Sonntag, 31. Dezember 2017

Social Cooling

Vor ein paar Tagen habe ich noch ein neues Wort gelernt, praktisch auf den letzten Metern des alten Jahres: Social Cooling! Sozusagen das Gegenstück zum global warming. Das Wort ist mir in einem
Artikel der Süddeutschen zur Jahrestagung des Chaos Computer Club aufgefallen. Eigentlich ging der Bericht vor allem um einen Vortrag, der das Social Credit System in China zum Schwerpunkt hatte. Für mich ist das chinesische Experiment eines der spannendsten Themen des Jahres gewesen, es gab wirklich viele und gute Hintergrundberichte dazu.

Unter dem Titel Gamified Controll erläuterte Katika Kühnreich in ihren Beitrag auf dem CCC-Kongress, dass das chinesische System der Sozialkredite nicht wirklich mit Orwells Überwachungsfantasien zu vergleichen ist, wenn auch natürlich der chinesische Staat ein hohes Interesse an einer solchen Überwachung haben dürfte. Im Kern geht es aber vor allen Dingen auch um soziales Wohlverhalten, um Gemeinschaftsorientierung und um Vertrauen, dass in einer ausgeprägten Ellenbogengesellschaft wie der chinesischen wohl von vielen schmerzlich vermisst wird.

Und hier ist dann auch das Bindeglied zum social cooling, denn dabei handelt es sich um den Reflex des Einzelnen, sich dem sozialen Erwartungsdruck zu beugen, der in vielen früher privaten Situationen immer stärker wird, da wir mit allen unsere Daten und damit unser Verhalten und unsere Ansichten teilen. Auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs gab es einen interessanten Vortrag zum Thema, im Netz findet sich sogar eine eigene Website zum Thema, und zwar sowohl auf Englisch, auf Deutsch und auch auf französisch.

Sozial angepasstes Verhalten, das ist eine gute Überleitung zum nächsten Trend Begriff des ablaufenden Jahres 2017, nämlich dem Nudging. Eigentlich als Begriff schon fast ein bisschen aus der Mode gekommen, aber durch den aktuellen Wirtschaftsnobelpreis an Richard Thaler wieder ganz frisch ins Gedächtnis gerufen. Aber dazu habe ich ja erst in meinem letzten Blog-Beitrag (und auch in früheren Beiträgen) ein paar Worte verloren.

Und während nudging ja in erster Linie den Versuch des Staates beschreibt, auf den Einzelnen sanften, aber bestimmten Einfluss auszuüben, so ist das social cooling näher an der sozialen Kontrolle der dörflichen Gemeinschaft. Das globale Dorf, durch Big Data endlich Wirklichkeit geworden?

Mein Tipp für das Wort des Jahres 20-18 lautet also Doppelpunkt social cooling. Na dann prost Neujahr!

Freitag, 22. Dezember 2017

Innovationen und Werte

Weihnachten steht vor der Tür, und Zeitungen und Zeitschriften füllen sich mit nachdenklichen und besinnlichen Artikeln. Das ist einerseits ein wenig nervig, denn nicht selten werden die interessanten Inhalte damit in den Weihnachtsausgaben an den Rand gedrängt. Andererseits, die Rolle von Werten und Normen ist manchmal schon ganz aufschlussreich, das zeigt sich auch für das Thema Innovationen.

Gerade erst habe ich einen sehr nachdenklichen und spannenden Artikeln über die Ängste des Silicon Valley vor dem Jüngsten Gericht, oder genauer gesagt vor der Übernahme der Macht durch künstliche Intelligenz und schlaue Maschinen gelesen. Der Autor Ted Chiang, der die Buchvorlage für den äußerst erfolgreichen Film "Arrival" geschrieben hatte, vermutet, dass hinter diesen irrationalen Ängsten ein Blick auf die Welt steht, die stark von den eigenen Erfahrungen und Gewissheiten der Startup-Technologieszene im Silicon Valley geprägt ist. Die Welt beherrschen und sämtliche Konkurenten aus dem Feld räumen, alles auf ein Thema setzen, ohne Rücksicht auf Verluste, keine Kontrolle durch Staat und Gesellschaft, das sind nicht wirklich die Zutaten für die Technologie -Apokalypse, sondern eher die eigenen Werte und Normen des Silicon Valley. Ein klarer Fall von Projektion. Vielleicht, so spekuliert Chiang weiter, ist das auch alles ein großes Ablenkungsmanöver, um das Böse zu externalisieren und die eigenen niederen Instinkte damit etwas aus dem Blickfeld zu nehmen.

Ein weiteres Beispiel für die enge Verquickung von Technologiediskursen und Wertedebatten ist die Diskussion rings um das bedingungslose Grundeinkommen. Hier fällt nicht nur mir auf, dass es insbesondere die Vertreter großer Technologiekonzerne und Risikokapitalgeber sind, die einem bedingungslosen Grundeinkommen sehr positiv gegenüberstehen. Aber sind es auch nicht sie gerade, die durch eine weitere Automatisierung erst den Arbeitsplatzabbau bringen werden, der dann durch ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder aufgefangen werden muss? Das Thema ist eigentlich ganz spannend, weil die zweite Gruppe der deutlichen Befürworter eher aus der linken Ecke kommt und, so interpretiere ich das, quasi einem marxistischen Grundkonzept das Wort reden. Wer nicht so viel arbeiten muss, weil er eine Grundsicherung bekommt, kann sich der Selbstverwirklichung und den Dienst an der Gemeinschaft widmen. Einen schönen Artikel zum Grundeinkommen habe ich letztens hier gelesen, es ist eher eine Reportage als ein reflektierter Fachartikeln.

Ein weiteres wertbesetztes Thema ist nudging. Was Firmen schon lange machen, um Kundenentscheidungen zu beeinflussen, wird jetzt von Staat und weiteren Akteuren genutzt. Ist das richtig, wer entscheidet über die Zielsetzungen, darf der Staat uns manipulieren? Das Wissenschaftszentrum Berlin - WZB hat gerade einen kleinen Sammelband zum Thema herausgebracht, in dem ich insbesondere den Überblicksartikel über die Verbreitung entsprechende Ansätze weltweit spannend finde, aber auch die Frage, inwieweit künstliche Intelligenz und Big Data sowie nudging zusammen gesehen werden müssen. Auffällig ist, dass das Thema nudging gerade in Deutschland sehr kritisch diskutiert wird, vielleicht ist hier eine gewisse historisch gewachsene Skepsis gegenüber einem Staat verankert, der uns Bürger manipulieren möchte. In anderen Ländern ist dies weniger ausgeprägt, dort ist eine sanfte Beeinflussung im Sinne des Gemeinwohls breit akzeptiert.

Alle drei Themen, die Angst vor der künstlichen Intelligenz, die Diskussion um das Grundeinkommen und der kritische Diskurs zu nudging machen deutlich, wie weit doch Werte und Normen innovationspolitisch relevante Themen mitbestimmen. Für die Politik ist das ein Problem, denn Werte und Normen sind nicht kurzfristig zu beeinflussen, sie sind tief verankert in einer Gesellschaft, aber auch zurückzuführen auf reale Wirtschaftsstrukturen und Machtverhältnisse sowie auf Sozialisationsprozesse ganzer Generationen. Die Gründungsschwäche in Deutschland z.b. ist nicht allein ein Resultat fehlende Anreize oder Unterstützungsstrukturen. Nein, diese sind eigentlich sehr breit ausgebaut. Es ist viel mehr eine Volkswirtschaft, die attraktive Angestellten-Arbeitsplätze bietet und eine Gesellschaft, die den gewissen Biss von Entrepreneuren und Unternehmern nicht gerade positiv konnotiert. Eigentlich funktioniert dieses typisch deutsche Innovationssystem ja auch ganz gut, aber das große Vorbild USA ist doch sehr wirkmächtig, wir hätten schon ganz gerne auch ein deutsches Silicon Valley.

Dieser Anspruch zwischen Wunsch und Realität ist nicht zuletzt Ausdruck einer globalisierten Welt, die zu Überlappung unterschiedlicher Wertesysteme führt.
Im Moment haben wir noch amerikanisch geprägte Debatten in Deutschland. Aber das könnte sich schnell ändern.

Führen wir vielleicht bald auch chinesische Debatten in Deutschland? Bislang sind es nur Produkte, die in China gefertigt in deutschen Geschäften landen. Große Konzerne wie Alibaba oder Baidu sind hier noch vorkommt irrelevant. Aber erste Anbieter von Dienstleistungen drängen auf den deutschen Markt, die Leihfahrräder in deutschen Innenstädten sind dafür ein guter Indikator. Und damit könnten auch starke asiatisch geprägte Werte Debatten hinüber ins alte Europa schwappen. Und vermutlich ziemlich heftige Diskussionen auslösen.

Donnerstag, 9. November 2017

Die unterschätzte Rolle des Schafs als Innovationstreiber

Vor etwa 13.000 Jahren wurden Schafe als erste Nutztiere des Menschen domestiziert. Seitdem ist es um diese Perle der Schöpfung etwas ruhiger geworden. Dabei verdienen die knuffigen Tiere durchaus mehr Aufmerksamkeit, insbesondere von Seiten der Innovationsforschung. Sind sie doch zu einem wichtigen Motor des Innovationsgeschehens geworden.

Alle wichtigen Innovationstrends der letzten Jahrzehnte wurden durch Schafe wesentlich mit beeinflusst. Die Geschichte der Gentechnik zum Beispiel ist ohne das Schaf Dolly nicht denkbar. Das erste geklonte Säugetiere? ein Schaf!

Auch die Digitalisierung wird wesentlich von Schafen mitgeprägt. Google Street View erlaubt uns heute, fast jedem Winkel der Erde vom heimischen Computer aus zu erforschen. Aber eine wirklich vollständige Abdeckung dieser Dienstleistung ist nur durch Schafe möglich geworden. Durch Google Sheep View kann man heute auch ferne Inseln im Nordatlantik erkunden und saftige Weiden durch die Augen von Schafen betrachten.

Eine der prägenden Robotergestalten der Weltliteratur war kein Android, sondern ein elektrisches Schaf. Leider ist dieses Schaf in der filmischen Adaptionen von Bladerunner verloren gegangen (die Origami-Version möchte ich hier übergehen). Und auch die aktuelle Fortsetzung schafft es nur, einen schnöden Hund mit aufs Filmset zu bringen. Dieser scheint auch kein künstlicher Hund, sondern ein echtes Säugetier zu sein. Praktisch alle Menschen des Films hingegen sind Androiden. Da sie aussehen wie Menschen, kann man sie auch mit Schauspielern besetzen, das macht aufwendige digitale Bildbearbeitungen unnötig, das senkt die Kosten. Ein Schaf-Cyborg hingegen fehlt der Filmgeschichte noch. Leider. Sollten wir in Zukunft mit künstlichen Schafen interagieren, so würde zumindest das Durchschreiten des Tals des Grauens, des Uncanny Valley entfallen. Welche weiten Weg wir hingegen noch gehen müssen, um uns tatsächlich auf menschliche Roboter einzustellen, beschreibt hervorragend diese wirklich weiterzuempfehlen die Reportage des Magazins WIRED zum japanischen Roboter-Forscher Hiroshi Ishi­guro. Aber das nur nebenbei.

