Dienstag, 21. April 2020

Innovationspolitik und COVID 19 II

Fakten, Fakten, Fakten: Zahlen spielen in der aktuellen Diskussion rund um Corona und seine Folgen eine dominante Rolle - sei es bei der Frage danach, wie groß die Bedrohung (noch) ist, welche Effekte die beisherigen Maßnahmen gebracht haben, oder nun auch, ob die Lockerungen der Maßnahmen nicht zu einem Wiederanstieg der Fallszahlne führt.

So viele Graphiken und Datenanalysen wie in den letzten 6 Wochen habe ich in der normalen Medienberichterstattung bislang kaum zu einem anderen Thema gesehen. Und trotzdem scheint es immer noch nicht genug zu sein. Empirisch basierte Informationen sind eher noch Mangelware, noch wissen wir wohl zu wenig und sind zumindest zum Teil zu einem Blindflug durch die Krise verdammt.

Das gilt wahrscheinlich auch für die Krise des innovationssystems, vor dem wir stehen dürften. Auch hier wissen wir noch sehr wenig. In meinem letzten Blogbeitrag hatte ich erste Informationen verlinkt, die auf die Erfahrungswerte frühere Krisen verweisen, z.B. diese Studie vom Stifterverband. Die Krise von 2008 war anders, aber doch einer der wenigen empirischen Anhaltspunkte dazu, wie wir dieses Mal mit unserem Innovationssystem durch die Krise kommen.

Spezifisch für Deutschland liegen mindestens zwei Studien vor, die Auswirkungen auf das Innovationssystem untersucht haben.

Das DIW hat 2011 eine Studie zur deutschen forschungsintensiven Industrie in der Finanzkrise veröffentlicht und kommt damals zu dem Schluss, dass aufgrund der vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente die Belegschaft auch in der Krise kaum reduziert wurde und daher das Wiederhochfahren deutlich leichter möglich war als in anderen Ländern. Kurz nach der Krise ging das DIW davon aus, dass die forschungsintensiven Industrien vermutlich gestärkt aus der Krise hervorgehen dürften.

In einem Artikel aus dem Jahr 2015 beschreiben Martin Hud und Katrin Hussinger die Rolle staatlicher FuE-Förderung auf FuE-Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland während der Krise. Sie kommen zu dem Schluss, dass die staatlichen FuE-Finanzierungen in den Krisenjahren von den KMU genutzt wurden, um FuE aufrecht zu halten und die freiwerdenden Mittel z.B. in den Erhalt der Belegschaft zu stecken. In diersem Sinne hat die ausgeweitete Förderung das Innovationssystem stabilisieren können und die schnelle Erholung anschließend begünstigt.

International dürfte sich das innovationspolitische Verhalten unterschiedlich zeigen, zumindest legt auch das der Blick vergelichender Studien zur Finanzkrise 2008  nahe. Nach einer Studie des ZEW aus dem Jahr 2018 haben in Europa vor allem die besonders innovationsstarken Länder eine antizyklische Politik umgesetzt, in der Krise also durch zusätzliche staatliche FuE-Mittel die rückläufigen rpivaten FuE-Investitionen ausgeglichen, während die schwächeren Länder prozyklisch auch die staatlichen FuE-Investitionen zurückfuhren. In der KOnsequenz haben sich die Unterschiede der Leistungsfähigkeit der Innovationssysteme mit der Krise weiter verstärkt.

Zu interessanten Schlüssen kam auch der OECD Outlook 2012. Demnach haben die jeweiligen Innovationssysteme alle unter den Folgen der Krise gelitten, allerdings in erhebliche unterschiedlichem Außmaß. Einige Länder Asiens haben strukturelle Vorteile sogar nutzen können, um sich im internationalen Wettbewerb weiter nach vorne zu arbeiten. Auch internationale Technologiekonzerne haben die Krise tendenziell zu ihren Gunsetn nutzen können. Ein innovativer Impuls im Sinne einer Schumpeterschen kreativen Zertsöhrung ist durch die Krise eher nicht ausgelöst worden, da die Zahl der Risikofinanzierungen ebenso abgenommen hat wie die der Unternehm,ensgründungen, die erhöhte Zahl der Unternehmensschließungen also nicht durch eine wachsende Zahl an innovativen Neugründungen ausgeglichen werden konnte.

