Samstag, 26. März 2016

Microsofts Frankenstein-Chatbot oder von de Verführung durch eine schlechte Welt

Ziemlich genau 200 Jahre ist es her, dass Mary Shelley in einem romantisch, kalten Sommer am Genfer See Frankensteins Monster schuf. Der Stoff ist zig-mal mal verfilmt worden, und meist war die Pointe, dass das Monster ursprünglich nur ein wehrloses, hilfloses, kindhaftes Wesen war, das erst durch die Erfahrung mit den grausamen Menschen selbst zum Monster wurde.


Nun hat dieses Schicksal ein anderes Wesen ereilt, Microsofts Chatbot. Tay war ein lernendes Programm, das über den Dialog mit seiner Umwelt neues Wissen aufnehmen und in neue Dialoge einspeisen sollte. Was da über kurze Zeit bei raus kam, war für Microsoft so schrecklich, dass das Programm erst einmal in einen künstlichen Schlaf versetzt wurde.

Der NewYorker schreibt: "I've seen the greatest A.I. mind of my time destroyed by Twitter". Die Zeit meint: "Twitter Nutzer machen Chatbot zur Rassistin. "

Tja,  wie fies Menschen zu Maschinen sein können haben wir ja erst kürzlich sehen können:


Sonntag, 13. März 2016

Daten für die Innovationsforschung

Im Februar war ich in Brüssel, zu einer sogenannten mutual learning exercise. Das ist ein neues Austauschformat der Europäischen Kommission, bei dem sich Mitgliedstaaten treffen, um sich über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung ihrer nationalen Innovationspolitiken auszutauschen. Es gibt zur Zeit mindestens drei parallel laufende exercises zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten, ich war bei einem Auftaktworkshop zum Thema impact assessment. Die Idee ist ausserdem, dass nicht alle Mitgliedstaaten mitmachen müssen, sondern nur diejenigen, die Interesse am Thema haben. In unserem Fall war das eine Kerngruppe von fünf Mitgliedstaaten und einige Beobachter, auch assoziierte Mitgliedstaaten sind zugelassen.
Mit zur Kerngruppe gehören in unserem Fall drei skandinavische Länder, die beim impact assessment wirklich weit voran sind, und von denen Deutschland einiges lernen kann. Ein Grund dafür ist die hervorragende Datenbasis. Dänemark zum Beispiel hatten Unternehmensregister, aus dem man lange Zeitreihen ziehen kann, um die Beteiligung einzelner Unternehmen an Fördermaßnahmen und ihre Wirkung zu untersuchen.
Deutschland steht hier traditionel schlechter da, entsprechende Statistiken gibt es kaum und nicht einmal die Teilnahme an Förderprogrammen wird systematisch zusammengeführt erfasst.
Diese Situation könnte sich noch einmal verschlechtern, gerade habe ich über einen amerikanischen Blogeinträge von der Novellierung des Bundesstatistikgesetzes gelesen, die eine Speicherung von Firmendaten erheblich einschränken wird. Eine Diskussion gibt es in Deutschland zurzeit praktisch nicht dazu, nur einen offenen Brief der deutschen Volkswirte und einen kritischen Kommentar der Baden-Würtembergischen grünen Wissenschaftsministerin Theresa Bauer.
Dann arbeiten wir halt demnächst mit dänischen Daten.

Sonntag, 6. März 2016

digitale Philantrophen

Ich hatte bereits in einem früheren Blogbeitrag über den amerikanischen Wahlkampf und das Verhältnis der Kandidaten zur neuen Technologie-Geldaristokratie berichtet. Während die alte Plutokratie der USA noch recht unverblümt eigene Kandidaten protegiert und damit das politische System direkt beeinflussen möchte (siehe hier einen Hintergrund des Deutschlandfunk), sind die neuen "Techno-Aristokraten" aus Silicon Valley etc. weniger direkt politisch aktiv. Ihr Instrument der Einflussnahme sind Stiftungen, die global Krankheiten bekämpfen oder den Klimawandel eindämmen wollen. Dieser Beitrag von Boston Consulting zeigt schön, wie anders die neuen Philanthropen vorgehen, im Vergleich zu den Milliardären und Spendern des 20 Jahrhunderts. Sie sind radikaler, sie operieren mit den Steuerungsinstrumenten von Startups, sie messen den Erfolg und richten ihre Strategie danach aus.  sie verschieben aber auch das Kräftegleichgewicht, global relevante Entscheidungen und Einflussnahmen werden nicht mehr von demokratisch legitimierten Institutionen getroffen, sondern von privaten Interessen beeinflusst. Und ob die neuen Stiftungen tatsächlich erfolgreicher sind, wird erst die Zeit zeigen.