Auch ganz aktuelle Trends der Digitalisierung werden durch Schafe entscheidend mitgeprägt. Aktuell in aller Munde ist die automatische Gesichtserkennung, seitdem Apple mit dieser Technik den Zugang zum Bildschirm regelt. Und die Bundesregierung erprobt mit erheblicher mediale Aufmerksamkeit Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz, um Terroristen zu fangen. Leider ist die Erkennungsrate nicht immer überzeugen. Könnten hier Schafe ein Ausweg sein. Dies zumindest legt eine neue Studie nahe, die bislang unentdeckte Fähigkeiten von Schafen aufgedeckt hat. Schafe sind demnach wohl wahre Meister der Gesichtserkennung, können sich Prominentenfotos einprägen und mit großer Treffsicherheit wiedererkennen.

Selbst in die Trivialkultur hat es das Schaf als erfinderischer Geist geschafft. Shaun das Schaf löst mit seinem Ideenreichtum jede noch so ausweglose Situation, während sein Freund und etwas tumber Begleiter, der Hund, hier scheitert. Zwar hat es der Hund in manchen Wissenschaftsbereichen tatsächlich etwas früher geschafft, Aufmerksamkeit zu erregen, aber in der Regel sind diese Beispiele doch eher bedauernswert. Der erste Hund im Weltall starb einen schnellen Tod, und Pawlows Hunde sind eher namensgebend für dummes Reiz-Reaktions verhalten.

Die Beziehung des Menschen zum Schaf ist also zurecht eine innige. Kaum hat dies jemand besser erkannt als die britische Komikertruppe Monty Python, die dieser Beziehung einen die ihrer besten Sketche widmete. Über den leichten Tabubruch wollen wir dieses Mal gnädig hinweg sehen und das Schaf als Held des Innovationsgeschehens feiern.

Samstag, 21. Oktober 2017

Nudging und Europa

Das Thema Nudging hat wieder Konjunktur. Seit der amerikanische Ökonom Richard Thaler Anfang Oktober den Wirtschaft Nobelpreis gewonnen hat , wird nicht nur die Verhaltensökonomie in vielen Blog-Beiträgen erläutert , sondern auch der Ansatz von Thaler, unvernünftige Menschen durch einen kleinen Stups wieder in Richtung rationalem Verhalten und damit zurück zum homo oeconomicus zu bringen. Manche Beiträge unterstellen Thaler deswegen ein dezidiert technokratisches Politikverständnis, und dies ist dann nicht unbedingt nett gemeint.

Wobei Technokratie nicht in allen Weltgegenden einen schlechten Ruf hat. Eine aktuelle Studie von Pew Research sagt, dass insbesondere in Ländern, in denen die Bevölkerung eher enttäuscht von ihrer Regierung ist, eine technokratische Regierung von Experten durchaus große Sympathien hätte.  Demokratie alleine macht nicht glücklich, wenn die demokratisch gewählten Volksvertreter nur Mist bauen. Und es gibt viele Länder, in denen man diese Haltung sehr gut verstehen kann. In anderen hat man so seine Zweifel.

Bis zu einem gewissen Grad reitet auch Donald Trump auf dieser Welle, wenn er gegen das Polit-Establishment wettert. Und andere tun es ihm nach. Heute abend erst wurden die Ergebnisse der Wahlen in Tschechien bekannt, und auch hier scheint ein Populist, der sich als Politik-Outsider, als Unternehmer, als Experte geriert, erfolgreich. Das ist die populistische Seite des technokratischen Versprechens. Die andere ist die autoritäre, wie in Russland oder Peking, oder eben die der Sachverständigen Verwaltung.

Es gab einen nette Studie, die zeigen wollte, dass Belgien, das lange Zeit auf eine funktionierende Regierung wartete, in dieser Interims-Periode deutlich besser und erfolgreicher regiert wurde, als in der Zeit, als Politiker tatsächlich das Sagen hatten. Allerdings, glaubt ernsthaft jemand, das Verwaltung Politiker setzen kann? Zeigt das, dass Experten die besseren Politiker sind? Zeigt das, das Platon doch recht hatte?

Zumindest ist die Expertokratie in solchen Beispielen eher ein Pluspunkt. Sachwissen ist der Schlüssel für die richtige Entscheidung. Da würde sich die Europäische Kommission sicher freuen, wenn solch ein Politikverständnis auch in Europa etwas weitere Verbreitung finden würde. Natürlich nicht ein antidemokratisches, aber eines, das die Vorzüge technokratischer Politikgestaltung zumindest etwas würdigt. Denn nichts anderes ist die Kommission im Moment, ein im Guten wie im Schlechten Sinne technokratisch Institution. Zwar kämpft sie darum, ihre demokratische Legitimität zu steigern, indem z.B. der Kommissionspräsident vom Europäischen Parlament gewählt wird. Aber gegen die Mitgliedstaaten, die den intergouvernementalen Ansatz in den letzten Jahren noch gestärkt haben, kommt die Kommission kaum an. Im Moment hat die Diskussion in Europa wieder etwas an Schwung gewordenen, nach Jean-Claude Juncker hat sich Emmanuel Macron zu Wort gemeldet, hier hat die Zeit die unterschiedlichen Visionen von Europa zusammengetragen.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Europa ist der richtige Weg, um Politik zu gestalten. Und Fachkompetenz innerhalb der Europäischen Verwaltung ist sicher eine zentrale Voraussetzung dafür, dass gute Politik gemacht wird. Aber weiterhin steht die europäische Politik unter dem Generalverdacht, Technokraten-Politik zu sein. Und weiterhin sind alle Versuche, die Bürger mit einem kleinen Stups zum richtigen Verhalten zu bewegen, schnell der Auslöser für einen großen Shitstorm.

in diesem Sinne hat Richard Thaler uns Europäern viel zu sagen.

Sonntag, 15. Oktober 2017

Science Fiction und die echte Zukunft - leben wir schon im Quality Land?

Gerade hat Google eine neue Produktpalette vorgestellt darunter auch endlich die Realisierung des Babelfish, also eines kleinen Knopf, den man ins Ohr steckt, und der einem simultan alles übersetzt. Da haben die Konzerne doch sicher Jahrzehnte lang dran geforscht, seitdem per Anhalter durch die Galaxis dieses wunderbare Feature der Zukunft vorstellte.

Überhaupt muss man sich wahrscheinlich Science Fiction nicht als Vision der Zukunft vorstellen, sondern eher als Roadmap, an dem sich dann die Akteure der Gegenwart abarbeiten. Das gilt vielleicht nicht für jede Dystopie, aber ein paar schöne technische Gimmicks sind auch in der düstersten Zukunftsgeschichte versteckt. Und ich bin sicher, wenn man das Design aktueller Produkte mit den Designs ähnliche Produkte in den Filmen vor 20 Jahren vergleichen würde, könnte man feststellen, dass hier doch eine gewisse Übereinstimmung besteht. Zwar tragen Raumschiff -Kommandeure nicht unbedingt immer schlafanzugähnliche Trainingsanzüge, aber ehrlich gesagt gibt es auch noch nicht so viele Raumschiff-Kommandeure.

Wenn meine Theorie stimmt, dann hat die Zukunft ja noch einiges so vor mit uns, zumindest wenn ich an das neue Buch von Marc -Uwe Kling (dem Känguru-Kling) denke: Qualityland. Wobei wir natürlich vieles schon heute haben, z.b. eine Ethikkommission, die sich mit normativen Dilemmata zu autonomen Fahrzeugen auseinandersetzt. Oder ein Internetversandhandel, der sich Gedanken macht, die Bestelltwünsche seiner Zukunft schon ein kleines bisschen vor ihnen selbst zu erahnen und die Lieferkette entsprechend vorzubereiten. Zwar landen die nicht bestellten, aber vermutlich gewünschten Produkte noch nicht bei uns im Briefkasten, aber das ist vermutlich nur noch ein kleines Schrittchen, wie auch dieser Artikel vermutet.

Insgesamt scheint sich Marc Uwe kling ziemlich systematisch durch die aktuelle Literatur zur Technologie Entwicklung durchgeführt zu haben, einschließlich der Fantasien einer Superintelligenz von Bostrom oder den Versuchen, über das Internet Wahlkämpfe zu beeinflussen. Ein Roboter als Präsidentschaftskandidat ist im Moment noch nicht im Angebot, aber eine durch künstliche Intelligenz aufgemotzte Regierung zumindest in der Diskussion.

Stellenweise liest sich das Buch ein wenig hölzern und erinnert an historische Romane, die seitenlang erst einmal historische Zusammenhänge erklären. Insgesamt aber ein wirklich witziger Versuch, die Absurditäten moderner Technologie Fantasien in eine Geschichte zu packen. Und selbst der Gehirn-Upload in die digitale Cloud hat bei der richtigen Person geklappt. Einen schöneren Charakter hätte man sich für Pink, dass etwas durchgeknallte Notebook, nicht vorstellen können, als unser lieber Freund, das anarchistische Känguru.

Das große Vorbild per Anhalter durch die Galaxis wird eins ums andere Mal übrigens schön zitiert, z.b. bei der sprechenden Tür oder auch bei den psychisch leicht angeknacksten digitalen Charakteren, die nicht wenig an Marvin erinnern.

Empfehlenswert ist auch, die Live-Lesung als Hörbuch zu wählen, weil dann erst der wahre Charme von Marc-Uwe Klings Werk so richtig zur Geltung kommt.

Samstag, 16. September 2017

Tulpenfieber, Bitcoin und China

Freunde der Kryptowährung Bitcoin erleben gerade eine echte Achterbahnfahrt. Erst schraubte sich der Kurs in ungeahnte Höhen, jetzt bricht er mit der Schließung mehrerer Börsen nach Einschreiten der chinesischen Behörden massiv eingebrochen. Ein zentrales Motiv der chinesischen Regierung war wohl, die unkontrollierten Transfers von Geld zu verhindern. Ähnlich war zuvor die Einkaufstour chinesischer Unternehmen im Ausland eingeschränkt worden.

Die heftigen Ausschläge des Kurses auf die chinesischen Maßnahmen rühren von dem großen Erfolg, den Bitcoin in China hatte. Der Marktanteil Chinas war riesig.

