Sonntag, 19. Februar 2017

Wissenschaft gegen Technologie gegen Ökonomie

Gestern habe ich einen interessanten und ein wenig skurrilen Artikel im Blog SciLog gelesen. Es ging dabei um die Sicht eines eingefleischten Naturwissenschaftlers auf die aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Debatte um den Rückgang des Produktivitätswachstum. Der Autor war perplex, nein er war empört. Zunächst einmal über die Uneinigkeit der Ökonomenzunft über zentrale Aspekte der Wirtschaft. Wie könne es sein, dass die eine Hälfte der Ökonomen davon ausgehe, mit dem ständigen Wachstum der Produktivität sei es nur vorbei, während die andere Hälfte genau das Gegenteil behaupte. Noch viel stärker kränkte den Autor allerdings die Annahme einiger Ökonomen, der technologische Fortschritt sei heute im Vergleich zu früher nur noch eine Schnecke, die Früchte dieses Fortschritts sein nicht der Rede wert und dies der wesentliche Grund für den Rückgang des Wachstums. Der Autor bezog sich dabei auf Robert Gordon und seine etwas polemischen Ausführungen über den gesellschaftlichen Nutzen des Kühlschranks gegenüber dem Nutzen das Online-Pizzabringdienstes.

Der Autor des besagten Artikels konterte diese unverschämten Aussagen mit den aktuellen und zu erwarteten Fortschritten in der naturwissenschaftlichen Forschung. Möglicherweise war dies schon der erste Keim des Missverständnisses. Die zitierten Ökonomen behauptet nämlich nicht, dass es keinen wissenschaftlichen Fortschritt, dass es keine neuen, atemberaubenden Erkenntnisse gäbe. Die Frage stellt sich aber, ob diese neuen Erkenntnisse auch in neue Produkte und Dienstleistungen übersetzbar sind, die tatsächlich zu einem Produktivitätswachstum führen und gesellschaftlichen Mehrwert stiften.

Ein wenig steckt in Gordons Polemik meiner Meinung nach auch ein Angriff auf die Technologie-Szene aus dem Silicon Valley, die in all ihrer Hybris der festen Überzeugung ist, dass mit neuen Technologien alle Probleme dieser Welt lösbar sind. Und wenn nicht, und wenn der Untergang der Welt droht, dann wandern wir halt aus ins All oder ziehen uns in unsere Bunker zurück.

Die Süddeutsche Zeitung hat gerade erst eine hübsche Reportage über den kuscheligen Weltuntergang im Bunker geschrieben. Es scheint gerade hip zu sein in der neureichen Techie-Szene, sich seinen kleinen Luxus-Hightech-Bunker-Platz zu kaufen, wenn es mit der Rettung der Welt doch nicht geklappt hat. Elon Musk wiederum arbeitet auf den Exodus der Menschheit ins Exil auf den Mars hin. Ein ziemlich polemischer Artikel in Aeon wirft Musk vor, dass man mit diesem Aufwand lieber unsere Erde retten sollte als den Mars kolonisieren zu wollen.

Na ja, die Silicon Valley Firmenbosse stehen im Moment eh etwas unter Beschuss, seitdem Trump das Ruder in Washington übernommen hat. Ihr Taktieren gegenüber der neuen Regierung wird sehr kritisch verfolgt, jede kritische Meinungsäußerung wird als taktisch motiviert und auf äußeren Druck entstanden interpretiert.

Demgegenüber tut sich auf Seiten der sonst eher unpolitischen Wissenschaft Erstaunliches. Ein Marsch der Wissenschaft auf Washington ist angekündigt, in einer Art Guerilla-Taktik sichern Wissenschaftler Daten, die die Regierung jetzt zurückhalten möchte.

Die Wirtschaftswissenschaften, die im eingangs zitierten Artikel so schlecht abschnitten, lassen übrigens kaum ein gutes Haar an der neuen amerikanischen Regierung.

