Samstag, 25. Mai 2013

Demographischer Wandel und Innovation

Am 14. Mai fand der Demografiegipfel der Bundesregierung statt, am 16. und 17. Mai die Veranstaltung "Innovationsfähigkeit im demographischen Wandel". 2013 wurde insgesamt zum Wissenschaftsjahr "Die demographische Chance" ausgerufen, mit vielen Veranstaltungen im ganzen Bundesgebiet.
Doch nicht nur in Deutschland dreht sich zurzeit die Diskussion um das Thema Demographie und Innovation. Der Economist hat gerade in einem Artikel seiner Kolumne Buttonwood die Herausforderungen des demographischen Wandels für die Produktivitätsentwicklung thematisiert und in einer ergänzenden Graphik einen deutlichen Zusammenhang zwischen kontinuierlich sinkenden Produktivitätssteigerungen und älter werdenden Belegschaften postuliert.

Deutschland wird zwar auch in diesem Artikel als besonders betroffenes  Land skizziert, gleichwohl stehen auch andere Länder dieser Herausforderung gegenüber. Insbesondere für China (zum Beispiel in diesem Artikel vom Anfang des Jahres) und Indien (Artikel hier) wird angezweifelt, ob sie ihre Dividende rechtzeitig einzuholen, bevor auch ihre Gesellschaften sich dem Aufbau der meisten europäischen und der japanischen Gesellschaft angleichen. In einem aktuellen Artikel zitiert der Economist eine spannende Studie, die einen engeren Zusammenhang zwischen Bildungspolitik und realer demographischer Dividende postuliert und dies am Beispiel Korea (eine der am schnellsten alternden Gesellschaften) und Indien ausführt.

Die Zusammenhänge zwischen demographischem Wandel und Innovation sind vielfältig. Zum Beispiel verändert sich das Gründungsverhalten (schön analysiert in einer Studie des ZEW). Das Fraunhofer ISI hat bereits 2010 im Rahmen des eingangs vorgestellten Demographieprogramms des BMBF eine Studie zu demografiebezogenen Innovationsindikatoren erstellt.

Das Thema Demographie hat übrigens durchaus den Charakter eines Modethemas. Gibt man bei Google Trends den Begriff Demographie ein, so zeigt sich eine eher abnehmende Suchintensität - obwohl das Thema objektiv vermutlich an Relevanz gewinnen wird. Wer auf dem laufenden bleiben möchte, dem sei der Demographie-Blog von Björn Schwentker empfohlen.

Nachtrag:
Ganz anders setzt sich übrigens Dan Brown in seinem neuen Buch "Inferno" mit dem Thema Demographie und Innovation auseinander. Die weltweite demographische Entwicklung (Stichwort Überbevölkerung und Malthus) wird hier zum Weltuntergangsszenario, die Biotechnologie zum vermeindlichen Retter oder Verderber. Dann vielleich doch lieber seriöse Infos von Björn Schwentker?

Samstag, 11. Mai 2013

Gamification und Serious Games

Vor knapp einer Woche meldete Hyperland in einem Blogbeitrag, dass alternativ zu den Aktivitäten der NASA nun private Marsmissionen als Reality Show und Crowdfinanzierungs-Projekte geplant werden. Mit dem Erfolg erster privater Dienstleister im Weltraumgeschäft - die NASA setzt nun explizit auf privatwirtschaftliche Unterstützung - rücken auch größere Visionen in den Bereich des Möglichen. Mars One zum Beispiel will Menschen rauf zum Roten Planeten schicken, zwar nur mit einem Oneway-Ticket, aber mit weltweiter multimedialer Aufmerksamkeit garantiert. Die Kandidaten sollen in einer Art Reality Show (und ergänzend nach Begutachtung durch "echte" Experten) ausgewählt werden, die wahrlich astronomischen Kosten durch Werbeeinnahmen etc. aufgebracht werden.