In einem interessanten Artikel der Zeitschrift Slate schreiben die beiden Autoren Chen Qiufan und Ken Liu, dass die ungeheuren Mengen an Bitcoins, die in China geschaffen wurden, auch Ausdruck einer chinesischen Technikfixierung sind, die auch in der Angst begründet liegt, nicht einen gerechten Teil vom Kuchen des sozialen Aufstiegs abzubekommen. Sie sprechen gar von einer echten "Techneurose". Ein wenig erinnert der kometenhafter Aufstieg der Kryptowährung die Autoren an die Tulpenblase, eine Spekulationsblase der frühen Neuzeit, die gerade durch einen bunten Historienfilm wieder in Erinnerung gerufen wurde.

In Deutschland wird Chinas Streben nach technologischem Fortschritt, nach Exzellenz und Innovation ja eher ambivalent gesehen. Wächst hier ein Rivale am Weltmarkt heran, möglicherweise sogar mit unlauteren Mitteln, wenn deutsche Unternehmen gezwungen werden, Know-how preiszugeben? Oder wenn gar Industriespionage dazu führt, dass Plagiate den deutschen Unternehmen das Leben schwer machen? Sind staatliche Strategien, die eine Technologieführerschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren anstreben, zu fürchten, weil der chinesische Staat andere Möglichkeiten hat, solche Pläne auch umzusetzen?

Ich finde die oben zitierte Deutung der Bitcoin Blase in China in diesem Kontext ganz erhellen, denn er erklärt China Streben nach technologischer Exzellenz nicht als nach außen gerichtetes Großmachtstreben, sondern von innen heraus, mit soziokulturellen Faktoren.

Und er hilft vielleicht auch ein klein wenig zu erklären, warum sich Deutschland in manchen Technologiefelder so schwer tut, warum z.B. eine breite Startup-Kultur seit Platzen der Dotcom -Blase Anfang der 2000er Jahre nicht wirklich abgehoben hat, warum stattdessen die Gründungszahlen weiter rückäufig sind. Und das, obwohl die Ausgangsbedingungen nicht schlecht wären. Gerade erst hat die OECD belegt, dass Deutschland in Hinblick auf MINT-Qualifikationen, also Qualifikationen in den Bereichen Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technik international Spitze ist. In keinem anderen Land beginnen so viele Menschen eine Ausbildung oder ein Studium in diesen Bereichen. Kleine Mark Zuckerberg purzeln trotzdem nicht aus diesem System.

Es hat vielleicht viel mit Sattheit und Zufriedenheit zu tun. Der Arbeitsmarkt entspannt, wer qualifiziert ist, findet eine gut bezahlte Beschäftigung, ohne sich dem Risiko der Selbständigkeit aussetzen zu müssen. Soziale Ungleichheit wächst zwar bis zu einem gewissen Grad, alles in allem ist aber Deutschland weiterhin ein relativ sozial gerechtes Land. Noch fehlen auch Zuwanderer in großer Zahl, die mit Energie und Aufstiegswillen den Weg der Selbständigkeit suchend würden, um sozial nach oben zu kommen.

Andererseits, lieber gut versorgt und zufrieden als ständig in Sorge, abgehängt zu werden und den technologischen Fortschritt zu verpassen. Druck als Voraussetzung für gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik? Das Institut der deutschen Wirtschaft behauptet in diesem Artikel, dass Ungleichheit sogar notwendig sei. Ohne Ungleichheit kein Antrieb zum sozialen Aufstieg, zum beruflichen Erfolg. Eine eher unangenehme Vorstellung einer Ellenbogengesellschaft.

Freitag, 8. September 2017

Bundestagswshl 2017 und Innovationspolitik

In zwei Wochen sind schon Bundestagswahlen, und dafür ist es seltsam ruhig in diesem Land. Die großen Debatten sind mehr oder weniger ausgeblieben, das Kanzlerduell im Fernsehen hat sich weitgehend als Konsensgekuschel entpuppt. Ein paar Konflikte gibt es zur Außenpolitik (Stichwort Türkei) oder zur Sozialpolitik (Reichensteuer, Renteneintrittsalter), in den meisten Politikfeldern aber herrscht der große Konsens. Für eine gute Politik muss das nicht schlecht sein, wenn die entscheidenden Parteien am selben Strang ziehen, und das auch noch in dieselbe Richtung. Kurz vor einer Wahl allerdings macht es die Entscheidung für eine der Parteien nicht gerade einfacher.

Die Forschungs- und Innovationspolitik ist hierfür ein typisches Beispiel. Seit vielen Jahren sind sich die Parteien des Deutschen Bundestages weitgehend einig, dass das Politikfeld wichtig ist und z.B. zusätzlicher Mittel bedarf. Im Detail gibt es Unterschiede, aber im Grundsatz wird die Innovationspolitik von allen mitgetragen.

Aber halt, ein paar Anhaltspunkte gibt es vielleicht doch, um auch dieses Politikfeld als Ausgangspunkt für die Entscheidungsfindung vor der Wahl zu nutzen? In Anlehnung an den Wahl-oMat haben findige Geister ein Pendant im Bereich der Wissenschaftspolitik gebaut. Der Science-o-Mat hat die Wahlprogramme der wichtigsten Parteien ausgewertet und hilft bei der Suche nach "meiner" Partei. Tatsächlich gibt es Unterschiede bei den Fragen nach Tierversuchen, Gentechnik oder Dieselverbot, aber ein bisschen gemogelt ist es schon. Das sind nicht die großen Forschungs- oder Innovationspolitik Fragen, die hier durchgearbeitet werden.

Und ein paar Fehler haben sich auch hineingeschlichen. So lautet eine der Aussagen, zu denen man sich verhalten soll: "Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollten bis 2025 in Deutschland einen höheren Anteil am Bruttoinlandsproduktes (BIP) erzielen als im Rest der Welt." Das wären dann weit über 4%, über dem Wert von Südkorea. Hierfür tritt keine der Bundestagsparteien ein, es wäre auch vollkommen unrealistisch. Im Moment scheint der Konsens eher auf 3,5% hinauszulaufen, und auch das ist schon sehr ehrgeizig.

Auch hier wieder: der große Konsens. Und wohl eher zum Wohle des Landes. Deutlich wird das, wenn man z.B. den Blick des Auslands auf das deutsche Wissenschafts- und Innovationssystem einnimmt. Hier werden ganz andere Akzente gesetzt. Die amerikanische Wissenschaftszeitschrift Nature spricht sich z.B in einem Editorial für die Wahl Angela Merkels aus, da sie eine starke Wissenschafts- und Forschungspolitik betrieben habe, so berichtet zumindest das Wochenblatt die Zeit. Das muss man im Ergebnis nicht teilen, zeigt aber eher die großen Linien der Forschungs- und Innovationspolitik der letzten 10 Jahre auf.

Aber irgendwie ist so ein großer Konsens auch langweilig. So spricht sich die Zeit in einem anderen Artikel für eine mutige, vor allem aber innovative Politik selbst aus. Der Autor Uwe Jean Heuser beschreibt in dem Artikel "Bitte mehr Wumms" zunächst das langweilige Kanzlerduett (pardon: -duell) und beklagt dann, dass in den Wahlkämpfen "das Progressive, der neue Weltentwurf, ein sichtbarer Anlauf zur Verbesserung der durchaus verbesserungswürdige Welt" fehle. Er leitet dann über, dass es durchaus neue Möglichkeiten gibt, soziale Veränderungen herbeizuführen, durch die Nutzung neuer Daten und Technologien und sozialer Innovationen. Als herausragendes Beispiel für einen solchen Ansatz sieht er den britischen Thinktank Nesta, die "Innovationsstiftung". Tatsächlich ist Nesta sicher einer der ideenreichsten Akteure des britischen Innovationssystems, und dazu noch ein Akteur, der seinen Auftrag wahrlich global sieht. Entsprechend sind auch die Beispiele von Uwe Jean Heuser international gewählt, wie das Projekt in Südkorea. Ob Großbritannien aber als großes Vorbild für die deutsche Innovationspolitik taucht, da habe ich meine Zweifel. Zwar haben es die Briten im diesjährigen European Innovation Scoreboard tatsächlich in die Spitzengruppe geschafft, insgesamt scheint das deutsche Innovationssystem aber doch deutlich stärker zu sein. Und was die Wissenschaftslandschaft angeht, so sind natürlich hervorragende Universitäten zu nennen, aber in der Breite musste das britische Wissenschaftssystem deutliche Kürzungen in den letzten Jahren hinnehmen, das hat auch Deutschland für britische Wissenschaftler ziemlich attraktiv gemacht. Und jetzt kommt noch der Brexit, da werden die Prognosen dann ganz dunkel.

Zurück zum deutschen Bundestagswahlkampf. Worüber man natürlich immer spekulieren kann, ist das Personal. Und dementsprechend präsentierte die Zeit in ihrer neuen Ausgabe mögliche Kandidaten für die Spitze des BMBF. Die unterscheiden sich nach Partei Herkunft und individuellen Karriereoptionen, aber auch hier wieder nicht nach inhaltlichen Unterschieden.

Damit bleibt das Fazit, dass die Bundestagswahl 2017 aus Sicht der Forschungs- und Innovationspolitik nicht gerade weichenstellend sein wird. Das ist aber auch ganz beruhigend denkt man an andere Abstimmung in der letzten 12 Monate in anderen Weltgegenden...

Gesichtserkennung

Nächste Woche wird das neue iPhone vorgestellt, und eines der wenigen richtig neuen Feature, die dieses neue iPhone haben wird und die sich nicht schon in  Android-Handys finden, ist eine Gesichtserkennung. Der Homebutton fällt weg, und entsperrt wird über eben diese Gesichtserkennung. Außerdem soll man auch bezahlen können mit dieser neuen Gesichtserkennung.

Vielleicht ist es ein Zufall, aber im Moment sind die Medien voll mit Artikeln zu den Potenzialen und Risiken der Gesichtserkennung. Der neue Economist widmet dem Thema nicht nur eines seiner Editorials, sondern auch drei weitere Artikel.

In einem der Artikel geht es um eine Studie, in der ein Algorithmus die sexuelle Orientierung eines Menschen aufgrund der Analyse seines Gesichts mit größerer Treffsicherheit vorgenommen hat, als ein Mensch dies tun könnte. Ein weiterer Artikel beschreibt ein Verfahren, nachdem aufgrund einer DNA-Analyse Gesichtszüge rekonstruiert werden (anderere Artikel bestreiten übrigens, dass das möglich ist). Und der dritte fast übergreifen zusammen, wo Gesichtserkennung heute schon eingesetzt wird und was uns in Zukunft noch so alles blüht. Ein Startup aus den USA z.b. bietet einen Dienst an, indem Gesichter auf Merkmale für Krankheiten analysiert werden. Dieser Dienst soll Ärzten zur Verfügung stehen, aber wer weiß, wer das dann sonst noch nutzen möchte.

