Sonntag, 25. Dezember 2016

Vertrauen?

Das Jahr 2016 neigt sich seinem Ende zu und allgemeine Unsicherheit scheint vorzuherrschen. Die Demoskopen waren scheinbar nicht in der Lage, den BREXIT und den Sieg Donald Trumps vorherzusagen, außerdem haben falsche Nachrichten, durch Hacker veröffentlichte geheime E-Mails  und durch Social Bots generierte Kampagnen in sozialen Medien das Manipulationspotential digitale Diskurse deutlich gemacht. Kann man denn niemandem mehr vertrauen?
Vertrauen scheint zum Schlüsselbegriff zu werden, mindestens drei verschiedene Stränge der Diskussion sind mir in den letzten Tagen aufgefallen.

Zunächst geht es um das notwendige Vertrauen zwischen Personen bei Geschäften im Internet. Das ist eine Herausforderung, der sich auch normale Marktplätze im Internet wie eBay stellen müssen. Über die gegenseitige Bewertung von Verkäufern und Käufern zum Beispiel wird dieses Vertrauensproblem gelöst. In China scheint eine ziemlich radikale Lösung in der Diskussion zu sein. Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, dass es in China kein System der objektiven Prüfung der Kreditwürdigkeit gibt, wie z.B. in Deutschland das Schufa-System. Hierfür hat der "allmächtige" chinesische Staat nun eine patente Lösung parat. Der Economist schreibt in einer seiner neuesten Ausgabe über ein sogenanntes social-credit System in China, dass einem digitalen totalitären Staat eine perfekte Grundlage bieten würde. Zwar gibt es noch eine offen ausgetragene Diskussion innerhalb Chinas, was dafür spricht, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Aber sollte das kommen, wäre es schon eine ziemlich "schöne neue Welt".

Auch in den Ländern des alten Westend ist die Vertrauensfrage noch nicht abschließend gelöst. Hier verspricht die neue Technologie Blockchain eine interessante Lösung. Blockchain kann dazu dienen, Vertrauen ohne den lästigen und teuren Mittler Bank herzustellen und bedroht so das Kerngeschäft genau diese Banken. Ein Artikel des World Economic Forum darüber, wie Blockchain das Alltagsleben in vielen anderen Feldern beeinflussen könnte, von öffentlichem Nahverkehr bis hin zur Energieversorgung, zeigt aber auch, dass Blockchain das Vertrauensdilemma ganz grundsätzlich lösen und so viele Lebensbereiche entinstitutionalisieren könnte.

Zu guter Letzt: Nachdem Postfaktisch das Wort des Jahres wurde, passt dieser Chanson des Monats von Thomas Pigor zur schwindenden Wirkung von Zahlen, Daten und Fakten.

 

Montag, 12. Dezember 2016

Trendbarometer junge IKT Wirtschaft 2016

Während die Gründungszahlen in Deutschland weiterhin stagnieren oder rückläufig sind, haben wir (Leo Wangler, Kristina Brylla und ich vom IIT sowie Christiane Kerlen) im Rahmen unserer Wirkungsanalyse des Gründerwettbewerbs Digitale Innovationen in der letzten Woche unser neues Trendbarometer Junge IKT-Wirtschaft veröffentlicht.


Für das aktuelle Trendbarometer des Gründerwettbewerb – Digitale Innovationen wurden erneut Gründer in 10 Themenbereichen nach ihrer Einschätzung des Gründungsgeschehens befragt: Auch wenn viele Start-ups die externe Finanzierung und die Mitarbeitergewinnung weiterhin als Herausforderung einschätzen, sind, ist ihre Zukunftserwartung insgesamt doch positiv. Chancen sehen viele Gründer bei der Einstellung von Mitarbeitern aus dem Ausland und beim Entstehen von Ökosystemen für Gründer in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München.
Deutschland verfügt über wachsende, international wahrgenommene Start-up-Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg, zeitweise konnte Berlin sogar den Titel einer europäischen Start-up-Hauptstadt für sich in Anspruch nehmen. Ein wichtiger Faktor hierfür ist der intensive Austausch zwischen den Start-ups und ihren Förderern in lebendigen Ökosystemen. Wie eng die Zusammenarbeit ist, zeigen einige Antworten der von uns befragten Unternehmen, zum Beispiel zum Erfahrungsaustausch über Köpfe. Immerhin 18 Prozent der Antwortenden kommen selbst aus einem anderen Start-up und konnten diese Erfahrung für die eigene Neugründung nutzen. Ebenso viele Unternehmen haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, die aus anderen Start-ups kommen.


