Unternehmen profitierten, dass es aber keinen Brain Drain raus aus der Region gab. Ist das für die aktuelle Situation zu übertragen?

Auch in der aktuellen Krise scheinen Startups besonders betroffen zu sein. Zumindest ist die Sorge bei jungen Unternehmen aktuell besonders groß, die Pandemie und die damit ausgelösten wirtschaftlichen Turbulenzen nicht zu überleben. 70 Prozent der Startups fürchten nach einer aktuellen Umfrage um ihr Überleben. Finanzinvestoren wollen sich tendenziell eher zurückhalten, die Rettungsmaßnahmen für etablierte Unternehmen sind nur sehr eingeschränkt hilfreich. Die Bundesregierung hat darum bereits mit neuen Maßnahmen versucht, hier nachzusteuern und den Startups schnell zu helfen. Allerdings verweisen erste Kommentatoren auch darauf, dass einige der großen "Startups" von heute wie Airbnb oder Über gerade in der Finanzkrise 2008/2009 gegründet wurden. 

Alllerdings scheint die Krise auch viel kreative Energie freizusetzen und, wie die
Hackathons weltweit zeigen. In Deutschland wurde vor zwei Wochen gleich der größte Hackathon weltweit organisiert. Die riesige Zahl an Teilnehmenden forderte von den Organisatoren zwar hohes Improvisationstalent, war aber keine unlösbare Herausforderung. Die mediale Resonanz auf den Hackathon war groß, jetzt kommt es darauf an, dass aus den besten Ideen auch reale Lösungen werden. 

Wer genügend Zeit mitbringt, kann sich auf YouTube die 1200 Videos der Hackathon-Projekte anschauen. Bei 2 Minuten pro Erklärvideo hat man schon nach 40 Stunden den kompletten Überblick. Adressiert wurden die unterschiedlichsten Probleme. Das Tracking von potenziell Infizierten, die Rettung lokaler Geschäfte per Spende oder Online Bestellung, die Erfassung von Krankenhausbetten-Kapazitäten oder digitale Bildungsangebote.

Der Ansatz würde in vielen Ländern gewählt, es gab Hackathons in Estland, in Norwegen, in der Schweiz, als internationaler Hackathon oder in Österreich. Und mittlerweile gibt es auch zu Spezialthemen neue Hackathons, so z.B. zur Digitalisierung der Hochschullehre, um hier den schnellen Bedarf durch neue Lösungen besser decken zu können.

Viele der angedachten Lösungen sind sicher eher Workarounds, also "Problemumgehungen". Solange damit aber reale Probleme gelöst werden, kann man das nur sehr begrüßen. Es gibt tolle Berichte - so wurden Tauchermasken des Sporkaufhauses Decathlon zu Atemgeräten umfunktioniert.

Noch ist also offen, ob Corona der Auslöser für ein großes Startup-Sterben wird oder im Gegenteil kreative Ideen und Neugründungen beflügelt. Vermutlich beides, aber was heißt dies für das gesamte innovationssystem?

Technik wird auf jeden Fall auch in Deutschland in den nächsten Wochen eine entscheidende Rolle spielen. Schon jetzt ist die Diskussion um digitale Lösungen zur Eindämmung der Pandemie entfacht, mittlerweile wird auch in Deutschland mit den neuen Meldungen um eine Corona-App die Hoffnung verbunden, dass jetzt der Ausstieg aus dem Lockdown beginnen kann. die technischen grundlagen scheinen gelegt, was fehlt ist nur noch die entsprechende App im Shop und dann Ruhe nutzerzahlen, damit das ganze auch funktioniert.

Jetzt hat das Robert-Koch-Institut aber erst einmal eine sogenannte Datenspende-App, die Daten von Fitnessarmbändern und ähnlichen Gadgets nutzt, um flächendeckend den Fieberstand der Bevölkerung und damit die Ausbreitung der Krankheit berechnen zu können.

Letztlich bleibt die Nutzung dieser und anderer Überwachungstechnologien aber eine Gratwanderung. Während Europa einen vorsichtigen Weg gewählt hat und entsprechende Technologien hier behutsam und auf der Grundlage von Freiwilligkeit nutzen möchte, gehen andere Länder deutlich rigoroser vor. Das Magazin Ada hat die verschiedenen Ansätze sehr schön dargestellt und auch die diversen Überwachungs-Allmachts-Phantasien nicht vergessen.