Zur Situation von Startups während und nach der Krise gibt es auch weitere spezifische Unteruchungen:

Ein Diskussionspapier der Uni Luxemburg aus dem Jahr 2016 untersuchte, wie deutsche Startups 2008 durch die Krise kamen. Die Autoren formulieren die zentralen Ergebnisse wie folgt:

Empirical results show that crisis startup foundations in high-tech sectors are less likely to
introduce innovations to the market than ventures started in the pre-crisis period. Yet, the
degree of novelty of these product or service innovations is significantly higher as compared
to products and services introduced by start-ups founded in pre-crisis years. Moreover, we do
not find evidence for necessity entrepreneurship in German low-tech industries.


 Auch aus der Schweiz liegen empirische Befunde zur Auswirkung der Finanzkrise von 2008 auf Startups vor. Demnach sak die Zahl der Finanzierungsrunden nach 2008 signifikant, auch die Zahl der gescheiterten Startups nahm deutlich zu. Die Gesamtzahl der Gründungen aber blieb relativ konstant.

jetzt wird es darum gehen, die aktuelle Krise und ihre Auswirkungen möglichst gut zu erfassen. Auch hier hatte ich im letzten Beitrag auf erste Erhebungen verwiesen, die gerade angelaufen sind. Seitdem bin ich über ein schönes Beispiel des ZEW gestoßen, die mit einem neuartigen Ansatz der Analyse von Websites von Unternehmen versuchen, die Auswirkungen von Corona auf die Wirtschaft quasi in Echtzeit zu tracken.

Es bleibt spannend und wird viel Futter geben für weitere Blogbeiträge.

Update 22.4.2020:

Seit gestern abend habe ich einen weiteren relevanten Beitrag von AIT und ZEW gefunden,der einen sehr guten Überblick über die vorhandene Literatur zu vergangenen Krisen und Schlussfolgerungen bietet, was dies für die aktuelle Corona-Krise bedeuten könnte bzw. was diesmal vielleicht anders ist. Frau Peters (ZEW) und Herr Dachs (AIT) fassen die zentralen Ergebnisse wie folgt zusammen:

  •  „Vergangene Krisen zeigen, dass sich die F&E-Ausgaben von Unternehmen insgesamt prozyklisch entwickeln, Unternehmen also in der Rezession weniger für F&E ausgeben.
  • Gründe  für  prozyklische  F&E-Ausgaben  sind  Schwierigkeiten,  F&E  zu  finanzieren,  sowie  unsichere Zukunftserwartungen. Sie lassen die Unternehmen zweifeln, ob während einer Krise neue Produkte am Markt nachgefragt werden.
  • Es gibt allerdings auch Unternehmen, die die Krise als Chance sehen. Etwa ein Drittel der deutschen Unternehmen haben ihre Innovationsausgaben während der Finanzkrise von 2008/09 antizyklisch erhöht. Auch die aktuelle Krise wird viele Unternehmen zwingen, neue Lösungen zu entwickeln.
  • Fraglich ist allerdings, ob die Unternehmen die freien Kapazitäten für Innovation im „Home Office“ nutzen können. Innovation ist vielfach an technische Ausstattungen wie etwa Labore und Werkstätten gebunden und oft das Ergebnis der Zusammenarbeit mit externen Partnern, von denen viele – wie etwa Universitäten – derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind.
  • Studien zeigen, dass innovative Unternehmen während einer Rezession deutlich weniger Beschäftigung abbauen als Firmen ohne Innovationen. Das Ziel der Forschungs- und Innovations-politik  in  der  Krise  muss  es  deshalb  sein,  zu  verhindern,  dass  Unternehmen  ihre  Innovationsaktivitäten  einstellen.  Direkte  und  indirekte  Finanzierungsinstrumente  können  helfen,  Liquiditätsengpässe  für  Innovationsprojekte  insbesondere  bei  kleinen  und  mittleren  Unternehmen (KMU) zu überwinden und Zukunftserwartungen zu stabilisiere“

Ich würde noch die ebenfalls im Artikel zitierte Erkenntnis ergänzen, dass Unternehmen, die sich aufgrund von Krisen einmal aus einer FuE-Tätigkeit verabschiedet haben, nur schwer wieder in FuE zurückkommen. Es kommt also darauf an, möglichst wenige zu verlieren. Die einschlägige Quelle ist hier meiner Meinung nach Rammer / Schubert (2016)
 

Donnerstag, 9. April 2020

Innovationspolitik und COVID 19

Deutschland steht still - das Coronavirus hat das Land, hat die ganze Welt fest im Griff und verändert die Voraussetzungen für alle möglichen Politikfelder, auch für die Innovationspolitik. 