Für den Economist ist das alles eine technische Revolution mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen, er spricht von einem facial-industrial complex. Insbesondere China sei schon deutlich weiter in der kommerziellen Nutzung als westliche Länder. Und auch der chinesische Staat nutzt weidlich die Möglichkeiten, die Gesichtserkennung bietet, natürlich auch zu Überwachungs- und Kontrollzwecken. Aber dazu hatte ich schon in einem anderen Blogbeitrag berichtet. Eine israelische Firma hat sogar eine Software entwickelt, mit der man seine Fotos so leicht verändern kann, dass sie in der Datenbank eines Gesichtserkennungs-Algorithmus nichts mehr wert sind.

Die Firma Unilever, so schreibt ein Artikel der französischen Zeitschrift Usbek & Rika, nutzt neuerdings zumindest experimentell in ihrem Einstellungsprozess eine Software zur Gesichtserkennung, die die Motivation und den Enthusiasmus der Beweber misst und nur diejenigen Kandidaten in die nächste Runde entlässt, die hier ausreichend überzeugen.

Der Wissenschaftler hinter der Studie zur Identifizierung sexuelle Orientierung durch Gesichtserkennung ist übrigens Michal Kosinski, der kürzlich auch in einem langen Feature des Deutschlandfunk im Mittelpunkt stand. Dort allerdings nur am Rande mit seiner Studie zur Gesichtserkennung, hier ist er vielmehr der, der im Winter für Aufsehen sorgte, als er die Wahl Donald Trumps auf seinen Algorithmus zurück führte. Wie erinnern uns, die Firma Cambridge Analytics unterstütze den Wahlkampf Donald Trump mit einem System, dass angeblich gezielte Ansprache von potenziellen Wählern erlaubt, von denen vorher eine Art Psychogramm erstellt wurde.

Der Beitrag des Deutschlandfunks beschäftigt sich allerdings übergreifend mit der Frage, ob Psychogramme auf der Grundlage von Daten erstellt werden kann, die wir im Internet über unser dortiges Kommunikationsverhalten oder auch über ein Bild unseres Gesichts preisgeben. Der Autor ist hier zwar deutlich skeptisch, die Beispiele, die im Beitrag genannt werden, sind aber zum Teil schon frappierend. Kann unsere Facebook-Kommunikation Auskunft darüber geben, ob wir zu Depressionen neigen und suizidgefährdet sind? Können Arbeitgeber aus der Kommunikation ihrer Mitarbeiter Schlüsse über Motivation und Engagement ziehen? Ist Privatsphäre überhaupt noch möglich, wenn alle Signale, die wir irgendwie im Rahmen von Kommunikation oder einfach nur unsere Anwesenheit weitergeben, entsprechend intelligent ausgewertet werden können?

Das Beispiel von Cambridge Analytics zeigt, dass hier noch viel Eigenwerbung mit dem Spiel und die Fähigkeiten der meisten Algorithmen doch sehr beschränkt sind. Eine hohe Fehlerquote könnte Anlass zur Beruhigung sein, vielleicht aber auch eher besonders beunruhigen, weil das ganze genutzt wird, aber nicht einmal gut funktioniert.

Ganz im Sinne von Jaron Lanier, der sagte, was ihn besonders beunruhigt, sind nicht kluge Maschinen, sondern dumme Maschinen zusammen mit dummen Menschen.

Und was die Gesichtserkennung angeht, so klingen die Verheißungen schon ein wenig magisch. Die Persönlichkeit, künftige Krankheiten und sogar alle Informationen, die das Netz je über einen gespeichert hat, werden so zugänglich. Das Gesicht als Schlüssel zur Person. Immerhin ist es nicht die Kopfform, wie die Phrenologie früher behauptete. Das würde ja auch arg und schöne Assoziationen und Erinnerungen an dunkle Zeiten wecken.

Dienstag, 29. August 2017

Robotersteuer?

In Deutschland ist Bundestagswahlkampf, und die Bundeskanzlerin setzt sich für Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2025 ein.

Naja, Arbeitslosigkeit ist eigentlich kein großes Thema in diesem Wahlkampf. Die Zahlen sind ja gut, gerade im Vergleich zu europäischen Nachbarn. Aber irgendwie geht das Thema Arbeitsplätze immer, und die Zukunft scheint hier ja auch eher ungewiss.

Ein Anlass zur Sorge ist der aktuelle Deselskandal, der die Automobilkonzerne etwas ins Wanken bringt. Und die haben schon genug damit zu tun, das Thema Elektromobilität zu verdauen. Hier sind sie im internationalen Vergleich, zumindest was die aktuell verkauften Autos angeht, nicht gerade Spitzenreiter. Und selbst wenn die Wende zu Elektromobilität gelingen sollte, so könnte auch das einschneidende Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt haben. Bei der Fertigung von Elektrofahrzeugen werden nämlich deutlich weniger Arbeitskräfte gebraucht als bei derjenigen von Autos mit konventionellen Verbrennungsmotoren. Die ersten Betriebsräte fechten schon heftige Konflikte mit Konzernleitungen aus, dass Standorte und Arbeitsplätze auch bei einer Umstellung auf Elektromobilität erhalten bleiben.

Und dann ist da noch die große Sorge vor der automatisierten Fabrik. Roboter übernehmen die Fertigung, oder noch viel schlimmer, sie übernehmen gleich alle anderen Berufe mit. Das zumindest ist die Horrorvision der umfassenden Automatisierung und Übernahme durch intelligente Algorithmen. Da hat der ein oder andere doch das Gefühl, dass gegengesteuert werden muss. Bill Gates z.b. forderte Anfang des Jahres eine Robotersteuer. Das wiederum weisen viele Politiker zurück, aus Sorge um Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Aber der ein oder andere scheint doch ins Grübeln zu kommen. So gab es in der vergangenen Woche eine Meldung, dass Südkorea eine Art Roboter-Steuer einführt. Nun ja, es war eher die Senkung der Subventionen für Automatisierung, aber immerhin, die Argumentation war schon auf den Erhalt von Arbeitsplätzen gerichtet. Und auch in San Francisco macht man sich zumindest Gedanken über eine solche Steuer.

Auf der anderen Seite gibt es Länder, die Automatisierung als große Hoffnung sehen, um den Arbeitskräftemangel einer älter werdenden Bevölkerung zu begegnen. Dazu gehört sicher Japan, das in diesem Kontext immer genannt wird und das z.b. auch Einwanderung in größerem Maßstab umgehen möchte, indem es breiter automatisiert. Bis zu einem gewissen Bereich, für manche Berufe und Fachkräfte gilt das sicher auch für Deutschland. Da wäre der entsprechende Wahlkampfslogan nicht Vollbeschäftigung 2025, sondern eher Deckung des Fachkräftebedarfs 2025.

Aber der Wandel des Arbeitsmarktes und der Automatisierung vollzieht sich ja doch eher sehr heterogen und ungleichzeitig. Während manche Branchen sich sehr schnell wandeln, wird es bei anderen länger dauern, während manche Qualifikationsprofile plötzlich nachgefragt da sind, verlieren andere schnell an Wert auf dem Arbeitsmarkt. Welch ungeahnte Konsequenzen die Automatisierung und Algorithmisierung haben kann, zeigt dieser Beitrag für China auf. Da ist einerseits die Gefahr, dass sich die soziale Ungleichheit im Land noch weiter verstärkt, andererseits dürfte die chinesische Industrie weitere Marktanteile auf dem Weltmarkt gewinnen, wenn sie ihren Automatisierungsgrad auch nur annähernd an das Niveau von Deutschland oder Korea hebt.

Und das dürfte dann wieder Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt haben. Der Wahlkampfslogan des Bundestagswahlkampfs 2021 könnte also lauten: Roboter-Steuer für China!

Donnerstag, 17. August 2017

Nash Equilibrium, Reallabore und Technolieentwicklung

Gerade hat der amerikanische Physiker Mark Buchanan in einem Beitrag für Bloomberg davor gewarnt, dass uns die Geschwindigkeit der Technologieentwicklung und damit auch die Unvorhersehbarkeit der Konsequenten überfordert. Wir können keine angemessene Strategie mehr darauf entwickeln, unser Handeln bleibt zufällig und chaotisch. Er bezieht sich dabei auf das sogenannte Nash-Gleichgewicht, einem spieltheoretischen Ansatz, nachdem in nicht-kooperativen Spielen ein Gleichgewicht strategische Ansätze von der jeweiligen Spieler besteht. Kurzgesagt verfolgt jeder Spieler die beste Strategie gegenüber der strategischen Antwort seines Spielpartners bzw Gegners. Das gilt aber nur bis zu einem gewissen Komplexitätsgrad, den wir jetzt zu überschreiten scheinen. In der Konsequenz ist es uns auch nicht mehr möglich, geeignete Regularien zur Gestaltung dieser technologischen Entwicklung zu finden. Dabei wären solche Regularien notwendig, um negativen Folgen von Technologieentwicklung zu begegnen.

John Nash war übrigens der brilliante und zwischenzeitlich krankheitsbedingt der Realität sehr entrückte Held des Films "A beautiful mind". Er prägte entscheidend die Spieltheorie, die insbesondere im Kalten Krieg und der Auseinandersetzung zwischen den Blöcken, dem atomaren Werttrüsten und der Problematik der Kalkulierbarkeit eines zur Weltzerstörung fähigen Gegenübers eine nicht unentscheidende Rolle spielte.

Vielleicht haben Buchanan bzw die von ihm zitierten Autoren deshalb jetzt im Kontext von Technologieentwicklung darauf rekurriert. Es vergeht ja im Moment kaum ein Tag, an dem nicht das Schreckensszenario einer entfesselten künstlichen Intelligenz an die Wand gemalt und die Folgen als schlimmer als ein atomar bewaffnetes und verrückt gewordenes Nordkorea bezeichnet werden. So explizit spricht das Buchanan nicht an, aber wer soll sonst das strategische Gegenüber sein, dessen Züge unberechenbar werden? Etwas paranoid, aber wie die Geschichte der Spieltheorie zeigt, ist das ja kein neuer Charakter zu.

Eine ganz andere Sorge plagt im Moment die Bundesregierung und insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium. Im April diesen Jahres hat es in einem Strategiepapier erstmals von Reallabore als regulatorischen Experimentierräumen gesprochen. Hier geht es hier darum, wie langsame regulierungs Prozesse nicht mit der Technologieentwicklung Schritt halten und so dazu führen, dass diese unnötig behindert wird. Bis ein neues Gesetz verabschiedet ist, vergehen Jahre. Gerade um neue Ansätze auszuprobieren, braucht man dabei möglicherweise mehr Freiräume in einem geschützten Raum. Es ist also nicht die Technik, die uns bei dieser Perspektive überfordert, sondern eher die Mülen der Verwaltung und des bürokratischen Alltags. Für viele Fälle wahrscheinlich der realistischere Ansatz.