Eine wichtige Erkenntnis bei der Analyse funktionierender Start-up-Ökosysteme ist, dass sie sich ab einem gewissen Punkt aus sich selbst heraus weiter stärken, da ehemalige Gründerinnen und Gründer nun in neue Start-ups investieren oder diese als Mentoren stützen. Relativ neu ist der Ansatz, Start-up-Metropolen international miteinander zu vernetzen, um im Sinne eines Positiv-Summen-Spiels Mehrwert für beide Seiten zu generieren. So kooperieren beispielsweise Berlin und Tel Aviv, um den Austausch von Ideen, Köpfen und Kapital zu beschleunigen. 49 Prozent der von uns Befragten sehen hierin eher eine Chance, nur 19 Prozent eher eine Gefahr für deutsche Gründungsstandorte.
 
Das sind die zehn Thesen, die wir im Rahmen des Trendbarometers überprüft haben:
  1. Das aktuelle Geschäftsumfeld hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht verschlechtert, die Erwartungen an die zukünftige Auftragsentwicklung sind hingegen ungebrochen positiv.
  2. Der Erfolg des bisherigen Gründerwettbewerbs hat zu einer Fortsetzung mit neuer Ausrichtung auf „Digitale Innovationen" geführt.
  3. Trotz historisch niedriger Zinsen bestehen für Start-ups weiterhin schwierige Finanzierungsbedingungen.
  4. Mit neuen Instrumenten der Wachstumsfinanzierung hat die Bundesregierung attraktive Angebote für die junge IKT-Wirtschaft entwickelt, die nun in die Breite getragen werden müssen.
  5. Der Mittelstand entwickelt sich zu einem interessanten und relevanten Kooperationspartner für die junge IKT-Wirtschaft mit erheblichem Potenzial.
  6. Fachkräfte weiterhin gesucht – insbesondere Entwickler, Programmierer und andere IT-Spezialisten fehlen der jungen IKT-Wirtschaft.
  7. Die aktuelle Migration nach Deutschland wird von der jungen IKT-Wirtschaft überwiegend als Chance wahrgenommen.
  8. Enge Verflechtungen in Start-up-Ökosystemen stärken den Gründungsstandort Deutschland zunehmend.
  9. Die Kooperation zwischen internationalen Start-up-Zentren wird als positiver Trend gesehen.
  10. Die Geschäftsmodelle der jungen IKT-Wirtschaft sind zukunftsweisend auf die Plattformökonomie ausgerichtet. Digitale Plattformen werden von den jungen IKT-Unternehmen überwiegend als Chance für das eigene Geschäftsmodell verstanden.

Freitag, 9. Dezember 2016

Magischer Digitalismus und Donald Trump

Hat schon mal jemand den Begriff "magischer Digitalismus" gehört? Ich bin erst kürzlich zum ersten Mal darüber gestolpert, und zwar in einem sehr lesenswerten Beitrag der Spiegel-Kolumne von Sascha Lobo. Es geht dabei um eine aufgeregte Diskussion in deutschen Medien rund um einen Beitrag des Schweizer Magazins, in dem die Praktiken einer datenbasierten Beratungseinrichtung im amerikanischen Wahlkampf debattiert wurde.

Viele hatten sich ja in der Zwischenzeit kritisch dazu geäußert, darunter "Gründerzeit" als Sprachrohr der Gründerszene. Die Plattform Carta meint in einem Beitrag, einen datengetrieben Mikro-Wahlkampf hätte es doch schon lange gegeben. In einem anderen Beitrag stellt sie die Wirksamkeit selbst in Frage bzw. fragt hier, was Psychologen wohl zu den angeblichen Persönlichkeits-Analysetechniken sagen. Die Seite "Netzpolitik" hat vorsorglich schon mal die deutschen Parteien befragt, ob sie vorhaben, ein solches "Wähler-Targeting" einzusetzen. Die Zeit hat sich dazu geäußert, der Spiegel und so weiter.