Vor ein paar Wochen, als der Virus noch weit weg schien, ein Ereignis im fernen China, schauten deutsche Medien noch in einer Mischung aus Faszination und Skepsis auf die Reaktionen der chinesischen Regierung auf den Krankheitsausbruch. Der starke Überwachungsstaat schien seine Potentiale voll ausspielen zu können, der breite Einsatz von Überwachungstechnologie, Handy Tracking, Big Data und künstlicher Intelligenz ein wirksames Rezept gegen die Ausbreitung des Virus und für die Bekämpfung seiner Folgen zu sein. Technik als Mittel der Wahl eher automatischer bis diktatorischer Regime bei der Bekämpfung der Krankheit. Aber so einfach ist das heute schon nicht mehr...

Mittlerweile ist das Virus mit voller Wucht nach Deutschland gekommen, nun dominieren andere Themen die Diskussion. Praktisch alle Energie richtet sich forschungs- und innovationspolitisch darauf, die Ressourcen der Gesundheitsforschung zu mobilisieren und mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu versorgen. Die Europäische Kommission, die Bundesregierung, Regierungen weltweit finanzieren jetzt mit Hochdruck Forschungsprojekte, um schnell Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln, die Testmöglichkeiten auszuweiten und einfach schneller und besser zu verstehen, wie das Virus funktioniert und wie man es stoppen kann. Innovationspolitik scheint heute fast ausschließlich Gesundheitspolitik zu sein.

Gleichzeitig wird das Alltagsleben komplett umgekrempelt, was ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf innovationspolitike Themen haben dürfte. So ist mit der Schließung von Schulen und Universitäten der Bedarf nach digitaler Bildung plötzlich riesengroß. Und das in einer Zeit, in der die Digitalisierung von Bildung nur in kleinen Schritten, Stück für Stück vorangetrieben wurde, da ja keiner ahnen konnte, das plötzlich der Ernstfall da ist. Pilotprojekte für digitale Bildungsinhalte wie das des Hasso-Plattner-Instituts werden plötzlich maximal skaliert, das kommende Sommersemester zu einem komplett digitalen Semester umdefiniert.

Mit etwas Erfindungsreichtum und der Nutzung der vorhandenen, oft kommerziellen Tools ist plötzlich möglich, was bislang undenkbar schien. Allerdings ist dabei viel Improvisation und Leidensfähigkeit gefragt. Spätestens nach der Krise wird die Infrastruktur massiv ausgebaut werden müssen, wenn jetzt erleben plötzlich alle, dass die vorhandenen Kapazitäten für den Echtbetrieb kaum reichen, weil Bandbreiten für Videokonferenzen nicht ausreichen oder dauernd zusammenbrechen. 

Geschlossene Universitäten sind ein weiteres Ergebnis der Corona-Pandemie. Das betrifft Studentinnen und Studenten, vor denen ein sogenanntes digitales Sommersemester liegt. Und das gilt vermutlich auch früher den Forschungsbetrieb der zumindest in Teilen im Moment ruhen dürfte, abgesehen von der Forschung an Wirkstoffen, an Studien zu Ausbreitungsszenarien der Krankheit und ähnlicher Gesundheitsforschung. Von einem Normalbetrieb in deutschen Universitäten ist zurzeit nicht auszugehen. Eine Momentaufnahme vom aktuellen Forschungsbetrieb liefert diese Reportage des Deutschlandfunk. 

Auch die Expertenkommission Forschung und Innovation EFI fordert ganz aktuell, den veränderten Forschungsbedingungen der Universitäten Rechnung zu tragen und hier z.B. förderpolitisch nachzurüsten. Zumindest mit Blick auf BAföG und Wissenschaftszeitvertraggesetz hat die Politik bereits reagiert. aber ob das Forschungssystem nicht nachhaltiger beeinträchtigt sein wird, wissen wir noch nicht. 