Es gäbe noch sehr viel mehr Themen zu diskutieren, z.b. die Frage, wie sich der Wissenschaftsjournalismus durch die aktuelle Krise verändert. Ein besonderes Phänomen ist sicher der Podcast von Christian Drosten, der als herausragend gilt (und den ich die letzten Wochen auch praktisch ohne Pause gehört habe) Interessant ist auch die kritische Kommentierung von Medienberichten zur Krise, die nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert und undifferenziert seien.

Aber auch sonst ist ein besonderer Augenmerk auf wissenschaftliche Politikberatung festzustellen. Die New York Times beschreibt, dass nicht nur in Deutschland Wissenschaftler wie Herr Drosten zu zentralen Figuren des öffentlichen Diskurses werden. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass dies fast nur für die Länder gilt, in denen das Vertrauen in Wissenschaft und wissenschaftliche Politikberatung sowieso schon groß war.

Corona bleibt für mich ein unberechenbarer Faktor, der Systeme durcheinander wirbelt und dessen Auswirkungen wir heute noch nicht kennen. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn sich fast alle Gespräche - privat wie im Beruf - nur noch um dieses eine Thema drehen, und trotzdem bleibt der Blick sehr auf die aktuelle Krisenbewältigung geheftet, die langfristigen Konsequenzen sind nicht im Blick. 

Wir sollten schon jetzt beginnen, uns mit dieser Perspektive zu beschäftigen. Zum Teil fehlen uns dafür jetzt noch die notwendigen Informationen, zum Teil der richtige Abstand. Aber wir müssen dann bleiben.

Update: Mittlerweile sucht auch die OECD nach mehr Evidenz zu den Auswirkungen von CORONA auf das Wissenschaftssystem und hat eine entsprechende Umfrage gestartet

Dienstag, 31. Dezember 2019

Innovationspolitischer Jahresrückblick und Rückblick auf die letzten 10 Jahre

Das Jahr 2019 neigt sich rapide seinem Ende zu, und damit auch das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Bevor wir aber mit Schwung in die neuen Zwanzigerjahre eintauchen, lohnt sich vielleicht ein kurzer innovationspolitischer Blick zurück auf die letzten zwölf Monate bzw. zehn Jahre.

Innovationspolitisch scheinen die letzten Monate auf den ersten Blick eher ein wenig langweilig. Viel Neues ist nicht passiert, die spannendsten neuen Instrumente - die steuerliche Forschungsförderung und der Start der neuen Agentur für Sprunginnovationen - stehen noch aus. Ob beide die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen können, ist für mich offen. Als Experimente einer neuen Innovationsförderung sind sie auf jeden Fall aber sehr interessant und werden auch durch entsprechende Evaluationen begleitet werden.

Während die Agentur für Sprunginnovationen mit einem Fördervolumen von 1 Milliarde Euro in 10 Jahren nicht wirklich riesig ausfällt und viele Umsetzungsdetails noch offen sind, nimmt sich die steuerliche Forschungsförderung oder Forschungszulage doch etwas substantiellen aus. Die Bundesregierung rechnet mit Mindereinnahmen von ca. 1,4 Milliarden Euro pro Jahr, das sind immerhin etwa 8 Prozent der bisherigen direkten öffentlichen Forschungsförderung. Da aber sehr viele Unternehmen anspruchsberechtigt sind, kommt für jedes einzelne antragstellende Unternehmen dann aber doch nicht so viel bei rum. Zusammengenommen könnte der Effekt aber doch spürbar sein und zumindest die Chancen erhöhen, das tatsächlich sehr ehrgeizige 3,5 Prozent Ziel der Bundesregierung zu erreichen.

Dieses Ziel hat sich die Regierung nach einem beeindruckenden Jahrzehnt kontinuierlich steigender Forschungsausgaben selbst gesteckt. 
Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung lagen noch 2009 bei knapp 12 Milliarden Euro, 2018 bereits bei etwa 17 Milliarden Euro. In der Folge lag die FuE-Quote 2009 bei etwa 2,8 Prozent, 2018 (eine Schätzung für 2019 wird es erst Ende des nächsten Jahres geben) liegt sie bei 3,1 Prozent. Die letzten Jahre zeigen aber auch, dass insbesondere der Wirtschaftsanteil gestiegen ist, während der Staatsanteil zwar absolut, aber nicht mehr relativ zum BIP gewachsen ist. Und der aktuelle Bundeshaushalt bestätigt den Trend. Die Jahre des schnellen Wachstums der staatlichen Forschungsausgaben könnten vorbei sein. Für das 3,5 Prozent Ziel heißt das, es könnte eng werden, auch mit einer steuerlichen Forschungsförderung.