An anderer Stelle versuchen die digitalen Philantrophen, durch neue Wissenschaftspreise Einfluss zu nehmen und natürlich ihren eigenen Glanz noch heller strahlen zu lassen. Dieser Artikel des New Yorker zeigt schön, wie die Preisstifter dabei scheitern können.

Bei einigen Studien zum Innovationssystem, die zur Zeit in den USA erscheinen, habe ich auch den Verdacht, dass sie zumindest beeinflusst sind durch die Themen des Wahlkampfs. Dies gilt zum Beispiel für diese Studie von ITIF, die demografische Indikatoren des amerikanischen Innovationssystems untersucht und zeigt, wie stark Einwanderer für seine Stärken verantwortlich sind. Angesichts einer Diskussion um Schließung der Grenzen und "America first" sicher ein Teil der Wahlkampfdebatte.

Parallel zum amerikanischen Vorwahlkampf tagt auf der anderen Seite des Globus im Moment übrigens auch der chinesische Nationale Volkskongress. Trotz der Diktatur der Partei hat sich in China so etwas wie ein Kapitalismus entwickelt, der ebenfalls zu großem Reichtum einiger weniger Technologieunternehmer geführt hat. Und auch diese Unternehmer versuchen, Einfluss auf die Politik zu nehmen, so schreibt zumindest dieser Artikel in der digitalen Zeit. Anzunehmen ist allerdings, dass der Einfluss der Politik auf die Unternehmen in China deutlich größer ist als in die andere Richtung, wie wäre es für die USA vermuten können.

digitale Produktivität

Beim Thema digitale Revolution ist zurzeit ein interessantes Paradox in der Diskussion zu beobachten. Einerseits wird mit der Digitalisierung aller Wirtschaft und Gesellschaft Bereiche große Hoffnung verbunden. Wachstumsszenario gibt es aktuell für ganz Deutschland oder zum Beispiel auch für Berlin.
Andererseits wird in den Wirtschaftswissenschaften schon länger das Paradox beobachtet, dass sich die Wachstumseffekte der Digitalisierung in den amtlichen Statistiken nur schwer ablesen lassen. Dies hat zu einigen Vermutung darüber geführt, ob entweder die Digitalisierung doch kein so wichtiger Wachstumstreiber ist wie zunächst gedacht, oder ob es einfach ein wenig länger dauert bis die Effekte auch in der ganzen Wirtschaft sichtbar werden.
Aktuelle Artikel bringen noch einen dritten Aspekt in die Debatte ein. Möglicherweise sind Wachstumseffekte der digitalen Wirtschaft mit den klassischen Instrumenten der volkswirtschaftlichen Rechnung gar nicht so leicht zu messen. Möglicherweise entstehen Güter, die nicht in Euro und Cent übersetzt werden können und nicht in die Berechnung mit einfließen. Dies war wohl auch ein Thema, das auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos diskutiert wurde. Vielleicht hat das Bruttoinlandsproduktes als zentrale Maßzahl ja auch ausgedient.
Ein bisschen bleibt natürlich trotzdem der Eindruck, wir rechnen uns das Leben schön, wenn uns die Daten nicht gefallen. Macht uns die schöne neue digitale Welt nicht reicher, sind wir einfach zu undankbar und messen dem unbegrenzten Zugang zum Wissen der Welt nicht den nötigen Mehrwert bei. Hat nicht jede erfolgreiche Google Anfrage irgendwie doch auch ihren eigenen Wert? Müsste man nicht jedes gratis YouTube Video auch als Geschenk sehen?
Für Deutschland gilt sicher auch, dass die digitale Transformation noch nicht wirklich überall angekommen ist. In diesem Sinne sagt auch die Expertenkommission für Forschung und Innovation, die in der letzten Woche ihr neues Jahresgutachten vorgestellt hat, dass die Umsetzung der digitale Agenda noch zu zögerlich erfolgt.
Und jenseits der Frage, ob die gesamten Volkswirtschaft in nennenswertem Maße von der Digitalisierung profitieren, ist die Frage der Verteilung dieser digitalen Dividende auch noch nicht geklärt. Führt die Digitalisierung zu einem größeren Ungleichheit, wirkt sich dies möglicherweise auch regional aus?
In diesem Sinne sind die Wachstumsszenarien für Berlin, das sich als digitale Start-Up-Metropole Deutschland sieht, vielleicht dann doch nicht so unrealistisch.