Auch die Digitalisierung des Arbeitslebens schreitet in geradezu rasender Geschwindigkeit voran. Home-Office wird (scheinbar) zum Normalfall, Videokonferenzen ersetzen Präsenztreffen, Verwaltungsprozesse müssen plötzlich mit digitalen Unterschriften statt papierbasiert ablaufen. Allerdings ist nicht jede Tätigkeit ins Home Office auslagerbar und viel muss schnell improvisiert werden. 

Wer hier mit der Digitalisierung schon vor der Krise begonnen hatte, ist eindeutig im Vorteil. Der Blick auf die große Finanzkrise des Jahres 2009 zeigt übrigens, dass stärker digitalisierte Unternehmen besser durch die Krise gekommen sind als weniger digitalisierte. Ich kann mir gut vorstellen, dass das für Corona-Zeiten ebenso gilt.

Wie Deutschlands Unternehmen durch die schwere Wirtschaftskrise gehen könnten, die uns erwartet, lässt sich möglicherweise auch in anderer Perspektive aus dem Blick zurück auf die Krise 2007 2008 lernen. Damals waren die Forschungsaufwendungen nicht in gleichem Maße zurückgegangen wie die wirtschaftsleistung, auch FuE-Beschäftigten wurden nicht in größerem Umfang entlassen. Sollten die Unternehmen heute eine ähnliche Strategie fahren und ihre Innovationsfähigkeit erhalten wollen, so lässt dies für das deutsche innovationssystem hoffen. Andererseits sind die Herausforderungen heute andere als in der damaligen Finanzkrise. Auch hier fehlen uns noch wichtige Informationen über das veränderte innovationsverhalten. Das BMWi versucht gerade, zumindest für KMU ein besseres Bild zu gewinnen.

Ebenso zeigt der Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, dass die Anzahl der Patente damals dauerhaft zurückging, dass aber die weiterhin publizierten Patente breit rezipiert wurden und auch die überlebenden, eher größeren Unternehmen einer betroffenen Region von den Innovativen der stark leidenden Unternehmen profitierten, dass es aber keinen Brain Drain raus aus der Region gab. Ist das für die aktuelle Situation zu übertragen?

Auch in der aktuellen Krise scheinen Startups besonders betroffen zu sein. Zumindest ist die Sorge bei jungen Unternehmen aktuell besonders groß, die Pandemie und die damit ausgelösten wirtschaftlichen Turbulenzen nicht zu überleben. 70 Prozent der Startups fürchten nach einer aktuellen Umfrage um ihr Überleben. Finanzinvestoren wollen sich tendenziell eher zurückhalten, die Rettungsmaßnahmen für etablierte Unternehmen sind nur sehr eingeschränkt hilfreich. Die Bundesregierung hat darum bereits mit neuen Maßnahmen versucht, hier nachzusteuern und den Startups schnell zu helfen. Allerdings verweisen erste Kommentatoren auch darauf, dass einige der großen "Startups" von heute wie Airbnb oder Über gerade in der Finanzkrise 2008/2009 gegründet wurden. 

Alllerdings scheint die Krise auch viel kreative Energie freizusetzen und, wie die
Hackathons weltweit zeigen. In Deutschland wurde vor zwei Wochen gleich der größte Hackathon weltweit organisiert. Die riesige Zahl an Teilnehmenden forderte von den Organisatoren zwar hohes Improvisationstalent, war aber keine unlösbare Herausforderung. Die mediale Resonanz auf den Hackathon war groß, jetzt kommt es darauf an, dass aus den besten Ideen auch reale Lösungen werden. 

Wer genügend Zeit mitbringt, kann sich auf YouTube die 1200 Videos der Hackathon-Projekte anschauen. Bei 2 Minuten pro Erklärvideo hat man schon nach 40 Stunden den kompletten Überblick. Adressiert wurden die unterschiedlichsten Probleme. Das Tracking von potenziell Infizierten, die Rettung lokaler Geschäfte per Spende oder Online Bestellung, die Erfassung von Krankenhausbetten-Kapazitäten oder digitale Bildungsangebote.

