Donnerstag, 20. Juni 2013

disruptive technologies

Zu disruptiven Technologien hat McKinsey im Mai eine neue Studie vorgestellt. 10 Technologien werden vorgestellt, die auf kurz oder lang zu ökonomischen Umbrüchen führen könnten. Vom mobilen Internet und dem sogenannten Internet der Dinge bis zum autonomen Fahren, 3D Printing und Erneuerbaren Energien ist so ziemlich alles aufgeführt, was heute schon (fast) auf dem Markt erhältlich und heiß diskutiert wird. Echte Überraschungen sind also kaum zu erwarten, gleichwohl beeindrucken die Zahlen, mit denen McKinsey die wirtschaftlichen Effekte dieser technologien und damit ihren disruptiven Chakter unterstreicht. Das Konzept der disruptiven Technologien wurde vor allem durch die Publikationen von Clayton Christensen bekannt, in Deutschland hat sich jüngst der BDI dieser Terminologie bedient, um in seiner Studie Deutschland 2030 - Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung Anfang 2012 technologiepolitische Strategien zu skizzieren.

Die McKinsey-Studie wiederum wurde vom Economist in seiner Schumpeter-Kolumne aufgegriffen, um einen der betrachteten Technologietrends etwas gegen den Strich zu bürsten. Für die Automatisierung der Wissensarbeit sieht McKinsey mit den größten wirtschaftlichen Effekt, da bis 2025 bis zu 140 Millionen Arbeitsplätze durch intelligente IKT ersetzt werden könnten. Die Rationalisierungsprozesse der Industrie würden sich damit auf die Wissensarbeit ausbreiten, mit ungeahnten Folgen. Während McKinsey vor allem die positiven Effekte (neue, preiswerte Wissensdienstleistungen, aufqualifizierung der verbleibenden und neu geschaffenen Arbeitsplätze) herausstellt, verweist der Economist zurecht auf die zunächst dramatischen Folgen und nimmt besonders bezug auf die Veröffentlichung von  Erik Brynjolfsson and Andrew McAfee (Race Against the Machine, 2011). Den beiden Autoren geht es um ein Rennen, das die Menschheit gegen immer schlauere Maschinen antritt, und das wir - wenn wir uns nicht aufqualifizieren - möglicherweise auch verlieren könnten. Was natürlich nur übetragen gemeint ist ...

Mittwoch, 19. Juni 2013

Digital Divide per Suchalgorythmus

Der Tagesspiegel hat in seiner Printausgabe vom 15.6.2013 einen interessanten Artikel zu neuen Ansätzen der Preisgestaltung im Internet berichtet. Basierend auf der Auswertung von Userprofilen, Suchverhalten und darauf aufbauend soziodemographische Schlussfolgerungen, prüfen Onlinehändler angeblich die Einführung individueller Preise. Wer wohlhabend ist, bekommt andere Produkte und Preise angezeigt als vermeindlich ärmere Kunden.

Andere Artikel, z.B. bei heise oder bei businessweek, gehen diesem Phänomen unter der Bezeichung Weblining nach. Die Praxis, in den USA der 30er Jahre als Redlining für die Benachteiligung für Bewohner aus sozal schwächeren bezirken beschrieben, ist zwar nicht neu, mithilfe der umfangreichen sozioökonomischen und persönlichen Daten aus sozialen Netzwerken und Suchhistorien aber mit ganz neuen Konsequenzen zu nutzen. Digitale Spaltung würde dann heißen, dass die existierenedn sozialen Grenzen und Benachteiligungen auf das Netz übetrtagen und weiter verstärkt würden.

Auch Suchergebnisse hängen schon heute von der Suchhistorie ab. Je nachdem, was mich bislang interessierte, wird mir auch die neue Auswahl an Fundstellen vorkonfiguriert. Damit erhöht sich zwar die Chance, dass meine "Suchanfrage" vor dem Hintegrund meiner bnsherigen Suchhistorien besser gedeutet wird und die Ergebnisse häufig präziser sind, gleichzeitig werden so aber auch Pfadabhängigkeiten geschaffen und Tunnelblicke erzeugt.

Noch kann man die personalisierte Suche ausschalten. Ob das auch für die "personalisierte" Onlinepreisbildung gilt?

P.S. Anlässlich der aktuellen Diskussion um staatliches Ausspionieren (PRISM und ähnliches) gibt es natürlich manigfache Querbezüge. Die Technik des Datenzugangs mag unterschiedlich sein, die Herausforderung bei der Datenanalyse - die Erstellung des Nutzerprofils und die Voraussage seines weiteren handelns - sind vergleichbar.

P.P.S. Im Zusammenhang mit den Pfadabhängigkeiten von Suchanfragen sollte der Hinweis auf Eli Pariser und seine "filter bubbles" nicht fehlen, die er im TED TALK und auf einer eigenen Webseite zu seinem Buch anschaulich dargestellt hat. Lesenswert auch ein Interview mit ihm in der Süddeutschen.