Natürlich ist die FuE-Quote nur ein Indikator unter vielen, der zudem auch nur beschränkte Aussagekraft hat. Schaut man etwas differenzierter, so sieht man zum Beispiel, dass auch die ständig wachsenden Forschungsausgaben der Unternehmen nicht bedeuten, dass alles in Butter ist. Innovationsausgaben und innovationsintensität deutscher Unternehmen nehmen zwar seit zehn Jahren kontinuierlich zu, allerdings praktisch nur bei den Großunternehmen. Die Innovatorenquote hingegen ist seit 10 Jahren leicht rückläufig. Und die Zahlen zeigen auch, dass sich die innovationsaktivitäten sehr ungleich über die verschiedenen Branchen verteilen. Insbesondere der Automobilsektor hat in den letzten zehn Jahren eine hohe Dominanz gewonnen. 

Ob das nun bedeutet, dass die Autobranche fit ist für die Zukunft, ist damit noch nicht beantwortet. In Hinblick auf das Megathema der letzten 10 Jahre, die Elektromobilität, gibt es zumindest viele Kritiker, die dies bezweifeln. Vor zehn Jahren wurde das Ziel von einer Million Elektrofahrzeuge bis 2020 aufgestellt. Hiervon sind wir weit entfernt, auch wenn die Zulassungszahlen in den letzten Jahren deutlich angezogen haben. 2019 war auch das Jahr der Krrisenmeldungen der Automobilindustrie. Große Unternehmen kündigten erhebliche Arbeitsplatzeinsparungen an - auch um entsprechende Ressourcen für den Umbau in Richtung Elektromobilität zu haben. Und 2020, wenn die neuen Vorgaben der EU in Kraft treten, wird für die Autobauer nicht einfacher - dann muss der Hochlauf der Elektromobilität einfach gelingen, sonst drohen drastische Strafzahlungen.

Das Jahr 2019 stand ja insgesamt unter dem Eindruck einer sich verschärfenden Klimakrise und entsprechende gesellschaftlicher Mobilisierung. Gerade der verkehrssektor zeigte sich dabei als ein besonderer Problemfall. Das belegt auch der Blick zurück auf die letzten 10 Jahre. Der Anteil der umweltfreundlichen Mobilität (Fußgänger, Radfahrer ÖPNV und Bahn) an der Gesamtmobilität ist laut UBA in den vergangenen Jahren leicht gesunken BV (allerdings reichen die Zahlen des UBA nur bis 2016).  Allerdingscheint der Radverkehr in Deutschland überproportional zugenommen zu haben, wie eine Sonderstudie des BMVI zeigt. 
Meine persönliche Erfahrung in Berlin kann das nur bestätigen, leider auch, dass der Ausbau der Infrastruktur hier überhaupt nicht mithalten kann. Bei der Bahn sind die Fahrgastzahlen in den letzten 10 Jahren um 20 Prozent gestiegen. Nicht mitgehalten hat allerdings das Angebot, daher ist auch die Auslastung pro Zug entsprechend höher. Bis auf ein paar Neubaustrecken hat man den Eindruck, dass sich bei der Bahn in den letzten 10 Jahren wenig getan hat. Selbst ein funktionierendes WLAN wurde erst  2017 Flächen deckend in den ICE-Zügen eingeführt. Vielleicht haben wir Glück, und mit dem Klimapaket der Bundesregierung ändert sich tatsächlich in den nächsten Jahren noch etwas bei der Bahn. Zumindest die Ankündigungen lassen ein bisschen hoffen. ab Januar wird die Mehrwertsteuer gesenkt, perspektivisch plant die Bahn ihren Deutschland-Takt, und für die Infrastruktur sind auch einige Milliarden an Investitionen vorgesehen.

Ein wenig Beine gemacht hat der Bahn in den letzten 10 Jahren der neu entstandene Fernbusmarkt. Dieser wurde erst 2013 durch eine Gesetzesänderung überhaupt geschaffen. Nach einer euphorischen Phase, in der viele Anbieter auf dem Markt erschienen, hat sich dieser deutlich konsolidiert, es ist ein Monopolist übrig geblieben, der allerdings auch international Erfolg hat. 2017 war dann das Jahr, in dem die asiatischen Leihräder deutsche Großstädte fluten. Mittlerweile hat sich die Aufregung ein wenig gelegt, nicht zuletzt auch deshalb, weil jetzt Elektroroller den Platz der Leihräder eingenommen haben und deutsche bürgersteige angeblich unbegehbar machen.