Montag, 7. August 2017

Big Data per Fahrrad

Eigentlich bin ich ja ein begeisterter Fahrradfahrer. Nicht bei Regen oder Schnee, oder wenn es dunkel ist, aber sonst ist das Fahrrad das perfekte Fortbewegungsmittel. Und Fahrradfahren liegt echt im Trend. Die Zahl der Fahrradfahrer scheint mir jährlich zuzunehmen, in Berlin sind es insbesondere Touristengruppen, die mittlerweile die Fahrradinfrastruktur verstopfen. Fahren Sie einmal nachmittags die Bernauer Straße an der Mauergedenkstätte vorbei, und Sie wissen, was ich meine. Nicht umsonst hat ein Volksentscheid zum Ausbau dieser Fahrradinfrastruktur so gute Chancen, und der neue Berliner Senat ist ja auch schon auf gute Wege, hier für Abhilfe zu sorgen. Allerdings wird das sicher noch Jahre dauern.

Interessant fand ich daher eine Nachricht, die in der neuen ZEIT erschienen ist. Chinesische Anbieter von Fahrradleihsystemen scheinen auf den europäischen und internationalen Markt zu drängen. Und das nicht zimperlich,  sondern in großem Maßstab. Einige chinesische und jetzt auch internationale Städte scheinen gerade vollgemüllt zu werden von konkurrierenden chinesischen Leihfahrrad-Anbietern.

Nun finde ich auch Leihfahrräder prinzipiell eine gute Idee. Ich habe das zwar noch nie genutzt, ich habe ja mein eigenes Fahrrad dabei, aber das Fahrradfahren möglichst einfach und zugänglich zu machen ist doch eigentlich prima, oder? In vielen europäischen Städten war der Boom der Leihfahrräder ein wichtiges Zeichen, dass sich die Städte zunehmend fahrradfreundlich verändert haben.

Aber warum drängen die Chinesen jetzt so massenhaft auf den europäischen Markt, welche Goldgrube scheinen sie mit Leihfahrräder entdeckt zu haben? Es sind sicher nicht die großen Gewinnmargen, die man mit dem Verleih von Fahrrädern verdienen kann. Der Artikel in der ZEIT und anderen Medien macht deutlich, es geht um Daten. Diese erheben die Firmen kontinuierlich, wenn ein Nutzer per App das Fahrrad leid. Wo fährt er hin, wo hält er sich länger auf, welche Einkaufsmöglichkeiten nutzt er?

Der Fahrradverleih ist nur noch Hilfsmittel, um an die Daten zu gelangen. So ist das ja bei Google auch. Eine Suche wird angeboten, um die Daten für Werbezwecke zu nutzen. Das, was wir eigentlich für die Dienstleistung halten, ist nur das Nebenprodukt. Ich bin gespannt, welche Services wir demnächst noch so alles umsonst nutzen werden können, wenn wir unsere Daten preisgeben. Gesundheitsdienstleistungen? Da bieten Krankenkassen ja schon die ersten Rabattmodelle an. Bei vielen anderen Produkten wissen wir gar nicht, dass die eigentlich Geschäftsmodelle auf Daten beruhen. So ist z.b. die Musikerkennungs-Software-Shazam besonders für Musikproduzenten interessant, weil sie aus den Daten ablesen können, welche Stücke gerade besonders oft und gerne gehört werden.

Ich bin auf jeden Fall gespannt, wann ich die ersten chinesischen Leihfahrräder in Berlin sehen werde. Angekündigt ist das ja schon. Und wann Situation vor Berliner Ampeln so ist wie auf den China -Bildern der 70er Jahre, 100 Fahrradfahrer vor der Ampel, und kein Auto weit und breit.

Sonntag, 30. Juli 2017

Die Zukunft ist ein Video Game

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Und im Urlaub stolpert man manchmal über Dinge,  die einem sonst nie begegnen würden oder schlicht normalerweise nicht interessieren. An einem französischen Kiosk habe ich gestern die Zeitschrift Usbek & Rica  gekauft. Sie beschäftigt sich mit der Zukunft, und zwar politisch,  gesellschaftlich und technologisch. Gleich das Editorial diskutiert die französische Innenpolitik, die Zukunft (und die Zukunftshoffnungen) der Regierung Macron. Ein anderer Artikel beschreibt ein Szenario,  in dem Marc Zuckerberg zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden ist. Das Schwerpunktthema dreht sich darum,  ob wir eine Ökodiktatur brauchen, außerdem geht es um Übungen der NASA für einen Marsflug,  die Folgen der Abschaffung der Börsen, die technische Optimierung des Schlafs und vieles mehr.

Einer der ersten Artikel,  die ich gelesen habe,  skizzierte eine Zukunft, in der junge Menschen ihr kümmerliches Auskommen mit Nebeneinkünften aus Computerspielen finanzieren. Das ganze basiert auf einem Aufsatz von Edward Castronova, einem amerikanischen Wissenschaftler, der sich mit wirtschaftlichen Aspekten der Computerspiel-industrie beschäftigt. Das Magazin Slate brachte hierzu bereits im Februar einen Artikel mit dem Titel "Face it, meatsack, pro gamers will be the only job" heraus. Castronova legt mehrere Trends übereinander. Arbeitsplätze werden insbesondere für geringer Qualifizierte in Zeiten zunehmenderAutomatisierung weniger,  gleichzeitig hat sich die Games-industrie mit f2p (free to play) deutlich verändert. Für die meisten Spieler sind Videospiele praktisch kostenlos,  aber eine kleine Minderheit, die so genannten Wale, gibt regelmäßig enorme Summen aus,  die unterm Strich das Ganze finanzieren.  Für diese Wale muss das Spiel hinreichend interessant und mit vielen Mitspielern besetzt sein, um weiterhin das ganze am Laufen zu halten. Und das wiederum könnte in Zukunft die Rolle vieler junger Männer mit schlechter Bildung und schlechten Jobaussichten sein.

Vielleicht ist diese Zukunft für den ein oder anderen Betroffenen auch gar nicht so schreckend? Die Zeitschrift Slate veröffentlicht jüngst einen weiteren Artikel, in dem eine Studie zum zunehmenden Videospiel junger US-amerikanischer Männer berichtet wurde. Diese arbeiten immer weniger,  weil sie mehr Zeit vor dem Computer mit ihren Spielen verbringen wollen. Eine Welt,  die sie verstehen und beherrschen und in der sie regelmäßig Erfolgserlebnisse haben. Die perfekte Flucht vor einer überkomplexen Welt, in der die eigene Zukunft nicht planbar und scheinbar auch nicht positiv zu gestalten ist.

Die Flucht der "einfachen Bürger" ins Spiel, panem et circenses? Oder das (Video-) Spiel als die bessere Religion, als vorweggenommenes Paradies, oder als Opium fürs Volk? Oder doch nur abwegige Gedankenspielereien einer Generation,  die mit Computerspielen wenig anfangen kann und darum abwegigen Fantasien verfällt? Vielleicht auch die Angst,  bei einer zunehmend perfekten Simulation der realen Welt im Spiel diese Bodenhaftung zu verlieren und auch das reale Erwerbsleben hierhin auslagern zu müssen/ können.

Sonntag, 23. Juli 2017

Warum die Außerirdischen immer noch nicht da sind




Ein Lieblingsthema der Science Fiction Literatur und ihrer Verfilmung ist der Kontakt mit Außerirdischen. Entweder wir kommen durch die unendlichen Weiten des Weltraums zu ihnen, oder sie besuchen die Erde. Das geht dann meist unschön aus, aber aus Gründen eines notwendigen Happy End eher zu Lasten der Außerirdischen. Der Haken in der realen Welt ist nur, hier wurden bislang keine Außerirdischen gesichtet.

Milliarden und Abermilliarden werden in die planetare Raumfahrt gesteckt, vielleicht auch ein wenig in der Hoffnung, hier zumindest etwas Leben zu finden, wenn auch nicht echte Marsmenschen. Oder aber, man horcht mithilfe der Radioastronomie ins All und hofft auf Signale. Viele Menschen haben sich hier freiwillig im Rahmen des SETI-Projektes beteiligt, aber auch hier blieb der Erfolg aus, keine Botschaft, die Außerirdischen bleiben stumm. Vielleicht muss man ja auch nach ihnen rufen? So einige Botschaften wurden schon gesendet, von dem Pioneer-Sonden angefangen, die entsprechende Informationen über das Leben auf der Erde bei sich tragen, bis hin zu Botschaften per Radiofrequenz. Aktuell macht eine neue Diskussion hierzu die Runde. Astrophysiker wollen aufs Neue eine Nachricht hinaus ins All senden und rufen damit erhebliche Kritik hervor. Was ist, wenn wir gefährliche Wesen draußen im All damit auf uns aufmerksam machen, die dann schnell herein geflogen kommen, um die Menschheit zu versklaven oder gar auszulöschen? Dürfen Privatpersonen überhaupt ein solches Risiko für die Menschheit auf sich nehmen? Muss nicht die Menschheit als Ganzes entscheiden, und wer ist dann dafür verantwortlich, vielleicht die UNO? Naja, sei es drum, andere Wissenschaftler bezweifeln eher, dass das so überhaupt funktioniert mit dem Botschaften aussenden.

Manchmal ist die Kunst auch weiter als die Wissenschaft, der chinesische Roman Die drei Sonnen schaffte es Ende letzten Jahres auf die Bestenlisten, sogar Barack Obama habe ihn gelesen und wäre begeistert. Auch dort ging es darum, dass Menschen so leichtfertig sind, Außerirdischen eine Botschaft zu schicken und sie auf die Erde zu locken. In diesem Fall waren es frustrierte Chinesen, die traumatisiert durch die Kulturrevolution und die Umweltzerstörung von heute nur noch diesen Ausweg sahen.

Aber trotzdem bleibt die Frage, wo sind die Außerirdischen? Eine neue Theorie machte die letzten Tage die Runde. Demnach schlafen sie, und zwar nicht mehr als physische Lebewesen, sondern schon digital hochgeladen in die Cloud. Und die braucht Energie, und dafür wäre es schön, wenn das Weltall einfach schon ein wenig kälter wäre. Ein kleiner Winterschlaf, oder sollte man eher sagen Sommerschlaf, wäre da von Vorteil. Eine verrückte Theorie, dass geben sogar die Autoren zu, aber da wäre sie ja nicht die einzige. Vor einigen Jahren machte Nik Bostrom Schlagzeilen mit seinem Buch Superintelligence, und da ging es auch im Grunde um die Frage, warum wir von den Außerirdischen noch nichts gehört haben. Seine These war anders, nämlich: jede Zivilisation würde nicht lange überleben, weil sie zuvor schon die Box der Pandora geöffnet und künstlich Intelligenz geschaffen habe.

Da haben wir jetzt die Qual der Wahl. Die fiesen Außerirdischen rufen oder lieber von unseren eigenen digitalen Sklaven hingemeuchelt werden.

Samstag, 22. Juli 2017

Bildungsrevolution per Facebook?

