Sonntag, 20. Dezember 2015

Neolitische Revolution und Innovationen

Gestern habe ich mir als Podcast den Vortrag eines Archäologen zum Thema Innovationen in der Frühgeschichte angehört. Ich beschäftige mich zwar beruflich schon wirklich lange mit Innovationen, und Geschichte, auch die Ur- und Frühgeschichte, fand ich schon immer spannend, aber diesem Zusammenhang hatte ich bisher noch nie gesehen. Dabei ist es eigentlich natürlich ziemlich einleuchtend. Archäologen machen sich Gedanken über frühe Kulturen. Sie versuchen also, menschliche Gesellschaften anhand ihrer kulturellen Eigenarten zu beschreiben und vor allen Dingen die Interaktion zwischen diesen Kulturen zu analysieren. Veränderungen in den Kulturen, die sich vor allen Dingen an Innovationen festmachen, sind dabei ein wichtiges Merkmal. Von daher müssen sich Archäologen zwangsläufig mit der Frage beschäftigen, was Innovationen sind, warum Gesellschaften Neues hervorbringen und warum sich dies durchsetzt, wie sich Innovationen verbreiten, und vor allen Dingen, wie diese Verbreitung zu interpretieren ist. Mindestens drei Fragen sind dabei zu beantworten, die sich auch die moderne Innovationsforschung stellt.

Warum wird überhaupt innoviert? Vermutlich sind es schon äußere Veränderungen, ist das der Stress, der Menschen dazu bringt, sich neue Lösungen zu überlegen. Not macht erfinderisch, wie der Autor in meinem Vortrag meint. Ich finde, das kann man schön sehen an der aktuellen Flüchtlingssituation, die ja auch Stress für unsere Gesellschaft ist, und in der unheimlich viel innovatives Potenzial freigesetzt wird.

Dann ist ja die Frage, ob Innovationen immer nützlich sind. Ob sie also einen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Und da heutzutage vor allen Dingen innovationsökonomen das Geschäft der Innovationsforschung betreiben, fällt die Analyse häufig zu Gunsten des ökonomischen Nutzens aus. Aber die Geschichte, und zwar die lange Geschichte angefangen in der Jungsteinzeit zeigt wohl, dass die Nützlichkeit nicht immer der ausschlaggebende Grund ist, neues anzunehmen. Häufig sind dassoziale Prozesse, die mit Prestige zu tun haben, mit kultischen Fragen, oder einfach auch mit Geschmack. Das schönste Beispiel des Vortrags fand ich den Übergang von der Jäger- und Sammler-Gesellschaft zur Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht. Das war für den Einzelnen nicht wirklich ein positiver Wandel, da nun lange harte Arbeit den Tag strukturierte, während die Jäger und Sammler viel mehr freie Zeit gehabt hatten. Gesamtgesellschaftlich war das Ganze aber scheinbar schon ein Erfolgsmodell, sonst hätte es sich nicht durchgesetzt.

Und die dritte Frage ist vor allen Dingen für die Geschichtsforschung eine zentrale. Haben sich Innovationen ausgebreitet, weil sie von Menschen mit genommen wurden, oder sind nur Ideen gewandert. Haben wir es also mit einem Phänomen des Transfers zu tun oder der Migration. Das ist dann zentral, wenn man die Frage beantworten möchte, ob zum Beispiel der Ackerbau durch Menschen mitgebracht wurde die dann in Mitteleuropa sesshaft wurden, oder ob einfach die Technik des Ackerbaus Stück für Stück aus dem Balkan und Donauraum bis nach Mitteleuropa weitergegeben wurde. Ein anderes Beispiel sind die vielen Kulturen, die sich nur an unterschiedlichen Keramik -Stilen identifizieren lassen, Bandkeramik und so weiter. Auch hier kann man fragen, ob dahinter tatsächlich auch einheitliche Gruppen standen, die sich auch biologisch als miteinander verwandt festmachen lassen, oder ob ihr einfach eine Mode weitergegeben wurde. Sollten in der Zukunft Archäologen unsere Zivilisation ausgaben, würden sie vermutlich nicht davon ausgehen, das nur deshalb, weil Menschen fast auf der ganzen Welt iPhones benutzt haben, diese auch miteinander verwandt waren.