Fast schon altmodisch mutet da ein weiteres Mobilitätsthema der letzten 10 Jahre an, dass Carsharing. Auch Carsharing war mit dem Anspruch gestartet, die Mobilität in Deutschland grundsätzlich umzukrempeln. Tatsächlich haben sich eine Reihe von Anbietern in den deutschen Großstädten etabliert und verzeichnen steigende Nutzerzahlen. Heute gibt es knapp 2,5 Millionen registrierte Nutzer, Carsharing ist aber weiterhin nur in eben diesen Metropolen nutzbar und damit nur für 16 Prozent der Deutschenutschen überhaupt zugänglich. Die Zahl der zugelassenen Privatautos ist allerdings deutlich stärker gestiegen

Ein weiteres Megathema der letzten 10 Jahre im Bereich der Mobilität war für eine gewisse Zeit das autonome Fahren. Nachdem die deutschen Straßen immer noch nicht von Roboterautos bevölkert werden, und nachdem sich gezeigt hat, dass auch ein autonomes Auto Unfälle bauen kann, ist die Euphorie einer gewissen Nüchternheit gewichen - die Aufmerksamkeit in den Medien geht deutlich zurück.

Mobilität ist natürlich nicht die einzige Dimension, die klimapolitisch heiß diskutiert wurde und wird. 2019 war neben Fridays for Future auch das Jahr des Kohlekompromisses, der die Energiewende fortführen soll. Innovationspolitik interessant fand ich in diesem Zusammenhang mindestens drei Aspekte: 

Zum einen die Diskussion darüber, ob eine Verhaltensänderung notwendig sei, um den Klimawandel zu bremsen, oder ob es allein ausreiche, auf die Segnungen zukünftiger Innovationen zu hoffen und dann jeder weiter konsumieren können wie bislang. Diese techo-euphorische Haltung scheint in manchen Parteien tatsächlich noch mehrheitsfähig zu sein.

Ein zweiter Diskussionsstrang zielte darauf, den strukturellen Verwerfungen des kohleausstiegs auch durch innovationspolitischen Maßnahmen zu begegnen. Dahinter steht die Hoffnung, dass Forschungseinrichtungen und innovative Firmen Arbeitsplätze schaffen und strukturelle Wirkung entfalten. Das ist grundsätzlich sicher richtigen und mag in manchen Fällen auch helfen, andererseits zeigen aktuelle Studien, dass Innovationsprozesse, insbesondere wenn sie an Digitalisierung geknüpft sind, eher zu einer Konzentration in wenigen Metropolen neigen.

Ein dritter Diskussionsstrang beschäftigte sich mit den erneuerbaren Energien, die zwar Stück für Stück einen immer größeren Anteil am deutschen Energiemix haben, gleichwohl aber nicht unbedingt die Zielmarke erreichen werden, die sich die Bundesregierung gesetzt hat. neben der Frage, welchen einstiegspreis ein tatsächlich wirksamer Emissionshandel haben müsste, beschäftigte uns zuletzt vor allen Dingen die Frage, ob die Windenergie das Schicksal der Solarbranche erleiden wird.

Während diese 2009 kurz vor ihrem Allzeithoch an Arbeitsplätzen im Jahr 2010 mit 133.000 Beschäftigten stand, ist sie in den vergangenen zehn Jahren in sich zusammengebrochen. Heute arbeiten nur noch etwa 33.000 Beschäftigte dieser Branche.

2019 wurde auch immer stärker diskutiert, ob die Digitalisierung selbst zu einem Klimaproblem werden könnte, da der stromverbrauch immer stärker auch von digitalen Anwendungen geprägt ist. Ich war ziemlich überrascht, dass diese Digitalisierung eigentlich noch ziemlich jungen Datums ist, als vor zwei Jahren das iPhone seinen 10. Geburtstag feierte. 2009 war das iPhone erst 2 Jahre alt, eine Firma namens Nokia hatte da noch den größten Marktanteil. Seitdem hat sich doch ganz schön viel verändert.

  • Der unaufhaltsame Aufstieg des Online-Handels, allerdings bislang noch ohne automatisierte Zustellung per kleinem Roboterwagen oder Drone, sondern per Fahrradkurier.

  • Streaming allüberall, mit den entsprechenden Problemen beim ICE WLAN und den entsprechenden Energie und Umweltfolgen. 