Manchmal erscheint es geradezu zauberhaft, welche Segnungen uns die moderne Technologie verheißt. Sie kuriert uns von allen Krankheiten, sie bringt uns zum Mars, und auch Bildung für die Ärmsten der Armen wird plötzlich möglich. So zumindest erscheint es, wenn man den langen Artikel liest, den die Süddeutsche Zeitung heute früh veröffentlicht hat. Es geht um eine Bildungsrevolution in Afrika. Private Schulen, von Philanthropen aus dem Silicon Valley finanziert, mit Tablets ausgestattet und einer Standleitung nach Cambridge, USA, krempeln den Bildungsmarkt in den ärmsten Ländern Afrikas um und konkurrieren erfolgreich gegen das staatliche Schulsystem. Dahinter stecken Social Entrepreneurs, also Gründer, die sich sozialen Zielen verschrieben haben, gleichwohl aber auch ein bisschen Gewinn machen wollen. Der Erfolg dieser Schulen beruht auf mindestens vier Säulen: zum einen auf standardisierten Komponenten, gleiche Schuluniformen, gleiche Gebäude, gleiche Lernsoftware, das lässt sich gut skalieren und wird damit immer preiswerter. Zum zweiten eine bessere Organisation, die dafür sorgt, dass die Lehrer tatsächlich zum Unterricht erscheinen und nicht wie in den staatlichen Schulen oft zu Hause bleiben, weil sie nicht bezahlt werden. Hier schafft die internationale Organisation stabilere Strukturen, und die Schüler freut es. Zum dritten ist da die Software selbst, die eine individualisierte Lernbetreuung der Schüler möglich macht, und auch eine permanente Evaluation des Schulkonzepte selber. Und schließlich profitieren die Schuhe natürlich davon, dass sie potente Geldgeber im Rücken haben, Mark Zuckerberg von Facebook oder Bill Gates. Der Artikel der Süddeutschen Zeitung bleibt ambivalent, auf der einen Seite spricht der Erfolg der Schulen für sich, auf der anderen Seite werden auch Kritiker zitiert, die vor einer Privatisierung des Schulwesens warnen und sich Sorgen, dass die Silicon Valley -Größen jetzt auch die weltweite Bildung monopolisieren wollen.

Es mag ein Zufall sein, aber just diese Woche veröffentlichte auch der Economist einen langen Artikel zu der technologischen Revolution des Bildungsmarktes, in diesem Fall mit einem Schwerpunkt auf die USA, wo viele private Schulen mittlerweile entsprechende Software einsetzen, um ihren Schülern eine individualisierte Betreuung zu ermöglichen. Auch hier wird der Trend natürlich getrieben vom Silicon Valley, dort sind auch wieder die Schulen angesiedelt. Und auch hier verheißt die  technologiegetriebene Bildungsrevolution einen besseren Zugang insbesondere für die Armen und Vernachlässigten. Der Economist zitiert mehrere Studien, die den Erfolg dieser Technologien zu belegen scheinen. Und alle Verantwortlichen beteuern, dass die Zeit, die die Lehrkräfte durch ihre digitalen Assistenten sparen, selbstverständlich zu Wohle der Schüler und für eine individualisierte Betreuung derselben eingesetzt wird.

Von solchen Experimenten scheint Deutschland weit entfernt zu sein, hier stehen die meisten Verantwortlichen einem Einsatz digitaler Technologien in Schulen eher konservativ gegenüber. Gerade erst laufen erste Pilotprogramme zur Digitalisierung der Bildung in Schulen, aber über den Einsatz von Whiteboards oder der gelegentliche Nutzung des Handys sind die Schulen in der Regel nicht hinaus. Individualisiertes Training durch Lernalgorithmen? Zumindest nicht in staatlichen Schulen. Vielleicht hat ja der Misserfolg der Sprachlabore, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts fast  flächendeckend installiert wurden, die Verantwortlichen derart abgeschreckt, dass sie nicht schon wieder in nutzlose Technologie investieren wollen.

Vielleicht ist das Ganze aber auch nur ein Hype, der bald wieder in sich zusammenfällt. So wie massiv open online courses (MOOCS) an Universitäten 2013 und 2014 das Trendthema waren, von dem heute kein Mensch mehr spricht. Und trotzdem hatte die Digitalisierung der universitären Lehre riesige Fortschritte gemacht Ähnlich wird es sicher auch im Schulbereich sein.

Und bis es soweit ist, wird sich Bildungssoftware wohl weitgehend auf den Privatmarkt konzentrieren. Und hier auch ganz erfolgreich sein, wie es das Beispiel der Berliner Firma Babble zeigt, die von Deutschland aus den Weltmarkt mit ihrem Sprachlernprogramm erobert.

Samstag, 15. Juli 2017

Amerikas Big Brother schaut auch auf Deine Daten

Vor kurzem hatte ich über das Social Credit System in China berichtet.  Eigentlich könnte ich jetzt schon wieder ein Update schreiben bei den vielen Meldungen, die es über China als großes Experiment im Feld der künstlichen Intelligenz gibt. Zum Beispiel Gesichtserkennung, die quasi überall und ständig eingesetzt wird, um Menschen zu identifizieren und ihnen Zugang zu geben, sie zu verhaften oder einfach um zu wissen, was sie machen. Ein bisschen frage ich mich schon, warum die Meldungen über China in dieser Größenordnung erscheinen. Einerseits sicher, weil China in Sachen künstliche Intelligenz zu einer Supermacht geworden ist. Andererseits aber auch, weil China im kollektiven Unterbewussten des Westens ein wenig die Rolle der alten Sowjetunion übernommen hat. Groß und mächtig, mit einem anderen politischen und gesellschaftlichen Systemen, bedrohlich und faszinierend. Aber dann doch ganz anders als die Sowjetunion, weil China vielleicht in vielem die Zukunft unserer eigenen Gesellschaft widerspiegelt.

Aber heute möchte ich nicht weiter über China schreiben, sondern über den Antipoden, über die USA. Mit der Wahl Donald Trumps schickt sich unser transatlantischer Partner ein wenig an, auch zu einem Gegenmodell zu werden. Und in Sachen künstliche Intelligenz und Überwachung ist die USA schon länger ein gern gesuchtes Thema in deutschen Medien.

Neulich hörte ich eine interessante Reportage im Radio über den Einsatz von Algorithmen bei der Bewertung von Strafmaßen im amerikanischen Justizsystem. Es ging darum, die Wahrscheinlichkeit für die Resozialisierung der Straftäter abzuschätzen und sich dabei nicht mehr auf ein menschliches Urteil, sondern auf die Auswertung von größeren Daten und typischen Merkmalen einzelner Personen zu verlassen. Während die Chinesen also das Sozialverhalten ihrer Bürger allumfassend messen und bewerten, versuchen die Amerikaner gleich, ist vorauszusagen, zumindest für diese spezielle Zielgruppe. Schon in der Vergangenheit hatten ähnliche Ansätze für ziemliche Aufregung gesorgt, man denke nur an predictive policing, also den Versuch, der Polizei bei ihrer Arbeit dadurch zu helfen, dass man Straftaten schon vorab identifiziert, oder zumindest ihre Wahrscheinlichkeit hinreichend gut ab schätzt. Da dies Thema in Hollywood spätestens mit Minority Report vorweggenommen wurde, hatte die Fantasie des geneigten Leser viel Stoff, um sich die unerwünschten Folgen eines solchen Systems vorzustellen.

Der Clou des Radiobeitrags war aber eigentlich ein ganz anderer, nämlich die Tendenz solche Algorithmen, menschliche Vorurteile aus den riesigen Datenmengen, die sie für ihre Arbeit nutzen, quasi unbemerkt in ihre Entscheidungsalgorithmen zu übernehmen und damit ebenso vortureilsbeladen zu urteilen, wie dies ein Mensch tun würde. Mittlerweile habe ich zu diesem Thema eine Reihe andere Artikel gefunden, es scheint sich hier eine Diskussion abzuzeichnen, die zumindest in den USA recht erheblich ist. Bekanntgeworden war vor einiger Zeit der Fall einer Bilderkennungssoftware, die Menschen mit dunkler Hautfarbe als Affen bezeichnete! Ein mehr als peinlicher Fehler, der aber aus genau diesem Problem resultiert, dass Vorurteile allgegenwärtig sind, und auch in den vielen Daten stecken, die Systeme zum Training brauchen.

Ja, der große Bruder schaut auf uns alle, aber noch scheint er nicht schlau genug zu sein, um das, was er sieht, auch richtig zu interpretieren. Bislang plappert er noch zuviel einfach nach.

Samstag, 8. Juli 2017

Sex als Motor des Innovationsgeschehens (?)

Gewöhnlich verbindet man mit Hightech ja Autos, Medizintechnik oder Maschine und ähnliches. Das sind die innovativen Wachstumsbranchen in Deutschland, auf die auch die Politik ihr Augenmerk richtet. Dabei liegen die Treiber innovativer Prozesse häufig ganz woanders. Es sind die enormen Rechenleistungen, die moderne Computerspiele erfordern, die eine Generation nach der anderen von Laptops und PCs hervorbringen. Nur für Textverarbeitung würde auch das Modell von 1995 reichen. Wer bringt das erste Produkt aus dem 3D Druck auf den Massenmarkt? Adidas mit einem Turnschuh. Und die Sicherheitstechnik findet sich in einem steten Rüstungs- und Technologie Wettlauf mit der organisierten Cyberkriminalität.
Eine der schon fast klassischen Geschichten ist in diesem Kontext auch die Rolle der Sexindustrie für Innovationsprozesse. Immer wieder erzählt wird z.b., wie die Pornoindustrie an der Entwicklung der Videokassette mitwirkte und ausschlaggebend für denSieg des VHS Formats war. Ähnliches scheint sich heute im Bereich der Virtual Reality zu wiederholen. Brand Eins hat dem Thema im letzten Sommer einen schönen Artikel gewidmet. Deutlich beschrieben wird daher auch, unter welch enormen Druck diese Industrie heute steht, um nicht dasselbe Schicksal wie die Musikindustrie nach Einführung kostenloser Musikstreams zu erleiden. Die Süddeutsche hat das Thema Anfang diesen Jahres ebenfalls in  einem langen Artikel ausgebreitet, mit denen schon im Brand Eins beschrieben Themen und anderen Details der Innovationsgeschichte der Pornografie. Erste Bezahlmöglichkeiten im Internet oder Video Chats im Netz, alles eingeführt von den Trendsettern dieser Branche. Ähnliche Artikel finden sich in allen großen Medien, aber bis zu einem gewissen Grad mag da auch eine Rolle spielen, dass sich solche Artikel eben auch besonders gut verkaufen. Sex sells!
Im Moment sind Robotik und Sex die großen Trendthemen. Die Zeit schreibt darüber, welche neuen ethischen Fragen moderne Sexroboter aufwerfen. Eine gerade veröffentlichte Studie aus London zur sexuellen Zukunft mit Robotern mit mit sich dem Thema eher abwägend, sieht Vorteile (für Schüchterne, Ältere ...), aber auch große Gefahren (Missbrauch, Verrohung) einer solchen Entwicklung. Filmisch umgesetzt könnte ein oder andere dieses Szenario z.b. aus Westworld, wo das Ausleben von rohen Trieben an Robotern ein zentrales Motiv ist und schreckliche Folgen nach sich zieht. Etwas näher am realen Alltag ist das Szenario von real humans, eine Serie, die vor vier Jahren auf Arte lief. Auch hier spielt der sehr körperliche Kontakt mit Robotern eine entscheidende Rolle bei Miteinander zwischen Mensch und Maschine. Schließlich spielte ein sehr verführerische weibliche Roboter die Hauptrolle in Ex Machina. Aber auch James Brown sieht sich als unsere Sex Machine.