Die moderne Innovationsforschung setzt ihren Schwerpunkt also auf den Transfer von Wissen und Innovationen. Es sind die Produkte, die verkauft werden, sind die Ideen, die weitergegeben werden, es ist der spillover vom Innovator zu den vielen anderen Akteuren des Innovationssystems. Einzelne Menschen, die ihre Ideen mitnehmen, spielen keine große Rolle. Das hat sicher auch forschungspraktische Gründe. Nicht zuletzt der Datenschutz, aber einfach auch die Kosten zur Umsetzung einer solchen Methodik machen es praktisch unmöglich, Einzelpersonen in den Blick zu nehmen, wenn man Innovationsprozesse über längere Zeiträume verfolgen möchte.

Dabei wäre es schon interessant zu beobachten, wie sich Neues über den individuellen Werdegang der Beteiligten ausbreitet. Wie sich also zum Beispiel aus Forschungsprojekten durch den beruflichen Werdegang der Beteiligten, ihre Veränderungen des Arbeitsplatzes, ihren direkten Austausch mit Kollegen und Freunden Neues Stück für Stück verbreitet. Migration statt Wissenstransfer als wichtiges Element der Ausbreitung. Stattdessen schauen wir uns in der Regel an, wie sich die Kooperationsbeziehungen von Organisationen, von Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Laufe der Zeit verändern und welchen Einfluss darauf die Beteiligung an Forschungsprojekten hat. Alles richtig, aber möglicherweise nur die halbe Geschichte.

Samstag, 12. Dezember 2015

Startups und Großkonzerne

Anfang Dezember stellte der Stifterverband wie jedes Jahr die neuesten F&E Zahlen für Deutschland vor. Demnach nähert sich Deutschland mit 2,87 Prozent weiter seinem drei Prozent Ziel an. Die Welt scheint in Ordnung. Noch. Allerdings macht der Stifterverband auch deutlich, dass ein Großteil der privaten F&E Investitionen auf das Konto der großen Konzerne geht. Und die sind aktuell mitten in einem Umbau, von dem man nicht weiß, wie er sich zum Beispiel schon nächstes Jahr auf die Statistik auswirken wird.

Beispiel VW: Hier gab es diese Woche eine Pressekonferenz, wie der Konzern auf den Abgaskanal reagieren und seine Strukturen umbauen möchte. Zwar wiegelt die Konzernspitze ab. Die drohenden Kosten zur Bewältigung des Skandals sind scheinbar geringer, als zunächst gedacht. Aber das wahre Ausmaß der finanziellen Belastungen ist aufgrund der anstehenden Klagen in den USA noch nicht wirklich abzusehen. Und damit auch nicht, ob der Konzern mehr finanzielle Ressourcen aus der Forschung in solche Zahlungen umwidmen muss als heute schon absehbar. Und das könnte sich tatsächlich in der Statistik niederschlagen. Jedes Jahr aufs Neue zeigt die Kommission in ihrem European Industrial R&D Scoreboard, das VW mit Abstand der größte Investor in Forschung und Entwicklung und das weltweit, andere Quellen wie PwC bestätigen das. Aber vielleicht steigert das Unternehmen ja auch seine Forschungsaufwendungen, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität, die erst kürzlich verkündet. Und das wäre möglicherweise auch dringend, da ganz aktuell eher die Meldungen über chinesische Erfolge bei der Elektromobilität durch den Blätterwald rauschen als deutsche. Hierzulande scheinen die Verkaufszahlen sogar noch zurückzugehen.

Ein anderer zentraler Spieler ist Siemens. Der neue Unternehmenschef hat gerade erst ziemlich vollmundig verkündet, dass Siemens in Zukunft mehr in Forschung und Entwicklung investieren wird als bislang. Außerdem möchte Siemens die kreative Kraft seiner eigenen Mitarbeiter neu nutzen, indem so etwas wie interne Start-ups besser gefördert werden. Das ist jetzt kein neues Konzept, auch für Siemens nicht, aber es zeigt, wie man sich dort Sorgen macht, als Großkonzern die rasanten Technologieentwicklungen zu verschlafen. Außerdem soll, wie das aktuelle Magazin von Siemens pictures of the future zeigt, noch stärker mit anderen Start-ups zusammen gearbeitet werden.

Das zeigt sich in letzten Jahren sowieso immer stärker als drin, dass Großkonzerne zum Beispiel über corporate venture den Kontakt zu jungen Unternehmen suchen. Auch wenn diese Zusammenarbeit nicht immer von Erfolg gekrönt ist, wie diese Meldung zeigt.

P.S. Kleiner Nachschlag: jetzt machen sich die Konkurrenten von VW noch einen Spaß drauf und fordern den Konzern auf, statt teuer umzurüsten doch gleich in Elektromobilität zu investieren ...