Der Ansatz würde in vielen Ländern gewählt, es gab Hackathons in Estland, in Norwegen, in der Schweiz, als internationaler Hackathon oder in Österreich. Und mittlerweile gibt es auch zu Spezialthemen neue Hackathons, so z.B. zur Digitalisierung der Hochschullehre, um hier den schnellen Bedarf durch neue Lösungen besser decken zu können.

Viele der angedachten Lösungen sind sicher eher Workarounds, also "Problemumgehungen". Solange damit aber reale Probleme gelöst werden, kann man das nur sehr begrüßen. Es gibt tolle Berichte - so wurden Tauchermasken des Sporkaufhauses Decathlon zu Atemgeräten umfunktioniert.

Noch ist also offen, ob Corona der Auslöser für ein großes Startup-Sterben wird oder im Gegenteil kreative Ideen und Neugründungen beflügelt. Vermutlich beides, aber was heißt dies für das gesamte innovationssystem?

Technik wird auf jeden Fall auch in Deutschland in den nächsten Wochen eine entscheidende Rolle spielen. Schon jetzt ist die Diskussion um digitale Lösungen zur Eindämmung der Pandemie entfacht, mittlerweile wird auch in Deutschland mit den neuen Meldungen um eine Corona-App die Hoffnung verbunden, dass jetzt der Ausstieg aus dem Lockdown beginnen kann. die technischen grundlagen scheinen gelegt, was fehlt ist nur noch die entsprechende App im Shop und dann Ruhe nutzerzahlen, damit das ganze auch funktioniert.

Jetzt hat das Robert-Koch-Institut aber erst einmal eine sogenannte Datenspende-App, die Daten von Fitnessarmbändern und ähnlichen Gadgets nutzt, um flächendeckend den Fieberstand der Bevölkerung und damit die Ausbreitung der Krankheit berechnen zu können.

Letztlich bleibt die Nutzung dieser und anderer Überwachungstechnologien aber eine Gratwanderung. Während Europa einen vorsichtigen Weg gewählt hat und entsprechende Technologien hier behutsam und auf der Grundlage von Freiwilligkeit nutzen möchte, gehen andere Länder deutlich rigoroser vor. Das Magazin Ada hat die verschiedenen Ansätze sehr schön dargestellt und auch die diversen Überwachungs-Allmachts-Phantasien nicht vergessen.

Es gäbe noch sehr viel mehr Themen zu diskutieren, z.b. die Frage, wie sich der Wissenschaftsjournalismus durch die aktuelle Krise verändert. Ein besonderes Phänomen ist sicher der Podcast von Christian Drosten, der als herausragend gilt (und den ich die letzten Wochen auch praktisch ohne Pause gehört habe) Interessant ist auch die kritische Kommentierung von Medienberichten zur Krise, die nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert und undifferenziert seien.

Aber auch sonst ist ein besonderer Augenmerk auf wissenschaftliche Politikberatung festzustellen. Die New York Times beschreibt, dass nicht nur in Deutschland Wissenschaftler wie Herr Drosten zu zentralen Figuren des öffentlichen Diskurses werden. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass dies fast nur für die Länder gilt, in denen das Vertrauen in Wissenschaft und wissenschaftliche Politikberatung sowieso schon groß war.

Corona bleibt für mich ein unberechenbarer Faktor, der Systeme durcheinander wirbelt und dessen Auswirkungen wir heute noch nicht kennen. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn sich fast alle Gespräche - privat wie im Beruf - nur noch um dieses eine Thema drehen, und trotzdem bleibt der Blick sehr auf die aktuelle Krisenbewältigung geheftet, die langfristigen Konsequenzen sind nicht im Blick. 

Wir sollten schon jetzt beginnen, uns mit dieser Perspektive zu beschäftigen. Zum Teil fehlen uns dafür jetzt noch die notwendigen Informationen, zum Teil der richtige Abstand. Aber wir müssen dann bleiben.

Update: Mittlerweile sucht auch die OECD nach mehr Evidenz zu den Auswirkungen von CORONA auf das Wissenschaftssystem und hat eine entsprechende Umfrage gestartet