Sonntag, 21. August 2016

Gründerhauptstadt?

Im September wird in Berlin gewählt, schon jetzt wurden die Berliner Parteien von BITKOM und dem Online-Magazin Gründerszene gefragt, wie sie zur Gründungsförderung in der Hauptstadt stehen.

Startups sind hip, und natürlich sind alle Berliner Parteien dafür, diese auch in Zukunft weiter zu fördern. Die konkreten Vorschläge der Parteien sind dann aber relativ langweilig. In den Schulen sollen zum Beispiel mehr Whiteboards stehen, die IBB, also die Berliner Investitionsbank soll ihre Gründungsunterstützung in ähnlicher Höhe beibehalten, Breitband ist natürlich wichtig, und irgendwie soll auch die Bürokratie abgebaut werden, damit Gründer schneller gründen können.

Gründerszene kommt zu dem Fazit, dass alle irgendwie was machen wollen, aber auch, dass Berlin als Gründungsstandort stark ist und vermutlich auch stark bleiben wird, aber nicht wegen der besonders Durchschlag der politischen Aktivitäten, sondern eher, weil Berlin attraktiv für Gründer ist und die Szene aus sich selbst heraus wächst. Hauptsache also, die Politik schadet nicht?

Aber wie stark ist Berlin tatsächlich als Gründungsstandort? Hierzu gibt es aktuell sehr ambivalente Einschränkungen. Aufgeschreckt hat manche Kommentatoren einerseits eine neue Studie von EY. Demnach hat Berlin seine Spitzenposition bei den Startup Investitionen gegenüber London, Paris und Stockholm wieder eingebüßt. Grund dafür ist vor allem, dass letztes Jahr, als die Sensationsmeldung über Berlin als Europas Startup-Hauptstadt durch die Medien gingen, Sondereffekte zum Tragen kamen, wie zum Beispiel die hohen Investitionen in die Rocket Internet Firmen. Die aktuelle Situation ist also näher am tatsächlichen Potenzial der deutschen Hauptstadt. Aber insgesamt sind sich die EY-Fachleute zufrieden, weil in der Breite die Substanz an Gründern da ist und dies auch in Zukunft Wachstum und Entwicklung der Gründerszene in Berlin bedeutet.

Aber vielleicht bringt ja das neue Hypethema fintech zusätzlichen Schub für die hauptstädtische Szene, zumal sich viele Hoffnung machen, nach dem Brexit-Referendum London um seine fintech - Szene zu beerben. Neueste Zahlen einer aktuellen Studie scheinen diese Hoffnungen zu bestärken. Die noch kleine fintech - Szene wächst.

Das Magazin brand eins ist hier allerdings skeptischer, ob fintech wirklich das Zeug für viele neue Unternehmensgründung hat. Die Autoren sehen hier die etablierten Banken deutlich besser positioniert, um mittelfristig echte Gewinne aus fintech-Lösungen zu schlagen.

Unterm Strich bleibt Berlin aber eines der dynamischsten Gründungszentren Europas. Und natürlich kann die Politik dazu beitragen, Gründungsaktivitäten zu fördern und Gründungsneigung in zu stärken. Es gibt es auch weiterhin viele Gruppen, die bislang ihr Potenzial nicht voll ausgeschöpft haben, beispielsweise Gründerinnen. Hierzu habe ich gerade mit einer Kollegin eine neue kleine Studie veröffentlicht, die ich aber erst in einem meiner nächsten Blogs vorstellen werde.

Donnerstag, 11. August 2016

Was wäre wenn? Foresight-Stories

Heute habe ich per Podcast eine längere Podiumsdiskussion zum Brexit und der Wissenschaft bei Dradio Wissen nachgehört, die mich in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken gebracht hat. Es diskutierten Prof. Görner und Prof. Strohschneider, unter anderem über englische (und andere) Populisten. Diese zeichneten sich nicht nur durch ihre Vorlieben für einfache Erklärungsmuster aus, sondern auch durch ein tendenziell wissenschaftsfeindliches Grundverständnis. Riefen sie heute noch Parolen von Lügenpresse, so könnte das morgen schon die Lügenwissenschaft sein.

Alles sehr unappetitlich, aber dann doch auch aus Sicht der Diskutanten auch eine Reaktion auf ein technokratisches Politikverständnis in London und Brüssel, welches die beiden Herren dann flugs gleichsetzten mit einem ökonomischen Imperativ, der kurzfristigen wirtschaftlichen Mehrwert für alles einfordert und demokratische Diskurse gefährdet. Diese Stilisierung des Technokratentums klang in meinen Ohren allerdings nur graduell besser als bei den zuvor gescholtenen Populisten.  

Ebenso einig waren sich die beiden Professoren über ihr Entsetzen angesichts der kopflosen Reaktionen der Brexit-Befürworter. Kaum hätten sie gemerkt, dass sie sich verzockt haben, hätten sie sich aus der Verantwortung gestohlen. Eine klare Vorstellung vom Szenario des Europaaustritts, von den Handlungsmöglichkeiten und Handlungsnotwendigkeiten, hätte bei den politischen Entscheider nicht vorgelegen.