  • Die Messung von allem und jedem, am besten im Buch von Andreas Reckwitz zur Gesellschaft der Singularität beschrieben

  • Neue Dynamiken der öffentlichen Kommunikation, insbesondere auch getrieben durch soziale Medien und mit zum Teil absonderlichen Diskussionen, siehe nur die aktuelle Debatte um Motorrad fahrende Omas
Als Ausblick für 2020 wie immer zu empfehlen die Prognose von NESTA, die zwar wie alle Prognosen in ihrer Vorausschau für morgen eher daneben liegt, aber die spannendsten Trends von heute aufgreift.  MeinFavorit: der persönliche Digital Twin

Freitag, 22. November 2019

Forschungsproduktivität

Im November hat der Sachverständigenrat der Bundesregierung sein aktuelles Jahresgutachten vorgelegt. Dabei hat er sich in diesem Jahr auch intensiver mit dem Thema Produktivität auseinander gesetzt, da er seit Sommer auch der nationale Produktivitätsrat ist. Das Thema eines rückläufigen Produktivtätswachstums beschäftigt die Politik schon länger, der Sachverständigenrat schlägt nun insbesondere vor, durch Forschung, Innovationen und Gründungen die Dynamik wieder zu steigern.

Nur ganz kurz angesprochen wird im Gutachten der Aspekt, dass auch Forschung selbst einem Produktivitätsrückgang zu unterliegen scheint. Hierzu wird nur in einem Satz ausgeführt, dass dies vielleicht an der erhöhten Komplexität moderner Technologie liegen könnte. Angesichts der weitreichenden Folgen dieses Befundes, sollte er den stimmen, aus meiner Sicht ein wenig dürftig. Schließlich wird ja die Forschung selbst quasi zur Wunderwaffe der Produktivitätssteigerung stilisiert. Aber zunächst zur Faktenlage. Diese ist zwar nicht eindeutig, es gibt aber einige Hinweise, dass wir tatsächlich ein Problem haben.

Wie NESTA in einem Blogbeitrag kürzlich schreibt, gibt es eine Reihe aktueller Studien, die einen Rückgang der Forschungsproduktivität belegen. Immer mehr Forscherinnen und Forscher und immer mehr Geld wird benötigt, um den selben Output zu erreichen. Die Kollegen von NESTA haben zwar keine wirklich schlüssige Erklärung, aber schon mehrere Lösungsvorschläge. Sie setzen einmal auf die Segnungen der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, um Forschung zu beschleunigen. Außerdem schlagen sie vor, die Forschungsförderung besser zu machen, zum Beispiel unter Nutzung von experimentellen Ansätzen.

Die amerikanische Technologie- und Innovationsstiftung ITIF, ein Think Tank der Politikberatung, sieht in einem Blogbeitrag ebenfalls keinerlei Beschleunigung des technologischen Fortschritts. Der Artikel macht sich vielmehr ein wenig lustig über die überschwänglichen Prognosen der Vergangenheit zu Singularität und ähnlichem und stellt auch die angeblich beispiellos schnelle Marktdurchdringung moderner Technik mit Gegenbeispielen in Frage.

Tatsächlich hält sich ja in den Medien der Eindruck, dass immer schneller neue Produkte auf den Markt kommen.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich 2016 mit der These eine Verkürzung von Produktlebenszyklen beschäftigt und diese These als generelle Aussage eher in Zweifel gezogen.

Die Liste an Veröffentlichungen der letzten Wochen ließe sich übrigens fortsetzen. Der amerikanische Ökonom Tyler Cowen hat sich in einem Papier jüngst mit der Frage beschäftigt, ob sich der wissenschaftliche Fortschritt beschleunigt, und kommt tendenziell ebenfalls zu einem negativen Urteil. Zwei japanische Autoren kommen auf der Basis japanischer Daten zu dem Schluss, dass die Forschungsproduktivität in Japan und anderen OECD-Ländern zurückgeht und daher ein Aufwuchs an FuE-Ausgaben nicht unbedingt zu mehr Output führt.

Und was heißt das jetzt? Wie gesagt, die Ursachen werden in den skizzierten Beiträgen für meinen Geschmack viel zu wenig untersucht. Meist bleibt es bei eher allgemeinen, anekdotischen Aussagen à la komplexere Technik, grundsätzliche Probleme bereits gelöst etc. Hier würde ich mir überzeugendere Hypothesen wünschen.

Und die Konsequenzen sind auch etwas unterbelichtet. Immerhin stützt sich ein Gutteil der Argumentation für Produktivitätssteigerung darauf, Forschungsoutput zu erhöhen. Möglicherweise wird das so aber nichts. Möglicherweise wird auch die Erhöhung der deutschen FuE Quote auf 3,5% nur den Produktivitätsrückgang ausgleichen. Wenn überhaupt. Aber immerhin.

Was wir brauchen, ist aber eigentlich erst einmal eine Antwort auf die Frage, wie Wissenschaft und Forschung wieder produktiver werden können.