P.S. hier kam aktuell noch ein Blogbeitrag von Tyler Cowen rein derauch ziemlich skeptisch hinsichtlich einer reinen Rechenproblematik ist...

Samstag, 5. März 2016

Kein Nachfolger für Amazon?

Bald eröffnet wieder die CeBIT. Neben vielem Technik-Schnickschnack wird es dort auch wieder Stände geben, die zeigen, wie Innovationen in Deutschland gefördert werden. Unter anderem wird sich auf der CeBIT der neue Gründerwettbewerb des BMWi vorstellen, der Gründerwettbewerb digitale Innovationen. Einen solchen Gründerwettbewerb gibt es jetzt seit etwa 18 Jahren, und von Anfang an wird er mit eine Wirkungsforschung begleitet.
Wie viel sich in 18 Jahren ändern kann, zeigt eine neue Studie aus den USA, die mir gestern über den Bildschirm geflattert ist. In der Studie geht es zum Beispiel darum, ob die Strategie, in der Breite Startups befördern, um angesichts einer ungewissen Trefferquote möglichst auch den neuen Superstar, den späteren Amazon, Google oder Facebook im Portfolio zu haben, eine vernünftige Strategie ist. Tatsächlich zeigen ja viele Untersuchungen, dass es auf die wenigen hi-flyer ankommt die Unternehmen, die schnell wachsen und dann auch viele Arbeitsplätze bringen. Der Rest ist eher nice-to-have, es sind die Unternehmen, deren Gründer von Anfang an nicht vorhatten, wirklich schnell und immer schneller zu wachsen, sondern die sich damit begnügen, ihre Geschäftsidee erfolgreich umgesetzt zu haben und mit ein paar Mitarbeiter weiter zu entwickeln.
Für viele positive Effekte, die mit Gründern verbunden werden, ist das auch vollkommen ausreichen. Neue Innovationen schaffen es auf den Markt, Branchen werden durch junge Akteure durcheinandergewirbelt, kreative Zerstörung findet statt. Aber die großen volkswirtschaftlichen Effekte lassen sich mit diesen kleinen, jungen Unternehmen natürlich nicht erreichen, daher sind insbesondere die staatlichen Gründungsvertrag sehr auf die "Gazellen" aus.
Unsere Analysen der deutschen Szene, die wir auch regelmäßig in unserem Trendbarometer veröffentlichen, zeigen, dass auch in Deutschland das ganz schnelle Wachstum für die meisten Gründerinnen und Gründer nicht erste Priorität hat. Aber auch die andere Art von Gründungen gibt es natürlich.
Die eben erwähnte amerikanische Studie zeigt nun, dass der Anteil der schnellwachsenden junge Unternehmen in den USA kontinuierlich zurückgegangen ist. Spätestens seit dem Platzen der Dotcom-Blase werden solche Unternehmen immer seltener. Die Autoren folgen daraus, dass es Unternehmen wie Amazon oder Google heute deutlich schwerer hätten.
Auch das amerikanische Innovationssystem, für Deutschland in Hinblick auf Gründungen immer das große Vorbild, hat also ähnliche Probleme wie hierzulande. Nur ist das möglicherweise dort viel gravierender, weil dieses System voll auf stetige Erneuerung durch Gründungen ausgelegt ist, während Deutschland mit seinem traditionellen innovativen Firmen stärker auf Erneuerung derselben zielt.