Sascha Lobo nun meinte, dass hinter der aufgeregten Diskussionen mal wieder ein Unverständnis digitaler Technologien stecke. Diesen würden erneut geradezu magische Fähigkeiten zugeschrieben, was die Durchleuchtung jedes einzelnen angehe genauso wie die Möglichkeiten der Manipulation.

Tatsächlich scheint die deutsche Bevölkerung ein wenig verunsichert zu sein ob der Möglichkeiten, die digitale Technologien bei der Beeinflussung, Verfälschung und Verdrehung von Tatsachen wie auch der Provokation von hasserfüllten Diskussionen bieten.

Schon länger gährt in Deutschland z.B. die Debatte um Filterblasen und Echokammern, in denen der arme Leser soziale Medien gefangen ist und nur noch das mitbekommt, was er sowieso schon weiß und immer dachte. Die Wissenschaft ist zwar mehr als unsicher ob es diese Filterblasen im beschriebenen Ausmaße tatsächlich gibt. Zumindest scheint der Effekt nicht unbedingt etwas mit Technologie zu tun haben, sondern eher in der Natur des Menschen begründet zu sein, und vermutlich dürften Filterblasen im deutschen Kontext, in dem sich die Menschen (noch) etwas anders informieren als in den USA, noch weniger wirksam sein.

Im deutschen Kontext spielte dann auch das Thema Social Bots eine Rolle, das nach einer Meldung über den drohenden Einsatz durch die AfD schnell in den politischen Diskurs aufgenommen wurde.  

Ein Thema, was in diesem Zusammenhang bislang nicht angesprochen wurde, betrifft den Einfluss von außen mit illegal erworbenen Informationen. Im amerikanischen Wahlkampf hatte es ja lange Zeit die Sorge vor massiven Störungen durch Russland gegeben. Und tatsächlich tauchten reihenweise Informationen auf, die nur durch Hacker-Angriffe besorgt werden konnten. Sie betrafen immer Hillary Clinton, und der Verdacht wurde in mehreren Artikeln gelehrt, dass dahinter der russische Geheimdienst stecke. War das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und Hillary den Sieg kostete? Ist vielleicht auch der deutsche Bundestagswahlkampf bedroht?

Hysterie und echte Herausforderung scheinen eng beieinander zu liegen.

P.S. kurz nachdem ich diesen Blog veröffentlicht habe, ist gerade das Thema der russischen Einflussnahme omnipräsent in der deutschen Medien Berichterstattung. Und auch die Diskussionen um Cambridge Analytics und andere Möglichkeiten der Manipulation sind weiterhin breit diskutiert, wie zum Beispiel dieser lesenswerte Artikel zeigt, drr einige Annahmen über Gerüchte im digitalen Zeitalter in Fragen stellt.

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Neues von der Gründungsfront

In den letzten Wochen ist wieder eine Reihe von neuen Studien über Startups und Gründer erschienen, über die es sich zu bloggen lohnt. Nicht dass sich besonders viel Sensationelles getan hätte. Zumindest für Deutschland gilt weiterhin, eine echte Dynamik und Steigerung der Gründungszahlen ist nicht zu erwarten. Aber trotzdem, ein paar Details sind durchaus interessant.

Zum Beispiel wurde im November der European Startup Monitor veröffentlicht, der in den meisten europäischen Ländern ein stärkere Internationalisierung der Gründung beobachtet. Deutlich mehr Gründer haben eine andere Nationalität als die des Landes, indem sie gründen. Eine stärkere Internationalisierung lässt sich auch für Deutschland beobachten, wie der ebenfalls vor kurzem erst veröffentlichte Deutsche Startup Monitor fest stellt, hier allerdings insbesondere für die stärker internationale Belegschaft der Startups. Und auf diesem Zug sind ja auch eine Reihe von Initiativen aufgesprungen, die, wie zum Beispiel in Berlin, Gründer weltweit vernetzten und für ihren jeweiligen Standort gewinnen wollen.