Kommt das jetzt wirklich? Bei den genannten Preisen für einen solchen Roboter wohl eher nur für eine sehr kleine Käufergruppe, aber die Phantasie scheint es halt doch anzuregen. Mir scheinen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität auch bei den Berichterstattung und diese echten Versuche von Sexrobotern doch weiterhin noch sehr unscharf.
Die Arte-Miniwebserie Cyberlove setzt das ganze Panoptikum der Wechselwirkungen von neuen Technologien und unserem Liebesleben in kurzen Filmen um, darunter auch zu Robotersex, aber ebenso zu Sextoys für die Fernbeziehung oder virtuellen Beziehungen in virtuellen Welten wie Second Life. Mit einem etwas anderen Dreh hat sich auch die re:publica, die große Konferenz zu den digitalen Themen von heute, mit Innovationen und ihrem Verhältnis zu Liebe und zwischenmenschlichen Beziehungen, auch auf einer sehr körperlichen Ebene, beschäftigt. Auch hier geht es darum, wie Dating Apps und Sexspielzeuge, unser aller Beziehungen verändern können. Hier scheint das Körperliche Phantasie,  Kreativität und Innovation durchaus anzuregen.
Vielleicht hat die etwas obsessive Beschäftigung der Technologie-Szene mit Sex aber auch etwas mit einer Kultur zu tun, die gerade eher durch Sexismus auffällt. Erst wurde der Uber Chef entlassen,  jetzt mehren sich die Meldungen über eine frauenfeindliche Technologie- und Gründerszene in den USA wie in Deutschland.
Kann denn Liebe Sünde sein?

Samstag, 1. Juli 2017

Ungleichheit II

Vor kurzem erst hatte ich mich zum Thema Ungleichheit ausgelassen, die eng verknüpft ist mit Technologiewandel und Innovation, aber auch mit der Globalisierung. Noch wird die Debatte auch in Deutschland kontrovers geführt, ob wir überhaupt eine steigende Ungleichheit beobachten können. Ich hatte in meinem letzten Blogartikel die OECD Studie "Skills Outlook" zitiert, die für die OECD-Lände in den letzten 10 Jahren ein deutliches Auseinanderentwickeln der oberen und unteren Qualifikationsgruppen beschrieb und insbesondere für den mittleren Qualifikationsbereich einen Rückgang feststellte. Kurz darauf veröffentlichte die Zeit einen Beitrag, indem diese OECD Ergebnisse zumindest für Deutschland in Frage gestellt wurden. Mit dem Ausgangsdaten der OECD und Daten des Institut für Arbeitsmarktforschung zeigten die Autoren, dass es zwar zu Beginn der untersuchten Periode tatsächlich einen Rückgang der mittleren Qualifikationsniveaus zugunsten der unteren und oberen Qualifikationsniveaus gab, seitdem aber eher ein Trend zur Aufwärtsqualifizierung zu beobachten ist. Und dies hat natürlich auch Folgen für die Entlohnung und damit für die potentielle Ungleichheit in Deutschland.

Trotz dieser Scharmützel ist es aber auch in Deutschland mittlerweile angekommen, dass insbesondere in Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden besteht, weil Ungleichheiten tendenziell zunehmen. Interessant fand ich daher die letzten Tage, dass es durchaus Bemühungen gibt, hier noch regelnd einzugreifen oder zumindest die Folgen zu lindern.

Für Aufsehen hat die Entscheidung der EU-Kommission zum Monopolverfahren gegen Google gesorgt. Dazu trug insbesondere die enorme Summe des verhängten Strafgeldes bei, die alle bisherigen Ausmaße überstieg. Manche Kommentatoren sehen hier aber auch einen Meilenstein des Wettbewerbsrechts, um die großen Plattformbetreiber in ihre Schranken zu weisen und zumindest etwas Waffengleichheit der verschiedenen Anbieter zu garantieren. Auch das deutsche Kartellamt begrüßt diesen Kurs und war in die Untersuchungen der Europäischen Kommission eingebunden. Gleichwohl fragt sich, ob damit auch systematisch der Trend eingeschränkt wird, das große Anbieter in der digitalen Plattformökonomie immer größer und mächtiger werden. Vermutlich nicht, aber zumindest zeigt der Staat als Garant des Wettbewerbs ein klein wenig seine Zähne. In den USA wird das europäische Urteil übrigens meist ziemlich kritisch gesehen, nur im New Yorker habe ich einen sehr wohlwollenden Kommentar gefunden, der die europäischen Wettbewerbshüter ihr auf der Höhe des digitalen Zeitalters sieht, als die amerikanischen. Auch der wirtschaftsliberale Economist scheint eher abgetan vom europäischen Kampf gegend die Netzwerkeffekte der digitalen Ökonomie.

Eine zweite Meldung kam zu Anfang der Woche, als sich die Koalitionsverhandlungen der neuen Partner in Schleswig-Holstein langsam ihrem Ende näherten. Für einen Moment sah so aus, als wenn Schleswig-Holstein als erstes Land ein Experiment in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen starten würde. Am Ende trauten sich die Koalitionspartner zwar nicht, aber zumindest ein Prüfauftrag ist im Koalitionsvertrag vermerkt, und damit rückt ein solches Experiment auch in Deutschland in etwas größere Nähe. Privat gibt es ein solches Experiment auch in Deutschland schon, und in anderen Ländern wird munter experimentiert. In der Diskussion um die digitale Revolution und wachsende Ungleichheit wird das bedingungslose Grundeinkommen immer wieder als Instrument angeführt, um den sozialen Ausgleich zumindest im Nachhinein wieder etwas herzustellen.

Unterm Strich also zwei kleine Indizien, dass die Auseinandersetzung mit den Folgen der digitalen Revolution an Fahrt aufnimmt. Wir dürfen gespannt sein was die nächsten Monate und Jahre bringen.

Samstag, 17. Juni 2017

Ungleichheit

Vor ein paar Wochen war ich auf einem interessanten Workshop, den eine große deutsche Stiftung und die OECD ausgerichtet hatten. Es ging um das Thema Innovation und Ungleichheit. Die Veranstalter hatten den Teilnehmern im Vorfeld 2 Paper zukommen lassen, die zwei recht gegensätzliche Positionen zu diesem Thema vertraten.

Das eine der beiden Papiere ging davon aus, dass nur Innovationen nachhaltiges Wachstum schaffen, und dass wir hiervon gerade in Deutschland leider zu wenig haben. Ohne Wachstum kein Wohlstand, also ohne Innovation und Technologie auch nicht. Die zunehmende Ungleichheit in Deutschland, so sie es denn gibt, sei eher auf eine Mangel Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zurückzuführen, die durch Lohnzurückhaltung und rückläufige Sozialausgaben aufgefangen wurden.

Das andere Papier nahm insbesondere die digitalen Technologien und Unternehmen des Silicon Valley in den Blick, die globale Monopole geschaffen und enormen Reichtum angehäuft hätten. Sie würden von den Effekten der Plattform-Ökonomie profitieren und ihren Firmenchefs und den Investoren enorme Renditen bringen.

Die anschließende Diskussion machte deutlich, dass zwar beide Papiere ihre Schwächen haben, das eine Papier eigentlich nichts zum Thema Ungleichheit sagt, das andere hingegen die Situation im Silicon Valley zu sehr verallgemeinert. Aber beide Papiere sprechen auch richtige Punkte an, die parallel zueinander zu beobachten sind. Einerseits die Abhängigkeit von Innovationen und technologischen Fortschritt, um Wachstum sicherzustellen. Das gilt insbesondere für das demografisch schnell alternde Deutschland. Andererseits die sozialen Ungleichheiten, die sich fast zwangsläufig aus dem Siegeszug der digitalen Technologien und ihrer Unternehmen ergeben und die ein deutliches Eingreifen des Staates im Bereich der Sozialpolitik, vielleicht aber auch in der Wettbewerbspolitik verlangen.

Zusätzlich wird die Diskussionen dadurch komplexer, dass es nicht nur um technologischen Fortschritt geht, sondern auch darum, ob und wie sehr die Globalisierung ihren Beitrag zu Ungleichheit leistet. Auch hierzu hat sich die OECD vor kurzem geäußert und deutlich gemacht, dass insbesondere der technologische Fortschritt dazu beiträgt, dass die Mittelschicht immer dünner und die soziale Ungleichheit immer größer wird

Auch die Wochenzeitung die Zeit hat sich kürzlich zur Kehrseite der Globalisierung ausgelassen.
Auf jeden Fall scheint die Globalisierung zum schnellen Anwachsen des Reichtums der Top 1% beizutragen, wie z.B. dieser Artikel zeigt. Außerdem vergrößert sich der Abstand zwischen einigen wenigen Top-Firmen und der breiten Masse. Das wirkt sich dann entscheidend auf die Einkommensunterschiede zwischen Firmen aus. Vielleicht ist dies ja auch ein Faktor, der zum im Hinblick auf seine Innovationsorientierung zunehmend schwächelnden deutschen Mittelstand mit beiträgt. Der Wissens und Technologietransfer scheint in der Breite nicht mehr zu funktionieren wie früher.

Aber was kann der Nationalstaat tun, um diesen Effekten des technologischen Wandels und der Globalisierung entgegenzuwirken? Zumindest bei den globalen Technologieunternehmen gibt es Mittel und Wege. Eines der wenigen scharfen Schwerter bleibt das Kartell- und Wettbewerbsrecht. Und zunehmend wird es auch genutzt. Allerdings wird dafür auch die internationale Zusammenarbeit verstärkt werden müssen. Dieser Artikel plädiert dafür, den Rahmen der G20 zu nutzen.