Handelt es sich auch hier um den klaren Fall des Versagens bei der Politikberatung? Ich weiß es nicht, ich kenne die britische Landschaft der Politikberatung nicht gut genug. Auf jeden Fall sind mir in diesem Zusammenhang wieder die jüngsten Foresight'Studien der Stiftung Wissenschaft und Politik in Erinnerung gekommen. Die wohl durchaus kontrovers diskutierte Studie zu möglichen Entwicklungen in Russland, und die übergreifende Studie zu Szenarien der internationalen Politik.

Der Brexit übrigens kommt als internationale szenario in letztgenannter Studie nicht vor. Dafür hatte sich die Zeit in einem ein wenig ironisch gemeinten Artikel, der vor der eigentlichen Brexit-Entscheidung erschienen ist, an so etwas wie ein Szenario gewagt.

Doch nun zuletzt noch einmal auf die britischen Inseln und zu ihrer Foresight-Kultur. Wirkliche rundrum gelungen finde ich die folgende Übung in Zukunfts-Vorausschau: Der Economist veröffentlichte im Mai seine jährliche Sammlung "The World if ", in der er nicht nur einen Blick in die Kristallkugel möglicher Zukünfte wirft, sondern auch alternative Verläufe der Geschichte skizziert. Was wäre zum Beispiel gewesen, wenn sich die beiden Hälften Deutschlands nicht wiedervereinigt hätten.

Außerdem ist für ihn Teil von Foresight auch ein Blick in Technologieentwicklung und gesellschaftliche Trends. Was wäre zum Beispiel, wenn Algorithmen Gesetze schrieben? Sehr spannend! Technologieentwicklung und soziale Trends schließlich sind Perspektiven, die deutsche Foresight-Prozesse in der Innovationspolitik abgedeckt haben. Womit ich am Ende dann doch noch glücklich den Bogen zur Innovationspolitik hinbekommen habe.

Montag, 8. August 2016

Philanthropen?

Vor zwei Wochen brachte die Print-Ausgabe der Zeit (update 13.8.: jetzt online) in ihrem Wirtschaftsteil einen großen Artikel zu den sogenannten neuen Philanthropen. Anlass war die Entscheidung der BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, 100 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren für soziale Zwecke zu spenden.

Der Artikel berichtete, wie gerade in den USA eine regelrechte Spenden-Lawine von Superreichen losgetreten wurde, ausgehend von einer Initiative von Warren Buffett und Bill Gates. Der Artikel geht weiter darauf ein, dass es eine lange Tradition in den USA gibt, angefangen bei den Industrie-Baronen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert, den Carnegies undRockefellers.

Die spendenfreudigen Milliardäre von heute sind aber doch etwas anders, wie ich schon vor ein paar Monaten in diesem Blogbeitrag berichtet hatte. Sie sind viel jünger, und sie sind möglicherweise auch dann, wenn sie Gutes tun, knallhart auf marktwirtschaftliche Mechanismen ausgerichtet. Das zeigt sich in der Art und Weise, wie sie stiften und spenden. Effizienz ist alles, mit dem geringsten Aufwand soll der größtmögliche Nutzen erreicht werden. Die Rendite muss stimmen. Und dafür muss auch gemessen werden können, dass das Spenden-Investment zu Erfolgen führt.

Die Autoren der Zeit meinen, dass dies eine ganz neue Qualität soziale Arbeit nach sich ziehe. Diese müssen nur beweisen, dass sie auch Nutzen stiftet. Dieses allerdings ein hehrer Anspruch, der nicht immer leicht einzulösen ist.

Welch sonderbare Blüten es treiben kann, zeigt  ein Artikel zum Thema Bewertung von sozialen Projekten der Zeitschrift brand eins. Mittlerweile haben sich etliche Beratungsfirmen darauf spezialisiert, Stifter zu unterstützen und Messsysteme zu entwickeln, um tatsächlich den Erfolg des "sozialen Investments" zu messen. Aber es lässt sich halt nicht alles so messen, wie man sich das wünscht. Das oben verlinkte brand eins Heft ist übrigens eine gute Sammlung von Artikeln zum Thema messen und bewerten in allen möglichen Lebenslagen und Kontexten.

Zurück zum Zeit-Artikel. Dieser vermittelt den Eindruck, als wenn eine Kontrolle der Wirksamkeit sozialer Aktivitäten, sei es Sozialarbeit in Deutschland oder Entwicklungspolitik, durch private Stifter ganz neu eingeführt worden wäre. Das ist natürlich Quatsch. Auch staatliche Akteure versuchen seit langem, die Wirkung ihrer Politik zu messen und zu überprüfen. In der Entwicklungspolitik zum Beispiel hat die Evaluation von Förderung eine lange Tradition und ist besser etabliert als in allen anderen Politikbereichen.