Samstag, 15. Juni 2013

Quantify yourself und tierische Innovationen

Quantify Yourself - das messen aller verfügbaren Bewegungs- und Körperparameter - ist angeblich eine echte Szenebewegung, die notwendige Tools und Gadgets sind via Smartphone heute für jeden erschwinglich zu haben. Neueren Datums, zumindest in der Medienberichterstattung, ist die quantitative Erfassung unserer Liebsten, ob Katz oder Hund. Bei Übermorgen gibt es hierzu nun einen schönen Artikel, der die entsprechende App (und das zugehörige Halsband) kurz vorstellt. Die Leserbriefe verweisen dann unter andere auf einen Artikel der BBC zum Tracking von Katzen. Das ist eigentlich nichts anderes als die Wildtierforschung, die ausgewilderten Luchsen oder Wölfen entsprechende Halsbänder umhängt. Nur das die preiswerte Verfügbarkeit nun jedermann zum (Haus-) Tierforscher werden lässt.

Welch perverse Formen Citizen Science mit Tierenallerdings auch annehmen kann, zeigt ein anderer aktueller Artikel von Neuerdings. Hier werden  Küchenschaben per eingepflanzter Hardware zu Cyborgs gemacht, zumindest verspricht das ein Kickstarter-Crowdfunding-Projekt. Das hier mit zweifelhaftem wissenschaftlichem Nutzen ethische Grenzen überschritten werden, macht der Artikel nur allzu deutlich. Und weist zurecht darauf hin, das auch hier tierschutzrechtliche Vorgaben greifen, die Tierversuche regeln (und manchmal auch verbieten!).

Wo Frankenstein bei der Haustieroptimierung grüßen lässt, halten wir uns doch lieben an die virtuelle Realität und schauen Frankenweenie.  

Sonntag, 2. Juni 2013

Globalisierung und Innovation

Diese Woche besuchte der chinesische Ministerpräsidente Li Keqiang Deutschland . Zeitgleich intensivierte sich auf der Streit um Strafzölle auf Solarmodule aus China, da die EU-Kommission eine entsprechende Empfehlung formuliert hat. Die Fronten zu diesem Streit verlaufen quer durch die Branche. Während der deutsche Hersteller Solarworld das Antidumpingverfahren angestoßen hatte, sprechen sich andere Branchenvertreter auch aus Deutschland gegen Strafzölle aus, nicht zuletzt, weil sie mit Vorprodukten und Maschinen weiterhin gut in China verdienen. Europaweit haben sich diese Vertreter zum AFASE (Allianz für Bezahlbare Solarenergie) zusammengeschlossen und argumentieren, dass Strafzölle europaweit  über 240.000 Arbeitsplätze gefährden könnten. Dabei rekurrieren sie explizit auf eine globale Arbeitsteilung, nach der Vorprodukte und Maschinen aus Europa kommen, andernorts zu Solarmodulen werden und dann in Europa wieder zu Anlagen auf den Dächern montiert werden.

Die Diskussion zeigt die Komplexität globaler Wertschöpfungsketten und Abhängigkeiten gut auf. Wo wird die Wertschöpfung eigentlich realisiert, welchen Anteil haben Vorprodukte, Maschinen und Installation? Einige Kommentatoren (hier zum Beispiel die FAZ) kommen zum Schluss, dass auch für den deutschen Arbeitsmarkt preiswerte - auch chinesische - Module wertvoller als die noch in Deutschland angesiedelten Produktionsstätten für Module selbst sind.

Diese Diskussion ist typisch für die globalen Wertschöpfungsketten, in die gerade exportorientierte Länder wie Deutschland besonders stark integriert sind. Und der Vernetzungsaspekt ist auch das Charakteristikum und der Treiber selbst der Globalisierung, nicht mehr vorrangig die preiswerten Transportkosten (siehe auch diesen Blogbeitrag hierzu). Zur Geschichte der Globalisierung hat übrigens die OECD gerade einen schönen Reader zusammengestellt, der die Phasen anhand vieler Beispiele sehr übersichtlich herausarbeitet. Und zum Thema Global Value Chains hat sie auch ein aktuelle Studie fertiggestellt.

Politik mit Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Herausforderungen macht das ganze noch komplexer, weil sie  ggf. auf konfligierende Prioritäten setzt. China muss schnell erneuerbare Energien marktfähig machen und ist dabei auf sinkende Preise angewiesen. Ein Handelsblattartikel führt dies beispielhaft aus. Auch Indien braucht z.B. billige Module für Umstieg auf erneuerbare Energien und nutzt die aktuellen Tiefstpreise (siehe zum Beispiel den Hinweis hier). Auch deshalb nennt sich der Verband AFASE trickreich nicht Verband der Vorproduktehersteller für Solarenergie, sondern Allianz für Bezahlbare Solarenergie...