Montag, 19. November 2012

Wer steuert soziale Innovationen?

Die Wahl in Amerika ist gelaufen, aber der amerikanische Wahlkampf bietet weiter Material, um über die Möglichkeiten von Datenauswertungen zu schreiben. So zum Beispiel in einem aktuellen Blogbeitrag des future blog der BBC, der sich erneut mit der Prognoseleistung von Datenauswertungen beschäftigt. Oder auch im Innovationsblog von NESTA, in dem sich Ruth Puttick fragt, was social innovation von der Obama-Kampagne lernen kann.
Soziale Innovation ist hier vor allem als sozialpolitische Innovation verstanden, während andere Definitionen Politikfeld-übergreifend die verhaltensändernde Wirkung von neuen – insb. digitalen -Technologien in den Mittelpunkt stellen. Nicht selten funktioniert das über digitale Vernetzung, die zu einer Dezentralisierung bislang vermittelter Prozesse führt. Cloud Funding lässt jeden von uns zum Risikokapitalgeber werden, Online-Portale machen uns alle zu potenziellen Mikro-Kreditgebern. Damit steigt die Partizipationsmöglichkeit des einzelnen, Filterfunktionen von Mittlern fallen weg, ganz neue Entscheidungskriterien führen zu Erfolg oder Misserfolg beim Spenden- oder Kreditsammeln. Entmachtet werden nicht nur die früheren Mittler, tendenziell machtloser wird auch der Staat, wenn er sich nicht selbst der neuen digitalen Möglichkeiten zur Gestaltung sozialer Innovationen bedient.
Manchmal stehen aber auch die veränderten Verhaltensweisen selbst im Mittelpunkt des Interesses für bestimmte soziale, technikinduzierte Innovationen. Gerade hat ZEIT-Online sich mit der sogenannten Tausch-Ökonomie auseinandergesetzt. Anlass sind eine aktuelle Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und des NABU sowie die Themensetzung der nächsten CeBIT 2013. In Deutschland sind die ersten Schritte demnach noch sehr zögerlich, bekannt sind vor allem Car-Sharing-Modelle. In den USA ist man jedoch bereits schon viel weiter und tauscht so ziemlich alles und jeden, vom Parkplatz bis zum Hundesitter. Damit entstehen möglicherweise ganz neue Dienstleistungskonzepte, die traditionelle Anbieter verdrängen. Aus ökologischer Perspektive liegt die Hoffnung auf vermindertem Konsum dank Tauschoption. Wie der ZEIT-Artikel richtig bemerkt, steht und fällt der Erfolg der neuen Angebote (und Anbieter) aber auch mit einer Kultur des Tausches.
Dies ist auch einer der schwachen Punkte des Konzepts der sozialen Innovation. Ob technische Innovationen nun zu gewünschten Verhaltensänderungen führen oder soziale Veränderungen ihrerseits Voraussetzungen für den Erfolg spezifischer Technologien sind, ist zumeist nicht zu entwirren. Vermutlich ist hier von einer komplexen Wechselwirkung auszugehen. Dies bedeutet aber auch, dass steuernde Interventionen in die komplexen Systeme der sozio-technischen Innovation eine gelinde gesagt erhebliche Herausforderung darstellen.