Eine Nummer kleiner im Weltraum unterwegs ist der schon etwas ältere Lunar X Prize von Google, der für die Landung auf dem Mond und den Einsatz eines Rover auf demselben zu gewinnen ist. Zurzeit sind noch 24 Teams registriert, darunter mit den Part Time Scientists auch ein Team aus Deutschland. Setzt Mars One insbesondere auf Werbung, um kostspielige Missionen zu finanzieren, so wird der Luna Prize zwar von Google ausgelobt (und finanziert), die jeweiligen Teams aber müssen eigene Geldmittel aufbringen oder Sponsoren suchen. Und erst vor kurzem gab es eine Sendung über neue Geschäftmodelle in der Raumfahrt beim Deutschlandfunk.

Der Wettbewerb als Motivationsquelle für wissenschaftliche Herausforderungen hat eine lange Geschichte, im 19. Jahrhundert sind nicht wenige Expeditionen im Rahmen eines solchen Wettbewerbs organisiert worden. Die Rolle von Innovationspreisen und -Wettbewerben wird immer wieder (auch jüngst in einem Artikel in "Reserach Policy") untersucht. Ein großer Gewinn ist das enorme öffentliche Interesse und die Begeisterung für technologische Lösungen, die solche Wettbewerbe im Idealfall ausstrahlen können. Ein ähnlicher Effekt wäre für das eingangs erwähnte Mars-Projekt zu erwarten.

Eine wichtige Rolle kommt auch dem spielerischen Element zu. Als Event inszeniert und mit entsprechenden Spannungsbögen versehen, wird selbst die drögeste Wissenschaft aufgepeppt. Mit einem ähnlich Rezept wartet auch die Mittmach-Wissenschaft des kleinen Mannes, die Citizen Science, auf. Die Macht der Vielen (oder modisch korrekter der Crowd) hilft Daten zu sammeln, die zentral nicht zu sammeln wären. Naturbeobachtungen sind hier das klassische, aber weiterhin moderne Beispiel (heute ist übrigens wieder Stunde der Gartenvögel). Eine andere Fähigkeit echter Menschen, die noch nicht in Gänze vom Computer übernommen werden kann, ist die Mustererkennung. Dieser Fähigkeit bedient sich das überaus populäre Citizen Science Portal Zooniverse mit einer Reihe von Mitmachprojekten aus Astronomie, Klimaforschung und Biologie.

Doch dass sind nur erste, in Deutschland übrigens eher unbekannte Beispiele für Serious Games. Wenn die Filme- und Spielindustrie die Gamifikation der Bildung noch stärker entdecken würde, wäre dies eine echte Bildungsrevolution, die möglicherweise stärkere Auswirkungen hätte als die Veränderungen der Universitätslandschaft, die durch Open Massive Courses anstehen.

Mittwoch, 8. Mai 2013

Bio Punks

In der vergangenen Woche erschien ein neuer Artiekl in der Print-Ausgabe der ZEIT zu Bio-Punks oder Bio-Hackern, der sich geradezu liebevoll dieses Szene widmete und ihren Bemühungen um Innovationen von unten, gegen die großen Konzerne, durchaus Chancen einräumte. Beim Lesen überkam mich bei aller Faszination doch ein komisches Gefühl. Nanu, dachte ich mir, Biotechnologie hatte ich doch für eher teuer gehalten. Interessanter Weise hatte ZEIT ONLINE bereits vor einiger Zeit einen Artikel von ZEIT WISSEN abgedruckt, in dem die Biotech-Subkultur eher mit einem - fast bedrohlichen - Hacker-Image geschildert wurde. Und hier hatten die Leserbriefe sich sehr kritisch mit der Relevanz dieser Szene und insbesondere auch mit den hohen Kosten echter Biotechnologie beschäftigt. Die sind so hoch (und die Rekapitalisierung so langfristig), dass die "normalen" Biotechnologie-Firmen echte Schwierigkeiten haben, überhaupt an Geld zu kommen. In den VDI-Nachrichten wurde daher vor kurzen mit Bezug auf eine Studie von Ernst & Young sogar das komplette Gechäftsmodell einer VC-finanzierten Biotechnologie in Frage gestellt.