Für mich schwingt hier ein ganz anderer Subtext mit. Unternehmer halten sich für die besseren Politiker. Populisten in den verschiedensten Ländern, in den USA, in Tschechien, in Italien wagen die These, das angeblich erfolgreiches Unternehmertum auch gutes Regieren garantieren würde. Mal davon abgesehen dass die meisten Beispiele der jüngeren Geschichte, nehmen wir nur einmal Silvio Berlusconi (und hoffentlich nicht bald auch Donald Trump), nicht gerade die Belastbarkeit dieser These belegen, so liegt den ganzen auch einen sehr vereinfachtes Verständnis staatliche Verwaltung zugrunde. 

Schon die Bundeshaushaltsordnung fordert effizientes und effektives Handeln dieser Verwaltung. Natürlich gibt es auch hier Verschwendung und Fehlinvestitionen. Aber die gibt es in der privaten Wirtschaft auch. Auch die deutschen Vorzeige-Konzerne von Volkswagen über Siemens bis hin zu Daimler haben in der Vergangenheit gezeigt dass sie so manchen Euro in den Sand setzen können.

Und die Überzeichnung der Unternehmerpersönlichkeit, des Firmenlenkers als Held und Supermann schließlich bedient zwar die Sehnsucht vieler Menschen nach Vorbildern, hat aber mit der Wirklichkeit vermutlich recht wenig zu tun. Sie verschleiert nur, dass hier Einzelpersonen geradezu pervers große Summen an Reichtum anhäufen, ohne dass dies in einem Verhältnis zu ihrer Leistung steht. Da hilft dann auch das großzügige Spenden am Ende nicht mehr viel.

Samstag, 6. August 2016

Zeigt der Brexit das Versagen wissenschaftlicher Politikberatung?

Das ist ein ganz schön langer Kater. Auch Wochen nach dem Brexit-Referendum hält der Kopfschmerz an. Die britische Wissenschaft macht sich massive Sorgen um die Folgen für Forschung in Großbritannien. Ich hatte darüber in einem früheren Blogbeitrag berichtet. Und aktuelle Artikel zeigen, dass diese Sorgen eher zu nehmen. Britische Wissenschaftler fragen sich mittlerweile aber auch, warum ihre guten Argumente gegen einen Brexit nicht ausreichend dafür gesorgt haben, die Bevölkerung umzustimmen. Honorige Nobelpreisträger hatten alle Argumente zusammengetragen, warum der Brexit wirtschaftlich eine Katastrophe sein könnte. Ohne Erfolg. Sozialwissenschaftler hatten gezeigt, dass Einwanderung kein Problem, sondern ihr eine Lösung für das britische Sozialsystem sein könnte. Die Mehrheit der Wähler und insbesondere die meinungsgebenden Medien waren anderer Ansicht. Ist wissenschaftliche Politikberatung also unnütz und ohne Effekt?

Es gibt durchaus die Meinung, dass der Konsensus der Wissenschaft über die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit so groß durchaus nicht wahr.  Die Aussagen über mögliche Folgen wichen relativ stark voneinander ab, und dies hat  die Wirkung der  wissenschaftlichen Expertise auf die Debatte durchaus geschwächt.

Andere Wissenschaftler haben den Eindruck, dass ein ausreichender Konsens der Wissenschaft über die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit durchaus da waren, dass die Medien aber der wissenschaftlichen Meinung zu wenig Platz eingeräumt hätten.

Angesichts der Welle rechtspopulistischer Erfolge in anderen europäischen Staaten und des Erfolgs von Donald Trump im PräsidentschaftsVorwahlkampf geht eine weitere Diskussion darüber, ob Globalisierungsverlierer ausschlaggebend für den Brexit -Erfolg waren. Eine Reihe sozialwissenschaftlichen Analysen des Wählerverhaltens in unterschiedlichen britischen Regionen scheint diese These zu stützen. Andere Studien  beschreiben die Gruppe der  Brexit-Befürworter etwas allgemeine als  "left behind". Dieser Artikel wiederum geht davon aus dass spezifische Werteinstellung ausschlaggebend für das Abstimmungsverhalten waren. Bei der Suche nach den Gründen für das Brexit-Desaster scheint die Wissenschaft also etwas erfolgreicher zu sein.

Etwas hilflos ist "die Wissenschaft", soweit es die denn gibt, bei der Frage, was für Lehren denn aus dem Brexit zu ziehen sind. Diese Frage stellte die Zeitschrift Science fünf renomierten Wissenschaftlern aus Europa, und die Antworten sind, folgt man diesem Blogbeitrag, eher enttäuschen. In der Regel plädieren die Wissenschaftler dafür, ihr spezielles Steckenpferdchen mit noch mehr Fördergeldern zu stärken. Einen wirklichen Lösungsansatz hatten sie nicht parat.

P.S.  ... und die Debatte um notwendige Änderungen bei der wissenschaftlichen Politikberatung geht weiter, hier z.B. für die Ökonomen ...