Sonntag, 11. November 2012

Little Data

Im letzten Post hatte ich die Möglichkeiten von BIG Data beschrieben. Die Kehrseite der Medaille, der Verlust an persönlicher Entscheidungsgewalt über unsere ganz eigenen Daten, little data sozusagen, hat ein Artikel des in der letzte Woche auf Deutsch neu erschienenen New Scientist beschrieben. Ein mögliches Szenario  könnte demnach sein, dass wir alle zu Datenhändlern unserer eigenen Daten werden. Angesichts der vielen weiteren neuen Entscheidungssituationen (welcher Stromanbieter, welche Telefongesellschaft ...) unserer privatisierten Welt macht mich diese Perspektive nicht gerade euphorisch. Aber vielleicht lassen sich ja doch spannendere Dinge mit meinen Daten anstellen, als personalisierte Werbung auf den von mir besuchten Websites zu platzieren.
Ein aktueller Blogbeitrag bei Hyperland beschreibt ein Projekt in den USA, in dem Nutzer ganz bewusst der Sammlung ihrer Daten zustimmen und diese durch statistische Angaben vorab sogar noch weiter qualifizieren. Allerdings versprechen die Betreiber auch,  diese Daten nur für nichtkommerzielle Zwecke, zum Beispiel für die Gesundheitsforschung, zu verwenden. Schließlich sind soziale Netze zu einem wichtigen Labor der sozialwissenschaftlichen Forschung geworden. So verwies dieser Artikel im letzten Jahr darauf, dass sich Facebook zu einer wichtigen Quelle sozialwissenschaftlicher Daten entwickelt. Die Nutzung des Netzes ist aber nur eine Möglichkeit, die Digitalisierung für neue Ansätze der Forschung zu nutzen. Die Masse der Onlinecommunity für die Lösung wissenschaftlicher Projekte zu nutzen, hat bereits eine längere Tradition und Anwendungsbeispiele aus vielen Disziplinen. Neben dem Ziel, die Rechenkapazität und den Datenzugang zu nutzen, stehen hier zu Teil auch verhaltensändernde Motive im Mittelpunkt. Wenn der NABU zur Stunde der Wintervögel aufruft, will er nicht nur die Daten tausender Amateurvogelkundler nutzen, sondern auch für die Bedrohungen der Artenvielfal in Deutschland sensibilisieren. Damit sind wir dann schon fast beim Thema soziale Innovationen, aber dem will ich mich ausführlicher in einem nächsten Post widmen.

Donnerstag, 1. November 2012

BIG Data

Die Endphase des amerikanischen Wahlkampfes beschäftigt die internationale Berichterstattung nicht nur in politischer Hinsicht. Auch technophile Beobachter kommen zurzeit auf ihre Kosten. Die Süddeutsche Zeitung beschäftigt sich in ihrer heutigen Online-Ausgabe mit den Tricks und Kniffen des elektronischen Wahlkampfes, der auf der Grundlage immer breiterer Nutzerdaten eine mehr als zielgerichtete Ansprache der Wähler ermöglicht. In Zeiten, in denen wir alle eine breite digitalen Spur hinterlassen, weiß auch das Lager der Republikaner oder Demokraten unter Umständen mehr von uns, als uns lieb sein kann. Immer vorausgesetzt, wir sind amerikanische Wahlberechtigte.
Einen Schritt weiter geht ein Blogbeitrag auf "Endless Innovation", der die Prognosefähigkeit bei der Auswertung von Big Data thematisiert. Aufwendige Meinungsforschung soll demnach bald hinfällig werden, weil aus den Nutzerprofilen der diversen sozialen Dienste bereits das Wahlverhalten der nächsten Tage oder Wochen abgeleitet werden kann. Wer meint, dies klingt wie Science Fiction, hat erst einmal recht. Auch Endless Innovation verweist auf Isaac Asimov, bringt aber auch eine Reihe konkreter Beispiel, in denen die Potenziale von Big Date deutlich werden. Wenn Google Grippewellen schneller identifizieren kann als die nationalen Gesundheitsbehörden, warum sollte dann nicht auch das Wahlverhalten in Reichweite der Analyse liegen. Und auch die UNO möchte schneller - real time - auf weltweite Krisen reagieren können, indem Daten sozialer Netzwerke ausgewertet werden, wie dieser Blogeintrag von OXAM bereits Anfang des Jahres berichtete.
Da sollte es doch nur noch ein kleiner Schritt sein, auch in der Innovationsforschung Big Data für eine real time -Analyse von Innovationsprozessen und Innovationspolitik zu nutzen. Wenn der neue OECD STI Outlook von September diesen Jahres mit Daten von 2009 arbeitet, so kann dies doch nicht der Stand der Technik bleiben. Zur Gestaltung von Innovationspolitik wird die Analyse großer Datenmengen zumindest in den USA bereits intensiver diskutiert. Das Star Metrix Projekt soll hierfür eine Grundlage schaffen, wie zum Beispiel Julia Lane in ihren jüngsten Artikeln berichtet.