Die Verwirrung legt sich ein wenig, wenn man bedengt, dass Biotechnologie nicht gleich Biotechnologie ist. Im aktuellen ZEIT-Artikel geht es vor allem um die Vernetzung von Biologie und IKT. Hier wirken Trends wie Miniaturisierung, Verbilligung von Speichern und anderen Bauteilen, der Zugang über das Internet auf das weltweit verfügbare Wissen und ein lukrativer Endkundenmarkt dahingehend, dass tatsächlich auch kleine Gruppen von Biotechnologien innovative Durchbrüche und marktfähige Produkte schaffen können. Das große Interesse branchenfremder Unternehmen wie Google, Samsung und anderen zeigt, dass hier wirklich Goldgräberstimmung herscht. Die deutsche Gründer-Szene scheint allerdings im Vergleich zur amerikanischen noch nicht wirklich auf den zug aufgesprungen zu sein. Villeicht wirkt aber ein Artikel wie der aktuelle ZEIT-Bericht aber doch motivierend...

Mittwoch, 1. Mai 2013

Innovationsindikator

Der Deutschlandfunk berichtete nicht nur über Gehirnforschung (siehe meinen letzten Blog), sondern am 14. April auch über die Ergebnisse der Enquete-Kommission zu Wachstum und Wohlstand. Die Bilanz der zitierten Experten sieht eher verhalten aus, der "große Wurf" scheint nicht gelungen. Und ein Blick in die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen legt nahe, das wir mit den bestehenden Berichten (z.B. dem Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung) bereits ein recht gutes Berichtssystem haben. Vermutlich wird sich also am bestehenden (Berichts- und Indikator-) System nichts ändern. Warum manche Alternativen zum BIP aufgegriffen werden und andere nicht, untersucht eine aktuelle Studie, über die Duncan Green von Oxfam in seinem Blog berichtet.  Ein Ergebnis ist, dass einfache, verdichtete Indikatoren wie der Human Development Index eher aufgegriffen werden als komplexe. Das gilt auch für Innovationsindikatoren, die als zusammengesetzte Indikatoren eine komplexe Wirklichkeit abbilden wollen, zumeist aber mit Blick auf ihr Länderranking in den Medien sind.

Je stärker die Innovationspolitik durch die Ausrichtung auf gesellschaftliche Herausforderungen legitimiert wird, desto näher rückt sie von den Erfolgsindikatoren auch an die "neuen" Wohlstandsindikatoren heran. Zum Teil wiederum ist die Innovationspolitik selbst, z.B. mit Blick auf die Investitionen in FuE, Teil der Nachhaltigkeitsindikatorik. Die bekanntesten Innovationsindikatoren (Innovationsindikator für Deutschland, Innovation Union Scoreboard) sind zusammengesetzte Indikatoren, die Input- wie Outputseite des Innovationssystems beleuchten wollen. Diese Indikatorenansätze haben jeweils einen relativ konkreten instrumentellen Anspruch, d.h. sie wollen auch politisches Handeln anleiten. Ihr Problem besteht darin, dass entscheidende Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit eines nationalen Innovationssystem struktureller Natur sind und nur langfristig - wenn überhaupt zu vertretbaren Kosten - geändert werden können. Der Innovationsindikator der Telekom-Stiftung beschreibt ganz explizit die erhebliche Zeitspanne, die günstigstenfalls zwischen veränderten Input und Outputindikatoren liegt. Bis sich die Effekte eine bestimmten Innovationspolitik konkret zeigen, vergeht also auf jeden Fall relativ viel Zeit.

Manche Phänomene sind aber so stark in grundlegende Strukturen eines Landes verwurzelt, dass kaum an substantielle Änderungen zu denken ist. Dazu gehört möglicher Weise die mangelnde Gründungskultur in Deutschland, die etwas mit dem Rentensystem (und den verfügbaren Kapitalmitteln), mit der Industriestruktur, der Bevölkerungsstruktur, der Migration und der eigentlichen Kultur zu tun hat. In der Politikwissenschaft hat die Forschung zur politischen Kultur und zu den politischen Strukturen eines Landes eine lange Tradition. In der Innovationsforschung sind vergleichbare "Kulturforschungen" eher selten und zumindest einflusslos. Spannend ist da der Ansatz von Acemoglu und Robinson, die global sogar von komplementären Innovationskulturen ausgehen, die sich gegenseitig bedingen.