Erst in der vergangenen Woche hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine neue Studie veröffentlicht, die zeigt, wie Gründung aktiv die Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland sind. Ein Kollege von mir war auf der Veranstaltung, auf der die Studie präsentiert wurde. Er war insbesondere beeindruckt von den persönlichen Berichten einiger Gründerinnen und Gründer, die auf der Veranstaltung auftraten. Die Botschaft wird in Deutschland gern gehört, wie diverse Medienberichte über die Studie zeigen, ich zum Beispiel hier im Spiegel oder auf bento. Allerdings muss man auch sehen, dass die allermeisten Gründungen von Personen mit ausländischer Herkunft in Deutschland im Bereich Handel oder Dienstleistungen liegen, also nicht unbedingt bei den Hochtechnologien. Aber das ist natürlich auch für deutsche Gründerinnen und Gründer so. Würde man die leicht ansteigende Zahl der ausländischen Gründungen aus der Gesamtzahl herausrechnen, so wäre der deutsche Gründungstrend übrigens noch negativer.

Lustig fand ich, wie der deutsche Startup Monitor aus der wachsenden Zahl an Startups, die er mittlerweile auf seinem Radar hat, auf eine Diversifizierung der Szene schließt. Aus eine Dominanz weniger Gründungsmetropolen wie Berlin und München wird jetzt eine vielfältige Landschaft, die sich über diverse Städte in ganz Deutschland erstreckt. Mir scheint dies eher eine Frage der Methodik und der damit erreichten Grundgesamtheit zu sein als tatsächlich ein Indiz für einen Trend hin zu einer vielfältigeren Szenen. Andere Medien jedoch machen daraus den Aufruf an potentielle Gründerinnen und Gründer, nicht nach Berlin zu gehen, sondern nach zum Beispiel Aachen.

Und tatsächlich ähnlicher praktisch flächendeckend alle Kommunen, Regionen, Länder und Staaten darum, ihre lokale Gründerszene zu stärken. Ob das aber manchmal vergebliche Liebesmüh ist, fragt sich die nachfolgende Studie, die Faktoren zur Gründungsneigung untersucht hat und zu dem Schluss kommt, dass der familiäre Hintergrund, aber sogar auch grundsätzliche Dispositionen die Gründungsneigung befördern sollen. Zum Gründer geboren? Dann wäre möglicherweise tatsächlich so manche politische Initiative vollkommen vergeblich, weil an ein Zielpublikum gerichtet, dass nie zum Gründer entwickelt werden kann. Und dann wäre natürlich auch der letzte Hoffnunganker ein Zuzug vieler gründungsgeeigneter Menschen.

Ich vermute hinter den unterschiedlichen Gründungsdynamiken ja eher systemische Faktoren, die von Arbeitsmarktregelungen über kulturelle Wertungen hinsichtlich der Selbständigkeit bis hin zu vorherrschenden Branchenstrukturen reichen. Und außerdem lässt sich zumindest für die westlichen Industrieländer auch ein ziemlich ähnlicher Trend, wenngleich auch von einem unterschiedlichen Ausgangsniveau, beobachten. Nämlich der Trend nach unten.

Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung von Innovationsökonomen, die darin zum Teil einen weiterer Beleg dafür gesehen haben, dass wir es tatsächlich mit so etwas ähnlichem wie einer sekulären Stagnation zu tun haben, dass also der Innovationsmotor insgesamt mehrere Gänge zurückgeschaltet hat. Am zurückgehende Produktivitätswachstum können man das gut festmachen.

Womit ich bei meinem letzten Thema wäre. Die OECD hatte im vergangenen Jahr dem Produktivitätswachstum eine eigene größere Studie gewidmet. Bislang ist sie in deutschen Medien nur wenig rezipiert worden, gerade erst habe ich einen Artikel im Economist gelesen, der jetzt, ein Jahr später, auf diese Studie verweist. Und auf der eben erwähnten Veranstaltung war auch ein Vertreter der OECD, der seine persönliche Meinung zum rückläufigen Produktivitätswachstum und insbesondere zur rückläufigen Innovationsneigung deutscher mittelständischer Unternehmen kundtat. Seiner Meinung nach könnte dies auch durch den zu schwachen Innovationsdruck auf deutsche Unternehmen kommen, der insbesondere in den letzten 10 bis 15 Jahren durch den Euroraum und den daraus für deutsche Unternehmen stehenden Wettbewerbsvorteil entstanden ist. Fehlt es also an Krisen, um wieder innovativ zu werden? Dann wären ja die letzten Meldungen aus Wolfsburg und anderen automobilen Zentren eher Anlass zur Hoffnung. Aber das ist dann doch irgendwie paradox.