Und die Moral von der Geschicht? Wissenschaft und Technologie wird wieder politisch, zumindest auf der anderen Seite des Atlantik. Für den Bundestagswahlkampf kann ich mir eine solche Diskussion allerdings nicht vorstellen. Aber man weiß ja nie, so manches schien unvorstellbar vor nicht allzu langer Zeit.

Samstag, 11. Februar 2017

Robotergesetze - Parlamente diskutieren Zukunftstechnologien

Anfang des Jahres beschäftigte sich der Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes mit einem ganz großen Thema. Braucht die Europäische Union Robotergesetze? Ja Robotergesetze, genau solche, wie sie Isaac Asimov einst formuliert hatte. Es war überhaupt eine sehr denkwürdige Diskussion. Zumindest legen dass die vorbereitenden Dokumente nahe, einmal ein Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes, einmal ein Entschließungsantrag.

Dieser Entschließungsantrag begann in seiner Einführung hoch dramatisch, er zitierte die großen Mythen der Menschheit wie Pygmalion, Frankenstein und den Golem.

Das Parlament diskutierte unter anderem, ob Roboter in Zukunft eine eigene juristische Person bekommen sollten, ob es einen ultimativen Ausschaltknopf geben muss, um sich gegen bösartige künstliche Intelligenz zu wehren oder wie mit der Frage Roboter-Sex umzugehen ist.

Es ging aber auch um etwas naheliegendere Fragen wie das Haftungsrecht autonome Systeme (Autos etc.), eine Frage die in Deutschland unter anderem durch eine Ethikkommission des Verkehrsministeriums debattiert wird.

Am Ende verabschiedet das Parlament tatsächlich einen Aufruf an die Kommission, eine eigene Behörde aufzubauen oder sich mit der Frage eines unbedingten Grundeinkommens zu beschäftigen.

Die deutschen Maschinenbauer zeigten sich übrigens schon Mitte letzten Jahres vor dem Hintergrund eines ersten Entwurfs dieser Entschließung recht kritisch. Statt über hypothetische Gefahren der fernen Zukunft zu diskutieren, sollte ein solcher erschließungsantrag lieber aktuelle Herausforderungen, aber auch die Perspektiven des Robotereinsatz ist in der Industrie berücksichtigen.

Die Medienresonanz auf die Diskussion im Europäischen Parlament war in Deutschland nicht besonders groß, aber es gab durchaus positive Kommentare, wie hier in der Süddeutschen Zeitung. Sonst erschienen vor allem Artikel in Medien, die sich immer mit Technologie und Innovation beschäftigen, wie Wired oder heise.

Viel intensiver war im Vergleich dazu die Mediendiskussion rund um einen Fachexperten-Workshops des Ausschusses für Bildung und Forschung des Deutschen Bundestags. Es ging hier nicht um Roboter im breiteren Sinne sondern um eine ganz spezielle Spezies, den socialbot. Der Ausschuss hat übrigens den gesamten Workshop online gestellt, man kann sich die Statements der Experten also alle in Ruhe anschauen. Vorbereitet wurde der Termin übrigens unter anderem von Kollegen, die im Rahmen des TAB mögliche Technologiefolgen für den Deutschen Bundestag diskutieren und zusammenfassen.

Die Diskussion war wohl nicht ganz konfliktfrei, und auch die Medienberichterstattung im Anschluss nicht. Der Freitag fand z.B. den Experten des CCC eher verharmlosend. Das Portal Netzpolitik wiederum zitierte insbesondere die abwartende Haltung mancher Experten, die vor Panikmache lernten. Bislang gebe es doch recht wenig wirklich belegbare Fälle von Manipulation.

Was nun an praktischer Politik aus diesen beiden Debatten folgt, ist noch schwer abzuschätzen. Während die Diskussion des EP tatsächlich noch ganz schön visionäre oder apokalyptische Aspekte betraf, war der Bundestagsausschuss schon sehr nahe an der Tagespolitik. Mal schauen, ob uns das alles noch die nächsten Monate im Wahlkampf beschäftigen wird.