Samstag, 27. Mai 2017

Chinas big brother schaut auf deine Daten

Kürzlich habe ich im Deutschlandfunk einen Beitritt gehört, der sich mit dem neuen chinesischen Social Credit System beschäftigt. Im Grundsatz geht es darum, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Vertrauenswürdigkeit von Personen mit einem einheitlichen Bewertungssystem zu erfassen und davon abhängig den Zugang zu Privilegien wie Krediten, aber auch Flugtickets und ähnlichem zu regeln. Erfasst werden dabei insbesondere auch Aktivitäten in sozialen Netzwerken und auf Online-Plattformen, auch Kaufgewohnheiten, Aktivitätsmuster und ähnliches. Die offizielle Begründung des chinesischen Staates ziel stark auf ein funktionierendes System, um die Kreditwürdigkeit von Personen festzustellen. Ein System ähnlich dem deutschen, wo die Schufa diese Funktion übernimmt, gibt es bislang noch nicht. Aber eigentlich sind sich alle Kommentatoren einig, dass die Ambitionen des Staates weit über diesen wirtschaftlichen Aspekt hinausgehen. Und jetzt schlagen die Wellen der Diskussion tatsächlich etwas höher. Auch in deutschen Medien ist die Diskussion angekommen, ganz zu schweigen von der angelsächsischen Welt.

Der Economist hatte im Dezember letzten Jahres hierzu einem langen und sehr lesenswerten Artikel veröffentlicht. Er zeigte sich noch unsicher, ob es die technischen Hürden, die in der Tat enorm sind, wirklich überwunden werden können. Auch verwies er darauf, dass die Parteiführung ein erstaunlich offene Diskussion um das Social Credit System zuließ. Und in Deutschland taucht ein Artikel zu diesem Thema mindestens schon ein Jahr früher auf. Die Blogplattform Netzpolitik z.b. beschrieb 2015, wie einerseits regierungsseitig auf das neue System hingearbeitet wird, andererseits auch die großen chinesischen Technologiekonzerne bereits mit ihrem Ratingsystemen entscheidende technische Vorarbeiten geleistet haben. Den schönsten Beitrag aber fand ich einen langen Artikel in der Süddeutschen (deutsch nur kostenpflichtig erhältlich, aber hier auf englisch) vor zwei bis drei Wochen, in dem Kai Strittmatter ausführlich über eine Reise in die chinesische Provinz berichtet, wo das Social Credit System bereits Wirklichkeit geworden ist.

Dreierlei Aspekte finde ich an dieser Entwicklung besonders interessant:

Wird es der chinesischen Regierung gelingen, die technischen Herausforderungen zu meistern? Schon andere Regime sind an der schieren Datenmenge eines allumfassenden Überwachungssystems gescheitert, da haben wir Deutschen auch unsere Erfahrung mit gesammelt. Technologisch zumindest scheinen die Chinesen kräftig aufzurüsten. Es wird erheblich in Forschungskapazitäten zur künstlichen Intelligenz investiert, und bei den Supercomputern legen die Chinesen auch ganz vorne. Das passiert natürlich nicht alles nur, um das Social Credit System aufzubauen. Aber hilfreich kann es sicher sein.

Wird es den Chinesen gelingen, ein in sich abgeschlossenes System aufzubauen? Nur dann kann ein solches Credit System wirklich funktionieren, weil nur dann alle relevanten Aktivitäten und Informationen wirklich getrackt werden. Moment bemüht sich auch hier die chinesische Regierung, z.B. durch den Ausbau der sogenannten Great Firewall oder durch eine Art chinesisches Wikipedia, alles unter Kontrolle zu bekommen. Und sie scheint mit diesem Ansatz in anderen Ländern durchaus Nachahmer zu finden.

Angesichts des Rückzugs der Vereinigten Staaten von der Weltbühne fragt sich, ob China hier stärkeres Gewicht bekommt und sein Rollenmodell der digitalen Steuerung durchsetzt. Wird der chinesische Weg zum Vorbild für andere Länder? Die Diskussion läuft, wie diese interessante Diskussion der China-Plattform chinafile zeigt. aber die Ausstrahlungswirkung hängt natürlich stark davon ab, ob dieses Modell der digitalen top-down Steuerung einer Gesellschaft auch funktioniert. Letztendlich sind das vielleicht auch Größenphantasien, die sich in der Realität als nicht umsetzbar erweisen. Der gescheiterte Ansatz des Kommunismus, Planung in alle Aspekte des Lebens zubringen, durch die digitale Revolution nun doch verwirklicht?

Das alles ist ein riesiges Experiment, dessen Ausgang auch unsere Zukunft beeinflussen wird. Nur wir selbst haben herzlich wenig Einfluss darauf.

Sonntag, 21. Mai 2017

Frühjahrstreffen des Arbeitskreises Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik der DeGEval, einige erste Eindrücke​aus deutscher Perspektive

Der nachfolgende Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des AK FTI der DeGEval

Gestern, am 19.Mai 2017, fand das diesjährige Frühjahrstreffen des AK FTI der DeGEval statt. Wir haben uns dieses Jahr in Wien getroffen, entsprechend war auch das Programm deutlich österreichisch geprägt, genauso wie die Teilnehmer. Aber es waren auch ein paar deutsche Teilnehmer dabei, und für die waren die Präsentationen möglicherweise sogar noch interessanter als für ihre österreichischen Kollegen, die einiges doch schon gekannt haben dürften. Gerade im Kontrast zur deutschen Evaluationswirklichkeit hatten viele Beiträge ihren besonderen Reiz.

So berichtete Brigitte Ecker (WPZ Research) von der gerade abgeschlossenen Evaluation der österreichischen steuerlichen F&E Förderung. In Deutschland wird das Thema gerade mal wieder heiß diskutiert, und mein Tipp ist schon, dass wir nach der Bundestagswahl eine solche steuerliche Förderung sehen werden. Brigitte Ecker legte den Schwerpunkt ihres Vortrags allerdings weniger auf die inhaltlichen Ergebnisse, sondern vielmehr auf die methodischen Herausforderungen. Und die waren beträchtlich, da die eigentlich interessanten Datensätze kaum miteinander verknüpft werden konnten. Unterm Strich kommt die Evaluation aber durchaus zu dem Ergebnis, dass sich eine steuerliche FuE-Förderung auf das Innovationsverhalten der Unternehmen auswirkt, in diesem Sinne interpretierten die österreichischen Auftraggeber wohl auch die Evaluationsergebnisse als Auftrag, die Förderung weiter auszubauen. Aber aufgepasst, in der deutschen Diskussion wird ja insbesondere ein Effekt für kleine und nur unregelmäßig innovierende KMU erwartet. Und hier scheinen die österreichischen Ergebnisse eine solche Erwartungen nicht unbedingt zu bestätigen. Es lohnt also die Lektüre des Evaluationsberichts.

Sascha Ruhland (KMU Forschung Austria) präsentierte eine Evaluation der Garantieinstrumente der AWS. Der Schwerpunkt lag auf der methodischen Herausforderung eines Kontrollgruppenansatzes, der sich auf einen ​sogenannten propensity score match Ansatz stützte. Der Beitrag zeigte, wie aufwendig und damit kostspielig so ein Vorgehen letztlich ist. Möglich war es in diesem Fall auch nur, weil die Evaluationseinrichtung (KMU Forschung Austria) Zugang auf einen langjährigen und breiten Datensatz hatte, der für die Auswahl der Kontrollgruppe herangezogen werden konnte. Deutlich ergiebiger war nach Einschätzung des Referenten allerdings der Zugang über Befragung und Interviews, weil nur hier die Wirkungszusammenhänge aufgearbeitet werden konnten. Für die in deutschen Evaluationsausschreibungen mittlerweile fast standardmäßig enthaltene Forderung nach Kontrollgruppen ansetzen ist dies eine interessante Praxiserfahrung gewesen.

Einen in Deutschland eher unbekannten Sachverhalt schilderte der Beitrag von Rupert Pichler und Mario Steyer (BMVIT) zur wirkungsorientierten Haushaltsführung. Über alle Ressorts hinweg muss in Österreich seit ein paar Jahren ein auf verschiedenen Hierarchieebenen gegliedertes System an Zielformulierungen und Indikatoren zur Überprüfung der Zielerreichung formuliert werden. Die Formulierung von Oberzielen der Innovationspolitik ist für das Politikfeld nicht wirklich neu, man denke nur an das 3% Ziel in Deutschland. Möglicherweise ist das in anderen Ressorts anders, daher ist auch die wirkungsorientierte Haushaltsführung vielleicht eine gute Idee, um für konkrete Zielformulierungen zu sensibilisieren. Für die Frühjahrstagung interessierte uns insbesondere, ob dieses übergreifend installierte System Rückwirkungen auf die Evaluationspraxis im Politikfeld hat. Um es kurz zu machen: Hat sie im Moment noch nicht. Während Monitoringdaten, die z.b. die FFG in ihrem Wirkungsmonitoring erheben lässt, auch in das Indikatorensystem der wirkungsorientierten Haushaltsführung einfließen (können), sind Evaluationsergebnisse von klassischen Maßnahmenevaluation in vollkommen losgelöst von diesem System. Hier läuft alles wie bisher.

Ein Vortrags-Block des Frühjahrstreffen widmete sich sogenannten missionsorientierten Programmen und ihrer Evaluation. Die übergreifende Frage war, ob es Unterschiede zu klassischen Programmen z.b. der Technologieförderung gibt. Ein wesentliches Problem solcher missionsorientierten Programme ist, das zeigte sehr schön der Beitrag von Marianne Kulicke (FhG ISI), dass Ziele relativ vage formuliert und kaum in Indikatoren zu operationalisieren sind. Die Ziele haben außerdem einen sehr langfristigen Charakter, sodass sie in Hinblick auf die Zielerreichung kaum evaluierbar sind. Und was auch fehlt, ist häufig ein Wirkmodell, wie klassische F&E Förderung eigentlich zur Erreichung solcher übergeordneten, gesellschaftlichen Ziele beitragen soll.

Friedemann Call vom Projektträger DLR präsentierte eine Evaluation aus Baden-Württemberg zu Maßnahmen im Bereich der Klimaanpassung. Interessant war z.b., dass hier eine ganze Reihe von Maßnahmen schon seit längerer Zeit gefördert werden, während eine übergreifende Strategie auf Landesebene erst nachträglich beschlossen wurde. Entsprechend schwierig war es, hier wieder den Bezug zwischen übergreifender politischer Zielsetzung im Bereich gesellschaftliche Herausforderungen und konkreter Projektförderung zu operationalisieren.

Der letzte Beitrag von Norbert Knoll (AWS) beschäftigte sich mit den Folgen der Digitalisierung auf das Fördergeschäft. Im Moment geht es hier vor allen Dingen um eine Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung. Inwiefern hier mittelfristig auch neue Monitoringdaten erzeugt werden, die langfristig bestimmte Evaluationsinhalte versetzen, konnten wir in der Diskussion nur anreißen.

In der abschließenden Diskussion brachten die deutschen Teilnehmer zunächst einmal den Eindruck ein, dass vieles in Österreich doch anders läuft, vermutlich auch bedingt durch die etwas zentralen Strukturen, die sich aus den beiden Agenturen FFG und AWS ergeben. Andererseits ist dann die Evaluationspraxis, sind die Evaluationsberichte in Österreich gar nicht so viel anders als die in Deutschland.